Aktuelle Pressemitteilungen

Mit personalisierter Medizin gegen Depressionen

Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. Die aktuelle Standardtherapie mit Psychotherapie und/oder Antidepressiva führt nur bei der Hälfte der Betroffenen zu einer schnellen und erheblichen Besserung der Symptomatik. Mit personalisierter, prädiktiver, präziser und präventiver Medizin sollen mehr Menschen mit Depressionen effektiver behandelt werden können und durch einen schnelleren Rückgewinn an Lebensqualität das Risiko eines chronischen Verlaufs verringert werden. Das Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 10 Millionen Euro gefördert.

 

Mitarbeiterin im Labor des ZEP
Bestimmung der Medikamentenspiegel mittels Massenspektrometrie zur personalisierten Psychopharmaka-Therapie (copyright Caro Weiß / UKW)
Gebäudeansicht der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. © Thomas Pieruschek / UKW

Mit Biomarkern individuelle Diagnose- und Therapiewege finden. Was in der Onkologie bereits funktioniert, soll auch in der Psychiatrie möglich werden. Ein nationaler Forschungsverbund will die Behandlung von Depressionen stärker als bisher auf den einzelnen Patienten oder die einzelne Patientin zuschneiden. Das Projekt mit dem Titel „Personalisierte, prädiktive, präzise und präventive Medizin zur Verbesserung der Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Prävention depressiver Erkrankungen“ (P4D) hat das Ziel, individualisierte Behandlungsansätze zu entwickeln. Während Patienten und Patientinnen mit Depressionen bislang alle nach dem gleichen Schema behandelt werden, soll im Rahmen von P4D passgenau bestimmt werden, welche Therapie für wen die richtige ist.

Aktuell kann einem Teil der depressiv erkrankten Menschen mit Standardtherapien nicht oder erst nach langfristiger Behandlung geholfen werden

Bislang werden Patienten und Patientinnen mit Depressionen üblicherweise mit Psychotherapie und/oder Antidepressiva behandelt, was jedoch nur bei etwa der Hälfte aller Betroffenen zu einer schnellen und erheblichen Besserung der Symptomatik führt. So wirkt das erste Antidepressivum, das im Rahmen einer Depressionstherapie verabreicht wird, nur bei jedem vierten bis fünften Er-krankten. Ebenfalls führen Antidepressiva teilweise zu starken Nebenwirkungen.

Dies liegt daran, dass sich hinter dem Krankheitsbild ‚Depression‘ auf neurobiologischer Ebene unterschiedliche Hirnfunktionsstörungen verbergen. Im Rahmen der P4D Studie, sollen diese pathologischen Strukturen identifiziert und basierend auf den zugrundeliegenden Mechanismen, maßgeschneiderte Diagnose- und Behandlungsansätze entwickelt werden.
Statt wie bisher verschiedene Behandlungsverfahren auszuprobieren, soll es somit künftig möglich werden, schon zu Beginn der Depressionsbehandlung, für jeden Patienten und jede Patientin einen optimalen Behandlungsansatz festzulegen. Dadurch soll nicht nur erreicht werden, dass mehr Menschen mit Depressionen in Zukunft effektiver behandelt werden können, sondern auch, dass der schnellere Rückgewinn an Lebensqualität das Risiko eines chronischen Verlaufs der Depression verringert.

1.000 Betroffene werden an fünf Standorten in die P4D-Studie aufgenommen

Für P4D werden ab September 2023 rund 1.000 Patienten und Patientinnen an den fünf beteiligten Universitätskliniken in Hannover, Kiel, Greifswald, Würzburg und Frankfurt rekrutiert. Die Studie zeichnet sich dadurch aus, dass die stationären Probanden und Probandinnen umfassend untersucht und ganz unterschiedliche Parameter erfasst werden. Neben einer ausführlichen Untersu-chung und dem klinischen Therapieverlauf werden möglichst viele weitere Parameter, wie verschiedene Fragebögen zur Psychopathologie, Kernspintomografie, Elektroenzephalografie, kognitive Tests, Schlafanalysen und Blutproben erhoben und ausgewertet.

Mit Hilfe der erhobenen Daten soll anschließend durch maschinelle Lernverfahren die Unterteilung der Patienten und Patientinnen in diagnostische Untergruppen ermöglicht werden, die besonders gut auf bestimmte Behandlungsverfahren ansprechen. Die Projektbeteiligten sind davon überzeugt, dass Patienten und Patientinnen schon mittelfristig von den Forschungsergebnissen profitieren werden.

