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Hilfe im Kampf gegen Krebs finanziert Stelle zur Bearbeitung von Patientenanfragen

An der Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg häufen sich Therapieanfragen von Krebspatientinnen und -patienten. Für deren rasche und kompetente Bearbeitung finanziert der Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ jetzt eine Assistenzarztstelle mit 86.000 Euro.

 

Prof. Dr. Hermann Einsele & Gabriele Nelkenstock
Ein eingespieltes Team: Prof. Dr. Hermann Einsele von der Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg und Gabriele Nelkenstock vom Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ bei der jüngsten Spendenübergabe. Bild: Jasmin Mühlich / UKW

Würzburg. An der von Prof. Dr. Hermann Einsele geleiteten Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW) treffen wöchentlich Dutzende Anfragen von Krebspatientinnen und -patienten oder deren Angehörigen ein – und das mit stark steigender Tendenz. „Häufig geht es dabei um Therapiewünsche oder eine Zweitmeinung“, berichtet der Klinikdirektor und renommierte Krebsexperte. Für den aktuell massiven Anstieg dieser Kontakte sieht er verschiedene Gründe: „Generell nehmen onkologische Erkrankungen in unserer Gesellschaft immer weiter zu. Außerdem wurden während der Corona-Pandemie Vorsorgeuntersuchungen nicht im erforderlichen Maße durchgeführt, so dass jetzt vergleichsweise viele Menschen von fortgeschrittenen Tumoren betroffen sind. Und schließlich haben wir das Problem, dass viele niedergelassene Praxen komplett überlastet sind, während zahlreiche Krankenhäuser unter Personalnot leiden und durch wirtschaftlich schlechte Rahmenbedingungen nicht mehr ihre volle Leistungsfähigkeit haben.“
 

Eine nicht-kassenfinanzierte Leistung

Ob per E-Mail, Telefon oder durch persönliches Vorsprechen – die Anfragen treffen an der „Med II“ auf vielerlei Weise ein. „Im Sinne der Patientinnen und Patienten ist es natürlich unser Ziel, hier so schnell wie möglich zu antworten und weiterzuhelfen. Allerdings ist dieser Service eine Zusatzleistung, die von den Krankenkassen leider nicht finanziert wird“, bedauert Prof. Einsele.

Hier springt jetzt der Würzburger Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ ein. Deren Vorsitzende Gabriele Nelkenstock erläutert: „Wir finanzieren mit 86.000 Euro für ein Jahr die im September 2024 startende Stelle einer Assistenzärztin, die als erste Ansprechpartnerin der Klinik fungieren soll.“
 

Ein weiterer Ausdruck der exzellenten Zusammenarbeit

Nach ihren Worten passt dieses Engagement hervorragend zu der langjährig eingespielten, guten Kooperation zwischen Verein und Klinik. „Allein über ‚Hilfe im Kampf gegen Krebs‘ und die Würzburger Stiftung ‚Forschung hilft‘ erreichen uns fast täglich entsprechende Anfragen. Gerade was die Wünsche nach einer Zweitmeinung angeht, sind wir – und vor allem die Betroffenen – äußerst dankbar, dass wir diese an das engagierte Team der Medizinischen Klinik II weiterreichen können und dort in den besten Händen wissen“, unterstreicht Nelkenstock und ergänzt: „Viele Patientinnen und Patienten quittieren diesen hilfreichen Service dann ihrerseits mit einer großzügigen Spende. Schon aus diesem Grund ist es auch ganz im Sinne unserer Spenderinnen und Spender, dass wir eine Personalie in dieser Größenordnung finanzieren.“

Bei der symbolischen Scheckübergabe am 10. Mai dieses Jahres bedankte sich Prof. Einsele sehr herzlich und kündigte an, dass die jetzt geschaffene Stelle durch das Generieren von zusätzlichen Mitteln möglichst auch über das Jahr hinaus bestehen bleiben soll.
 

Wer die Arbeit von „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ unterstützen möchte, kann dies tun unter Spendenkonto:
Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.
Castell Bank Würzburg
IBAN: DE74 7903 0001 0000 0092 45 
www.kampfgegenkrebs.de

 

Text: Pressestelle UKW

Prof. Dr. Hermann Einsele & Gabriele Nelkenstock
Ein eingespieltes Team: Prof. Dr. Hermann Einsele von der Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg und Gabriele Nelkenstock vom Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ bei der jüngsten Spendenübergabe. Bild: Jasmin Mühlich / UKW

Tumorgewebe auf dem Chip: Neue Möglichkeiten für Zelltherapien und personalisierte Medizin

Mit der Tumor-on-Chip-Technologie wird patienteneigenes Tumorgewebe außerhalb des Körpers gezüchtet, um die Wirksamkeit und Sicherheit neuartiger Therapieansätzen zu bewerten.

