paper place Archiv 2. Quartal

Morbus Fabry: Von Hautzellen über Stammzellen zu Nervenzellen

Nurcan Üçeyler und ihrem Team ist es erstmals gelungen, aus Hautzellen von Patientinnen und Patienten mit Morbus Fabry Stammzellen herzustellen und diese in sensible Nervenzellen umzuwandeln.

Die Abbildung zeigt die für Morbus Fabry charakteristischen Sphingolipidablagerungen in patienteneigenen Stammzellen und Nervenzellen. Die Ablagerungen wurden mit Hilfe eines Farbstoff-gekoppelten Toxins (STxB, Shiga-Toxin B Untereinheit, grün) sichtbar gemacht, das spezifisch an ein Sphingolipid bindet. In den Stammzellen konnten die Ablagerungen innerhalb der Lysosomen (LAMP1, Lysosom-assoziiertes Membranprotein 1, magenta) nachgewiesen werden. Auch in den Nervenzellen, die aus den Stammzellen generiert und mit Hilfe eines neuronalen Markers sichtbar gemacht wurden (Tuj1, beta-III-Tubulin, magenta), konnten die akkumulierten Sphingolipide nachgewiesen werden. Im Vergleich dazu sind sowohl Stammzellen als auch Neurone einer gesunden Kontrolle frei von Ablagerungen. Zur Darstellung der Zellkerne wurden NucO (Nuclear Orange, blau) und DAPI (4′,6-Diamidin-2-Phenylindol, blau) verwendet. Die Balken entsprechen 1 µm bei Stammzellen und 25 µm bei Neuronen. © Thomas Klein / UKW
Dr. Julia Grüner (links) und Prof. Dr. Nurcan Üçeyler haben für ihre Forschung aus Hautzellen von Patientinnen und Patienten mit Morbus Fabry Stammzellen hergestellt und diese in sensible Nervenzellen umgewandelt. © UKW

Mit diesen patienteneigenen Nervenzellen konnten die Forschenden neue molekulare und funktionelle Erkenntnisse gewinnen, die Hinweise auf Mechanismen geben, welche zu den für die Stoffwechselerkrankung typischen Schmerzen und Gefühlsstörungen beitragen.

 

Thomas Klein, Julia Grüner, Maximilian Breyer, Jan Schlegel, Nicole Michelle Schottmann, Lukas Hofmann, Kevin Gauss, Rebecca Mease, Christoph Erbacher, Laura Finke, Alexandra Klein, Katharina Klug, Franziska Karl-Schöller, Bettina Vignolo, Sebastian Reinhard, Tamara Schneider, Katharina Günther, Julian Fink, Jan Dudek, Christoph Maack, Eva Klopocki, Jürgen Seibel, Frank Edenhofer, Erhard Wischmeyer, Markus Sauer, Nurcan Üçeyler. Small fibre neuropathy in Fabry disease: a human-derived neuronal in vitro disease model and pilot data. Brain Communications, Volume 6, Issue 2 (2024). doi:10.1093/braincomms/fcae095 

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Die Abbildung zeigt die für Morbus Fabry charakteristischen Sphingolipidablagerungen in patienteneigenen Stammzellen und Nervenzellen. Die Ablagerungen wurden mit Hilfe eines Farbstoff-gekoppelten Toxins (STxB, Shiga-Toxin B Untereinheit, grün) sichtbar gemacht, das spezifisch an ein Sphingolipid bindet. In den Stammzellen konnten die Ablagerungen innerhalb der Lysosomen (LAMP1, Lysosom-assoziiertes Membranprotein 1, magenta) nachgewiesen werden. Auch in den Nervenzellen, die aus den Stammzellen generiert und mit Hilfe eines neuronalen Markers sichtbar gemacht wurden (Tuj1, beta-III-Tubulin, magenta), konnten die akkumulierten Sphingolipide nachgewiesen werden. Im Vergleich dazu sind sowohl Stammzellen als auch Neurone einer gesunden Kontrolle frei von Ablagerungen. Zur Darstellung der Zellkerne wurden NucO (Nuclear Orange, blau) und DAPI (4′,6-Diamidin-2-Phenylindol, blau) verwendet. Die Balken entsprechen 1 µm bei Stammzellen und 25 µm bei Neuronen. © Thomas Klein / UKW
Dr. Julia Grüner (links) und Prof. Dr. Nurcan Üçeyler haben für ihre Forschung aus Hautzellen von Patientinnen und Patienten mit Morbus Fabry Stammzellen hergestellt und diese in sensible Nervenzellen umgewandelt. © UKW
Kommunikation zwischen Hirn und Darm ist keine Einbahnstraße