Vom BMBF mit zehn Millionen Euro gefördert 

An der Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit zehn Millionen Euro über fünf Jahre gefördert und von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geleitet wird, sind neben sieben Universitäten (MHH, Leibniz Universität Hannover, TU Braunschweig, Uni-versität Greifswald, Universität Würzburg, Universität Kiel, Universität Frankfurt) auch das Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und das bayerische Unternehmen BioVariance beteiligt. Es ist das in Deutschland bislang größte Forschungsvorhaben zur qualitativen Verbesserung der Depressionsbehandlung.

Weitere Informationen erhalten sie bei der Studienleitung des Würzburger Studienzentrums Prof. Dr. Stefan Unterecker und PD Dr. Heike Weber, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, P4D@ukw.de.
 

Mitarbeiterin im Labor des ZEP
Bestimmung der Medikamentenspiegel mittels Massenspektrometrie zur personalisierten Psychopharmaka-Therapie (copyright Caro Weiß / UKW)
Gebäudeansicht der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. © Thomas Pieruschek / UKW

Hermann Einsele hielt renommierte Emil-von-Behring-Vorlesung

Für seine hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten wurde Prof. Hermann Einsele auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung 2023 ausgezeichnet.

v.l.n.r. Axel Seltsam, Hermann Einsele und Rainer Blasczyk
Prof. Hermann Einsele vom Uniklinikum Würzburg (Mitte) wurde beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung ausgezeichnet. Es gratulierten DGTI-Vorstand Prof. Axel Seltsam vom Blutspendedienst Bayer. Rotes Kreuz (links) und Kongresspräsident Prof. Rainer Blasczyk vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering (rechts). © Conventus GmbH

Im Jahr 1901 erhielt der Immunologe und Serologe Emil von Behring für seine Entdeckung der körpereigenen Immunabwehr durch Antikörper und die daraus entwickelte Blutserumtherapie gegen Diphterie und Tetanus den ersten Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Dem Andenken Emil von Behrings stiftet die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) alle zwei Jahre die Emil-von-Behring-Vorlesung. Die mit 10.000 Euro dotierte Vorlesung ist eine der höchsten Auszeichnungen der DGTI. In diesem Jahr wurde Prof. Dr. Hermann Einsele die hohe Ehre zuteil, die Emil-von-Behring-Vorlesung auf der Eröffnungsveranstaltung des DGTI Jahreskongresses am 20. September in Berlin zu halten. 

Pionierarbeit auf dem Gebiet der Immuntherapien bei Krebserkrankungen

Prof. Dr. Herrmann Einsele ist Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Uniklinikum Würzburg (UKW) und Sprecher des neu gegründeten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT WERA. Gemeinsam mit seinem Team leistet der Hämatologe und Onkologe Pionierarbeit auf dem Gebiet der Immuntherapien bei Krebserkrankungen. Ein großer Schwerpunkt ist hier das Multiple Myelom, nach Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung. So wird in Würzburg das größte Myelom-Programm in Europa mit vielem klinischen Studien und Begleitforschung zu den neuesten Therapieformen wie CAR T Zellen und verschiedenen T Zell aktivierenden (bispezifischen) Antikörpern angeboten.

Offenes Rennen zwischen CAR-T-Zellen und Stammzellen beim Multiplen Myelom 

In seiner Emil-von-Behring-Vorlesung zeigte er die Entwicklungen auf „Von der Stammzell-Transplantation zur CAR-T-Zelltherapie am Beispiel des Multiplen Myeloms“. Er demonstrierte Vor- und Nachteile der beiden Therapieformen und ging der Frage nach, ob die CAR-T-Zelltherapie eines Tages die Stammzelltransplantation, die immer noch die erste potentiell kurative Immuntherapie ist, ersetzen kann. Das Rennen zwischen CAR-T-Zellen und eigenen (autologen) oder fremden (allogenen) Blutstammzellen sei bei der Behandlung des Multiplen Myeloms noch offen, De facto können die CAR-T-Zelltherapie noch viel von der allogenen Stammzelltransplantation lernen. Wichtig sei eine enge Kooperation zwischen Hämatologie und Transfusionsmedizin.

Hintergrund - Emil-von-Behring Vorlesung

Dem Andenken Emil von Behrings vergibt die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie alle zwei Jahre die Emil-von-Behring-Vorlesung an hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des In- und Auslandes, die auf den an die Transfusionsmedizin angrenzenden Gebieten Immunologie, Biochemie, Pathophysiologie, Virologie, Molekularbiologie und Mikrobiologie tätig sind. Die Firma CSL Behring stellt für die Auszeichnung gemäß Statuten jeweils 10.000 Euro zur Verfügung. Jedes Mitglied der Gesellschaft konnte bis zum 30.04.2023 Vorschläge zur Verleihung der Emil-von-Behring Vorlesung in schriftlicher und begründeter Form bei der Geschäftsstelle einreichen. Die Vergabe der Emil-von-Behring-Vorlesung wird von einer Kommission vorgenommen, die sich aus dem 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie als Vorsitzendem, einem für jede Vergabe vom Vorstand der DGTI neu zu bestellenden Mitglied der Gesellschaft und einem Wissenschaftler der Firma CSL Behring zusammensetzt.

