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Smartwatch als früher Wegweiser in Krebstherapie

Vivek Venkataramani, Barbara Deschler-Baier und Markus Krebs haben mit einem Team des Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) im Journal npj Precision Oncology einen Fallbericht veröffentlicht, der in mehrfacher Hinsicht besonders ist.

Privatdozent Dr. Vivek Venkataramani ist Arzt für das Molekulare Tumorboard im Zentrum für Personalisierte Medizin des Uniklinikums Würzburg. © Jonas Hahn / Vivek Venkataramani
Durch den Einsatz modernster Molekulardiagnostik und personalisierter Krebstherapie konnte ein 56-jähriger Patient mit einem seltenen Bauchspeicheldrüsenkrebs schnelle Fortschritte erzielen. Die Smartwatch spielte dabei eine entscheidende Rolle © Alankreeta Bharali / Vivek Venkataramani

Die Publikation zeigt nicht nur die mögliche Wirksamkeit präzisionsonkologischer Behandlungen, sondern auch das medizinisch hilfreiche Potenzial digitaler Instrumente wie Smartwatches. Diese so genannten Wearables könnten die Überwachung von Krebsbehandlungen positiv beeinflussen und so eine schnelle Anpassung der Therapie ermöglichen.

Ein 56-jähriger Patient litt an einer seltenen Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Drei Chemotherapien brachten keinen Erfolg, wie radiologische Bildgebung und Blutuntersuchungen aber auch seine Smartwatch zeigten. Jeder Therapiewechsel ging mit einer Abnahme der Schrittzahl einher, was den zunehmenden Einfluss der Krankheit und der Nebenwirkungen der Behandlung widerspiegelte.

Mit Hilfe einer molekulargenetischen Untersuchung konnte das Team unseres Molekularen Tumorboards eine Veränderung im Erbgut der Tumorzellen nachweisen. Diese sogenannte RET-Gen-Fusion stimuliert das Wachstum der Tumorzellen. Seit 2024 ist der RET-Inhibitor Selpercatinib von der Europäischen Arzneimittelagentur als Monotherapie für Patientinnen und Patienten mit entsprechend genetisch veränderten Tumoren zugelassen. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der laufenden Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001, an der auch das Comprehensive Cancer Center MF beteiligt ist. Und eben in diese Studie konnte der Patient erfolgreich eingeschlossen werden.

Bereits wenige Tage nach Beginn der Therapie spürte der Patient eine deutliche Besserung. Die tastbaren Lymphknoten und Weichteilmetastasen waren geschrumpft, er benötigte weniger Morphium und keine Gehhilfe mehr. Das Monitoring mit der Smartwatch unterstrich den Einfluss von Selpercatinib auf die deutlich verbesserte Lebensqualität und bestätigte die Wirksamkeit der Therapie durch verbesserte körperliche Leistungsindikatoren. Die Messung der Schrittzahl und der Herzfrequenz lieferte einen Echtzeit-Einblick in das Aktivitätsniveau und die physiologischen Reaktionen des Patienten. Diese frühzeitige Erkennung von Verbesserungen ermöglichte eine präzise Anpassung der Therapie, noch bevor herkömmliche Tests Veränderungen zeigten. Ein beeindruckendes Beispiel für die Zukunft der personalisierten Medizin.

 

Barbara Deschler-Baier*, Markus Krebs*, Matthias Kroiss, Manik Chatterjee, Daniel Gundel, Christian Kestler, Alexander Kerscher, Volker Kunzmann, Silke Appenzeller, Katja Maurus, Andreas Rosenwald, Ralf Bargou, Elena Gerhard-Hartmann & Vivek Venkataramani. Rapid response to selpercatinib in RET fusion positive pancreatic neuroendocrine carcinoma confirmed by smartwatch. npj Precision Oncology 8, 167 (2024). doi:10.1038/s41698-024-00659-x
* geteilte Erstautorenschaft 

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Wirksamkeit von Selpercatinib bei RET-mutiertem Phäochromozytom

RET steht für „Rearranged during Transfection" und ist ein wichtiges Gen, das bei der Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung eine Rolle spielt, insbesondere im Nerven- und im endokrinen System.

Privatdozentin Dr. Barbara Deschler-Baier ist Erstautorin der Studie.

Aktivierende RET-Veränderungen wurden in verschiedenen soliden Tumoren berichtet, einschließlich den seltenen malignen Phäochromozytomen, die in den Nebennieren entstehen. Hier treten RET-Veränderungen sowohl sporadisch als auch als Teil des familiären multiplen endokrinen Neoplasie-Typs 2 (MEN2) Syndroms auf. Bei MEN2 handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung, die durch das Auftreten von Tumoren in verschiedenen endokrinen Drüsen gekennzeichnet ist.

In der am Comprehensive Cancer Center Mainfranken CCC MF durchgeführten internationalen LIBRETTO-001-Studie wurden unter anderem sechs maligne Phäochromozytom-Fälle mit Selpercatinib behandelt, von denen vier eine partielle oder komplette Remission und zwei eine stabile Krankheit zeigten. 

Diese Daten unterstützen Selpercatinib als wirksame Therapie gegen RET-mutierte Phäochromozytome und erweitern die Vielfalt der Tumortypen, die von einer gezielten RET-Hemmung profitieren können. 

 

Barbara Deschler-Baier, Bhavana Konda, Erminia Massarelli, Mimi I Hu, Lori J Wirth, Xiaojian Xu, Jennifer Wright, Roderick J Clifton-Bligh. Clinical Activity of Selpercatinib in RET-mutant Pheochromocytoma. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism (2024). doi:10.1210/clinem/dgae283

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WERA-Matrix macht Patientenzugang zur Präzisionsonkologie transparent

Die personalisierte Onkologie hat die Behandlung von Patientinnen und Patienten insbesondere mit seltenen und aggressiven Tumoren deutlich verbessert.