Eine neue Erkenntnis in der ebenso komplexen wie faszinierenden Welt der Darm-Hirn-Achse hat Juniorprofessorin Rhonda McFleder in Nature Communications veröffentlicht.

Mikroskopische Aufnahmen von Zellen im Darm (oben) und Gehirn (unten) einer Maus mit Parkinson; aSyn (magenta), CD11c+ Makrophagen (grün), TH+ Neuronen (gelb), und Nuklei (blau). © UKW

Die Neurobiologin erforscht gemeinsam mit Chi Wang Ip die Rolle des Immunsystems bei der Parkinson-Erkrankung und zeigt in dieser Studie mit einem interdisziplinären Team, wie Zellen vom Gehirn in den Darm wandern und so die Ausbreitung neurologischer Erkrankungen wie Parkinson vermitteln. 

 

Rhonda L. McFleder, Anastasiia Makhotkina, Janos Groh, Ursula Keber, Fabian Imdahl, Josefina Peña Mosca, Alina Peteranderl, Jingjing Wu, Sawako Tabuchi, Jan Hoffmann, Ann-Kathrin Karl, Axel Pagenstecher, Jörg Vogel, Andreas Beilhack, James B. Koprich, Jonathan M. Brotchie, Antoine-Emmanuel Saliba, Jens Volkmann & Chi Wang Ip. Brain-to-gut trafficking of alpha-synuclein by CD11c+ cells in a mouse model of Parkinson’s disease. Nat Commun 14, 7529 (2023). doi:10.1038/s41467-023-43224-z 

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Mikroskopische Aufnahmen von Zellen im Darm (oben) und Gehirn (unten) einer Maus mit Parkinson; aSyn (magenta), CD11c+ Makrophagen (grün), TH+ Neuronen (gelb), und Nuklei (blau). © UKW
Antibiotikaverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt der Frau

In den Leitlinien zur Therapie von Harnwegsinfektionen wird auf den Einsatz von Zweitwahlantibiotika erst nach Versagen von Erstwahlantibiotika hingewiesen.

Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf

Die Verordnungsraten in Deutschland liegen jedoch weit oberhalb der empfohlenen Werte. Ziel der REDARES-Studie des Instituts für Allgemeinmedizin war es, die Qualität der Antibiotikaverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt der Frau zu verbessern. Dabei profitierten die teilnehmenden Praxen und deren Patientinnen während und auch nach Abschluss der Studie von einem individuellen Verordnungsfeedback, Informationsmaterialien und Handreichungen. Die multimodale Intervention war erfolgreich: In der Interventionsgruppe wurden innerhalb von zwölf Monaten um 13 Prozent weniger Zweitwahl-Antibiotika verordnet und insgesamt 8 Prozent weniger Antibiotika. Die Intervention erwies sich in der Praxis als umsetzbar und wurde von allen Beteiligten akzeptiert. Sie hat damit ein hohes Potential, in der Praxis erfolgreich implementiert zu werden. 

 

Guido Schmiemann, Alexandra Greser, Andy Maun, Jutta Bleidorn, Angela Schuster, Olga Miljukov, Victoria Rücker, Anja Klingenberg, Anja Mentzel, Vitalii Minin, Tim Eckmanns, Christoph Heintze, Peter Heuschmann, Ildikó Gágyor. Effects of a multimodal intervention in primary care to reduce second line antibiotic prescriptions for urinary tract infections in women: parallel, cluster randomised, controlled trial. BMJ (2023). doi:10.1136/bmj-2023-076305

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REDARES-Projekt: Empfehlungen für den ambulanten Versorgungsalltag

Prof. Dr. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und Studienärztin Alexandra Greser. © Angie Wolf
Welche Antibiotika zur Behandlung von Pneumonien sind am wirksamsten in der Primärversorgung?