Weitere Informationen zu Immuntherapien beim Multiplen Myelo

Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 7.000 Menschen die Diagnose Multiples Myelom. Dauerhaft geheilt werden kann diese Krebserkrankung, die von veränderten Plasmazellen im Knochenmark ausgeht, noch nicht. Denn auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie müssen die Betroffenen immer mit einem Rezidiv rechnen. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden.

Als große Hoffnungsträger gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Die Wahl der Immuntherapie und ihr Erfolg hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob, wie viele und welche Antigene sich auf der Krebszelle befinden.

Eine der vielversprechendsten Behandlungsmethoden gegen den Knochenmarkkrebs sind CAR-modifizierte Immunzellen. Bei der zellulären Immuntherapie wird den weißen Blutkörperchen unseres Immunsystems, den T-Zellen, auf die Sprünge geholfen. Dazu werden die T-Zellen gentechnologisch verändert und im Labor mit einem künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptor ausgestattet, dem Chimären Antigen Rezeptor, kurz CAR. Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen als lebendes Medikament dem Patienten zurückgegeben. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören.

Bei einer Antikörpertherapie werden den Betroffenen künstliche Proteine infundiert, die mit den körpereigenen Immunzellen reagieren, indem sie an ihr entsprechendes Antigen binden, und so letztlich zu einem besseren Anti-Tumor-Effekt führen. Bispezifische Antikörper können zeitgleich an zwei verschiedene Oberflächenmerkmale binden, mit dem einen Arm an das der Immunzelle, mit dem andern an das der Tumorzelle. Dadurch werden die Immunzellen sozusagen zur Tumorzelle geführt, die es zu vernichten gilt. 

v.l.n.r. Axel Seltsam, Hermann Einsele und Rainer Blasczyk
Prof. Hermann Einsele vom Uniklinikum Würzburg (Mitte) wurde beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung ausgezeichnet. Es gratulierten DGTI-Vorstand Prof. Axel Seltsam vom Blutspendedienst Bayer. Rotes Kreuz (links) und Kongresspräsident Prof. Rainer Blasczyk vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering (rechts). © Conventus GmbH

Zum Wohle von Mutter und Kind

Prof. Dr. Ulrich Pecks besetzt ab Oktober die Professur „Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft“ und leitet die Geburtshilfe am Uniklinikum Würzburg. Mit der Akademisierung der Hebammenausbildung soll Klinik, Lehre und Wissenschaft noch besser verzahnt und harmonisiert werden.

Porträtfoto von Ulrich Pecks, Leiter des Lehrstuhls Hebammenwissenschaft und der Geburtshilfe
Prof. Dr. Ulrich Pecks leitet ab Oktober 2023 den Studiengang Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft sowie die Geburtshilfe am Uniklinikum Würzburg. © Thomas Eisenkrätzer, UKSH

Die Begeisterung für die Geburtshilfe wurde bei Ulrich Pecks während seiner Ausbildung zum Krankenpfleger geweckt. Dort faszinierte und prägte ihn die enge Zusammenarbeit von Hebammen, Pflegekräften und Ärztinnen und Ärzten, die ein gemeinsames Ziel haben: Frauen in ihrer Schwangerschaft und rund um die Geburt zu stärken und zu begleiten. Die Gesundheit der Frauen vor, während und nach der Geburt wurde daher zu seinem großen Thema im späteren Medizinstudium, der Promotion und der Habilitation. Seine Ziele, sich für eine Familiengesundheit einzusetzen, haben sich weiter gefestigt. Für die Umsetzung böte die Universitätsmedizin Würzburg einen fruchtbaren Boden und mit seiner interdisziplinären Struktur und exzellenten Kolleginnen und Kollegen allerbeste Voraussetzungen. Er folgte dem Ruf der Universität Würzburg: Ab Oktober besetzt er den Lehrstuhl „Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft“ und leitet die Geburtshilfe in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg.

