paper place Archiv 3. Quartal

Neuer Therapieansatz gegen Atherosklerose: Die Rolle des Immunrezeptors TREM2

Atherosklerose, umgangssprachlich als Arterienverkalkung bekannt, ist eine der häufigsten Ursachen für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie entsteht durch Ablagerungen von Cholesterin und anderen Fetten in den Gefäßwänden, die Entzündungen auslösen und die Arterien verengen.

Ein internationales Forscherteam aus Würzburg und Wien unter der Leitung von Alma Zernecke, Clément Cochain und Christoph J. Binder hat entdeckt, dass der Immunrezeptor TREM2 eine Schlüsselrolle bei diesem Prozess spielt.

Makrophagen, eine Art Immunzellen, nehmen überschüssige Fette auf und verwandeln sich dabei in sogenannte Schaumzellen. Diese sammeln sich in den Ablagerungen der Arterien an. Die in Nature Cardiovascular Research publizierte Studie zeigt, dass TREM2 die Funktion dieser Schaumzellen steuert, indem es die Aufnahme von Lipiden fördert und dabei hilft, abgestorbene Zellen effizient zu entfernen – ein Prozess, der als Efferozytose bekannt ist.

Die Forschenden testeten in Mausmodellen einen speziellen TREM2-Antikörper (4D9), der die Aktivität des Rezeptors verstärkt. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Durch die Aktivierung von TREM2 wurden weniger nekrotische Kerne in den Plaques gebildet, wodurch die Ablagerungen stabiler und weniger gefährlich wurden.

Zusätzlich konnte das Team zeigen, dass lösliches TREM2 im Blut (sTREM2) mit dem Fortschreiten der Atherosklerose zusammenhängt. Dies legt nahe, dass TREM2 nicht nur ein möglicher Ansatzpunkt für neue Therapien, sondern auch ein früher Biomarker für das Fortschreiten der Erkrankung sein könnte.

 

*Marie Piollet, *Florentina Porsch, Giuseppe Rizzo, Frederieke Kapser, Dirk J.J. Schulz, Máté G. Kiss, Kai Schlepckow, Estrella Morenas-Rodriguez, Mustafa Orkun Sen, Julius Gropper, Sourish Reddy Bandi, Sarah Schäfer, Tobias Krammer, Alexander M. Leipold, Matthias Hoke, Mária Ozsvár-Kozma, Hannah Beneš, Martin Schillinger, Erich Minar, Melanie Roesch, Laura Göderle, Anastasiya Hladik, Sylvia Knapp, Marco Colonna, Rudolf Martini, Antoine-Emmanuel Saliba, Christian Haass, #Alma Zernecke, #Christoph J. Binder, #Clément Cochain. TREM2 protects from atherosclerosis by limiting necrotic core formation. Nature Cardiovascular Research. 
NCVR-2023-05-1780B, DOI: 10.1038/s44161-024-00429-9
* Ko-Erstautorinnen
# Studienleiter:in

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Welche Faktoren hängen mit der Berufswahl von Medizinstudierenden in verschiedenen Fachgebieten zusammen?

Angesichts des Mangels und der ungleichen Verteilung von Ärztinnen und Ärzten auf die verschiedenen Fachgebiete, untersucht die Studie welche Faktoren die Facharztwahl von Medizinstudierenden beeinflussen, darunter Persönlichkeit, Ausbildung, berufsbezogene Motive und Wichtigkeit verschiedener Aspekte bei der Facharztwahl.

Dazu führten sie eine Querschnittsbefragung von 683 Studierenden aus drei verschiedenen Phasen des sechsjährigen Medizinstudiums durch, 70 Prozent der Befragten waren Frauen. Die am häufigsten gewählten Fachrichtungen waren Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin. Auch Anästhesiologie, Kinder- und Jugendmedizin sowie Gynäkologie stießen auf Interesse. Das Interesse an einer Fachrichtung wurde vor allem durch die Erfahrungen in bestimmen Fächern, z.B. während klinischer Praktika, beeinflusst. Geregelte Arbeitszeiten und Work-Life-Balance waren für alle Studierenden wichtig, jedoch weniger für diejenigen, die sich für die Chirurgie als Zielgebiet entschieden. Die Bereitschaft, in einem Krankenhaus zu arbeiten, war stark mit der Präferenz von Anästhesiologie und Chirurgie verbunden, während der Wunsch in ländlichen Gebieten und ambulant tätig zu sein mit dem Interesse an der Allgemeinmedizin assoziiert waren. Ein Interesse an der Allgemeinmedizin ging zudem häufiger mit einer Berufsausbildung vor Studienbeginn und positiven Vorerfahrungen mit dem Fach einher. Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität der Entscheidungsprozesse und sollen dazu beitragen, die Vielfalt und Verteilung der medizinischen Fachrichtungen zu fördern. Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige und gerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, die sowohl den individuellen als auch den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht.