Im internationalen Vergleich variieren die klinischen Leitlinien zur empfohlenen Antibiotikabehandlung bei leicht- bis mittelschwerer ambulant erworbener Pneumonie erheblich.

Peter K. Kurotschka ist ärztlicher Mitarbeiter des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf

Daher verfolgte die Studie das Ziel, die wirksamsten oralen Antibiotika für Erwachsene mit ambulant erworbener Pneumonie zu identifizieren. Primärärztlich relevante Literatur der vergangenen 20 Jahre wurde systematisch überprüft und 24 Studien mit insgesamt 9361 Patientinnen und Patienten in eine Netzwerk-Metaanalyse eingeschlossen. Das Ergebnis: Chinolone und Makrolid-Antibiotika erzielen am wahrscheinlichsten ein klinisches Ansprechen, während Beta-Laktam-Antibiotika (einschließlich Amoxicillin) und die Kombination Amoxicillin-Clavulansäure + Makrolid weniger wirksam sind. Trotz dieser Trends fand die Studie keine eindeutigen Beweise für die Überlegenheit eines spezifischen Antibiotikums beziehungsweise einer Antibiotikaklasse. Da die aktuellen klinischen Leitlinien nicht auf solider Evidenz basieren, bedarf es neuer randomisierter kontrollierter Studien zur Identifikation der wirksamsten Antibiotika zur Behandlung von Pneumonien in der Primärversorgung.

 

Peter K. Kurotschka, Michelle Bentivegna, Cassie Hulme & Mark H. Ebell. Identifying the Best Initial Oral Antibiotics for Adults with Community-Acquired Pneumonia: A Network Meta-Analysis. Journal of General Internal Medicine 39, 1214–1226 (2024). doi:10.1007/s11606-024-08674-1

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Peter K. Kurotschka ist ärztlicher Mitarbeiter des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf
Neuroenhancement: Medikamente zur Leistungssteigerung im Studium

Der Konsum von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die zur Leistungssteigerung genutzt werden können, wird als „Neuroenhancement“ (NE) bezeichnet.

Prof. Dr. Anne Simmenroth, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf

Insbesondere Stress-Erleben, Angst und Depressivität sind mit stärkerem Konsum verbunden. Internationale Daten zeigen, dass Studierende häufig NE betreiben. Gründe sind unter anderem das Erleben von Stresssituationen und die Ablösung vom Elternhaus beziehungsweise das Suchen nach neuen sozialen Bindungen. Der Konsum von Alkohol, Cannabis und Nikotin wiederum wird zur Stressreduktion genutzt. Unsere Befragung unter 1010 Würzburger Studierenden aus drei Fakultäten ergab eine Prävalenz von 12 Prozent für die Nutzung von NE. NE wurde insbesondere während der Prüfungsvorbereitung zur Leistungssteigerung und / oder zur emotionalen Regulation eingesetzt, am häufigsten in Form von Koffeintabletten, Cannabis und Methylphenidat. Gleichzeitig war NE assoziiert mit riskantem Alkohol- beziehungsweise Tabakkonsum und im geringeren Ausmaß mit ADHS-Symptomen und erhöhtem Stresserleben. Die Symptomniveaus der Screenings für ADHS, Angst und Depressivität lagen in der befragten Kohorte etwas höher als in der deutschen Allgemeinbevölkerung. NE kann als Marker für einen Bedarf an psychosozialer Unterstützung für Studierende interpretiert werden.

 

Maurice Hajduk, Elena Tiedemann, Marcel Romanos, Anne Simmenroth. Neuroenhancement and Mental Health in Students from Four Faculties – a Cross-Sectional Questionnaire Study. GMS Journal for Medical Education, 41 (1), Doc9 (2024). doi:10.3205/zma001664

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Prof. Dr. Anne Simmenroth, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin. © Angie Wolf
Meta-Analyse zur Antikoagulation bei COVID-19-Patienten

Eine relevante Komplikation bei COVID-19-Patientinnen und -Patienten waren und sind thromboembolische Ereignisse, so dass eine medikamentöse Hemmung der Blutgerinnung, in der Fachsprache Antikoagulation genannt, sinnvoll sein könnte.