Bild vom Brustkrebstumor auf einem Chip
Auf einem Chip haben die Forschenden aus Tübingen und Würzburg mit patienteneigenem Tumorgewebe die komplexe 3D-Mikroumgebung des Tumors nachgebildet, um so die Wirksamkeit und Sicherheit neuartiger Therapieansätzen zu bewerten. © Tengku Ibrahim Maulana / Eberhard Karls Universität Tübingen
Graphical Abstract der Tumor-on-Chip-Technologie
Bei der Tumor-on-Chip-Technologie können mittels blutgefäßähnlicher Perfusion dem Tumor CAR-T-Zellen zugeführt und deren Wirkung beobachtet werden. © Tengku Ibrahim Maulana / Eberhard Karls Universität Tübingen

Würzburg / Tübingen: Wie reagiert ein Tumor auf eine bestimmte Therapie? Dies bereits vor Beginn der Therapie zu wissen, wäre für Krebskranke und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von großem Wert. Für die vielversprechende CAR-T-Zelltherapie haben Forschende des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), des Fraunhofer Instituts für Zelltherapie und Immunologie mit seiner Außenstelle Würzburg und des Universitätsklinikums Tübingen nun genau diese Beobachtung möglich gemacht – in Echtzeit und am Tumorgewebe der Erkrankten. „Damit können wir individuell untersuchen, wie genau diese Tumorzellen auf die geplante Therapie reagieren, mit welchen Nebenwirkungen möglicherweise zu rechnen ist und wie diese direkt verringert werden können“, schildert Dr. Miriam Alb, Projektleiterin am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie, an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des (UKW). Die Forschenden haben ihre Entwicklung nun im renommierten Journal Cell Stem Cell veröffentlicht.

Erfolgskontrolle individuell und in Echtzeit

Möglich wurde diese Beobachtung über die so genannte Tumor-on-Chip-Technologie; ein auf menschlichen Zellen basierendes komplexes In-vitro-System eines Brustkrebstumors, in dem Tumorgewebe außerhalb des Körpers gezüchtet wurde. Die Forschenden bildeten dabei nicht nur die komplexe 3D-Mikroumgebung eines Tumors nach, sondern ermöglichten auch die blutgefäßähnliche Perfusion, also die Durchströmung des Chips mit einem künstlichen Blutersatz. Über diesen Blutersatz wurden den Tumorzellen auch die CAR-T-Zellen zugeführt und ihre Wirkung direkt beobachtet. 

Wie funktioniert die CAR-T-Zelltherapie?

Ausgerechnet Krebsgewebe haben sehr oft die Fähigkeit, das menschliche Immunsystem zu täuschen – genau das macht sie so gefährlich. Im menschlichen Körper sind die so genannten T-Zellen, eine spezielle Art der weißen Blutkörperchen, dafür zuständig, körperfremde Strukturen zu erkennen und zu zerstören. Viele Tumore senden aber Signale aus, die diese in ihrer Aktivität und Funktion hemmen. 
Für die CAR-T-Zelltherapie werden die T-Zellen aus dem Blut der erkrankten Person isoliert und anschließend im Labor („in vitro“) gentechnisch verändert. Dadurch erhalten sie die Fähigkeit, die gefährlichen Krebszellen spezifisch zu erkennen und für lange Zeit im Körper zu verbleiben, um den Krebs zu bekämpfen. „Diese Therapie hat ein enormes Potenzial im Kampf gegen den Krebs“, erklärt Prof. Michael Hudecek, Inhaber des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW.

Therapiewirkung und bestimmte Nebenwirkungen werden vorhersagbar

Wenn die modifizierten T-Zellen mit dem Krebsgewebe in Kontakt treten, setzen sie verschiedene Zytokine frei. Zytokine sind Botenstoffe, die von Zellen ausgeschüttet werden, um zum Beispiel andere Zellen an den Ort des Geschehens zu locken. Manchmal kommt es jedoch vor, dass diese Zytokinausschüttung sehr stark ist. Das wird als Cytokin-Release-Syndrom (CRS) oder auch „Zytokinsturm“ bezeichnet. Dieser Prozess führt zu Entzündungen im ganzen Körper und zeigt sich unter anderem durch Symptome wie Fieber, Schüttelfrost oder Übelkeit, kann aber auch zu Organversagen und lebensbedrohlichen Symptomen führen. Die Tumor-on-Chip-Technologie eröffnet nun die Möglichkeit, Zellen zu beobachten, die aus genau dem Tumor stammen, der in der Patientin oder dem Patienten behandelt werden soll. 

Neue Chancen durch komplexe humane Modellsysteme

Organ-on-Chip-Technologien, wie das hier entwickelte Tumor-on-Chip-Modell, ermöglichen es, komplexe humanbiologische Prozesse außerhalb des menschlichen Körpers nachzubilden und dabei sogar patientenspezifische Unterschiede zu erfassen. „Speziell für neuartige Therapieansätze, wie Zell-, Antikörper- und Gentherapien, eröffnen sich damit völlig neue Möglichkeiten, die es in Zukunft erlauben werden, bereits vor klinischen Studien humanrelevante, patientenspezifische Aussagen zu treffen und auch studienbegleitende Korrelationsanalysen durchzuführen“ sagt Dr. Miriam Alb und ergänzt „Diese Ergebnisse werden uns insbesondere für die Wirksamkeits- und Sicherheitsbewertung unserer laufenden und zukünftigen CAR-T-Zellstudien wertvolle Erkenntnisse liefern“. Für kranke Menschen könnte sich damit eine neue Perspektive eröffnen. Aber: Weitere Forschung ist notwendig. 

