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Erfolgreiche Rezertifizierung des Uniklinikums Würzburg zum Cardiac Arrest Center

Bei Patientinnen und Patienten, die nach einem Herz-Kreislaufstillstand außerhalb von Krankenhäusern erfolgreich reanimiert wurden, ist der Krankheitsverlauf ganz wesentlich von der Fachkompetenz und der Ausstattung der weiterbehandelnden Klinik abhängig. Die Rezertifizierung zum Cardiac Arrest Center bestätigt erneut, dass das Uniklinikum Würzburg diese Anforderungen voll erfüllt.

Reanimation nach einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand
Nach einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand ist neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation für die Überlebenschancen der Betroffenen eine Weiterbehandlung in einer spezialisierten Klinik von zentraler Bedeutung. Bild: UKW / Daniel Peter

Der plötzliche Herz-Kreislaufstillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Allein in Deutschland sind jährlich über 70.000 Menschen betroffen. Neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation ist für die Überlebenschancen der Betroffenen eine Weiterbehandlung in einer spezialisierten Klinik von zentraler Bedeutung. Ein Cardiac Arrest Center (CAC) ist ein zertifiziertes Krankenhaus, das für diese Aufgabe spezialisiert ist. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde Ende 2019 vom Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) und von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) erstmals als CAC zertifiziert. Jetzt bestand das unterfränkische Krankenhaus der Maximalversorgung auch die erste Rezertifizierung.

Alle Voraussetzungen für eine bestmögliche Behandlung erfüllt

„Damit wurde uns erneut bestätigt, dass wir hinsichtlich Qualitätskriterien, Spezialisierung, Fachkompetenz und Ausstattung alle Voraussetzungen für eine bestmögliche Behandlung dieser kritischen Patientengruppe erfüllen“, erläutert Privatdozent Dr. Dirk Weismann aus dem Leitungsteam des Würzburger CAC. So müssen laut dem Intensivmediziner der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des UKW bei einem zertifizierten CAC unter anderem eine geeignete Notaufnahme mit entsprechend ausgestatteten Schockräumen, ein Herzkatheterlabor und ein Platz auf einer Intensivstation mit der Möglichkeit der extrakorporalen Herz-Kreislauf- und Lungenunterstützung permanent für reanimierte Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Weitere wichtige Kriterien sind leitliniengemäße Behandlungsstandards (SOPs) sowie eine standardisierte Datenerfassung über den gesamten Therapieverlauf hinweg.

„Um die Kriterien für ein CAC zu erfüllen, ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit gefragt“, betont Dr. Daniel Röder, Leiter der anästhesiologischen Intensivstation. So sind am Center des UKW Expertinnen und Experten aus der Kardiologie, der Anästhesiologie, der Neurologie, der Chirurgie sowie den Instituten für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie beteiligt.

Weitere Verbesserungen seit der Erstzertifizierung

Mit dem Zertifizierungs- und Rezertifizierungsprozess ist eine kontinuierliche Verbesserung verbunden. „Beispielsweise haben wir seit der Erstzertifizierung unsere SOPs deutlich überarbeitet. Außerdem haben wir die Abläufe für Patientinnen und Patienten nach Herz-Kreislaufstillstand mit den Kolleginnen und Kollegen des Rettungsdienstes nochmals genauer abgestimmt“, beschreibt Dr. Röder. Weiterhin wurden regelmäßige Fortbildungen initiiert, an denen sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKW, als auch des Rettungs- und Notarztdienstes teilnehmen.

Für die aufwändig vorbereitete Rezertifizierung kamen im April dieses Jahres zwei externe Experten ans UKW, die in einem mehrstündigen Audit die Strukturen und Abläufe des CAC begutachteten. Nach deren positivem Votum wurde Anfang August die Rezertifizierungsurkunde zugestellt.

Reanimation nach einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand
Nach einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand ist neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation für die Überlebenschancen der Betroffenen eine Weiterbehandlung in einer spezialisierten Klinik von zentraler Bedeutung. Bild: UKW / Daniel Peter

Magenbypass bei Adipositas: Ein Drittel weniger Gewicht, bessere Lebensqualität und Leistungsfähigkeit

In der Würzburger Adipositas Studie (WAS) vergleicht ein interdisziplinäres Team am Universitätsklinikum Würzburg die Effekte einer Magenbypass-Operation gegenüber einer intensiven und psychotherapiegestützten Lebensstil-Intervention. Es ist weltweit die erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie, in der als Endpunkte die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität definiert wurden. Die eindrucksvollen Ergebnisse wurden jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Metabolism“ veröffentlicht.