Bisherige Studien zeigen hierzu widersprüchliche Ergebnisse. Im Rahmen der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Therapie von COVID-19 konnte die Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des UKW zum Thema Antikoagulation 14 neue und insgesamt 27 randomisierte kontrollierte Studien mit 16.789 Personen in einer systematischen Übersichtsarbeit mit Metaanalyse aufarbeiten. Während stationäre Patientinnen und Patienten mit moderater Erkrankung von einer Antikoagulation in semi-therapeutischer oder therapeutischer Dosierung profitieren können, scheint dies bei schwer Erkrankten nicht der Fall zu sein. Für ambulante und poststationäre Patientinnen und Patienten zeigt sich kein klarer Vorteil einer Antikoagulation. Unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung muss immer das Blutungsrisiko einer Antikoagulation mitberücksichtigt werden.

 

Stefanie Reis, Amon Faske, Ina Monsef, Florian Langer, Oliver J Müller, Peter Kranke, Patrick Meybohm, Stephanie Weibel. Anticoagulation in COVID-19 patients - An updated systematic review and meta-analysis. Thrombosis Research, 238:141-150 (2024). doi:10.1016/j.thromres.2024.04.007

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Veränderte Thrombozyten unter ECMO erhöhen Sterberisiko - Neue Ansätze zur Blutungsprävention

Für Patientinnen und Patienten mit akutem Lungenversagen, kurz ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome), kann die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) die letzte Therapiemöglichkeit und damit lebensrettend sein.

Bild ECMO: Die Thrombozyten wurden mittels spezieller hochauflösender Mikroskopieverfahren (Konfokale Mikroskopie, Whole-Mount Transmissionselektronenmikroskopie) dargestellt. Die Daten zeigen, dass es unter ECMO-Therapie zu einem Verlust der δ-Granula (dargestellt in cyan in Abbildung A) und roter Pfeil, Abbildung B) kommt. © AG Schulze / Institut für Experimentelle Biomedizin / UKW

Das intensivmedizinische Verfahren, bei dem zuvor entnommenes Blut mit Sauerstoff angereichert und wieder zurückgeführt wird, kann jedoch zu erheblichen Veränderungen der Blutgerinnung führen und das Blutungsrisiko erhöhen. In einem translationalen Forschungsprojekt konnten die Forschenden einerseits zeigen, dass die ECMO-Therapie zu einer Entleerung zellulärer Speicher (δ-Granula) in den Blutplättchen, den so genannten Thrombozyten, führt, wodurch die Blutungszeit verlängert wird. Andererseits fanden sie Hinweise auf eine Reduktion des Glykoprotein-V-Rezeptors auf der Oberfläche der Thrombozyten, was das Sterberisiko erhöht. Diese Ergebnisse bauen auf Würzburger Vorarbeiten auf, in denen dem Glykoprotein-V-Rezeptor eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung und damit ein möglicher neuer Angriffspunkt zur Verhinderung von Blutungsereignissen unter ECMO-Therapie zugeschrieben werden konnte.

 

Johannes Herrmann, Lukas J. Weiss, Bastian Just, Kristina Mott, Maria Drayss, Judith Kleiss, Jonathan Riesner, Quirin Notz, Daniel Röder, Rainer Leyh, Sarah Beck, Dirk Weismann, Bernhard Nieswandt, Christopher Lotz, Patrick Meybohm, Harald Schulze. ECMO aggravates platelet GPV shedding and δ-granule deficiency in COVID-19-associated acute respiratory distress syndrome. Journal of Thrombosis and Haemostasis, ISSN 1538-7836 (2024). doi:10.1016/j.jtha.2024.05.008

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Die Studie wurde gefördert von der European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des SFB 1525.

Bild ECMO: Die Thrombozyten wurden mittels spezieller hochauflösender Mikroskopieverfahren (Konfokale Mikroskopie, Whole-Mount Transmissionselektronenmikroskopie) dargestellt. Die Daten zeigen, dass es unter ECMO-Therapie zu einem Verlust der δ-Granula (dargestellt in cyan in Abbildung A) und roter Pfeil, Abbildung B) kommt. © AG Schulze / Institut für Experimentelle Biomedizin / UKW