Woher stammen die Patientinnen und Patienten der molekularen Tumorboards der WERA Allianz? Die Karte Bayerns verrät Regionen mit einer guten Anbindung an WERA Zentren – jedoch auch „weiße Flecken“, die möglicherweise einen Nachholbedarf bei der Versorgung mit Präzisionsonkologie aufweisen. Quelle: Krebs et al., European Journal of Cancer 2024; https://doi.org/10.1016/j.ejca.2024.114144

Molekulare Tumorboards an onkologischen Spitzenzentren sind entscheidend, um Betroffenen eine molekulargenetische Diagnostik und maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können. Doch haben alle gleichermaßen Zugang zu dieser innovativen Form der Krebsversorgung?

Dieser Frage gingen Forschende der vier onkologischen Spitzenzentren Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg nach. Gemeinsam bilden die vier Partner die WERA Allianz (CCC WERA) und sind ein Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) – mit dem klaren Auftrag, den Zugang zu innovativer Krebsversorgung gerade auch Patientinnen und Patienten aus dem ländlichen Raum zu ermöglichen.

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden die Herkunft der Patientinnen und Patienten, die im Rahmen ihrer molekularen Tumorboards behandelt wurden. Mit ihrer entwickelten Matrix, die auf einem Modell aus der strategischen Managementlehre fußt, konnten sie zeigen, wie die WERA Allianz bereits jetzt mit zahlreichen regionalen Partnerkliniken und -praxen vernetzt ist und wo noch „weiße Flecken“ mit einem potenziellen Nachholbedarf in der Präzisionsonkologie sind. 

 

Markus Krebs, Florian Haller, Silvia Spörl, Elena Gerhard-Hartmann, Kirsten Utpatel, Katja Maurus, Volker Kunzmann, Manik Chatterjee, Vivek Venkataramani, Imad Maatouk, Max Bittrich, Tatjana Einwag, Norbert Meidenbauer, Lars Tögel, Daniela Hirsch, Wolfgang Dietmaier, Felix Keil, Alexander Scheiter, Alexander Immel, Daniel Heudobler, Sabine Einhell, Ulrich Kaiser, Anja M. Sedlmeier, Julia Maurer, Gerhard Schenkirsch, Frank Jordan, Maximilian Schmutz, Sebastian Dintner, Andreas Rosenwald, Arndt Hartmann, Matthias Evert, Bruno Märkl, Ralf Bargou, Andreas Mackensen, Matthias W. Beckmann, Tobias Pukrop, Wolfgang Herr, Hermann Einsele, Martin Trepel, Maria-Elisabeth Goebeler, Rainer Claus, Alexander Kerscher, Florian Lüke. The WERA cancer center matrix: Strategic management of patient access to precision oncology in a large and mostly rural area of Germany. European Journal of Cancer, Volume 207, ISSN 0959-8049 (2024). doi:10.1016/j.ejca.2024.114144

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Vorstufe des Cholesterins schützt Zellen vor Ferroptose

Mehrere internationale Arbeitsgruppen und Mitarbeitende des UKW und der Universität Würzburg konnten unter der Federführung von José Pedro Friedmann Angeli (RVZ) zeigen, dass die Cholesterin-Vorstufe 7-Dehydrocholesterol (7-DHC) eine wichtige Rolle beim Wachstum von Krebszellen spielt.

Ancely Ferreira da Silva (l.) und Florêncio Porto Freitas forschen am Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ). Bild: bkfotofilm.de / RVZ

Die Studie zeigt erstmals, dass das in der Zellmembran gelagerte 7-DHC bei bestimmten Krebsarten wie dem Burkitt-Lymphom und dem Neuroblastom die Zellen vor einer bestimmten Art des Zelltods, der so genannten Ferroptose, schützt. Dieser neu entdeckte Schutzmechanismus der Cholesterinvorstufe eröffnet die Möglichkeit, die Behandlung von Krebs und anderen Krankheiten, bei denen Ferroptose eine Rolle spielt, zu verbessern. Potenzielle Hemmstoffe können geprüft werden, die auf die Cholesterinbiosynthese abzielen und bereits in der medizinischen Praxis etabliert sind.

 

Florencio Porto Freitas, Hamed Alborzinia, Ancély Ferreira dos Santos, Palina Nepachalovich, Lohans Pedrera, Omkar Zilka, Alex Inague , Corinna Klein, Nesrine Aroua, Kamini Kaushal, Bettina Kast, Svenja M. Lorenz, Viktoria Kunz, Helene Nehring, Thamara N. Xavier da Silva, Zhiyi Chen, Sena Atici, Sebastian G. Doll, Emily Schaefer, Ifedapo Ekpo, Werner Schmitz, Aline Horling, Peter Imming, Sayuri Miyamoto, Ann M. Wehman, Thiago C. Genaro-Mattos, Karoly Mirnics, Lokender Kumar, Judith Klein-Seetharaman, Svenja Meierjohann, Isabel Weigand, Matthias Kroiss, Georg W Bornkamm, Fernando Gomes, Luis Eduardo Soares Netto, Manjima B. Sathian, David B. Konrad, Douglas F. Covey, Bernhard Michalke, Kurt Bommert, Ralf C. Bargou, Ana Garcia-Saez, Derek A. Pratt, Maria Fedorova, Andreas Trumpp, Marcus Conrad, José Pedro Friedmann Angeli. 7-Dehydrocholesterol is an endogenous suppressor of ferroptosis. Nature 626, 401–410 (2024). doi:10.1038/s41586-023-06878-9

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