Lehre und Klinik auf wissenschaftlichem Boden harmonisieren 

„Vom ersten Kontakt an habe ich in Würzburg eine große Willkommenskultur erfahren und gespürt, dass die Mutter-Kind-Gesundheit nicht nur eine Formalie ist, sondern sowohl am Uniklinikum als auch in der Medizinischen Fakultät der Universität ein großes Bedürfnis besteht, hier etwas aufzubauen“, freut sich Prof. Dr. Ulrich Pecks, der zuvor die Geburtshilfliche Abteilung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Kiel geleitet hat und im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) ist. Der große Reiz seines künftigen Wirkungsfeldes in Unterfranken bestehe in der Verbindung zwischen dem Ausbau des Studiengangs Hebammenwissenschaft und der klinischen Leitung der Geburtshilfe. „Ich muss mich weder auf das eine noch auf das andere beschränken, sondern darf mit meiner Expertise alle drei Aspekte - die klinische Arbeit, die Lehre und die Wissenschaft – bestmöglich verzahnen.“ 

Die Strukturen in der Praxis seien vor allem in der deutschen Geburtshilfe oft noch fernab von dem was in der Schule gelehrt wird, und umgekehrt. Gerade mit der Akademisierung der Hebammenausbildung könne man diese Kluft sehr gut überwinden. In Mira Pflanz habe er vor Ort eine exzellente Studiengangleitung und Hebamme, mit der er diesen Gedanken gemeinsam angehen könne. Es sei bereits großartige Aufbauarbeit geleistet worden und es gebe viele weitere Ideen und Pläne. Unter anderem ist in Kooperation mit der Lehrklinik der Universität und der Studiendekanin Prof. Dr. Sarah König die Erstellung eines virtuellen Kreißsaals geplant, in dem Prozesse trainiert werden können, die später in der realen Betreuung bei der Geburt umgesetzt werden. „Auf die Überführung solcher Ausbildungs- und Trainingskonzepte in Zusammenarbeit mit den Hebammen im Kreißsaal, unserer leitenden Hebamme Marlene Winkler und kooperierenden Praxiseinrichtungen sowie Freiberuflerinnen freue ich mich ganz besonders,“ betont Ulrich Pecks.

Evidenzbasiertes Handeln 

In Würzburg wird der duale Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft seit dem Wintersemester 2022 angeboten. 23 Studierende pro Jahr absolvieren in insgesamt sieben Semestern die vom Hebammenreformgesetzt (HebRefG) vorgegebenen 2.200 Stunden in der Praxis und ebenso viele Stunden in der Theorie. Neben den auf die Hebammentätigkeit fokussierten Modulen, die in jedem Semester des Studiums stattfinden, studieren die werdenden Hebammen naturwissenschaftliche und medizinische Grundlagen wie Physiologie, Anatomie und Pharmakologie, werden in rechtlichen Grundlagen zum Gesundheitssystem und sozialwissenschaftlichen Aspekten wie Kommunikation und Ethik geschult und erwerben eine wissenschaftliche Kompetenz. Das heißt, sie lernen, sich kritisch und selbstständig mit der sich fortentwickelnden Studienlage auseinanderzusetzen und ihre Arbeit nach immer neustem Kenntnisstand Evidenz-basiert auszurichten. Zudem lernen sie, Kommunikation und Beziehungsgestaltung professionell und partnerschaftlich umzusetzen und ihr Handeln und ihre Rolle in der Versorgung und im interdisziplinären Feld kritisch zu reflektieren. Damit sei Ulrich Pecks zufolge ein wichtiger Schritt erreicht, den Hebammenberuf in Analogie zu vielen anderen wissenschaftlichen Berufen qualitativ weiter aufzuwerten. 

Interprofessionelles Team und intersektorales Denken

Die moderne Geburtshilfe erfordere einen interprofessionellen Ansatz und ein intersektorales Denken. So möchte Ulrich Pecks Strukturen einer bedarfsorientierten Betreuung von Schwangeren und Gebärenden in Würzburg weiter ausbauen: „Die meisten Schwangerschaften verlaufen unkompliziert, und die Geburt kann hervorragend von einer Hebamme begleitet werden. Einen ärztlichen Dienst braucht es dabei nicht, er kann jedoch unmittelbar hinzugezogen werden, falls es zu unvorhersehbaren Ereignissen im Geburtsprozess kommt. Hingegen verlaufen manche Schwangerschaften mit Risiken oder Komplikationen für Mutter oder Kind, bei denen dann ein größeres Team für eine angemessene Betreuung aufgestellt wird.“. Eine frühzeitige Erkennung von Risiken hilft, die Schwangere der für sie optimalen Versorgungsstruktur zuzuführen, immer nach dem Grundsatz, so wenig wie möglich, so viel wie nötig und entsprechend der Vorstellungen und individuellen Bedürfnisse der Frau. Die Kooperation mit niedergelassenen beziehungsweise freiberuflich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen ist hierbei besonders wichtig und sorgt für Sicherheit vor, während und nach der Geburt. 