 

Tobias Leutritz, Maike Krauthausen, Anne Simmenroth & Sarah König. Factors associated with medical students’ career choice in different specialties: a multiple cross-sectional questionnaire study at a German medical school. BMC Med Educ 24, 798 (2024). doi:10.1186/s12909-024-05751-1

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Interviewstudie in Würzburger KiTas über die Erfahrungen mit Corona-Tests zuhause

Seit Beginn der Corona-Pandemie standen Kindertagesstätten (KiTas) vor der Herausforderung, SARS-CoV-2-Infektionen frühzeitig zu erkennen.

Eine Studie in Würzburger KiTas untersuchte von Mai bis Juli 2021 die Akzeptanz und Durchführbarkeit von zu Hause durchführbaren Screeningtests bei Kindern und Betreuungspersonal. Dabei wurden Mundspülwasserproben für PCR-Tests und Nasenabstriche für Antigen-Schnelltests verwendet. 591 Personen nahmen an der Studie teil. In 49 Interviews mit Eltern, Betreuerinnen und Betreuern wurden die Einstellung zu den verschiedenen Tests und die Erfahrungen damit evaluiert. Die Analyse zeigte, dass die Tests als zuhause durchführbar erlebt wurden, individuelle Präferenzen die Bewertung und Akzeptanz der Tests jedoch deutlich beeinflussten. Minimaler Aufwand, klare Studieninformationen und schnelle Rückmeldung der Testergebnisse führten zu einem erhöhten Sicherheitserleben und förderten die Teilnahmebereitschaft. Die differenzierten Einblicke aus den ausführlichen Interviews liefern wertvolle Einblicke und Informationen über Faktoren, die die Akzeptanz von Selbsttests allgemein beeinflussen. Diese sollten berücksichtigt werden, bevor ähnliche Maßnahmen zukünftig eingeführt werden sollen. 

 

Maike Krauthausen, David Gierszewski, Andrea Streng, Johannes Forster, Geraldine Engels, Franziska Pietsch, Julia Wallstabe, Thomas Jans, Viktoria Rücker, Marcel Romanos, Peter Heuschmann, Lars Dölken, Christoph Härtel, Oliver Kurzai, Johannes Liese, Ildikó Gágyor. Wü-KiTa-CoV-Studiengruppe. Kontinuierliche Überwachung von SARS-CoV-2 Infektionen in Kindertagesstätten: eine qualitative Interviewstudie über die Erfahrungen von Betreuer*innen und Eltern mit verschiedenen Testverfahren im häuslichen Umfeld. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. Volume 189. Pages 24-32. ISSN 1865-9217 (2024). doi:10.1016/j.zefq.2024.07.002

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Body Map Stories aus Kolumbien: Erfahrungen von Lepra Betroffenen und der Einfluss von Peers während der Diagnose und Behandlung

In Kolumbien leiden viele Leprapatientinnen und -patienten unter Behinderungen, die auf eine verspätete Diagnose und Behandlung zurückzuführen sind.

Die Studie untersuchte die Erfahrungen der Betroffenen während dieses Prozesses und den Einfluss von Gleichbetroffenen, so genannten Peers. Dazu wurde die Technik des „Body Map Storytellings“ eingesetzt. Dabei zeichneten die Studienteilnehmenden eine lebensgroße Silhouette ihres Körpers und wählten Symbole, um ihre persönlichen Erlebnisse, Emotionen und Symptome darzustellen, während sie in einem begleitenden Interview ihre Erfahrungen schilderten. Diese Methode hilft, komplexe körperliche und emotionale Erfahrungen auszudrücken, die sich oft nur schwer in Worte fassen lassen. Die Sitzungen wurden aufgezeichnet, transkribiert und von einem interdisziplinären und interkulturellen Team, bestehend aus Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen sowie einer von Lepra betroffenen Person, thematisch analysiert.
Es zeigte sich, dass die Diagnosestellung oft Jahre dauerte und von Unsicherheiten und Fehldiagnosen geprägt war. Trotz der zusätzlichen Belastung durch Medikamentennebenwirkungen motivierte der Wunsch nach Heilung die Betroffenen, ihre Therapie konsequent durchzuführen. Die Unterstützung durch Peers beschleunigte die Diagnose und förderte die Therapietreue. Der Einsatz von gut ausgebildeten Peers kann somit zur früheren Diagnose, besseren Behandlungsergebnissen und Vermeidung von Behinderungen beitragen.

