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Welche Faktoren hängen mit der Berufswahl von Medizinstudierenden in verschiedenen Fachgebieten zusammen?

Angesichts des Mangels und der ungleichen Verteilung von Ärztinnen und Ärzten auf die verschiedenen Fachgebiete, untersucht die Studie welche Faktoren die Facharztwahl von Medizinstudierenden beeinflussen, darunter Persönlichkeit, Ausbildung, berufsbezogene Motive und Wichtigkeit verschiedener Aspekte bei der Facharztwahl.

Dazu führten sie eine Querschnittsbefragung von 683 Studierenden aus drei verschiedenen Phasen des sechsjährigen Medizinstudiums durch, 70 Prozent der Befragten waren Frauen. Die am häufigsten gewählten Fachrichtungen waren Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin. Auch Anästhesiologie, Kinder- und Jugendmedizin sowie Gynäkologie stießen auf Interesse. Das Interesse an einer Fachrichtung wurde vor allem durch die Erfahrungen in bestimmen Fächern, z.B. während klinischer Praktika, beeinflusst. Geregelte Arbeitszeiten und Work-Life-Balance waren für alle Studierenden wichtig, jedoch weniger für diejenigen, die sich für die Chirurgie als Zielgebiet entschieden. Die Bereitschaft, in einem Krankenhaus zu arbeiten, war stark mit der Präferenz von Anästhesiologie und Chirurgie verbunden, während der Wunsch in ländlichen Gebieten und ambulant tätig zu sein mit dem Interesse an der Allgemeinmedizin assoziiert waren. Ein Interesse an der Allgemeinmedizin ging zudem häufiger mit einer Berufsausbildung vor Studienbeginn und positiven Vorerfahrungen mit dem Fach einher. Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität der Entscheidungsprozesse und sollen dazu beitragen, die Vielfalt und Verteilung der medizinischen Fachrichtungen zu fördern. Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige und gerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, die sowohl den individuellen als auch den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht.

 

Tobias Leutritz, Maike Krauthausen, Anne Simmenroth & Sarah König. Factors associated with medical students’ career choice in different specialties: a multiple cross-sectional questionnaire study at a German medical school. BMC Med Educ 24, 798 (2024). doi:10.1186/s12909-024-05751-1

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Interviewstudie in Würzburger KiTas über die Erfahrungen mit Corona-Tests zuhause

Seit Beginn der Corona-Pandemie standen Kindertagesstätten (KiTas) vor der Herausforderung, SARS-CoV-2-Infektionen frühzeitig zu erkennen.

Eine Studie in Würzburger KiTas untersuchte von Mai bis Juli 2021 die Akzeptanz und Durchführbarkeit von zu Hause durchführbaren Screeningtests bei Kindern und Betreuungspersonal. Dabei wurden Mundspülwasserproben für PCR-Tests und Nasenabstriche für Antigen-Schnelltests verwendet. 591 Personen nahmen an der Studie teil. In 49 Interviews mit Eltern, Betreuerinnen und Betreuern wurden die Einstellung zu den verschiedenen Tests und die Erfahrungen damit evaluiert. Die Analyse zeigte, dass die Tests als zuhause durchführbar erlebt wurden, individuelle Präferenzen die Bewertung und Akzeptanz der Tests jedoch deutlich beeinflussten. Minimaler Aufwand, klare Studieninformationen und schnelle Rückmeldung der Testergebnisse führten zu einem erhöhten Sicherheitserleben und förderten die Teilnahmebereitschaft. Die differenzierten Einblicke aus den ausführlichen Interviews liefern wertvolle Einblicke und Informationen über Faktoren, die die Akzeptanz von Selbsttests allgemein beeinflussen. Diese sollten berücksichtigt werden, bevor ähnliche Maßnahmen zukünftig eingeführt werden sollen. 