Publikation: 
Tengku Ibrahim Maulana, Claudia Teufel, Madalena Cipriano, Julia Roosz, Lisa Lazarevski, Francijna E. van den Hil, Lukas Scheller, Valeria Orlova, André Koch, Michael Hudecek, Miriam Alb, Peter Loskill. Breast cancer-on-chip for patient-specific efficacy and safety testing of CAR-T cells. Cell Stem Cell. 2024, ISSN 1934-5909, https://doi.org/10.1016/j.stem.2024.04.018.
 

Bild vom Brustkrebstumor auf einem Chip
Auf einem Chip haben die Forschenden aus Tübingen und Würzburg mit patienteneigenem Tumorgewebe die komplexe 3D-Mikroumgebung des Tumors nachgebildet, um so die Wirksamkeit und Sicherheit neuartiger Therapieansätzen zu bewerten. © Tengku Ibrahim Maulana / Eberhard Karls Universität Tübingen
Graphical Abstract der Tumor-on-Chip-Technologie
Bei der Tumor-on-Chip-Technologie können mittels blutgefäßähnlicher Perfusion dem Tumor CAR-T-Zellen zugeführt und deren Wirkung beobachtet werden. © Tengku Ibrahim Maulana / Eberhard Karls Universität Tübingen

Rückblick auf den 6th Würzburg Myeloma Workshop

Mit zweijährigem Abstand zur letzten Ausgabe waren am 10. und 11. Mai 2024 beim „6th Würzburg Myeloma Workshop“ erneut Vertreterinnen und Vertreter aus der Weltelite bei der Erforschung des Multiplen Myeloms am Uniklinikum Würzburg (UKW) zu Gast.

Mit zweijährigem Abstand zur letzten Ausgabe waren am 10. und 11. Mai 2024 beim „6th Würzburg Myeloma Workshop“ erneut Vertreterinnen und Vertreter aus der Weltelite bei der Erforschung des Multiplen Myeloms am Uniklinikum Würzburg (UKW) zu Gast.
Organisator der englischsprachigen Fachtagung war die Medizinische Klinik II des UKW.

Zielgruppen der kostenlosen Veranstaltung waren nicht nur Ärzteschaft und Forschende, sondern auch Studierende aus Medizin und nahestehenden Naturwissenschaften. „Wir sehen es gerade auch für unsere Nachwuchskräfte als riesige Chance, Informationen aus der Speerspitze der Entwicklung zu erhalten und sich von den oft charismatischen Forscherinnen- und Forscherpersönlichkeiten inspirieren zu lassen“, so Prof. Einsele, selbst weltweit anerkannter Myelom-Experte.

Zu den Impressionen des 6th Würzburg Myeloma Workshops

EBMT Basic Science Award für revolutionäre Erkenntnisse zur Transplant-gegen-Wirt-Reaktion

Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen lösen gefürchtete T-Zellreaktion nach Stammzellentransplantation aus

Dr. Haroon Shaikh aus dem Forschungslabor von Prof. Andreas Beilhack am Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet.

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Würzburg. Glasgow, Schottland, war dieses Jahr Treffpunkt für mehr als 5.000 Expertinnen und Experten aus der Diagnostik, Versorgung und Forschung, die sich auf die Stammzellentransplantation spezialisiert haben. Die so genannte hämatopoetische Stammzellentransplantationen zielt darauf ab, das blutbildende System von Patientinnen und Patienten wiederherzustellen und hat sich für verschiedene Formen von Krebs und genetische Bluterkrankungen, die im Knochenmark entstehen, als Therapie mit der Chance auf Heilung erwiesen. 

Transplant-gegen-Wirt-Reaktion nach allogener Stammzellentransplantation 

Doch trotz ihrer Wirksamkeit birgt die Stammzellentransplantation eine gefährliche Nebenwirkung, insbesondere nach einer allogenen Transplantation, bei der die Stammzellen von einer Spenderin oder einem Spender stammen: die akute Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, kurz GvHD für Graft-versus-Host Disease. Dabei greifen Immunzellen des Spendertransplants - so genannte alloreaktive T-Zellen - die Organe der Empfängerin oder des Empfängers an. Besonders häufig betroffen sind der Magen-Darm-Trakt, die Leber und die Haut. 

Um diese Immunreaktion besser zu verstehen und einen gezielteren Ansatz zur Behandlung von Patientinnen und Patienten zu entwickeln, beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) schon länger mit der Frage, welche Zellen wo und wie und zur Aktivierung von T-Zellen beitragen und das lebensbedrohliche Syndrom einer akuten GvHD auslösen. 