Studienteilnehmerin und Studienärztin beugen sich über Obstkorb in der Diätküche
In der Diätküche der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg erhielt Heike Reidinger eine umfassende Ernährungsberatung. Studienärztin Ann-Cathrin Koschker erläutert, wie wichtig Proteine beim Abnehmen sind. © Daniel Peter / UKW
Studienteilnehmerin wiegt sich vor Studienärztin auf der Personenwaage
Heike Reidinger nahm im Rahmen der Würzburger Adipositas Studie (WAS) insgesamt 40 Kilogramm ab. Begleitet wurde sie von der Studienärztin Ann-Cathrin Koschker. © Daniel Peter / UKW
Grafik der Studienergebnisse von WAS
In der randomisierten Würzburger Adipositas-Studie WAS wurde gezeigt, wie sich der eklatante Gewichtsverlust nach einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herzfunktion auswirkt. © Kirstin Linkamp / UKW

Der Leidensdruck von Menschen mit starkem Übergewicht ist groß. Neben der Stigmatisierung und eingeschränkten Lebensqualität kommen Begleiterkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzu. Eine so genannte bariatrische Chirurgie kann Erleichterung schaffen und das Gesamtüberleben verbessern. In der Würzburger Adipositas-Studie, kurz WAS, wurden die positiven Effekte einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herz-Lungen-Funktion gegenüber einer intensiven Lebensstil-Intervention nun erstmals randomisiert belegt. Die Ergebnisse hat das interdisziplinäre Studienteam des Uniklinikums Würzburg erwartet, aber spektakulär sei laut WAS-Team, dass diese erstmals formal belegt werden konnten. 

Erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie mit Endpunkten zur kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität 

„Zur Adipositas-Chirurgie gibt es nur eine Handvoll randomisierter Studien, da die Rekrutierung sehr schwierig ist“, berichtet Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie in der Universitätsmedizin Würzburg. „Entweder wollen die Patientinnen und Patienten die Operation unbedingt, oder sie lehnen sie aus Angst vor dem irreversiblen Eingriff und den damit verbundenen Lebensveränderungen ab. Da möchten nur wenige mittels Zufallsmechanismus einer Gruppe zugeordnet werden. Darüber hinaus muss bei jedem Studienteilnehmenden eine Indikation sowie eine Kostenzusage der Krankenkasse für einen bariatrischen Eingriff vorliegen.“ Unter anderem deshalb hat es eine randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie mit den Endpunkten Lebensqualität und kardiopulmonaler Belastungsfähigkeit bisher noch nicht gegeben.

Man muss bereit sein für eine Roux-en-Y-Magenbypass Operation

Dr. Ann-Cathrin Koschker, Oberärztin der Endokrinologie am UKW, hat es geschafft, insgesamt 60 Patientinnen und Patienten mit schwerem Übergewicht für die Studie zu randomisieren und sie über viereinhalb Jahre in der Studie betreut. Die Mehrzahl der Studienteilnehmenden (88 %) war weiblich, der durchschnittliche BMI lag bei 48 (kg/m2). Nach einer sechs- bis zwölfmonatigen Vorlaufphase erhielten 22 Studienteilnehmende einen Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) und 24 eine psychotherapiegestützte Lebensstil-Intervention (PELI). Bei der nach dem Schweizer Chirurgen César Roux benannten Operationsmethode wird der Magen verkleinert und die Nahrung durch eine künstlich angelegte, Y-förmige Verbindung an großen Teilen des Magens und des Dünndarms vorbeigeleitet. Als Folge des Eingriffs kann weniger Nahrung aufgenommen werden und der Darmhormonhaushalt ändert sich massiv. „Bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch und Süßigkeiten werden dann oft nicht mehr gut vertragen“, erklärt Ann-Cathrin Koschker die „Nebenwirkungen“ eines Magenbypasses. „Nach einem Jahr vertragen zwar viele wieder vieles, aber eben nicht alle alles, und man weiß vorher nicht, zu welcher Gruppe man gehört. Man muss wirklich bereit sein für diese Umstellung.“