 

Martha Cecilia Barbosa Ladino, Camila Jiménez Betancourth, Lucrecia Vásquez Acevedo L, Melanie Haag, Janina Zirkel, Eva-Maria Schwienhorst-Stich, Miriam Navarro, Christa Kasang, Ildikó Gágyor, Sandra Parisi. Body map stories from Colombia: experiences of people affected by leprosy and the influence of peers during diagnosis and treatment. Int J Equity Health. 2024 May 13;23(1):98. doi:10.1186/s12939-024-02152-0

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Vermeidungs- und Ausdauerreaktionen auf Schmerzen vor und mit fortgeschrittener Chronifizierung

Nach dem Avoidance-Endurance-Modell (Vermeidungs-Ausdauer-Modell) spielen neben Schmerzangst und Vermeidungsverhalten insbesondere Gedankenunterdrückung und Durchhaltereaktionen eine vermittelnde Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen.

Forscherinnen der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie untersuchten mögliche Unterschiede in Angst-Vermeidungsverhalten und Durchhalte-Tendenzen bei Patientinnen und Patienten in verschiedenen Schmerzstadien. Verglichen wurden zwei Gruppen: Eine mit wochenlangen Schmerzen und Risikofaktoren für Chronifizierung und eine mit bereits chronischen Schmerzen. Die Würzburger Stichprobe zeigte eine geringere Chronifizierung. Die Ausprägungen erfassten die Forscherinnen mit dem internationalen Avoidance-Endurance Fragebogen. 
Fazit: Menschen mit Risikofaktoren für eine Chronifizierung sind ähnlich belastet wie Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen. Vermeidungs- und Durchhaltereaktionen hängen nicht vom Stadium der Chronifizierung ab. Dies könnte mit der hohen schmerzbedingten Beeinträchtigung zusammenhängen und einen Risikofaktor für eine weitere Schmerzchronifizierung darstellen.

 

Karolin Teichmüller, Andrea Kübler, Heike L. Rittner, Gudrun-Karin Kindl. Avoidance and Endurance Responses to Pain Before and with Advanced Chronification: Preliminary Results from a Questionnaire Survey in Adult Patients with Non-Cancer Pain Conditions. J Pain Res 17: 2473-2481 (2024). doi:10.2147/JPR.S464509

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Post-hoc-Analyse der SUSTAIN CSX-Studie: Kann hochdosiertes Selen die postoperative Erholung nach kardiogenem Schock und mechanischer Kreislaufunterstützung verbessern?

Für Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock nach herzchirurgischen Eingriffen ist eine vorübergehende mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung häufig notwendig und potenziell lebensrettend.

Sie ist aber auch mit einem hohen Risiko für Komplikationen wie Blutungen und Thrombosen sowie einer ausgeprägten systemischen Entzündungsreaktion verbunden. In der Folge kommt es zu endothelialer Dysfunktion und Schädigung anderer lebenswichtiger Organe, was zu einer verlängerten Verweildauer auf der Intensivstation und einer erhöhten Mortalität führt.
In einer Post-hoc-Analyse der SUSTAIN CSX-Studie wurde nun untersucht, ob eine hochdosierte perioperative Gabe von Selen als Antioxidans im Vergleich zu Placebo die Organdysfunktion und postoperative Erholung von Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock nach herzchirurgischen Eingriffen mit mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützung verbessern kann. Relevante Effekte konnten nicht nachgewiesen werden, so dass weitere Studien erforderlich sind, um potenzielle antiinflammatorische Strategien zur Verbesserung der Erholung einer wachsenden Zahl von Patientinnen und Patienten unter mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützung zu evaluieren.

