Zurück ins Leben
2013 wurde bei Burkhard Koch Morbus Parkinson festgestellt. Diese Diagnose veränderte das Leben des 54-jährigen Alzenauers. Er konnte sich nur noch langsam bewegen und litt unter Muskelsteifheit sowie Gleichgewichtsstörungen – typische Symptome für das Krankheitsbild Parkinson. Ein selbstbestimmtes Leben war nur noch sehr eingeschränkt möglich. Er musste seinen Beruf aufgeben, 2018 wurde er frühverrentet.
Spezialgebiet Bewegungsstörungen und Morbus Parkinson
Auf Empfehlung seines niedergelassenen Neurologen kam er 2014 zur Weiterbehandlung in die Klinik für Neurologie am UKW. Die Diagnostik und Therapie von Bewegungsstörungen wie Parkinson gehören zum Spezialgebiet der Klinik. Allein um die 4000 ambulante oder stationäre Besuche von Parkinson-Patienten erfolgen hier jedes Jahr. Burkhard Koch erhielt zunächst eine medikamentöse Behandlung, 2018 folgten stationäre Therapien verbunden mit einer Parkinson-Komplexbehandlung. Diese Behandlung wird dann durchgeführt, wenn durch ambulante Maßnahmen die Lebensqualität der Patienten nicht nachhaltig verbessert werden kann. Ein multiprofessionelles Team, dem Ärzte, Pflegekräfte sowie Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten angehören, betreut die Patienten während ihres stationären Aufenthaltes nach einem individuellen Behandlungsplan. Burkhard Koch erhielt zwei Parkinson-Komplex-Behandlungen in den Jahren 2018 und 2019.
Spezialistin am UKW
Einer der behandelnden Ärzte von Burkhard Koch ist der Neurologe Dr. Philipp Capetian. Er und die Parkinson-Nurse Marion Labisch sind ein eingespieltes Team. Marion Labisch arbeitet schon seit 1985 in der Neurologie am UKW. Nach 25 Jahren als Pflegekraft hat sie sich 2011 zur Case-Managerin qualifiziert und anschließend eine Weiterbildung zur Parkinson-Nurse absolviert. Damit ist sie eine Spezialistin am UKW: Neben ihr gibt es nur noch eine weitere Parkinson-Nurse mit einer halben Stelle. Marion Labisch ist die zentrale Anlaufstelle für Patienten, die eine Komplex-Therapie erhalten. Ihr Aufgabengebiet ist vielfältig: Kontaktpflege, Anamnese, Terminkoordination, Betreuung der Patienten während ihres Aufenthaltes und Steuerung des Entlassprozesses sind ihre wesentlichen Aufgaben. Für Burkhard Koch ist Marion Labisch der „Fels in der Brandung“, die immer ein offenes Ohr für die Anliegen ihrer Patienten hat. Spezifisches Fachwissen erfordert auch der zweite große Aufgabenbereich der Parkinson-Nurse: Neben der Organisation weiterführender Therapien verantwortet sie die Einstellung der Patienten im Rahmen einer Pumpentherapie. Diese Therapie erhalten Patienten in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien.
Experte für Tiefe Hirnstimulation
Dr. Philipp Capetian ist Oberarzt in der Neurologie. Nach dem Medizin-Studium in Freiburg sowie Stationen am Uniklinikum Freiburg und dem Uniklinikum Schleswig-Holstein - Campus Lübeck arbeitet er seit 2017 am UKW. Der Ruf von Klinikdirektor Professor Jens Volkmann als ausgewiesener Experte für Tiefe Hirnstimulation sowie Prof. Wolfgang Müllges als Experte für Neurologische Intensivmedizin zogen ihn nach Würzburg. Seit März 2019 leitet der Oberarzt die Ambulanz für tiefe Hirnstimulation, im Februar 2021 übernahm er nach dem plötzlichen Tod von Professor Müllges zudem die Ärztliche Leitung für die Neurologische Intensivstation. Seine Expertise ist gefragt, wenn es um die Auswahl der geeigneten Behandlungsmethode für Patienten mit Bewegungsstörungen geht sowie um eine maßgeschneiderte Therapie.
Implantation von „Hirnschrittmachern“
Nachdem die bisherige Behandlung bei Burkhard Koch keine nachhaltige Besserung bewirkte, wurde ihm 2019 die Tiefe Hirnstimulation (THS) empfohlen. Dies ist ein anerkanntes Verfahren, das bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung angewandt werden kann. Die Neurologische Klinik am UKW verfügt über eine besondere Expertise und einen großen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet. Gemeinsam mit der Neurochirurgie werden jährlich rund 40 bis 50 sogenannte „Hirnschrittmacher“ bei betroffenen Patienten implantiert. Dabei werden dünne Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die elektrische Impulse abgeben. Ziel ist eine Linderung der Krankheitssymptome, wobei der genaue Wirkmechanismus noch nicht bekannt ist. Die Stimulationselektroden im Gehirn sind über unter der Haut liegende Kabel mit dem eigentlichen Schrittmacher verbunden. Dieser wird unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut implantiert.
OP teilweise im Wachzustand
Zunächst reagierte Burkhard Koch zurückhaltend auf den vorgeschlagenen Eingriff. Nach sorgfältiger Aufklärung und dem Einholen einer Zweitmeinung aus dem Uniklinikum Köln willigte er jedoch ein. Für ihn bedeutete die Operation die einzige Chance auf eine nachhaltige Verbesserung seiner Situation. Am 8. Juni 2020 führte Prof. Dr. Cordula Matthies, die stellvertretende Direktorin der Klinik für Neurochirurgie, den siebenstündigen Eingriff durch. Die intraoperativen Austestungen der Wirkung erfolgte durch Dr. Gregor Brandt, Assistenzarzt für Neurologie.
An das OP-Team und den Patienten stellt die Operation hohe Anforderungen. Es ist erforderlich, dass die Patienten den Eingriff phasenweise im Wachzustand durchlaufen, da nur durch die Interaktion mit dem Patienten die Elektroden und die Impulse, die diese an die Hirnareale abgeben, optimal eingestellt werden können. Möglich ist das dadurch, dass das Gehirn keinerlei Schmerzempfindung für sich selbst besitzt und der Patient die zahlreichen Mess-Sonden nicht spürt und der Eingriff schmerzlos erfolgen kann.
Positiver Wendepunkt
Heute – ein Jahr später – ist Burkhard Koch dankbar und glücklich. Der Eingriff bedeutete den positiven Wendepunkt in seinem Leben. „Für mich war es wie ein Wunder, als ich die ersten Schritte laufen konnte“, erinnert er sich. Seit Jahren mit stark eingeschränkter Lebensqualität genießt es der Alzenauer, heute wieder ein weitgehend eigenständiges Leben führen zu können. Das Team in der Neurologie rund um Dr. Philipp Capetian und Marion Labisch begleitet ihn weiter auf seinem Weg. Regelmäßig ist er zu ambulanten und stationären Untersuchungen in der Klinik.
Auch wenn heutzutage selbst die ausgefeiltesten Therapien den Morbus Parkinson (noch) nicht aufhalten können, kann ein eingespieltes, auf diese Erkrankung spezialisiertes Team für die Patienten einen großen Zugewinn an Lebensqualität und eine Stabilisierung des Verlaufs erreichen.