Endothelzellen in Blutgefäßen der Lymphknoten aktivieren gefürchtete T-Zellreaktion

„Wir hatten eine sehr harte Nuss mit einer Serie von aufwendigen Experimenten zu knacken, um dieses wissenschaftliche Problem zu lösen“, berichtet Dr. Haroon Shaikh, der seit Juli 2016 im Forschungslabor von Prof. Beilhack arbeitet. „Unsere Ergebnisse sind jedoch eindeutig, nämlich dass Endothelzellen in den Blutgefäßen der Lymphknoten die alloreaktiven CD4+ T-Zellen aktivieren, was letztendlich die akute GvHD auslösen kann. Damit eröffnen sich nun gleich mehrere Möglichkeiten, um die Therapie von Leukämiepatienten entscheidend zu verbessern.“ 

Drei Awards fürs Beilhack Lab 

Für seine wegweisenden Forschungsergebnisse "Lymph Node Blood Endothelial Cells Prime Alloreactive CD4+ T Cells In Acute Graft-Versus-Host Disease Initiation" wurde Haroon Shaikh auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis zielt darauf ab, herausragende Beiträge aus der Grundlagenforschung auf der Jahrestagung zu ehren. Zusätzlich erhielt der Biotechnologe mit pakistanischen Wurzeln den Young Investigator Award. Und Juan Gamboa Vargas aus der Forschergruppe für Experimentelle Stammzelltransplantation am Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) durfte sich über den Best Young Abstract Poster Award freuen. 

„Diese Auszeichnungen würdigen den Stellenwert der Grundlagenforschung, in präklinischen Mausmodellen und der Analyse von Patientenproben, um etablierte Therapien zu verbessern oder rundum neue Behandlungsstrategien zu entwerfen. Und sie geben einen enormen Motivationsschub für das gesamte Forschungsteam“, freut sich Andreas Beilhack. „Vor allem der prestigereiche Basic Science Award wird Haroon Shaikh nun dazu beflügeln, seine eigene Nachwuchsforschergruppe zu starten.“

Und Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und Standortsprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich Transregio 221 „GvH-GvL“ kommentiert: „Dass das Team von Herrn Professor Beilhack nun zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren mit diesem angesehenen europäischen Forschungspreis ausgezeichnet wurde, zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, die Immuntherapie von Krebspatienten nachhaltig zu verbessern.“

Drei neue Ansatzpunkte für weitere Forschungsschritte

Die Wissenschaftler leiten gleich drei neue Ansatzpunkte aus den erzielten Ergebnissen ab. Zunächst wollen sie ähnliche Blutgefäßzellen im Knochenmark untersuchen und prüfen ob diese für eine gezielte Immunantwort gegen Krebs verantwortlich sind. Zweitens erforschen sie, ob Lymphknotengefäßzellen auch aus umliegenden Organen Antigene aufnehmen und alloreaktiven T Zellen präsentieren können. Drittens wollen sie neue Strategien prüfen, ob sich die Antigenpräsentation von Lymphknotengefäßzellen gezielt verändern lässt, um eine akute GvHD in Patientinnen und Patienten zu verhindern.

Link zum Interview mit Dr. Haroon Shaikh im EBMT TV Studio.

Text: Andreas Beilhack / Kirstin Linkamp 

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Förderung durch den Freistaat: UKW untersucht Effekte von Kompaktkuren für die ganze Familie nach Brustkrebsdiagnose

Staatsministerin Judith Gerlach überbringt Zuwendungsbescheid in Höhe von 350.000 Euro / Ergebnisse sollen 2027 vorliegen

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW.   Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.von rechts), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.von rechts) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, rechts). Foto: UKW / Stefan Dreising
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW. Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.v.r.), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.v.r) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, r.). Foto: UKW / Stefan Dreising

Würzburg. Das bayerische Gesundheitsministerium fördert ein Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) mit rund 350.000 Euro. In dem Projekt wird untersucht, welchen Effekt es hat, wenn nach einer Brustkrebsdiagnose die komplette Familie der Patientin an einer ambulanten Kompaktkur teilnimmt. Am Freitag, 12. April, überbrachte Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention den Zuwendungsbescheid. Das Projekt ist bis 2027 angelegt.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach: „Die Diagnose Brustkrebs ist für viele Frauen und Ihre Familienangehörigen erstmal ein Schock. Um die Situation für die Betroffenen künftig zu verbessern, unterstützen wir unsere Spitzenwissenschaftler in den Universitätskliniken, wie hier in Würzburg. Wir stärken somit aktiv auch den Forschungs- und Medizinstandort Bayern.“

„Krebserkrankung betrifft die ganze Familie“

Prof. Dr. Imad Maatouk, Leiter des Schwerpunkts Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie an der Medizinischen Klinik II des UKW und sein Team sind verantwortlich für das Projekt. Prof. Maatouk: „Eine Brustkrebserkrankung betrifft nicht nur die Patientin direkt, sondern die gesamte Familie. Das merken wir in der akuten Versorgung in der Klinik, aber das gilt natürlich auch darüber hinaus im Rahmen der Nachsorge. Mit dem Projekt wollen wir dazu beitragen, neue Versorgungsformen im Kurbereich wissenschaftlich fundiert zu prüfen.“
„Dazu blicken wir konkret auf die Ergebnisse einer ambulanten Kompaktkur mit der gesamten Familie. Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen Einfluss die Maßnahme auf die Patientin, ihre Angehörigen und die Familie als Ganzes hat. Dieses Thema ist für die Gesellschaft und die Gesundheitsversorgung von enormer Bedeutung“, so Prof. Maatouk weiter. Im Rahmen des wissenschaftlichen Projektes werden u.a. strukturierte Befragungen eingesetzt. „Gerade interdisziplinäre Ansätze in der Kurortmedizin, die gezielt die Familienstrukturen einbinden, können einen Beitrag leisten, auch die Langzeiteffekte von Kureffekten zu stabilisieren“, erklärt Dr. Franziska Reinhardt (UKW), die das Projekt koordiniert. Bei einer ambulanten Kompaktkur tragen, anders als z.B. bei einer Rehabilitationsmaßnahme, die Patientinnen und Patienten selbst die Kosten für die Unterbringung. Der Fokus liegt dabei auf gesundheitsfördernden Maßnahmen. 