Von 136 kg auf 89 kg: fast 3 Wasserkästen, die man weniger mit sich herumträgt

WAS hat den beachtlichen Gewichtsverslust nach dem chirurgischen Eingriff noch einmal eindrucksvoll belegt. „Während die Teilnehmenden der PELI-Gruppe durch die Intervention mit ausführlicher Ernährungsberatung und engmaschiger psychotherapeutischer Begleitung immerhin im Schnitt 2 Kilogramm innerhalb eines Jahres abnahmen, verloren die Probandinnen und Probanden mit Magenbypass 34 Prozent ihres Körpergewichts“, schildert Ann-Cathrin Koschker. Im Schnitt waren die Teilnehmenden in der chirurgischen Gruppe 1,67 Meter groß, wogen zu Beginn 136 Kilogramm und brachten ein Jahr nach der Operation 47 Kilogramm weniger auf die Waage. Ihr BMI sank von 49 auf 31 kg/m2. „Das sind fast drei handelsübliche Wasserkästen*, die man weniger mit sich herum trägt“, rechnet Martin Fassnacht vor.

Bessere Sauerstoffaufnahme, Fitness und Lebensqualität

Und tatsächlich hat sich der eklatante Gewichtsverlust in der RYGB-Gruppe sichtlich positiv auf die Lebensqualität, Herzfunktion und Begleiterkrankungen ausgewirkt. „Wir haben im Herzultraschall, der so genannten Echokardiografie, gesehen, dass die Masse des Herzmuskels im Verlauf eines Jahres um 32 Gramm zurückging. Das war ein unerwartet starker Effekt“, meint Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZH). Stefan Störk hat gemeinsam mit Martin Fassnacht die Adipositas-Studie geleitet. Die Abnahme der linksventrikulären Herzmuskelmasse hat sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt. Bei der Spiroergometrie auf dem Laufband, einem Belastungs-EKG mit gleichzeitiger Messung der Atemgase, konnten die RYGB-Operierten ihre Sauerstoffaufnahme um 4,3 ml/min/kg steigern. Beim 6-Minuten-Gehtest schafften sie 44 Meter mehr als noch vor der Operation. Die PELI-Gruppe fühlte sich nach der intensivierten Lebensstil-Intervention ebenfalls etwas fitter, legte im Schnitt sechs weitere Meter innerhalb der vorgegebenen sechs Minuten zurück und berichtete eine leicht verbesserte Lebensqualität. Bei den Operierten jedoch fiel diese Verbesserung mit +40 Punkten auf der Physical Functioning Scale (Fragebogen zum Gesundheitszustand SF-36), wesentlich deutlicher aus als in der PELI-Gruppe mit +10 Punkten. „Damit war die Lebensqualität der Operierten praktisch wieder so gut wie die von gesunden Normalpersonen“, konstatiert Dr. Bodo Warrings, der die psychotherapeutische Intervention begleitet hat. „Wichtig ist aber, dass die Operation in einen Gesamt-Therapieplan mit Lebensstil-Interventionen integriert wird“, fügt der Psychiater und Psychotherapeut am Zentrum für Psychische Gesundheit hinzu.

Effekte haben klinische Relevanz

„Die Größe der beobachteten Effekte deutet übereinstimmend darauf hin, dass diese Veränderungen klinisch relevant sind“, betont Martin Fassnacht. Beeindruckend seien zum Beispiel die Auswirkungen auf den Blutdruck nach dem chirurgischen Eingriff und dem damit einhergehenden Gewichtsverlust: obwohl die RYGB-Gruppe nach der OP weniger Blutdruckmedikamente als die PELI-Gruppe einnahm, hatte sie niedrigere Blutdruckwerte.

Viele Belastungen weniger

„15 Patientinnen und Patienten aus der PELI-Gruppe nahmen übrigens das Angebot war und ließen sich nachträglich operieren“, bemerkt Ann-Cathrin Koschker. „Und auch bei ihnen bestätigten sich ganz klar die positiven Effekte der bariatrischen Chirurgie.“ Wie bei Heike Reidinger (42) aus Elfershausen bei Bad Kissingen. Die Mutter von drei Kindern und einem damaligen Ausgangsgewicht von 135 Kilogramm war zunächst in der PELI-Gruppe und fühlte sich dort schon sehr gut aufgehoben mit all ihren Problemen, die ihr Übergewicht, mit sich gebracht hatte – von Bluthochdruck, Herz-Kreislaufbeschwerden und beginnendem Diabetes über Kniegelenks-Schmerzen bis hin zur psychischen Belastung. Jedes Modul sei wertvoll gewesen, sagt sie rückblickend, aber vor allem die psychotherapeutische Betreuung habe ihr gutgetan. Eine Anlaufstelle zu haben, um „aufzuräumen“, sei von immenser Bedeutung. Während der intensiven Lebensstil-Intervention hat sie innerhalb eines Jahres zwölf Kilogramm abgenommen. Das war schon beachtlich, ihr jedoch zu wenig und vor allem zu schwankend. „Der Magenbypass im Anschluss war schließlich die beste Entscheidung“, strahlt sie heute, 40 Kilogramm leichter, topfit und glücklich. Ihr eindrücklichstes Erlebnis nach dem starken Gewichtsverlust: „Ich kann wieder problemlos Treppensteigen und aus der Hocke aufstehen!“ Als das damals nicht mehr ging, habe sie sich an das Adipositaszentrum des Uniklinikums gewandt.

Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die monozentrische Studie wurde mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sie ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Denn an WAS waren neben der Kardiologie, Endokrinologie, Chirurgie und Psychiatrie auch die Hepatologie, Pulmonologie und Radiologie beteiligt. Die Ergebnisse wurden im Journal Metabolism

veröffentlicht: Effect of bariatric surgery on cardio-psycho-metabolic outcomes in severe obesity: A randomized controlled trial; DOI: doi.org/10.1016/j.metabol.2023.155655

*mit zwölf gefüllten 0,7 l Glasflaschen

Studienteilnehmerin und Studienärztin beugen sich über Obstkorb in der Diätküche
In der Diätküche der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg erhielt Heike Reidinger eine umfassende Ernährungsberatung. Studienärztin Ann-Cathrin Koschker erläutert, wie wichtig Proteine beim Abnehmen sind. © Daniel Peter / UKW
Studienteilnehmerin wiegt sich vor Studienärztin auf der Personenwaage
Heike Reidinger nahm im Rahmen der Würzburger Adipositas Studie (WAS) insgesamt 40 Kilogramm ab. Begleitet wurde sie von der Studienärztin Ann-Cathrin Koschker. © Daniel Peter / UKW
Grafik der Studienergebnisse von WAS
In der randomisierten Würzburger Adipositas-Studie WAS wurde gezeigt, wie sich der eklatante Gewichtsverlust nach einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herzfunktion auswirkt. © Kirstin Linkamp / UKW

Der Mann, der die Würzburger Nephrologie auf die Weltbühne gebracht hat

Christoph Wanner geht in den Ruhestand, zumindest was die Leitung der Nephrologie in der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum betrifft. Er wird in Zukunft als Seniorprofessor in Teilzeit am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz sowie an der University of Oxford tätig sein.

Das Bild zeigt Christoph Wanner im Hörsaal vor der Tafel.
Prof. Dr. Christoph Wanner war fast 30 Jahre lang als Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg in der Behandlung, Forschung und Lehre rund um die Niere beschäftigt. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. Ein großer Schrank, ein Schreibtisch, ein paar Grünpflanzen und ein Laptop. So beschrieb eine regionale Tageszeitung vor 29 Jahren das Arbeitszimmer, das Prof. Dr. Christoph Wanner im Oktober 1994 als neuer Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg bezogen hatte. Sein Büro war damals noch auf dem alten Medizincampus in Gebäude D20, sein Laptop eine Sensation, der den Generationenwechsel symbolisierte. Mit 37 Jahren war Wanner der jüngste von allen Bewerbern. Heute mistet der Nephrologe stapelweise Papiere und Aktenordner im Zentrum für Innere Medizin aus und macht Platz für seinen Nachfolger, einem externen Nephrologen, mit dem der Vorstand des Uniklinikums gerade noch verhandelt. Christoph Wanner geht in den Unruhestand. Ab dem 1. April wird er je zur Hälfte als Seniorprofessor im Department für Klinische Forschung und Epidemiologie von Prof. Stefan Störk am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) und an der Clinical Trial Service Unit der University of Oxford tätig sein, wo er eine neue Studie mit rund 11.000 Patienten organisieren wird.

„Ich war ein begeisterter patientennaher Arzt, der gern auf Visite gegangen ist“

Der gebürtige Bad Mergentheimer blickt mit einem lachenden und weinenden Auge auf die vergangenen drei Jahrzehnte in der Universitätsmedizin. Dass heute oftmals viel weniger Zeit für die Visiten zur Verfügung steht, macht ihn zum Beispiel traurig. Dabei sie die Visite Teil der Behandlung. „Früher wurde sie zelebriert, inzwischen bleibt dafür immer weniger Zeit“, so Wanner. Dabei sei das Gespräch mit dem Patienten so wichtig, man müsse doch ein Gefühl für ihre Ängste und Bedürfnisse bekommen. Gerade die Patientengeschichten motivieren. Er habe viele Patienten von der Diagnose bis hin zur Dialyse oder Transplantation begleitet, gesehen, wie sie trotz ihres Leidens Familien gegründet und Kinder großgezogen haben. Das führe den Wert der eigenen Arbeit noch einmal vor Augen.