Geburtshilfliches Wissenschaftsnetz: Daten für eine gesunde Zukunft!

„Die Geburtshilfe in Deutschland wurde im internationalen Vergleich auch wissenschaftlich in den vergangenen 40 Jahren leider vernachlässigt,“ bemerkt Pecks. Zum Beispiel gebe es keine genauen Zahlen zur Müttersterblichkeit in Deutschland. Es scheitert an Strukturen zur Datenerfassung und flächendeckenden Möglichkeiten, den Gesundheitszustand der Mütter im Zeitraum nach der Geburt zu beobachten. Die Mütter fallen aus dem Zahlenraster. Auch diesem Thema fühlt sich Ulrich Pecks, der Mitglied im Expertengremium auf Bundesebene für das Qualitätssicherungsverfahren Perinatalmedizin des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen ist, verpflichtet.

Mit einem flächendeckenden, geburtshilflichen Register will Ulrich Pecks diese Lücken zukünftig schließen. Er hatte sich das Deutsche neonatologische Netzwerk (GNN), welches durch Prof. Christoph Härtel, Direktor der Würzburger Kinderklinik, mitaufgebaut wurde, zum Vorbild genommen. Während im GNN vorwiegend Daten zu versorgungsbedürftigen Neugeborenen erfasst werden, war es das Ziel von Ulrich Pecks, Daten der Mütter, ihrer Schwangerschaft und Geburt mit Daten des Kindes zu verknüpfen. „Wir standen schon in den Startlöchern“, sagt er. „Doch dann kam Corona.“ Aus dem geplanten Wissenschaftsnetz wurde kurzerhand CRONOS (das Akronym steht für Covid-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany). In dem von der DGPM und dem Land Schleswig-Holstein geförderten Register hat das Studienteam Daten von mehr als 8.000 Frauen erhoben, die sich während ihrer Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert hatten und konnte damit eine Grundlage zur Behandlung und Beratung betroffener Patientinnen geben. Die besonders schweren Verläufe wurden von einer Task Force aus Würzburg ausgewertet. „Im CRONOS-Projekt habe ich bereits sehr eng und ausgesprochen gut mit der Würzburger Anästhesie, allen voran dem Direktor Patrick Meybohm und Peter Kranke, dem Bereichsleiter der geburtshilflichen Anästhesie, mit Achim Wöckel, dem Direktor der Frauenklinik, und Christoph Härtel sowie vielen engagierten jungen Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet“, kommentiert Ulrich Pecks. Sein Ziel ist es nun, das Netzwerk unabhängig von Covid-19 von Würzburg aus fortzuführen. 

Mit einer Sprache sprechen und das Gleiche wollen

Ob geburtshilfliches Register, Diskussionsveranstaltungen, App-basierte Angebote für die wissenschaftliche Begleitung schwangerer Frauen oder innovative Lehrkonzepte für Studierende – Ulrich Pecks steckt voller Ideen. Die Arbeit in der Geburtshilfe und im Studiengang der Hebammen möchte er an einem Leitgedanken ausrichten, der einer Wertevorstellung und entsprechenden Werteakzeptanz folgt: „Wenn wir die Patientinnen mit ihren individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen unterstützen, dabei unsere eigenen Erfahrungen und Ideologien reflektieren und zum Wohle der Frau und des Kindes auf dem Boden gesicherter Erkenntnisse behandeln, dann sprechen wir alle mit einer Sprache und wollen das Gleiche.“ 

Zur Person: 
Ulrich Pecks wurde 1975 in Bremerhaven geboren und wuchs im rheinländischen Heinsberg auf. Nach dem Zivildienst absolvierte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und studierte direkt im Anschluss Humanmedizin - bis zum Physikum an der Universität zu Halle an der Saale, anschließend an der RWTH Aachen. Nach Famulaturen in der Unfallchirurgie im südafrikanischen Johannesburg und in der Kardiologie in Manchester (UK) festigte sich sein Wunsch, in die Frauenheilkunde zu gehen. Er promovierte in Aachen bei Professor Werner Rath zu Zellzyklusstörungen in der Plazenta bei Präeklampsie und HELLP-Syndrom, machte seinen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Jahr 2011 und setzte die Forschung später für ein Jahr in Bern (Schweiz) auf dem Gebiet der Langzeitgesundheit bei Mutter und Kind fort. Im Jahr 2013 kehrte Ulrich Pecks nach Aachen zurück, wurde Oberarzt und habilitierte 2014 zum Lipidstoffwechsel bei physiologischer und pathologischer Schwangerschaft. Ein Jahr später, 2015, ging er mit Professor Nicolai Maass ans Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. In Kiel befasste er sich zunächst mit dem Aufbau des Beckenbodenzentrums und übernahm im Jahr 2020 die Leitung der Geburtshilfe. Im Jahr 2023 folgte Ulrich Pecks dem Ruf der Universitätsmedizin Würzburg, wo er ab Oktober den Studiengang Hebammenwissenschaft mitverantwortet und von ärztlicher Seite weiterentwickelt. Darüber hinaus leitet er die Geburtshilfe in der Frauenklinik. 