 

Maike Krauthausen, David Gierszewski, Andrea Streng, Johannes Forster, Geraldine Engels, Franziska Pietsch, Julia Wallstabe, Thomas Jans, Viktoria Rücker, Marcel Romanos, Peter Heuschmann, Lars Dölken, Christoph Härtel, Oliver Kurzai, Johannes Liese, Ildikó Gágyor. Wü-KiTa-CoV-Studiengruppe. Kontinuierliche Überwachung von SARS-CoV-2 Infektionen in Kindertagesstätten: eine qualitative Interviewstudie über die Erfahrungen von Betreuer*innen und Eltern mit verschiedenen Testverfahren im häuslichen Umfeld. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. Volume 189. Pages 24-32. ISSN 1865-9217 (2024). doi:10.1016/j.zefq.2024.07.002

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Body Map Stories aus Kolumbien: Erfahrungen von Lepra Betroffenen und der Einfluss von Peers während der Diagnose und Behandlung

In Kolumbien leiden viele Leprapatientinnen und -patienten unter Behinderungen, die auf eine verspätete Diagnose und Behandlung zurückzuführen sind.

Die Studie untersuchte die Erfahrungen der Betroffenen während dieses Prozesses und den Einfluss von Gleichbetroffenen, so genannten Peers. Dazu wurde die Technik des „Body Map Storytellings“ eingesetzt. Dabei zeichneten die Studienteilnehmenden eine lebensgroße Silhouette ihres Körpers und wählten Symbole, um ihre persönlichen Erlebnisse, Emotionen und Symptome darzustellen, während sie in einem begleitenden Interview ihre Erfahrungen schilderten. Diese Methode hilft, komplexe körperliche und emotionale Erfahrungen auszudrücken, die sich oft nur schwer in Worte fassen lassen. Die Sitzungen wurden aufgezeichnet, transkribiert und von einem interdisziplinären und interkulturellen Team, bestehend aus Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen sowie einer von Lepra betroffenen Person, thematisch analysiert.
Es zeigte sich, dass die Diagnosestellung oft Jahre dauerte und von Unsicherheiten und Fehldiagnosen geprägt war. Trotz der zusätzlichen Belastung durch Medikamentennebenwirkungen motivierte der Wunsch nach Heilung die Betroffenen, ihre Therapie konsequent durchzuführen. Die Unterstützung durch Peers beschleunigte die Diagnose und förderte die Therapietreue. Der Einsatz von gut ausgebildeten Peers kann somit zur früheren Diagnose, besseren Behandlungsergebnissen und Vermeidung von Behinderungen beitragen.

 

Martha Cecilia Barbosa Ladino, Camila Jiménez Betancourth, Lucrecia Vásquez Acevedo L, Melanie Haag, Janina Zirkel, Eva-Maria Schwienhorst-Stich, Miriam Navarro, Christa Kasang, Ildikó Gágyor, Sandra Parisi. Body map stories from Colombia: experiences of people affected by leprosy and the influence of peers during diagnosis and treatment. Int J Equity Health. 2024 May 13;23(1):98. doi:10.1186/s12939-024-02152-0

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Antibiotikaverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt der Frau

In den Leitlinien zur Therapie von Harnwegsinfektionen wird auf den Einsatz von Zweitwahlantibiotika erst nach Versagen von Erstwahlantibiotika hingewiesen.

Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf
Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf

Die Verordnungsraten in Deutschland liegen jedoch weit oberhalb der empfohlenen Werte. Ziel der REDARES-Studie des Instituts für Allgemeinmedizin war es, die Qualität der Antibiotikaverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt der Frau zu verbessern. Dabei profitierten die teilnehmenden Praxen und deren Patientinnen während und auch nach Abschluss der Studie von einem individuellen Verordnungsfeedback, Informationsmaterialien und Handreichungen. Die multimodale Intervention war erfolgreich: In der Interventionsgruppe wurden innerhalb von zwölf Monaten um 13 Prozent weniger Zweitwahl-Antibiotika verordnet und insgesamt 8 Prozent weniger Antibiotika. Die Intervention erwies sich in der Praxis als umsetzbar und wurde von allen Beteiligten akzeptiert. Sie hat damit ein hohes Potential, in der Praxis erfolgreich implementiert zu werden. 

