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Semaglutid: Mehr als ein Mittel zur Gewichtsreduktion – Hoffnung für die Herzgesundheit

In einer aktuellen Studie hat die Endokrinologie (AG Dischinger) mit der translationalen Forschung aus dem DZHI untersucht, wie Semaglutid, ein GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) zur Behandlung von Übergewicht, auch positive Effekte auf das Herz haben kann.

Bei stark übergewichtigen Ratten, die durch eine fettreiche Ernährung Herzprobleme entwickelt hatten, zeigte sich, dass die Funktion der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) gestört war: verstärkte L-Typ-Kalziumströme und eine erhöhte Kalziumspeicherung im Sarkoplasmatischen Retikulum (SR). Das heißt: Der Kalziumhaushalt in diesen Zellen war überaktiv, was zu übermäßigen Kontraktionen führte. 

Semaglutid konnte diese Überaktivität normalisieren. Es reduzierte die überschüssige Kalziumspeicherung in den Zellen und brachte die Funktion der Herzmuskelzellen auf ein gesünderes Niveau zurück. Diese Ergebnisse sind besonders wichtig für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpleistung (HFpEF), einer Form der Herzschwäche, die bei übergewichtigen Menschen häufig auftritt.

Neben der bekannten Wirkung auf das Gewichtsmanagement könnte Semaglutid also auch direkt das Herz schützen und die Lebensqualität von Betroffenen verbessern. Die Studie liefert mechanistische Beweise dafür, warum der Wirkstoff in klinischen Studien bereits positive Effekte bei herzkranken, übergewichtigen Patientinnen und Patienten gezeigt hat.

Die Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Semaglutid und ähnliche Medikamente gezielt zur Behandlung von Herzproblemen einzusetzen, bei denen der gestörte Kalziumhaushalt eine Rolle spielt. Weitere Studien könnten dazu beitragen, die Rolle dieser Medikamente bei der Therapie metabolisch bedingter Herzkrankheiten besser zu verstehen.

 

Vasco Sequeira, Julia Theisen, Katharina J. Ermer, Marie Oertel, Anton Xu, David Weissman, Katharina Ecker, Jan Dudek, Martin Fassnacht, Alexander Nickel, Michael Kohlhaas, Christoph Maack, Ulrich Dischinger. Semaglutide normalizes increased cardiomyocyte calcium transients in a rat model of high fat diet-induced obesity. ESC Heart Fail. 2024 Oct 31. doi: 10.1002/ehf2.15152. Epub ahead of print. PMID: 39482267.

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Auswirkungen des endogenen Kortisol-Überschusses auf das menschliche Herz

Das Cushing-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, bei der der Körper zu viel des "Stresshormons" Kortisol produziert. Dies kann zu einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität führen. Forschende der Kardiologie, des DZHI und der Endokrinologie haben in der prospektiven CV-CORT-EX-Studie untersucht, wie das Herz bei Patientinnen und Patienten mit endogenem Kortisol-Überschuss verändert ist und ob diese Schäden nach erfolgreicher Behandlung wieder rückgängig gemacht werden können.

Die Studie verglich 40 Menschen mit floridem Cushing-Syndrom, also aktuell aktiver übermäßiger Hormonausschüttung, 56 ehemals Erkrankte mit schon längerfristig normalen Kortisol-Werten sowie 18 Personen mit gutartigem Nebennierentumor und mild erhöhtem Kortisol. Ihre Ergebnisse wurden unter Verwendung eines vom IKE-B neu entwickelten statistischen Verfahrens* mit einer fast 5.000 Personen umfassenden Stichprobe der aus der Stadt Würzburg stammenden Allgemeinbevölkerung verglichen (STAAB-Studie; DZHI & IKE-B).

Es zeigte sich, dass das Herz bei floridem Cushing-Syndrom häufig verändert war, z. B. in Form verdickter Herzwände und einer schlechteren Pumpleistung. Nach erfolgreicher Behandlung verbesserten sich zwar einige der Cushing-typischen Beeinträchtigungen wie erhöhte Werte von Bluthochdruck und Blutzucker, die Herzveränderungen gingen jedoch nur teilweise zurück. Auch nach vielen Jahren war die Herzfunktion oft schlechter als bei gesunden Personen. Interessanterweise führte selbst ein nur milder Kortisol-Überschuss zu auffälligen Veränderungen des Herzens, welche teilweise sogar stärker ausgeprägt waren, als bei Menschen mit einem metabolischen Syndrom (z. B. Übergewicht, Diabetes).

Fazit: Selbst ein gering ausgeprägter Kortisol-Überschuss kann das Herz bereits stark und nachhaltig belasten. Auch nach erfolgreicher Behandlung bleiben oft Beeinträchtigungen zurück. Das zeigt, wie wichtig neben der frühzeitigen Diagnose und Behandlung eines Cushing-Syndroms in der Folge regelmäßige Kontrollen des Herz-Kreislauf-Systems sind, um Veränderungen erkennen und behandeln zu können.