Porträtfoto von Ulrich Pecks, Leiter des Lehrstuhls Hebammenwissenschaft und der Geburtshilfe
Prof. Dr. Ulrich Pecks leitet ab Oktober 2023 den Studiengang Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft sowie die Geburtshilfe am Uniklinikum Würzburg. © Thomas Eisenkrätzer, UKSH

klinikum & wir erschienen: Geschlechtergerechte Mentoring-Programme als Top-Thema

Die Würzburger Universitätsmedizin setzt seit 15 Jahren Mentoring-Programme dazu ein, um insbesondere Medizinerinnen und in der Medizin tätige Vertreterinnen anderer Disziplinen als Forscherinnen zu gewinnen und zu halten.

Die Details dazu liefert das soeben erschienene Magazin klinikum & wir in seinem Top-Thema.

Würzburg. Die Würzburger Universitätsmedizin fördert aktuell mit zwei geschlechtergerechten Mentoring-Angeboten den wissenschaftlichen Nachwuchs. Der Ursprung der Mentoring med-Programme geht zurück auf das Jahr 2008. Das 15-jährige Jubiläum ist für klinikum & wir Anlass, im Top-Thema die Inhalte und die Hintergründe dieser Angebote zu erläutern. Die Herbstausgabe des 40-seitigen Magazins der Würzburger Universitätsmedizin berichtet darüber hinaus über den Abschied von Prof. Dr. Jens Maschmann als Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg (UKW) und stellt neue Professorinnen vor. Ferner gibt die Publikation einen Überblick über kürzlich publizierte Forschungsergebnisse und blickt auf erfolgreiche Veranstaltungen, wie das 10-jährige Jubiläum der Interdisziplinären Biomaterial- und Datenbank Würzburg oder das Sommerfest des UKW zurück. Weitere Beiträge – zum Beispiel zu Politikerbesuchen am Klinikum, zu preiswürdigen Leistungen, neuen Angeboten in der Patientenversorgung oder Wissenswertem aus der Klinikumsverwaltung – runden das breite inhaltliche Spektrum ab.

Neben den gedruckten Exemplaren, die an vielen öffentlich zugänglichen Stellen im Klinikum zum Mitnehmen ausliegen, gibt es klinikum & wir neben dem Gesundheitsmagazin UNI.KLINIK auch als Webmagazin unter www.ukw.de/medien-kontakt/presse/magazine

 

Ministerpräsident Söder ehrt Dr. Gerhard Schwarzmann

Das UKW gratuliert herzlich zur Verleihung des Christophorus-Medaille!

Ministerpräsident Söder und Dr. Schwarzmann mit Urkunde und Christophorus-Medaille
Ministerpräsident Söder zeichnet Dr. Gerhard Schwarzmann aus (Bildquelle Bayerische Staatskanzlei)

 

In der vergangenen Woche hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder im Rahmen einer Feierstunde im Antiquarium der Münchner Residenz die Bayerische Rettungsmedaille an 19 Personen sowie die Christophorus-Medaille an 48 Personen verliehen.

Eine Christophorus-Medaille erhielt dabei Dr. Gerhard Schwarzmann für seinen selbstlosen Einsatz als Ersthelfer bei der Amok-Tat am 25. Juni 2021 in der Würzburger Innenstadt.

Mit der Bayerischen Rettungsmedaille wird ausgezeichnet, wer bei der Rettung eines Menschen aus Lebensgefahr sein eigenes Leben eingesetzt hat. Seit 1952 haben 4.413 Personen diese Auszeichnung erhalten. Wer jemanden unter besonders schwierigen Umständen aus Lebensgefahr rettet, erhält vom Freistaat Bayern eine öffentliche Belobigung und die Christophorus-Medaille. Mit ihr wurden seit 1983 bislang 1.896 Personen geehrt.