Zeit gefunden, um die Rolle des Clinician Scientist ausbauen

Auf der anderen Seite freut es ihn, dass er in der klinischen Routine nicht untergegangen ist, Freiheiten für die Forschung bewahren konnte, um die Position als Clinician Scientist weiter auszubauen und zu hoher Exzellenz zu bringen. Er hat sich anfangs mit der Vorbeugung von kardiovaskulären Erkrankungen bei Dialysepatienten beschäftigt, was heute immer noch ein Thema ist, legte aber später seinen Forschungsfokus in die frühen Stadien der Nierenerkrankung und die Prävention der Progression.

„Christoph Wanner hat es geschafft, die Forschung der Würzburger Nephrologie auf die Weltbühne zu tragen“, sagt Prof. Dr. Jens Maschmann, Ärztlicher Direktor des Uniklinikum Würzburg. Die erste Studie, die ihn berühmt gemacht hat war „Die Deutsche Diabetes Dialyse-Studie“ (4D-Studie), an der deutschlandweit 1.266 Dialysepatienten mit Diabetes teilgenommen haben. Die Erkenntnis, dass Statine bei Dialysepatienten das kardiovaskuläre Risiko nicht reduzierten, wurde im Jahr 2005 im New England Journal veröffentlicht. „Und dann hatte ich großes Glück, dass ich von der kardiovaskulären Protektion mit einem Statin zur renokardialen Protektion mit SGLT-2-Hemmer hineingerutscht bin“, erzählt Wanner

„4.000 Menschen haben applaudiert als wir die Ergebnisse verkündet haben“

Als Sternstunde seiner Forschung bezeichnet er zehn Jahre später, im Herbst 2015, die Präsentation der EMPA-REG OUTCOME-Studie beim 51. EASD (European Association for the Study of Diabetes)-Kongress in Stockholm. „Die 4.000 Menschen im Publikum haben applaudiert als wir, die Mitglieder des Steuerungskomitees die Ergebnisse verkündet haben. Das erlebt man nicht oft.“ Die Studie hat gezeigt, dass der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin bei Typ-2-Diabetikern mit hoher kardiovaskulärer Vorbelastung einen signifikanten Überlebensvorteil bringt. Mit einem Vorteil für Nierenpatienten hat niemand gerechnet. „Bei Niere sei nicht viel drin, meinten die Kooperationspartner. Doch ich habe Signale gesehen und gedacht, da müssen wir dranbleiben. Man überließ mir die Daten, und ich machte was draus, was wiederum das New England Journal aufnahm.“ Wanner war einer der ersten, der das Potenzial von SGLT2-Hemmern in der Behandlung von Diabetes, Herz-Kreislauf- UND Nierenerkrankungen erkannt hat. Aus dem Signal ist heute, acht Jahre später, der Hoffnungsträger schlechthin für alle Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung geworden.

Neues Therapieprinzip entwickelt mit dramatischen Vorteilen für Nierenpatienten

Die Effizienz des Wirkstoffs Empagliflozin wurde in der multizentrischen EMPA-KIDNEY-Studie, die Christoph Wanner daraufhin mit der University Oxford ins Leben gerufen hat, eindrucksvoll bewiesen. Die tägliche Einnahme einer Empagliflozin-Tablette senkt nicht nur den Blutzucker, sondern kann auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion oder den Tod infolge einer Herzerkrankung bei Patientinnen und Patienten mit einer Nierenerkrankung verhindern, unabhängig davon, ob die Betroffenen einen Diabetes Typ 2 haben. Wir haben ein Therapieprinzip entwickelt, das für jeden Nierenkranken dramatische Vorteile hat, denn es wird ihn Jahre von der Dialyse fernhalten.