 

Caroline Morbach, Mario Detomas, Floran Sahiti, Kristina Hoffmann, Matthias Kroiss, Götz Gelbrich, Stefan Frantz, Stefanie Hahner, Peter Ulrich Heuschmann, Martin Fassnacht, Stefan Störk, Timo Deutschbein. Cardiovascular status in endogenous cortisol excess: the prospective CV-CORT-EX study. Eur J Endocrinol. 2024 Nov 27;191(6):604-613. doi: 10.1093/ejendo/lvae145. PMID: 39556766.

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Wie die Nebenniere in gesundem Zustand und unter Tumorbedingungen funktioniert und ihre Balance aufrechterhält

Die menschliche Nebenniere ist ein komplexes endokrines Gewebe. Studien zur Erneuerung der Nebenniere waren bisher auf Tiermodelle oder menschliche Föten beschränkt.

Ein besseres Verständnis der Homöostase der adulten menschlichen Nebenniere ist von entscheidender Bedeutung, um Einblicke in die Pathogenese von Nebennierenerkrankungen wie zum Beispiel Nebennierentumoren, zu gewinnen. In dieser Publikation stellt Barbara Altieri gemeinsam mit Alim Kerim Secener vom Max Delbrück Center for Molecular Medicine in Berlin und Teams eine umfassende zelluläre Genomanalyse der erwachsenen menschlichen Nebenniere vor, bei der die Sequenzierung von Einzelkern-RNA (Untersuchung von einzelnen Zellkernen, meist mit spezifischen molekularen oder genetischen Methoden) und räumliche Transkriptomdaten (welche Gene wo aktiv sind) kombiniert werden, um die Homöostase (Balance) der Nebenniere zu rekonstruieren. 

Diese von der DFG geförderte Studie identifizierte wie erwartet die primären Zelltypen der Nebennierenrinde und des Nebennierenmarks, entdeckte aber auch neue Zelltypen, darunter Immunzellen (vor allem M2-Makrophagen) sowie verschiedene Subpopulationen von vaskulären und neuroendokrinen Zellen. Mithilfe räumlicher Transkriptomanalysen wurde die Dynamik der Zellerhaltung in der Nebennierenrinde sowie die Rolle bestimmter Signalwege (Wnt/β-Catenin, Sonic Hedgehog, FGF) in der Homöostase aufgezeigt. Vergleiche zwischen gesunden Nebennieren und Adenomen zeigten eine bemerkenswerte Heterogenität und identifizierten sechs Adenom-spezifische Zellcluster. Die Ergebnisse bieten neue Einblicke in die Nebennieren-Homöostase und Tumorentstehung.

Für den weltweit ersten umfassenden Zellatlas für die Nebenniere haben die Forschenden bereits national und international Preise erhalten.

 

Barbara Altieri, A Kerim Secener, Somesh Sai, Cornelius Fischer, Silviu Sbiera, Panagiota Arampatzi, Stefan Kircher, Sabine Herterich, Laura-Sophie Landwehr, Sarah N Vitcetz, Caroline Braeuning, Martin Fassnacht, Cristina L Ronchi, Sascha Sauer. Single-nucleus and spatial transcriptome reveal adrenal homeostasis in normal and tumoural adrenal glands. Clin Transl Med. 2024 Aug;14(8):e1798. doi: 10.1002/ctm2.1798. PMID: 39167619; PMCID: PMC11338279.

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Expression und prognostische Bedeutung der Immun-Checkpoints PD-1, PD-L1 und CTLA-4 bei Nebennierenrindenkarzinom

Das Nebennierenrindenkarzinom (ACC) ist eine seltene, aggressive Krebsart mit schlechter Prognose in fortgeschrittenen Stadien.

Die Anwendung neuer Immuntherapien, welche spezifische Moleküle wie PD-1, PD-L1 und CTLA-4 angreifen, hat bei anderen Krebsarten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Allerdings waren die Ergebnisse beim ACC heterogen. In dieser Studie untersuchte Laura-Sophie Landwehr gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Expression dieser Moleküle in 162 Tumorproben von 122 Patientinnen und Patienten mit ACC. Ziel war es, mögliche Erklärungen für das unterschiedliche Ansprechen auf Immuntherapien zu finden.

Die Untersuchungen zeigten, dass die Checkpoint-Moleküle des programmierten Zelltods 1 (PD-1) und sein Ligand PD-L1 in etwa einem Viertel der Proben vorhanden waren, allerdings nur in sehr geringen Mengen. Das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Protein 4 (CTLA-4) wies in über der Hälfte der Proben eine verstärkte Expression auf. Interessanterweise konnte ein Zusammenhang zwischen der Präsenz von PD-1 und einem verlängerten krankheitsfreien Überleben der Patientinnen und Patienten festgestellt werden. Demgegenüber wiesen PD-L1 und CTLA-4 keine eindeutige Verbindung mit dem Krankheitsverlauf zeigten.