 

Sascha Ott, Ellen Dresen, Zheng Yii Lee, Lukas M. Müller-Wirtz, Livia Procopiuc, Elyad Ekrami, Leonard Pitts, Nicolas Hellner, Daniel Catena, Georg Daniel Duerr, Maria Wittmann, Reiner M. Waeschle, Gunnar Elke, Benjamin O'Brien, Daren K. Heyland, Christian Stoppe. The effect of high-dose selenium on mortality and postoperative organ dysfunction in post-cardiotomy cardiogenic shock patients supported with mechanical circulatory support - A post-hoc analysis of the SUSTAIN CSX trial. J Crit Care. Jul 1;83:154853 (2024). doi:10.1016/j.jcrc.2024.154853

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Smartwatch als früher Wegweiser in Krebstherapie

Vivek Venkataramani, Barbara Deschler-Baier und Markus Krebs haben mit einem Team des Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) im Journal npj Precision Oncology einen Fallbericht veröffentlicht, der in mehrfacher Hinsicht besonders ist.

Privatdozent Dr. Vivek Venkataramani ist Arzt für das Molekulare Tumorboard im Zentrum für Personalisierte Medizin des Uniklinikums Würzburg. © Jonas Hahn / Vivek Venkataramani
Durch den Einsatz modernster Molekulardiagnostik und personalisierter Krebstherapie konnte ein 56-jähriger Patient mit einem seltenen Bauchspeicheldrüsenkrebs schnelle Fortschritte erzielen. Die Smartwatch spielte dabei eine entscheidende Rolle © Alankreeta Bharali / Vivek Venkataramani

Die Publikation zeigt nicht nur die mögliche Wirksamkeit präzisionsonkologischer Behandlungen, sondern auch das medizinisch hilfreiche Potenzial digitaler Instrumente wie Smartwatches. Diese so genannten Wearables könnten die Überwachung von Krebsbehandlungen positiv beeinflussen und so eine schnelle Anpassung der Therapie ermöglichen.

Ein 56-jähriger Patient litt an einer seltenen Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Drei Chemotherapien brachten keinen Erfolg, wie radiologische Bildgebung und Blutuntersuchungen aber auch seine Smartwatch zeigten. Jeder Therapiewechsel ging mit einer Abnahme der Schrittzahl einher, was den zunehmenden Einfluss der Krankheit und der Nebenwirkungen der Behandlung widerspiegelte.

Mit Hilfe einer molekulargenetischen Untersuchung konnte das Team unseres Molekularen Tumorboards eine Veränderung im Erbgut der Tumorzellen nachweisen. Diese sogenannte RET-Gen-Fusion stimuliert das Wachstum der Tumorzellen. Seit 2024 ist der RET-Inhibitor Selpercatinib von der Europäischen Arzneimittelagentur als Monotherapie für Patientinnen und Patienten mit entsprechend genetisch veränderten Tumoren zugelassen. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der laufenden Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001, an der auch das Comprehensive Cancer Center MF beteiligt ist. Und eben in diese Studie konnte der Patient erfolgreich eingeschlossen werden.

Bereits wenige Tage nach Beginn der Therapie spürte der Patient eine deutliche Besserung. Die tastbaren Lymphknoten und Weichteilmetastasen waren geschrumpft, er benötigte weniger Morphium und keine Gehhilfe mehr. Das Monitoring mit der Smartwatch unterstrich den Einfluss von Selpercatinib auf die deutlich verbesserte Lebensqualität und bestätigte die Wirksamkeit der Therapie durch verbesserte körperliche Leistungsindikatoren. Die Messung der Schrittzahl und der Herzfrequenz lieferte einen Echtzeit-Einblick in das Aktivitätsniveau und die physiologischen Reaktionen des Patienten. Diese frühzeitige Erkennung von Verbesserungen ermöglichte eine präzise Anpassung der Therapie, noch bevor herkömmliche Tests Veränderungen zeigten. Ein beeindruckendes Beispiel für die Zukunft der personalisierten Medizin.

 

Barbara Deschler-Baier*, Markus Krebs*, Matthias Kroiss, Manik Chatterjee, Daniel Gundel, Christian Kestler, Alexander Kerscher, Volker Kunzmann, Silke Appenzeller, Katja Maurus, Andreas Rosenwald, Ralf Bargou, Elena Gerhard-Hartmann & Vivek Venkataramani. Rapid response to selpercatinib in RET fusion positive pancreatic neuroendocrine carcinoma confirmed by smartwatch. npj Precision Oncology 8, 167 (2024). doi:10.1038/s41698-024-00659-x
* geteilte Erstautorenschaft 

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