Würzburg. In den fünf Patientenappartements des Uniklinikums Würzburg (UKW) sind derzeit aus der Ukraine geflüchtete Menschen mit Krebserkrankungen, teilweise mit Angehörigen, untergebracht – insgesamt sieben Personen. „Bei der Anamnese und der Therapiebesprechung dieser Patientinnen und Patienten kann die Sprachbarriere durch Russisch oder Ukrainisch sprechende Ärztinnen und Ärzte sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher in der Regel gut überwunden werden. Es gibt allerdings einen darüber hinausgehenden, hohen Bedarf an verständlicher Information sowie praktischer und empathischer Unterstützung“, weiß Gabriele Nelkenstock, die Vorsitzende von „Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.“. Deshalb finanziert der Würzburger Verein zusammen mit der ebenfalls in Stadt und Landkreis Würzburg aktiven Klaus Reinfurt Stiftung seit Anfang Oktober 2022 eine russisch sprechende Ansprechpartnerin. Die neu geschaffene Stelle ist zunächst für ein Jahr anlegt. Besetzt wurde sie mit Olga Saporoshzewa, die sich auf breite Erfahrungen in der Arbeit mit Geflüchteten stützen kann.
In ihrer neuen Funktion am UKW soll sie die ukrainischen Krebserkrankten unter anderem an die am UKW zur Verfügung stehenden therapiebegleitenden Angebote, wie Yoga, Ernährungsberatung, Palliativberatung oder psychoonkologische Betreuung, heranführen.
Informationsdefizite abbauen
Dies ist allerdings nur ein Teil ihrer Leistungen. „Bei vielen Patientinnen und Patienten aus der Ukraine ist schon allein das Informationsdefizit zum deutschen Gesundheitssystem und den Abläufen am UKW beträchtlich“, betont Prof. Dr. Birgitt van Oorschot. Die Leiterin des Interdisziplinären Zentrums Palliativmedizin am UKW fährt fort: „Das beginnt schon bei der Wahl des richtigen Ansprechpartners für ein spezifisches Gesundheitsproblem: Was kann eine Hausärztin oder ein Hausarzt erledigen, wann ist ein Gang in die Notaufnahme angezeigt?“
Auch bei der Finanzierung von Gesundheitsleistungen, Medikamenten und Hilfsmitteln besteht nach ihren Beobachtungen oft Unsicherheit: Was zahlt die Krankenversicherung, was muss von den Patientinnen und Patienten selbst getragen werden?
„Ein weiterer wichtiger Punkt ist die in Deutschland gepflegte Patientenautonomie. Dabei gilt es zu verstehen, dass es hierzulande Angehörigen nicht möglich ist, ohne entsprechende Vorsorgevollmacht Entscheidungen für einen nicht einwilligungsfähigen Patienten zu treffen“, schildert die Professorin. Dies werde häufig in Situationen nahe am Lebensende relevant.
Eine besondere Form der Zuwendung
„Prinzipiell ist das Aufgabenfeld der neuen Stelle so offen gestaltet, dass es sich weiterentwickeln und an den in der täglichen Arbeit erkannten Bedarf anpassen kann“, erklärt Gabriele Nelkenstock und ergänzt: „An Krebs erkrankt nicht nur der Körper, sondern auch die Seele. Deshalb ist uns die mit Frau Saporoshzewa mögliche, besondere Form der Zuwendung eine Herzensangelegenheit.“
Erstes Gruppentreffen berührt und spendet Hoffnung
Quasi als Kick-off-Veranstaltung und für ein erstes Kennenlernen fand am 11. Oktober 2022 im Haus A12 auf dem Klinikums-Campus ein Treffen bei Kaffee und Kuchen statt. Neben fünf Ukrainerinnen und einem Ukrainer aus den Patientenappartements nahmen Olga Saporoshzewa, Gabriele Nelkenstock, Ruth Reinfurt von der Klaus Reinfurt Stiftung, Prof. Birgitt van Oorschot, Imme Zenker vom Palliativdienst des UKW und Natali Soldo-Bilać vom Sozialreferat der Stadt Würzburg teil.
„In den teilweise sehr bewegenden Gesprächen wurden die vielen Sorgen und Herausforderungen deutlich, mit denen diese Menschen konfrontiert sind. Dies bestätigte mich darin, dass unsere Unterstützung genau an der richtigen Stelle ankommt“, resümierte Ruth Reinfurt nach dem Treffen. Auf ukrainischer Seite herrschte große Dankbarkeit, die eine Teilnehmerin so in Worte fasste: „Dieses Projekt wird uns Hoffnung, eine positive Einstellung und den Glauben an gute Taten geben. Wir fühlen bereits die Wärme, Fürsorge und Unterstützung. Ein herzliches Dankeschön an die Organisatorinnen für ihre großen, offenen Herzen!“
Nach den positiven Erfahrungen des ersten Treffens kündigt Gabriele Nelkenstock an: „Wir können uns sehr gut vorstellen, dass dieses niederschwellige Kontakt- und Austauschangebot mit verschiedenen Expertinnen und Experten unter Vermittlung von Frau Saporoshzewa in Zukunft regelmäßig wiederholt wird.“