Ein kleiner Diamant – die Fabry-Kohorte

Was ihn noch mit Stolz erfüllt ist FAZiT – das Fabry-Zentrum für interdisziplinäre Therapie, das er im Jahr 2001 gegründet hat. „Ich hatte eigentlich nie etwas vor mit dieser Erkrankung, die man nur sehr selten sieht. Aber als ich eine neue Therapie kennen gelernt habe und immer mehr Betroffene nach Würzburg kamen, hat mich das sehr bewegt. Ich habe angefangen eine kleine Ambulanz aufzubauen und von jedem Patienten ein Protokoll im selben Muster anzulegen. Da die lyosomale Speichererkrankung Zellen im gesamten Körper angreift und neben der Niere auch das Herz und das Gehirn schädigt, kamen die Fachdisziplinen Kardiologie und Neurologie hinzu. „Heute, mehr als 20 Jahre später, haben wir die weltgrößte Fabry-Ambulanz und einen unschätzbaren Datenschatz von mehr als 400 Patienten. Allein das Beobachtungsregister hat zu 150 wissenschaftlichen Arbeiten aus Würzburg geführt.“ Die Fabry-Kohorte sei ein kleiner Diamant. „Wenn mich heute ein junger Mensch fragt: Was soll ich denn tun? Dann sage ich: Sammeln sie strukturiert Patientendaten und bauen sie sich eine Kohorte auf! Als ich jung war, habe ich während eines Forschungsaufenthalts in den USA eine Kohorte ausgewertet und dazu zwei internationale Arbeiten geschrieben, die haben mich letztendlich nach Würzburg gebracht.“

Hochrangiges Amt des ERA-Präsidenten

Ein weiterer Höhepunkt seiner Laufbahn und gewissermaßen die Krönung für sein jahrzehntelanges Netzwerken war im Sommer 2020 die Ernennung zum Präsidenten der Europäischen Gesellschaft für Nephrologie ERA (European Renal Association). Sichtbarkeit erlange man Wanner zufolge nicht nur über die Arbeit und publizierten Studien – Wanner hat einen beachtlichen h-index von 103 (web of science), sondern vor allem über das Mitarbeiten in Gesellschaften und Netzwerken. Die ERA und deren Geschäftsstelle kennt er zum Beispiel als langjähriges Vorstandsmitglied, Mitglied der Leitlinienkommission und ehemaliger Leiter des Europäischen Dialyseregisters. Eine weitere „Säule des Tempels“ seien die Tätigkeiten als akademischer Reviewer, Associated Editor und Editor. „Als Editor bekommt man pro Tag zwei bis drei Arbeiten, die man jeweils an drei Reviewer weitergeben muss, die zu diesem Thema forschen. Das heißt, sie kennen nach wenigen Jahren tausende Nephrologen und sind weltweit verflochten.

„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die Arbeit denke.“

Das alles müsse man natürlich 24/7 machen. „Aber das macht ja auch Spaß“, fügt er hinzu. Was sagt die Familie dazu? „Meine Frau macht das alles mit und verfolgt natürlich auch ihre eigenen Interessen. Aber wir verreisen viel, treiben Sport und gehen aus“, sagt der leidenschaftliche Radrennfahrer und Vater von drei Söhnen. Ins Theater nehme sie ihn allerdings nicht mehr mit. Das sei herausgeschmissenes Geld, schlafen könne er daheim. „Und beim Essen hagelt es manchmal Kritik, wenn ich auf dem Smartphone daddele. Bei uns gilt nämlich die Devise: Beim Essen wird das Handy abgegeben!“

Zur Person Christoph Wanner:

Christoph Wanner wurde in Bad Mergentheim geboren, hat in Berlin, Ferrara (Italien) und Würzburg studiert. An der Universität von Singapur und der Universität Zürich hat er ein praktisches Jahr absolviert und an den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA) geforscht. Bevor er im Oktober 1994 die Leitung der Nephrologie in Würzburg übernahm hat er am Universitätsklinikum Freiburg gearbeitet und dort bereits ein großes Forschungslabor geleitet. Am Uniklinikum hat er sich neben der Patientenversorgung auf die klinische Forschung konzentriert und die vergleichsweise kleine nephrologische Abteilung mit neun Ärzten, zwei Oberärzten und ihm als einzige Fakultätsprofessur auf der Weltbühne vertreten. 

Das Bild zeigt Christoph Wanner im Hörsaal vor der Tafel.
Prof. Dr. Christoph Wanner war fast 30 Jahre lang als Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg in der Behandlung, Forschung und Lehre rund um die Niere beschäftigt. © Daniel Peter / UKW

Tina Turner wirbt für Nierenvorsorge

Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg und Präsident der europäischen Gesellschaft für Nephrologie (ERA), begleitet die Kampagne mit der ehemaligen Rockmusikerin und Nierenpatientin Tina Turner, die anlässlich des Weltnierentages am 9. März auf die Ursachen, Präventionsmöglichkeiten und Diagnostik chronischer Nierenleiden aufmerksam macht.

