paper place Archiv 2. Quartal

Usability-Studie: Bechterew-App „Axia“ steigert die Frequenz von krankheitsspezifischen Funktionstraining zuhause

Die axiale Spondyloarthritis (axSpA) ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die hauptsächlich die Wirbelsäule betrifft und im fortgeschrittenen Stadium mit Verknöcherungen der Wirbelsäule auch als Morbus Bechterew bekannt ist.

Obwohl Patientinnen und Patienten mit axSpA nachweislich von einem regelmäßigen Heimtraining bzw. häuslichen Funktionstraining profitieren, schafft es hierzulande ein relevanter Anteil der Betroffenen nicht, die empfohlenen Übungen durchzuführen. Würzburger Medizinstudenten haben zusammen mit der Rheumatologie der Universitätsmedizin Würzburg eine neuartige digitale Therapie entwickelt. 

Die App mit dem Namen Axia entspricht den europäischen Vorschriften für Medizinprodukte (MDR). In der Studie, die in der Fachzeitschrift Rheumatology International veröffentlicht wurde, bewerteten Patientinnen und Patienten die Wirksamkeit, Attraktivität und Funktionalität der App. 65 Prozent berichteten über eine verbesserte Bewegungsfreiheit, 43 Prozent über weniger Schmerzen und 94 Prozent über ein verbessertes krankheitsspezifisches Wissen. Intuitivität, Design und Unterhaltung wurden ebenfalls sehr positiv bewertet. Alle Nutzerinnen und Nutzer empfahlen Axia anderen Patientinnen und Patienten weiter. Derzeit wird die Wirksamkeit und Adhärenz in zwei großen randomisierten kontrollierten Interventionsstudien mit über 200 Betroffenen am UKW untersucht. 

Im Vorfeld der Entwicklung der Axia-App und der Usability-Tests wurde bereits nachgewiesen, dass sich Betroffene mit axSpA eine solche Therapie-App für Ihre Erkrankung wünschen: Strunz, PP., Maire, M.L., Heusinger, T. et al. Apps in der Rheumatologie. Z Rheumatol 82, 256–261 (2023). Zur Publikation

Für die Entwicklung der App wurde das Start-up Applimedia GmbH bereits 2022 im „Gründungswettbewerb – Digitale Innovation“ des Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Preisgeld von 7.000 Euro ausgezeichnet. 

 

Patrick-Pascal Strunz, Maxime Le Maire, Tobias Heusinger, Juliana Klein, Hannah Labinsky, Anna Fleischer, Karsten Sebastian Luetkens, Patricia Possler, Michael Gernet, Robert Leppich, Astrid Schmieder, Ludwig Hammel, Evelin Schulz, Billy Sperlich, Matthias Fröhlich & Marc Schmalzing. The exercise-app Axia for axial spondyloarthritis enhances the home-based exercise frequency in axial spondyloarthritis patients – A cross-sectional survey. Rheumatol Int 44, 1143–1154 (2024). doi:10.1007/s00296-024-05600-w

Zur Publikation

Zur Pressemitteilung

Die Funktionen der App kurz erklärt

Dr. Patrick Strunz aus der Rheumatologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik II stellt die Bechterew-App vor. Eine ausführliche Darstellung finden Sie auf der Seite der Interdisziplinären AG Digitale Medizin (IAGDM).

ERAS-Maßnahmen auch bei Morbus Crohn erfolgreich

In dieser Arbeit wird an Patientinnen und Patienten mit der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn untersucht, welchen Einfluss sogenannte ERAS-Konzepte (Enhanced Recovery After Surgery) auf das postoperative Ergebnis haben.

Bei diesen Konzepten handelt es sich um ein bereits in der Krebsbehandlung erprobtes Vorgehen, bei dem durch eine optimierte Vorbehandlung und spezielle Maßnahmen während und nach der Operation eine schnellere und bessere Erholung der Patientinnen und Patienten erreicht werden konnte. Die Würzburger Studie der Viszeralchirurgie liefert erste Belege dafür, dass diese Konzepte auch bei Morbus Crohn erfolgreich angewendet werden können und die Operierten insbesondere hinsichtlich der Komplikationsrate und anderer Parameter von ERAS profitieren.

 

Matthias Kelm, Lena Wagner, Anna Widder, Regina Pistorius, Johanna C Wagner, Nicolas Schlegel, Christian Markus, Patrick Meybohm, Christoph-Thomas Germer, Wolfgang Schwenk, Sven Flemming. Perioperative Enhanced Recovery Concepts Significantly Improve Postoperative Outcome in Patients with Crohn`s Disease. Journal of Crohn's and Colitis (2024). doi:10.1093/ecco-jcc/jjae090

Zur Publikation

Medikamentöse Prophylaxe nach Darmteilentfernung bei Morbus Crohn

Bei Patientinnen und Patienten mit der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn wird bei der notwendigen Operation grundsätzlich darauf geachtet, so wenig Darm wie möglich zu entfernen. Die beiden Enden werden wieder miteinander verbunden, ohne dass alle entzündeten Teile entfernt werden müssen.

Dieses Vorgehen basiert auf früheren Arbeiten, die gezeigt hatten, dass diese Methode für den Krankheitsverlauf keine Rolle spielt. In dieser retrospektiven Studie hat die Würzburger Viszeralchirurgie die Bedeutung der Entzündungsaktivität der Absetzungsränder bei Darmteilentfernungen untersucht. Die Daten zeigen, dass eine verbleibende geringe Entzündungsaktivität mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für ein Wiederauftreten der Erkrankung verbunden ist. Fazit: Die Patientinnen und Patienten profitieren wahrscheinlich von einer medikamentösen Prophylaxe nach der Operation.

 

Matthias Kelm, Clara Benatzky, Victoria Buck, Anna Widder, Katrin Schoettker, Mathias Rosenfeldt, Markus Brand, Nicolas Schlegel, Christoph-Thomas Germer, Alexander Meining, Asma Nusrat & Sven Flemming. Positive resection margins in Crohn's disease are a relevant risk factor for postoperative disease recurrence. Sci Rep 14, 10823 (2024). doi:10.1038/s41598-024-61697-w 

Zur Publikation

Schmerztherapie nach Bauchwandeinbrüchen

Die operative Versorgung von Bauchwandbrüchen, die als Folge einer anderen Operation entstanden sind, ist ein sehr häufig durchgeführter Eingriff. Dabei wird der schmerzhafte Bruch operiert und die Bauchwand mit einem Netz stabilisiert, so dass diese wieder intakt ist.

Eine retrospektive Untersuchung zeigt nun, dass die Persistenz von Schmerzen in diesem Bereich weitaus häufiger auftritt als bisher angenommen - auch wenn die Operation erfolgreich war. Diese bisher unterschätzte Zahl von Patientinnen und Patienten könnte von einer frühzeitig einsetzenden, engmaschigen Schmerztherapie profitieren, um eine Chronifizierung der Schmerzen zu verhindern. Die Arbeit ist Teil einer interdisziplinären Arbeit im Rahmen der Klinischen Forschergruppe 5001 „Resolve pain“.

 

Anna Widder, Lena Reese, Johan Lock, Armin Wiegering, Christoph-Thomas Germer, Heike Rittner, Ulrich Dietz, Nicolas Schlegel, Michael Meir. Chronic postsurgical pain (CPSP): an underestimated problem after incisional hernia treatment. Hernia (2024). doi:10.1007/s10029-024-03027-7

Zur Publikation

Soziale Übertragung von Empathie für Schmerz

Grit Hein liefert mit ihren in PNAS publizierten Ergebnissen einen mathematischen und neuronalen Mechanismus für die soziale Übertragung von Empathie. Dieser Mechanismus erklärt die Veränderung individueller empathischer Reaktionen in empathischen und nicht-empathischen sozialen Umgebungen.

Prof. Dr. Grit Hein erforscht am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) Translationale Soziale Neurowissenschaften. © Cordula Buschulte

Grit Hein, Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften am Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP), 
hat gewissermaßen formalisiert, wie Empathie übertragen wird. Mit mathematischen Modellen, dem so genannten Computational Modeling, hat sie das komplexe soziale Phänomen erfasst und mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) im erwachsenen Gehirn plastisch dargestellt. Ihr Fazit: Nicht nur Kinder können empathische Reaktionen zusätzlich zu ihren genetischen Anlagen von engen Bezugspersonen übernehmen, auch Erwachsene sind formbar und können durch Beobachtung anderer lernen, mehr oder weniger mitfühlend zu sein. 

 

Yuqing Zhou, Shihui Han, Pyungwon Kang, Philippe N. Tobler, Grit Hein. The social transmission of empathy relies on observational reinforcement learning. PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America – Psychological and cognitive sciences (2024). doi:10.1073/pnas.2313073121

Zur Publikation

Zur Pressemitteilung

Prof. Dr. Grit Hein erforscht am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) Translationale Soziale Neurowissenschaften. © Cordula Buschulte
Neue Erkenntnisse zur Entstehung und Entwicklung stressbedingter Erkrankungen wie Trauma oder Depression

Ein Schwerpunkt des ZEP ist die Erforschung und Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen, kurz PTBS. Die Ergebnisse zweier neuer Studien, an denen das ZEP beteiligt war, verbessern das Verständnis der biologischen Grundlagen von PTBS und eröffnen neue Wege für zukünftige Forschungsprojekte und neue Behandlungsmöglichkeiten. 