Das UKW kooperiert bei dem Projekt mit „mammaLIFE“, dem Anbieter einer bereits etablierten Kompaktkur für Frauen nach einer Brustkrebserkrankung in Bad Tölz. Das dreiwöchige mammaLIFE-Kurprogramm unterstützt Frauen bei der Bewältigung der Erkrankung sowie der Etablierung eines gesunden Lebensstils. „Viele Frauen fallen nach Abschluss der Therapie, wenn die Rückkehr in den Alltag ansteht, in ein Loch und wünschen sich an dieser Stelle Hilfestellung. Wir freuen uns, mit dem Projekt nun auch die Familien der Betroffenen mit einbeziehen zu können, für die es bis dato kaum professionelle Unterstützungsangebote gibt“, erläutert Dr. Florian Wiedemann, Leiter von mammaLIFE.

Beratungsangebot für Familien 2023 am UKW etabliert

Gerade mit Blick auf die Kinder von erkrankten Menschen sei die Einbeziehung der Familie wichtig, so Prof. Maatouk: „Speziell minderjährige Kinder weisen häufig einen hohen Stresslevel auf. Dieser kann bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen dazu führen, dass sie manifeste psychische und psychosomatische Störungen entwickeln." Dank einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 20.000 Euro des Vereins „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ mit der Vorsitzenden Gabriele Nelkenstock konnte die UKW-Klinik bereits 2023 hier ein neues Beratungsangebot für Familien mit dem Namen „Kleeblatt“ etablieren. Auch die Stiftung „Forschung hilft“ unterstützt ein Projekt zur Unterstützung von Angehörigen in diesem Bereich.

PD Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKW, betont: „Als Universitätsmedizin ist es eine unserer Kernaufgaben, Innovation in der Gesundheitsversorgung voranzubringen, auch über einzelne Versorgungsstufen hinaus. Dazu will das Projekt, speziell mit dem Blick auf Familien, beitragen. Über die Förderung durch den Freistaat Bayern freuen wir uns daher sehr.“ Insgesamt liegt das Projektvolumen bei rund einer halben Million Euro: Zusätzlich zur Förderung des Freistaates Bayern stellt die Universitätsmedizin Würzburg aus Eigenmitteln 150.000 Euro für das Projekt bereit.
 

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW.   Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.von rechts), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.von rechts) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, rechts). Foto: UKW / Stefan Dreising
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW. Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.v.r.), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.v.r) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, r.). Foto: UKW / Stefan Dreising

Hatte schon der Neandertaler eine Fettleber?

Was uns die Archäogenetik über Lebersteatose bei alten und modernen Menschen sagt – Publikation im Fachjournal Gut

 

Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universitätskliniken Würzburg (UKW) und Homburg (UKS) und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig ermöglicht wichtige neue Einblicke in die evolutionären Grundlagen menschlicher Stoffwechselerkrankungen. Die relevanteste Genvariante, die für Fettlebererkrankungen verantwortlich ist, stammt aus der Zeit vor der Abspaltung vom Neandertaler. In alten Genomen dieser archaischen Menschen lag die Häufigkeit der Variante des PNPLA3-Gens bei 100 Prozent, möglicherweise aufgrund von Vorteilen bei der Kälteanpassung.

 

Grafik zur Evolution und Verbreitung der Fettleber-Genvariante
Vorhandensein der PNPLA3 rs738409-Genvariante bei modernen und archaischen Menschen, wobei die großen Menschenaffen die ursprüngliche Variante, den Wildtyp tragen. © UKW
Rekonstruktion von Neandertalern in einer Höhle
Rekonstruktion einer Neandertalergruppe. Was können uns archäogenetischen Erkenntnisse über die Lebersteatose bei alten und modernen Menschen sagen? © Johannes Krause, Neandertal group by Atelier Daynes, Paris, France. In: Museum of the Krapina Neanderthals, Krapina, Croatia. Project and realization of the Museum: Zeljko Kovacic and Jakov Radovcic.

Würzburg. Ein bisschen Fett ist ok. Wenn die Leber als zentrales Organ des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels aber mehr Fett speichern muss, als sie abbauen kann, spricht man von einer Fettleber. 30 Prozent der modernen Bevölkerung sind von dieser sogenannten Steatose betroffen. „Und mit der Zahl der Übergewichtigen steigt die Zahl unserer Patientinnen und Patienten“, warnt Prof. Dr. Andreas Geier, Leiter der Hepatologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Jeder Fünfte mit einer Fettleber erkrankt an einer Fettleberhepatitis. Die Entzündung kann zu schweren Vernarbungen - Fibrose und Zirrhose - sowie zu Krebs führen. Doch nicht nur Umweltfaktoren wie Überernährung und Bewegungsmangel, sondern auch genetische Veranlagungen können eine Fettleber verursachen.