Das Bild zeigt Tina Turner, die sich für die Nierenvorsorge starkt macht.
Die US-amerikanische Musiklegende und Nierenpatientin Tina Turner unterstützt die Kampagne showyourkidneyslove.com, um auf die vielfältigen Aufgaben der Nieren und den Schutz dieses lebenswichtigen Organs aufmerksam zu machen. Sie gesteht: „Ich hätte meine Nieren retten können. Etwas Wissen und ein einfacher Urintest hätten gereicht.“ © Xaver Walser courtesy Looping Group
Das Bild zeigt Christoph Wanner, der die Kampagne showyourkidneyslove mitinitiiert hat.
Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg und Präsident der europäischen Gesellschaft für Nephrologie (ERA), war maßgeblich an der Kampagne mit der Tina Turner beteiligt. © Daniel Peter / UKW
Die Grafik veranschaulicht das ABCDE-Profil
Jeder ab 50 und vor allem Risikopatientinnen und -patienten sollten ihr ABCDE-Profil kennen. Albuminurie, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes, estimated (geschätzte) glomeruläre Filtrationsrate. © UKW
Christoph Wanner erklärt in dem Video, wie man seine Nieren schützen kann. © UKW

“I could have saved my kidneys. A little knowledge and a simple urine test would have been enough.” Tina Turner

„Ich hätte meine Nieren retten können. Etwas Wissen und ein einfacher Urintest hätten gereicht“, sagt Tina Turner anlässlich des diesjährigen Weltnierentags am 9. März 2023. Die US-amerikanische Musiklegende, die selbst an Nierenversagen aufgrund eines schlecht behandelten Blutdrucks leidet, unterstützt die groß angelegte internationale Kampagne „Show your kidneys love“, die von der Stiftung European Kidney Health Alliance (EKHA) koordiniert wird und an der sich zahlreiche Verbände, Gesellschaften und Stiftungen beteiligen. Dass sich Tina Turner als Testimonial zur Verfügung stellt, um auf die vielfältigen Aufgaben der Nieren und den Schutz dieses lebenswichtigen Organs aufmerksam zu machen, ist mitunter auch ein Verdienst von Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg und Präsident der European Renal Association (ERA), die wiederum Hauptsponsor der EKHA ist.

Bluthochdruck nicht ernst genommen und Medikamente eigenmächtig abgesetzt

„Ich freue mich sehr, dass wir Tina Turner für die Kampagne ‚Show your kidneys love‘ – ‚Mach dich für deine Nieren stark‘ gewinnen konnten und sie mit ihrer Geschichte auf die immense Bedeutung der Vorsorge aufmerksam macht“, kommentiert Christoph Wanner. „Tina Turner hatte schon vor 45 Jahren Bluthochdruck, nahm dieses Risiko aber nicht richtig ernst. Infolge der Hypertonie erlitt sie einen Schlaganfall, woraufhin sie erfuhr, dass sich ihre Nierenfunktion, ebenfalls als Folge des unbehandelten Bluthochdrucks, auf 35 Prozent verringert hatte.“ Die Wahlschweizerin musste sich in der Folge einer Dialyse unterziehen und bekam schließlich von ihrem Mann, dem Kölner Musikproduzent Erwin Bach, eine Niere. 

„Ich habe mich in große Gefahr begeben, weil ich mich weigerte, der Realität ins Auge zu sehen, dass ich eine tägliche, lebenslange Therapie mit Medikamenten brauchte. Ich habe viel zu lang geglaubt, mein Körper sei eine unantastbare und unzerstörbare Bastion“, bedauert Tina Turner heute. Die Geschichte ihrer Nierenerkrankung ist Teil der Sensibilisierungskampagne und kann auf der eigens eingerichteten Website showyourkidneyslove.com gelesen werden. Darüber hinaus können sich hier Nierenkranke, Interessierte und politische Entscheidungsträger über die Funktion der Niere, chronische Niereninsuffizienz, Risikofaktoren, Präventionsmöglichkeiten sowie empfohlene Maßnahmen der EU-Politik informieren. Ziel ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig die Nieren im Gesamtkomplex Mensch sind und welche große Schäden Grunderkrankungen wie Bluthochdruck anrichten können.

