Nicht nur eine Reaktion, sondern die Ursache

FIBROMYALGIE-SYNDROM: AUTOANTIKÖRPER GREIFEN STRUKTUREN DES PERIPHEREN NERVENSYSTEMS AN

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg zeigt in ihrer in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlichten Studie, dass ein fehlgeleitetes Immunsystem möglicherweise nicht nur eine Reaktion des Körpers auf das Fibromyalgie-Syndrom ist, sondern ursächlich mit den Symptomen zusammenhängt.

 

Würzburg. Die Ursachen des Fibromyalgie-Syndroms (FMS), einer Erkrankung mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen, Erschöpfung und häufig psychischen Begleitsymptomen, sind nach wie vor unklar. Während das FMS früher als Erkrankung des rheumatischen Formenkreises („Fibrositis“) angesehen wurde, setzte sich später die Auffassung durch, dass die Beschwerden durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem entstehen, also primär „Kopfsache“ sind. Zu dieser Diskussion konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Klinik für Neurologie seit 2013 wiederholt beitragen, unter anderem mit dem erstmaligen Nachweis, dass kleine Nervenfasern in der Haut beim FMS in ihrer Struktur und Funktion verändert sind.

Bei 35 Prozent greifen Autoantikörper Strukturen des peripheren Nervensystems an

Ihre neuesten Ergebnisse, die eine eindeutige Beteiligung des Immunsystems bei einer Untergruppe der FMS-Patienten und Patientinnen zeigen, hat die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlicht. Die Medizindoktorandin Anastasia Barcic fand heraus, dass bei über 35 % der vom FMS Betroffenen Autoantikörper vorliegen, die gegen Strukturen des peripheren Nervensystems gerichtet sind.

Brennschmerz bei Bindung der Autoantikörper an Nervenzellen mit Capsaicin-Rezeptor

Die naturwissenschaftliche Doktorandin Sabine Seefried vertiefte die Untersuchungen, indem sie durch Immunmarkierungen mit verschiedenen Antikörpern genau bestimmte, an welche Strukturen des peripheren Nervensystems die Autoantikörper der Patientinnen und Patienten binden. Dabei entdeckte sie unterschiedliche Muster, die bestimmte Untergruppen der Betroffenen charakterisierten. Interessanterweise gab es einen Zusammenhang zwischen den betroffenen Strukturen und den Symptomen: In der Patientengruppe, bei der die Autoantikörper an Satellitenzellen banden, also an Zellen, die die Nervenzellen im Spinalganglion umgeben, war die Schmerzintensität höher. In der Gruppe, in der die Autoantikörper an Nervenzellen banden, die den Capsaicin-Rezeptor enthalten, also Sensoren für Schärfe und Hitze, war häufiger ein Brennschmerz vorhanden.  

„Diese und andere Befunde deuten darauf hin, dass die Autoantikörper nicht nur eine Reaktion des Körpers auf die Krankheit sind, sondern wahrscheinlich ursächlich mit den Symptomen zusammenhängen“, fasst Claudia Sommer die neuesten Forschungsergebnisse zusammen.

Weitere Erkenntnisse könnten neue, gezieltere Therapien ermöglichen

Das nächste Ziel der Arbeitsgruppe ist es, herauszufinden, gegen welche Zielstrukturen sich die Antikörper genau richten. Für einzelne Fälle konnte dies bereits gezeigt werden. So wurden zum Beispiel Antigene identifiziert, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen oder im Serotoninsystem, einem wichtigen Neurotransmittersystem. Die genaue Identifizierung der Zielstrukturen würde es ermöglichen, mehr über die Funktion der Autoantikörper und ihre mögliche Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung zu erfahren. Dies könnte auch den Weg zu einer neuen, zielgerichteten Therapie für Betroffene ebnen.

Das Forschungsprojekt wurde vom Evangelischen Studienwerk Villigst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt.
 

Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW
Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

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