DNA von 10.000 alten und modernen Menschen analysiert

Eine bekannte und relevante Rolle bei der Entwicklung einer Fettlebererkrankung spielt die häufige Variante rs738409 des PNPLA3-Gens (siehe Infokasten). Während die Variante in afrikanischen Ländern eher selten auftritt - in Kenia liegt die Häufigkeit bei 8 Prozent - tragen in Mesoamerika rund 70 Prozent das Risiko-Allel, Spitzenreiter ist Peru mit 72 Prozent. Wie kommt es zu dieser auffallend heterogenen globalen Präsenz des Risiko-Allels? Wo liegt der Ursprung der PNPLA3-Variante rs738409? Diese Fragen beschäftigten den anthroplogisch interessierten Andreas Geier schon länger. Er kontaktierte Prof. Dr. Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (MPI-EVA), der im Jahr 2022 für die Sequenzierung des Genoms der Neandertaler mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Pääbo stellte den Kontakt zur Abteilung Archäogenetik her, deren Direktor, Prof. Dr. Johannes Krause, der erste genetische Nachweis eines Denisova-Menschen gelang. Der Denisova-Mensch lebte vor rund 40.000 Jahren im sibirischen Altai-Gebirge und gilt neben Homo sapiens und Neandertaler als dritte Population der Gattung Homo. 

Gemeinsam mit Stephan Schiffels, Leiter der Arbeitsgruppe Populationsgenetik am MPI-EVA, Prof. Dr. Marcin Krawczyk vom UKS und seinem Doktoranden Jonas Trost analysierte Andreas Geier die DNA von mehr als 10.000 archaischen und modernen Menschen aus aller Welt. Darunter sind alle 21 verfügbaren Neandertaler-Genome und zwei Denisovaner-Genome sowie der weltweit einzige Hybrid, das Urzeit-Kind mit einer Neandertaler-Mutter und einem Denisovan-Vater. 

Primaten tragen Wildtyp, Frühmenschen 100 % Risiko-Allel

„Überraschenderweise trugen alle archaischen Menschen, die vor 40.000 bis 65.000 Jahren lebten, ausschließlich das Risiko-Allel, was auf eine Fixierung des Varianten-Allels bei ihren gemeinsamen Vorfahren hindeutet“, erklärt Andreas Geier und geht im menschlichen Stammbaum noch weiter zurück. „Bei der Analyse der Referenzgenomsequenz von Primaten wurde deutlich, dass die Menschenaffen, vom Orang-Utan über Gorilla bis zum Schimpansen und Bonobo, eine ursprüngliche, weniger riskante Genvariante tragen, einen sogenannten Wildtyp.“

Fettspeicherung sicherte einst das Überleben 

Daraus schließen die Wissenschaftler, dass die Hauptvariante des Fettleber-Gens PNPLA3 bereits vor der Aufspaltung des menschlichen Stammbaums vor mehr als 700.000 Jahren entstanden sein muss (siehe Abbildung 1). Aber warum? Schließlich hat diese Variante ungünstige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Eine Hypothese ist, dass diese und andere Genvarianten, die am Stoffwechsel beteiligt sind, in der Altsteinzeit, dem Paläolithikum, entwickelt wurden, um das Überleben zu sichern. „Insbesondere die Fähigkeit, Fett zu speichern, war wahrscheinlich während des größten Teils der Menschheitsgeschichte von Vorteil, während sie unter den heutigen Lebensbedingungen von Nachteil ist“, erklärt Andreas Geier und zieht zum Vergleich den Habitus von Gänsen heran, die sich vor Langstreckenflügen eine Fettleber anfressen, um genügend Energie an Bord zu haben.

Unterstützt PNPLA3 die Thermogenese? 

PNPLA3 wird auch in der Netzhaut exprimiert. Hier ist es am Stoffwechsel von Vitamin A beteiligt, das das Sehen in der Dämmerung beeinflusst – möglicherweise ein wichtiger Aspekt bei der Jagd. Außerdem kommt es im braunen Fettgewebe vor. „Unsere Beobachtung könnte den Vorteil der Fettspeicherung in kaltem Klima und insbesondere für Neandertaler unter eiszeitlichen Bedingungen unterstreichen“, spekuliert Geier. Für diese Hypothese spricht, dass die PNPLA3-Variante bei 89,3 Prozent der Jakuten-Bevölkerung in der kältesten Region im Nordosten Russlands vorherrscht. Weitere Untersuchungen zur Funktion von PNPLA3 bei der Wärmeproduktion außerhalb der Leber wären laut Geier spannend.

Kein signifikantes Signal für natürliche negative Selektion

Interessant ist auch die Frage nach der natürlichen Selektion. Die Allelfrequenzen rund um den Globus haben sich in den vergangenen 15.000 Jahren kaum verändert. Es gibt im archäogenetischen Datensatz keinen signifikanten Hinweis auf genetische Selektion. Spricht das nicht gegen die Hypothese der natürlichen Selektion im Paläolithikum? Stephan Schiffels rät zur Vorsicht: „Obwohl unsere genomweite Analyse keine signifikanten Signale für natürliche Selektion in den letzten 10.000 Jahren gefunden hat, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Selektion in Zeiträumen aktiv war, die älter sind als die, die wir heute statistisch analysieren können“. Angesichts der begrenzten Lebensspanne archaischer Menschen sei es auch nicht überraschend, dass kein Signal in Richtung negativer Selektion gefunden werden konnte, da diese Variante ihre ungünstigen Auswirkungen wahrscheinlich erst im späteren Erwachsenenalter entfaltet und daher weniger wahrscheinlich die Fortpflanzungsdynamik beeinflusst.

Haben wir das Fettleber-Gen von den Neandertalern geerbt? 

Ob wir Menschen die PNPLA3-Variante rs738409 von den Neandertalern geerbt haben, ist laut Andreas Geier die naheliegendste Frage, die sich aus der Studie ergibt, und sie ist nicht ganz unbegründet. So wurde die Genvariante SLC16A11, die unter anderem zu Diabetes Mellitus führt, von den Neandertalern auf die modernen Menschen übertragen, aber nicht an alle. Der Homo neanderthalensis lebte bereits in Europa als der Homo sapiens aus Afrika kam und ein Genaustausch stattfand. In Afrika findet man SLC16A11 nicht, dafür aber Varianten von PNPLA3. Und das spricht gegen einen Gentransfer durch den Neandertaler. „Obwohl er dazu beigetragen haben könnte“, fügt Stephan Schiffels hinzu. „Tatsächlich zeigen unsere nachfolgenden Analysen, dass eines von 1.000 heutigen PNPLA3-Varianten-Allelen aus dem Neandertaler-Genom stammen könnte.“ 


Förderung und Publikation: 
Die mit finanzieller Unterstützung des European Research Council (ERC) im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 (grant agreement number 851511) gewonnenen Erkenntnisse wurden im renommierten Fachjournal für Gastroenterologie und Hepatologie Gut publiziert: Andreas Geier, Jonas Trost, Ke Wang, Clemens Schmid, Marcin Krawczyk, Stephan Schiffels: PNPLA3 fatty liver risk allele was fixed in Neanderthals and segregates neutrally in humans. Gut. Published Online First: 08 March 2024. doi: 10.1136/gutjnl-2023-331594

Das PNPLA3-Gen ist für die Produktion eines Enzyms namens Patatin-like Phospholipase Domain-containing Protein 3 (PNPLA3) verantwortlich. Das Enzym ist an Prozessen beteiligt, die die Speicherung und Freisetzung von Fetten regulieren. Mutationen oder genetische Varianten im PNPLA3-Gen können die Aktivität dieses Enzyms beeinflussen und damit den Fettstoffwechsel in der Leber verändern. So ist ein bestimmter genetischer Polymorphismus mit dem Referenzmarker rs738409 im PNPLA3-Gen mit einem erhöhten Risiko für eine Fettlebererkrankung assoziiert. Diese Variationen können dazu führen, dass die Leber mehr Fett speichert und weniger effizient abbaut, was zu einer Fettansammlung in der Leber führt und das Risiko für Lebererkrankungen erhöht.
 

Grafik zur Evolution und Verbreitung der Fettleber-Genvariante
Vorhandensein der PNPLA3 rs738409-Genvariante bei modernen und archaischen Menschen, wobei die großen Menschenaffen die ursprüngliche Variante, den Wildtyp tragen. © UKW
Rekonstruktion von Neandertalern in einer Höhle
Rekonstruktion einer Neandertalergruppe. Was können uns archäogenetischen Erkenntnisse über die Lebersteatose bei alten und modernen Menschen sagen? © Johannes Krause, Neandertal group by Atelier Daynes, Paris, France. In: Museum of the Krapina Neanderthals, Krapina, Croatia. Project and realization of the Museum: Zeljko Kovacic and Jakov Radovcic.

„CAR Factory“: Neue Wege in der Immunzelltherapie

Deutsche Krebshilfe fördert deutschlandweites Forschungsnetzwerk zur CAR-Zell-Therapie mit 4 Millionen Euro

Auf dem 36. Deutschen Krebskongress 2024 stellte die Deutsche Krebshilfe heute (21.2.2024) ihren neuen Förder- und Forschungsschwerpunkt „Präklinische Wirkstoffentwicklung“ vor, mit dem sie drei umfänglich angelegte Projekte zur Entwicklung neuartiger Krebstherapeutika mit insgesamt 20 Millionen Euro für fünf Jahre fördert. Das Verbundprojekt „CAR Factory“ wird von Professor Dr. Michael Hudecek (Universitätsklinikum Würzburg, UKW) und Professorin Dr. Evelyn Ullrich (Universitätsklinikum Frankfurt am Main) geleitet.

 

Blick durchs Bullauge ins Labor, in dem Michael Hudecek steht
Prof. Dr. Michael Hudecek ist Leiter des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Ko-Sprecher des Netzwerks zur CAR Factory.

Michael Hudecek, Leiter des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Ko-Sprecher des Netzwerks zur CAR Factory: „Das Projekt CAR Factory bietet die Chance, die präklinische und translationale Entwicklung von CAR-modifizierten Immunzellen in Deutschland nachhaltig zu beschleunigen. Es ist uns gelungen, führende Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Zell- und Gentherapie unter dem Dach der CAR Factory zu vereinen. Unsere Vision ist es, eine Hochleistungsplattform zur Herstellung von chimären Antigenrezeptor (CAR)-modifizierten T- und NK-Zellprodukten zu etab-lieren, die sowohl die Expertise als auch die Spitzentechnologien dieses Projektes Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ärztinnen und Ärzten aber auch Industriepartnern zur Verfügung stellt.“

Meldung der Deutschen Krebshilfe: Der menschliche Körper ist ständig den verschiedensten Krankheitserregern aus der Umwelt ausgesetzt. Sein körpereigenes Immunsystem kann die meisten Erreger wie Bakterien und Viren direkt erkennen und unschädlich machen. Anders sieht es jedoch bei Krebszellen aus, die im Körper aus gesunden Zellen entstehen. Dabei entwickeln sie Mechanismen, um vom Immunsystem nicht angegriffen zu werden. Zum Beispiel verbergen Krebszellen bestimmte Moleküle auf ihrer Oberfläche, die sie für das Immunsystem als krankhaft identifizieren würden. Im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms „Präklinische Wirkstoffentwicklung“ fördert die Deutsche Krebshilfe nun das Projekt „CAR Factory“. Ziel ist die Weiterentwicklung einer neuartigen Immuntherapie, die Tumorzellen für das Immunsystem wieder sichtbar macht.

Ein multidisziplinäres Forschungsteam hat sich zu dem von der Deutschen Krebshilfe mit vier Millionen Euro geförderten Forschungsnetzwerk „CAR Factory: eine Hochleistungsplattform zur Entwicklung genetisch optimierter CAR-T- und NK-Zelltherapien gegen Krebs“ zusammengeschlossen. Sie möchten eine in Europa seit 2018 zugelassene Therapiemethode weiterentwickeln, die sogenannte „Chimäre Antigenrezeptor-Zell-Therapie“, kurz CAR-Zell-Therapie. Bei der CAR-Zell-Therapie werden bestimmte Zellen des Immunsystems gentechnisch so verändert, dass sie spezifische Oberflächenmarker auf dem Tumor erkennen. So können die CAR-Zellen selbst gut getarnte Tumorzellen gezielt zerstören. Bisher kann das medizinische Fachpersonal die CAR-Zell-Therapie nur gegen bestimmte Blut- und Lymphdrüsenkrebsformen einsetzen. Dabei werde in Universitäten und Forschungszentren intensiv an vielversprechenden CAR-Immunzelltherapien für andere Krebsarten geforscht, berichtet Professorin Dr. Evelyn Ullrich, Leiterin des Bereichs Experimentelle Immunologie und Zelltherapie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Ko-Sprecherin des Netzwerks. „Es fehlen aber häufig die Ressourcen, um ihre therapeutische Effektivität gezielt in translationalen Studien weiterzuentwickeln. Die Übertragung der Laborerkenntnisse in klinische Studien ist eine der größten Herausforderungen für die zelluläre Immuntherapie.“

Eine Brücke zwischen Labor und Klinik

Die Immunologin erhofft sich, dass die „CAR Factory“ eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und der Klinik bilden kann. Das ambitionierte Team möchte bereits in zwei Jahren die erste mögliche Zielstruktur für die CAR-Zell-Therapie aus dem Labor in die klinische Erprobung bringen. Dabei befassen sie sich insbesondere mit seltenen und schwer behandelbaren Krebsarten, die nicht im Fokus der bisherigen CAR-Zell-Forschung stehen. „Wir möchten in unserem Netzwerk gezielt gegen solide Tumoren vorgehen. Diese sind eine Ansammlung aus vielen einzelnen Krebszellen, bei denen sich jede ein bisschen von ihrer Nachbarzelle unterscheidet. Dadurch ist es schwierig, einen Oberflächenmarker zu identifizieren, den alle Zellen eines soliden Tumors tragen“, so Professor Dr. Michael Hudecek, Leiter des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Ko-Sprecher des Netzwerks. 

Die CAR-Zell-Therapie auf der Schnellspur 

In Vorarbeiten der Antragstellenden wurden Familien von Oberflächenmolekülen identifiziert, um unterschiedlichste Tumore gezielt mit CAR-Immunzellen zu behandeln. „In ersten Laborstudien konnten wir bereits erfolgreich die Anzahl von Blutkrebszellen nach Behandlung mit innovativen CAR-Zell-Therapien reduzieren. Wir möchten nun herausfinden, welche Zielmoleküle geeignet für solide Tumoren sind, zum Beispiel bei Brust- oder Lungenkrebs“, erklärt Hudecek. Langfristig möchte das Forschungsteam viele weitere Oberflächenmarker identifizieren und testen und somit die CAR-Zellbasierte Immuntherapie in Deutschland auf der Schnellspur nach vorne bringen.

Neben den Universitätskliniken Würzburg und Frankfurt am Main sind die Universität Freiburg (Prof. Dr. Toni Cathomen) sowie das Paul-Ehrlich-Institut in Langen (Prof. Dr. Zoltán Ivics) und das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig (Prof. Dr. Dr. Ulrike Köhl und Dr. Dominik Schmiedel) an dem Projekt beteiligt. 
 

Blick durchs Bullauge ins Labor, in dem Michael Hudecek steht
Prof. Dr. Michael Hudecek ist Leiter des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg und Ko-Sprecher des Netzwerks zur CAR Factory.

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