 

Guido Schmiemann, Alexandra Greser, Andy Maun, Jutta Bleidorn, Angela Schuster, Olga Miljukov, Victoria Rücker, Anja Klingenberg, Anja Mentzel, Vitalii Minin, Tim Eckmanns, Christoph Heintze, Peter Heuschmann, Ildikó Gágyor. Effects of a multimodal intervention in primary care to reduce second line antibiotic prescriptions for urinary tract infections in women: parallel, cluster randomised, controlled trial. BMJ (2023). doi:10.1136/bmj-2023-076305

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REDARES-Projekt: Empfehlungen für den ambulanten Versorgungsalltag

Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf
Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf
Welche Antibiotika zur Behandlung von Pneumonien sind am wirksamsten in der Primärversorgung?

Im internationalen Vergleich variieren die klinischen Leitlinien zur empfohlenen Antibiotikabehandlung bei leicht- bis mittelschwerer ambulant erworbener Pneumonie erheblich.

Peter K. Kurotschka ist ärztlicher Mitarbeiter des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf

Daher verfolgte die Studie das Ziel, die wirksamsten oralen Antibiotika für Erwachsene mit ambulant erworbener Pneumonie zu identifizieren. Primärärztlich relevante Literatur der vergangenen 20 Jahre wurde systematisch überprüft und 24 Studien mit insgesamt 9361 Patientinnen und Patienten in eine Netzwerk-Metaanalyse eingeschlossen. Das Ergebnis: Chinolone und Makrolid-Antibiotika erzielen am wahrscheinlichsten ein klinisches Ansprechen, während Beta-Laktam-Antibiotika (einschließlich Amoxicillin) und die Kombination Amoxicillin-Clavulansäure + Makrolid weniger wirksam sind. Trotz dieser Trends fand die Studie keine eindeutigen Beweise für die Überlegenheit eines spezifischen Antibiotikums beziehungsweise einer Antibiotikaklasse. Da die aktuellen klinischen Leitlinien nicht auf solider Evidenz basieren, bedarf es neuer randomisierter kontrollierter Studien zur Identifikation der wirksamsten Antibiotika zur Behandlung von Pneumonien in der Primärversorgung.

 

Peter K. Kurotschka, Michelle Bentivegna, Cassie Hulme & Mark H. Ebell. Identifying the Best Initial Oral Antibiotics for Adults with Community-Acquired Pneumonia: A Network Meta-Analysis. Journal of General Internal Medicine 39, 1214–1226 (2024). doi:10.1007/s11606-024-08674-1

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Peter K. Kurotschka ist ärztlicher Mitarbeiter des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf
Neuroenhancement: Medikamente zur Leistungssteigerung im Studium

Der Konsum von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die zur Leistungssteigerung genutzt werden können, wird als „Neuroenhancement“ (NE) bezeichnet.

Prof. Dr. Anne Simmenroth, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf

Insbesondere Stress-Erleben, Angst und Depressivität sind mit stärkerem Konsum verbunden. Internationale Daten zeigen, dass Studierende häufig NE betreiben. Gründe sind unter anderem das Erleben von Stresssituationen und die Ablösung vom Elternhaus beziehungsweise das Suchen nach neuen sozialen Bindungen. Der Konsum von Alkohol, Cannabis und Nikotin wiederum wird zur Stressreduktion genutzt. Unsere Befragung unter 1010 Würzburger Studierenden aus drei Fakultäten ergab eine Prävalenz von 12 Prozent für die Nutzung von NE. NE wurde insbesondere während der Prüfungsvorbereitung zur Leistungssteigerung und / oder zur emotionalen Regulation eingesetzt, am häufigsten in Form von Koffeintabletten, Cannabis und Methylphenidat. Gleichzeitig war NE assoziiert mit riskantem Alkohol- beziehungsweise Tabakkonsum und im geringeren Ausmaß mit ADHS-Symptomen und erhöhtem Stresserleben. Die Symptomniveaus der Screenings für ADHS, Angst und Depressivität lagen in der befragten Kohorte etwas höher als in der deutschen Allgemeinbevölkerung. NE kann als Marker für einen Bedarf an psychosozialer Unterstützung für Studierende interpretiert werden.

 

Maurice Hajduk, Elena Tiedemann, Marcel Romanos, Anne Simmenroth. Neuroenhancement and Mental Health in Students from Four Faculties – a Cross-Sectional Questionnaire Study. GMS Journal for Medical Education, 41 (1), Doc9 (2024). doi:10.3205/zma001664

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Prof. Dr. Anne Simmenroth, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf