Es handelt sich hier um chemische Verbindungen, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften und Ähnlichkeit mit körpereigenen Hormonen unser endokrines System beeinflussen können. Effekte dieser Substanzen auf Wachstum, Stoffwechsel und Fortpflanzungsfähigkeit sind damit anzunehmen.
Die Ärztin Lydia Kürzinger und der Doktorand Benedikt Pötzl vom Lehrstuhl Endokrinologie und Diabetologie haben sich nun unter Supervision von PD Dr. med. UIrich Dischinger die Auswirkungen von Bisphenolen auf die Hormonsynthese der Nebenniere genauer angeschaut. Bisphenole sind eine Gruppe chemischer Substanzen, die weltweit zu Millionen Tonnen für den Einsatz in Kunststoffen als Weichmacher oder Stabilisatoren produziert werden. In aufwendigen Zellkulturexperimenten konnten sie zum ersten Mal den Einfluss von Bisphenol A (BPA), F (BPF) und S (BPS) auf die Sekretion fünfzehn verschiedener Nebennierenhormone nachweisen.
Unter Exposition mit BPA, BPF und BPS beobachteten sie signifikante Veränderungen in der Freisetzung essentieller Hormone. Es ist daher davon auszugehen, dass die getesteten Bisphenole auf sehr komplexe Weise mit der Steroidsynthese der Nebennierenzellen interagieren, was dazu führt, dass die Ausschüttung klinisch relevanter Hormone wie Cortisol, Aldosteron und Dehydroepiandrosteron, kurz DHEA, gehemmt wird. Die betroffenen Steroidhormone sind in verschiedene Systeme des menschlichen Organismus involviert, zum Beispiel Stressantwort, Blutdruckkontrolle, sexuelle Differenzierung und Pubertät. Die von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio zur Nebenniere (SFB/TRR 205) und durch ein Stipendium der Graduate School of Life Sciences (GSLS) geförderte Arbeit legt nahe, dass Bisphenole, die sich mittlerweile in verschiedenen zufällig entnommenen menschlichen Biomaterialien regelhaft nachweisen lassen, den präzise regulierten Hormonhaushalt der Nebenniere beeinträchtigen.
Für diese Untersuchungen wurden Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl bereits beim 67. Deutschen Kongress für Endokrinologie (DGE) in Rostock mit dem mit 8.000 Euro dotierten Bruno-Allolio-Nebennierenpreis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie 2024 ausgezeichnet. In zukünftigen Arbeiten sollen die Auswirkungen weiterer endokriner Disruptoren erforscht werden, um Gefährdungen für menschliche Gesundheit durch alltägliche Expositionen weiter reduzieren zu können.
Benedikt Pötzl, Lydia Kürzinger, Sabine Kendl, Helga Stopper, Max Kurlbaum, Martin Fassnacht, Ulrich Dischinger. Disruptive effects of plasticizers bisphenol A, F, and S on steroidogenesis of adrenocortical cells. Front Endocrinol (Lausanne). 2024 Jun 20;15:1387133. doi: 10.3389/fendo.2024.1387133. PMID: 38966215; PMCID: PMC11222671.