Privatdozentin Dr. Heike Weber leitet am Zentrum für Psychische Gesundheit das Labor für funktionelle Genomik. Für die PTBS-Studien hat die Biologin am Massenspektrometer die Hochdurchsatz-Genotypisierungen durchgeführt. © Kirstin Linkamp / UKW

 

Nievergelt, C.M., Maihofer, A.X., Atkinson, E.G. et al. Genome-wide association analyses identify 95 risk loci and provide insights into the neurobiology of post-traumatic stress disorder. Nat Genet 56, 792–808 (2024). doi:10.1038/s41588-024-01707-9

Zur Publikation

In der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht wurde, analysierte das Psychiatric Genomics Consortium die genetischen Merkmale von PTBS. Von den 95 entdeckten Genregionen, die mit PTBS in Verbindung stehen, waren 80 bisher unbekannt. Bei der genaueren Untersuchung dieser Genregionen wurden 43 Gene identifiziert, die das Risiko erhöhen, nach einem Trauma eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Diese 43 neu identifizierten Gene sind vor allem für die Regulation von Nervenzellen und Synapsen, die Entwicklung des Gehirns, die Struktur und Funktion von Synapsen sowie für hormonelle und immunologische Prozesse verantwortlich. Weitere wichtige Gene beeinflussen Stress-, Angst- und Bedrohungsprozesse, von denen man annimmt, dass sie der Neurobiologie der PTBS zugrunde liegen.

 

Nikolaos P. Daskalakis et al. Systems biology dissection of PTSD and MDD across brain regions, cell types, and blood. Science384 (2024). doi:10.1126/science.adh3707

Zur Publikation

Die molekularen Ursachen sowohl von PTBS als auch von Depressionen behandelt die im Fachjournal Science publizierte Studie. Beide stressbedingten Störungen entstehen durch das Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Stresseinwirkung, die schrittweise zu Veränderungen im menschlichen Genom führen, welche die Expression von Genen und Proteinen beeinflussen. Um eine integrierte Systemperspektive von PTBS und Depression zu erhalten, ergänzte das internationale Team die Daten aus Untersuchungen verschiedener Hirnregionen mit Analysen der Einzelkern-RNA-Sequenzierung, der Genetik und der Proteomik des Blutplasmas. Die Forschenden fanden die meisten Krankheitssignale im medialen präfrontalen Kortex (mPFC). Diese betreffen das Immunsystem, die Regulation von Nervenzellen und Stresshormonen. 

Zur Pressemitteilung

Privatdozentin Dr. Heike Weber leitet am Zentrum für Psychische Gesundheit das Labor für funktionelle Genomik. Für die PTBS-Studien hat die Biologin am Massenspektrometer die Hochdurchsatz-Genotypisierungen durchgeführt. © Kirstin Linkamp / UKW
Wie gut misst neue vierdimensionale Skala des Oral Health Impact Profile die Effekte der prothetischen Behandlung gemessen

Das Oral Health Impact Profile (OHIP) wird in der Zahnmedizin im Rahmen der Anamnese eingesetzt, um zahnmedizinisch relevante Probleme zu erfassen, aber auch um den Erfolg von Therapien zu überprüfen und Verlaufsmessungen durchzuführen.

Kürzlich wurden Empfehlungen zur Umstrukturierung des OHIP von sieben Bereichen zu einer vierdimensionalen Skala ausgesprochen. Die vorliegende Studie untersuchte die Auswirkungen prothetischer Zahnbehandlungen auf die beiden Skalen des OHIP-Fragebogens G49/53. Insgesamt 74 Patientinnen und Patienten füllten den Fragebogen vor der Behandlung, eine Woche, drei Monate und sechs Monate danach aus. Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (OHRQoL) verbesserte sich nach der Behandlung signifikant, insbesondere zwischen der ersten Woche und den weiteren Nachuntersuchungen. Die vierdimensionale Skala zeigte signifikante Verbesserungen und erwies sich als geeignet, die Behandlungseffekte bis zu sechs Monate zu verfolgen. Die Patientinnen und Patienten waren mit den Ergebnissen der prothetischen Behandlung überwiegend zufrieden.

 

Anna Winter, Stefan M. Schulz, Engelke Rasche, Marc Schmitter, Christian Höhne, Nikolaos Nikitas Giannakopoulos. Impact of dental prosthetic treatment and patients' expectations on the seven domains and four-dimensional scale of the Oral Health Impact Profile. J Oral Rehabil,  Feb;51(2):359-368 (2024). doi:10.1111/joor.13599

Zur Publikation