----------------------------

Dr. Gerhard Schwarzmann ist Leiter der Stabsstelle Medizinisches Struktur-, Prozess- und Qualitätsmanagement (SPQ) an der Uniklinik Würzburg und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte und Notärztinnen 

Ministerpräsident Dr. Markus Söder bei der Verleihung der Bayerischen Rettungsmedaille und Christophorus-Medaille 2023: „Sie alle waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und haben ohne Zögern geholfen und Leben gerettet. Dabei haben sie nicht an die Gefahr für sich sondern nur an ihre Mitmenschen gedacht. Mit ihrem Einsatz sind sie große Vorbilder und Mutmacher für unsere Gesellschaft. Im Namen des gesamten Freistaats dafür ein herzliches Dankeschön und Vergelt‘s Gott!“

 

Pressemeldung AGBN/Björn Hossfeld und Bayerische Staatskanzlei

Personalia vom 26. September 2023 - Wir gratulieren!

Hier lesen Sie Neuigkeiten aus dem Bereich Personal: Neueinstellungen, Dienstjubiläen, Forschungsfreisemester und mehr.

Dr. Dr. Andreas Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit ärztlichen Aufgaben, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, wurde mit Wirkung vom 11.09.2023 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, insbesondere Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie“ erteilt.

Dr. Moriz Herzberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit ärztlichen Aufgaben, Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, wurde mit Wirkung vom 07.09.2023 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Radiologie“ erteilt.

Dr. Andreas Kunz, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit ärztlichen Aufgaben, Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, wurde mit Wirkung vom 07.09.2023 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Radiologie“ erteilt.
 

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 26.09.2023

Eine virtuelle Patientin

Gaming, Lehre oder Medienkonsum: Virtual Reality (VR) ist in vielen Bereichen unseres Lebens auf dem Vormarsch. An der Uni Würzburg kommt die Technik nun in einem weiteren Feld zum Einsatz: Prüfungen im Medizinstudium.

Links: Virtuelle Patientin im VR-Szenario. Rechts: Schauspielperson im klassischen Prüfungsaufbau.
Links: Virtuelle Patientin im VR-Szenario. Rechts: Schauspielperson im klassischen Prüfungsaufbau.

Eine Patientin kommt mit Bauchschmerzen in die Notaufnahme. Nach Verabreichung eines Schmerzmittels verbessert sich ihr Zustand nicht – im Gegenteil: Es kommen neue Symptome dazu. Ausschlag, Atembeschwerden, Kreislaufprobleme. Mit Diagnose und passender Behandlung dieses Falles waren insgesamt 136 Studierende bei der OSCE an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im vergangenen Sommersemester konfrontiert.

OSCE steht für Objective Structured Clinical Examination, eine standardisierte klinisch-praktische Prüfung im Parcoursformat, bei der Medizinstudierende des zehnten Semesters insgesamt neun unterschiedliche Stationen absolvieren. Ziel ist eine möglichst realitätsnahe Überprüfung der Kompetenzen, die den Prüflingen als Herausforderungen im späteren klinischen Berufsalltag begegnen.

Aus den verschiedenen Prüfungsszenarien sticht eines besonders hervor. Die eingangs erwähnte junge Patientin gibt es nämlich in zwei unterschiedlichen Varianten: Während eine Hälfte der Prüflinge auf eine Schauspielpatientin trifft, stellt sich die andere der Aufgabe in der virtuellen Realität.

Das Potenzial der virtuellen Prüfung

Die Studierenden im virtuellen Szenario bekommen eine VR-Brille auf, zwei Controller in die Hand und schon betreten sie ein computergeneriertes Krankenzimmer. Hier können sie etwa mit dem Stethoskop Atemgeräusche abhören, Blut abnehmen, Laboruntersuchungen und weitere Diagnostik anfordern, Infusionen legen, Medikamente aus dem Schrank holen und verabreichen. Die Prüfungsszenarien sind Teil des VR-basierten Notfalltrainings STEP-VR, das zusammen mit einem Startup für 3D-Visualisierung (ThreeDee GmbH) entwickelt wurde. Um das Programm für Prüfungen fit zu machen, gab es zudem Fördermittel von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

Für Dr. Tobias Mühling, Leiter der Arbeitsgruppe  „Virtual Reality-Simulation im Medizinstudium“ sowie Lehrkliniksleitung und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für Studiengangsmanagement und -entwicklung, liegen die Vorteile des Formats auf der Hand: „Uns eröffnet sich so eine völlig neue Palette an komplexen Szenarien, die man mit Schauspielpersonen und Puppen nicht simulieren kann. Einen Schauspieler kann ich nicht beatmen, kann ihm keine Medikamente geben. Auch bestimmte Symptome kann ein eigentlich gesunder Mensch ja nicht einfach vortäuschen.“

Einen weiteren wichtigen Punkt machen gerade im Prüfungskontext die Standardisierung und Vergleichbarkeit von Aufgaben und deren Umsetzung aus. Während schauspielerische Darbietungen jedes Mal variieren, ist die virtuelle Patientin für jeden Prüfungsteilnehmer absolut identisch.

Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die Vorteile, die das Format für die Prüfenden zukünftig mit sich bringen könnte. Bei der herkömmlichen OSCE müssen Prüfende an jeder Station ausführliche Checklisten abarbeiten, um die Leistung der Studierenden zu bewerten: „Wir arbeiten an einer automatischen Auswertung, bei der das Programm die einzelnen Punkte selbst erkennt und abhakt. Die Prüfenden müssten die korrekte Erfassung nur abschließend kontrollieren und können sich ansonsten voll auf die Beobachtung und faire Leistungsbeurteilung der Studierenden konzentrieren“, so Mühling weiter.

Nur wenige Nachteile

Auch wenn das VR-Format zukünftig durchaus auf weitere Stationen anwendbar sei, stoße es an manchen Stellen an seine Grenzen: „Bei Aufgaben, die sich auf Anamnese und Kommunikation konzentrieren, ist das Format aufgrund der bisher fehlenden Möglichkeit zur Kommunikation mit Patient oder Patientin sicher weniger geeignet. Unser Fokus liegt deshalb bewusst auf Themen wie klinischer Entscheidungsfindung bei Diagnostik und Stabilisierungsmaßnahmen“, erklärt Tobias Mühling.

In seltenen Fällen komme es auch vor, dass Studierende die VR nicht gut vertragen oder dies zumindest befürchten. Die sogenannte Simulation Sickness (Simulationsschwindel) sei aber eher bei älteren Programmen ein Thema gewesen und in der Pilotstudie bei dem hier entwickelten Programm nicht aufgetreten. Bei den wenigen, die dennoch Bedenken haben, hilft Verena Schreiner als Stellvertreterin aus. Sie agiert als studentische Assistenzperson und lässt sich von den Prüflingen anleiten, die das Szenario auf 2D am Bildschirm sehen.

Schreiner arbeitet als Mitarbeiterin im Projekt wissenschaftliche Ergebnisse auf, die wichtige Erkenntnisse zur erfolgreichen Implementierung von VR-Stationen in Prüfungen liefern: „Über das letzte Jahr habe ich mich mit der Planung der Stationen, der Erstellung der Checklisten und der Auswahl der Fälle befasst“, erzählt sie. Außerdem unterstützt sie die Auswertung der Prüfungsdaten.

Würzburger Pionierarbeit

Zu diesem Thema gibt es in der Medizin aktuell noch kaum Veröffentlichungen: „Ein so systematischer Einsatz von VR in Prüfungssituationen der Medizin ist bisher nicht berichtet – gerade in Deutschland sind wir da sicherlich ganz vorne mit dabei“, berichtet Professorin Sarah König als Leiterin des Instituts für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung und Studiendekanin der Medizinischen Fakultät.

Auch bei den Studierenden findet das moderne Format Anklang. In der anschließenden systematischen Prüfungsevalution bewerteten sie das Szenario als realistisch und lobten inhaltliche Relevanz, Benutzung und Funktionalität.

„Die Behandlung von virtuellen Patientinnen und Patienten ist ein verpflichtender Teil des Lehrplans im sogenannten Blockpraktikum. Zusätzlich bieten wir freiwillige Trainings an, wo die Studierenden unter Anleitung verschieden Fälle bearbeiten können“, erklärt Verena Schreiner.

Die Übungsmöglichkeiten trugen dazu bei, dass sich die Studierenden mit ihren erbrachten Leistungen im virtuellen Krankenzimmer durchaus zufrieden zeigten. Für die Forschungsgruppe bleibt es derweil spannend: In der Auswertung der gewonnenen Daten muss sich jetzt zeigen, ob mit der virtuellen Station faire und reproduzierbare Prüfungsergebnisse erzielt werden können. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist zum Jahresende zu erwarten.

Kontakt

Dr. Tobias Mühling, Institut für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung, E-Mail: Muehling_T@ukw.de 

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 26.09.2023

Links: Virtuelle Patientin im VR-Szenario. Rechts: Schauspielperson im klassischen Prüfungsaufbau.
Links: Virtuelle Patientin im VR-Szenario. Rechts: Schauspielperson im klassischen Prüfungsaufbau.