Die Ergebnisse der Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereiches Transregio 205 gefördert wird, deuten darauf hin, dass die unterschiedlichen Mengen dieser Moleküle in ACC Tumoren die variablen Ergebnisse von Immuntherapien erklären könnten. Insbesondere könnte die Analyse von PD-1 als nützlicher Biomarker dienen, um das Ansprechen einer Patientin oder eines Patienten auf eine Therapie vorherzusagen. 

Dies könnte ein wichtiger Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung und Anpassung von Immuntherapien zur Verbesserung der Behandlungserfolge bei ACC und weiteren soliden Tumoren darstellen.

 

Laura-Sophie Landwehr, Barbara Altieri, Iuliu Sbiera, Hanna Remde, Stefan Kircher, Julie Olabe, Silviu Sbiera, Matthias Kroiss, Martin Fassnacht. Expression and Prognostic Relevance of PD-1, PD-L1, and CTLA-4 Immune Checkpoints in Adrenocortical Carcinoma. J Clin Endocrinol Metab. 2024 Aug 13;109(9):2325-2334. doi: 10.1210/clinem/dgae109. PMID: 38415841; PMCID: PMC11319003.

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Auswirkungen der Weichmacher Bisphenol A, F und S auf die Steroidogenese der Nebenniere

In Gegenständen des täglichen Bedarfs (Trinkflaschen, Verpackungsmaterial) finden sich diverse Substanzen, die als „endokrine Disruptoren“ bezeichnet werden.

Es handelt sich hier um chemische Verbindungen, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften und Ähnlichkeit mit körpereigenen Hormonen unser endokrines System beeinflussen können. Effekte dieser Substanzen auf Wachstum, Stoffwechsel und Fortpflanzungsfähigkeit sind damit anzunehmen.

Die Ärztin Lydia Kürzinger und der Doktorand Benedikt Pötzl vom Lehrstuhl Endokrinologie und Diabetologie haben sich nun unter Supervision von PD Dr. med. UIrich Dischinger die Auswirkungen von Bisphenolen auf die Hormonsynthese der Nebenniere genauer angeschaut. Bisphenole sind eine Gruppe chemischer Substanzen, die weltweit zu Millionen Tonnen für den Einsatz in Kunststoffen als Weichmacher oder Stabilisatoren produziert  werden. In aufwendigen Zellkulturexperimenten konnten sie zum ersten Mal den Einfluss von Bisphenol A (BPA), F (BPF) und S (BPS) auf die Sekretion fünfzehn verschiedener Nebennierenhormone nachweisen.  

Unter Exposition mit BPA, BPF und BPS beobachteten sie signifikante Veränderungen in der Freisetzung essentieller Hormone. Es ist daher davon auszugehen, dass die getesteten Bisphenole auf sehr komplexe Weise mit der Steroidsynthese der Nebennierenzellen interagieren, was dazu führt, dass die Ausschüttung klinisch relevanter Hormone wie Cortisol, Aldosteron und Dehydroepiandrosteron, kurz DHEA, gehemmt wird. Die betroffenen Steroidhormone sind in verschiedene Systeme des menschlichen Organismus involviert, zum Beispiel Stressantwort, Blutdruckkontrolle, sexuelle Differenzierung und Pubertät. Die von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio zur Nebenniere (SFB/TRR 205) und durch ein Stipendium der Graduate School of Life Sciences (GSLS) geförderte Arbeit legt nahe, dass Bisphenole, die sich mittlerweile in verschiedenen zufällig entnommenen menschlichen Biomaterialien regelhaft nachweisen lassen, den präzise regulierten Hormonhaushalt der Nebenniere beeinträchtigen.

Für diese Untersuchungen wurden Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl bereits beim 67. Deutschen Kongress für Endokrinologie (DGE) in Rostock mit dem mit 8.000 Euro dotierten Bruno-Allolio-Nebennierenpreis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie 2024 ausgezeichnet. In zukünftigen Arbeiten sollen die Auswirkungen weiterer endokriner Disruptoren erforscht werden, um Gefährdungen für menschliche Gesundheit durch alltägliche Expositionen weiter reduzieren zu können. 

 

Benedikt Pötzl, Lydia Kürzinger, Sabine Kendl, Helga Stopper, Max Kurlbaum, Martin Fassnacht, Ulrich Dischinger. Disruptive effects of plasticizers bisphenol A, F, and S on steroidogenesis of adrenocortical cells. Front Endocrinol (Lausanne). 2024 Jun 20;15:1387133. doi: 10.3389/fendo.2024.1387133. PMID: 38966215; PMCID: PMC11222671.

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