Kennen Sie Ihr ABCDE-Profil? Albuminurie, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes, estimated (geschätzte) glomeruläre Filtrationsrate! 

 

Bluthochdruck ist neben Diabetes die häufigste Ursache für eine chronische Nierenschwäche. Wer unter Bluthochdruck und/oder Diabetes leidet, sollten daher jedes Jahr sein ABCDE-Profil überprüfen lassen, denn es liefert Hinweise auf ein mögliches Risiko für Nieren-, aber auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. A steht für die Bestimmung des Eiweißes Albumin im Urin. Ein Urinschnelltest mit einem klassischen Urinstreifen gibt erste Hinweise auf eine beginnende Niereninsuffizienz. Noch genauer ist ein UACR-Test - Urin Albumin zu Creatinin-Ratio. Mit diesem sehr einfachen und sauberen Labortest wird das Verhältnis von Albumin- und Kreatininkonzentration im Urin gemessen. B steht für Blutdruck, C für Cholesterin, D für Diabetes und E für den eGFR-Status, also die geschätzte (estimated) glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Die Menge Primärharn, die die Nieren filtern, wird anhand des Serumkreatinins, Alters, Geschlechts und der Hautfarbe geschätzt. Der Normalwert liegt bei 90 bis 130 Milliliter pro Minute.

Das ABCDE-Profil kann laut Wanner mit F für Fettleibigkeit fortgesetzt werden, auch ein N für Nikotin sollte auftauchen. Je eher die Risikofaktoren erkannt werden und behandelt werden, desto besser lassen sich eine daraus resultierende Nieren- aber auch Herzschwäche behandeln. Daher sollten nicht nur Risikopatienten, sondern jeder Mann ab 40 Jahren und jede Frau nach der Menopause oder ab 50 Jahren die Frage „Kennen Sie Ihr ABCDE-Profil?“ bejahen können und falls Handlungsbedarf besteht, entsprechend reagieren.

Informationen zur Kampagne liefern die Webseiten www.showyourkidneyslove.com/de/, ekha.eu und

www.worldkidneyday.org

Weitere Informationen zur Nierengesundheit liefert ein kurzer Aufklärungsfilm der Europäischen Nierengesellschaft ERA auf der Präventionswebseite www.strongkidneys.eu.

Das Bild zeigt Tina Turner, die sich für die Nierenvorsorge starkt macht.
Die US-amerikanische Musiklegende und Nierenpatientin Tina Turner unterstützt die Kampagne showyourkidneyslove.com, um auf die vielfältigen Aufgaben der Nieren und den Schutz dieses lebenswichtigen Organs aufmerksam zu machen. Sie gesteht: „Ich hätte meine Nieren retten können. Etwas Wissen und ein einfacher Urintest hätten gereicht.“ © Xaver Walser courtesy Looping Group
Das Bild zeigt Christoph Wanner, der die Kampagne showyourkidneyslove mitinitiiert hat.
Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg und Präsident der europäischen Gesellschaft für Nephrologie (ERA), war maßgeblich an der Kampagne mit der Tina Turner beteiligt. © Daniel Peter / UKW
Die Grafik veranschaulicht das ABCDE-Profil
Jeder ab 50 und vor allem Risikopatientinnen und -patienten sollten ihr ABCDE-Profil kennen. Albuminurie, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes, estimated (geschätzte) glomeruläre Filtrationsrate. © UKW
Christoph Wanner erklärt in dem Video, wie man seine Nieren schützen kann. © UKW

Molekulare Ziele für effizientere Therapie des Cushing-Syndroms

Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert Untersuchungen zur Entschlüsselung der molekularen Pathogenese des Morbus Cushing mit 580.450 Euro.

Darstellung der Hypophyse und den Einfluss von ACTH auf die Cortisol-Produktion der Nebenniere.
Das Cushing-Syndrom wird in den meisten Fällen durch gutartige Tumore der Hypophyse, eine erbsengroße Drüse unterhalb des Gehirns, ausgelöst. Durch den Tumor produziert diese sogenannte Hirnanhangsdrüse ungebremst das Hormon Adrenocorticotropin (ACTH), welches die Nebennieren antreibt, Cortisol auszuschütten.

Würzburg. Es hilft gegen Stress, bereitet aber auch Stress: Cortisol! Einerseits nimmt das Stresshormon im Stoffwechsel des Menschen wichtige Funktionen ein. Es sorgt zum Beispiel dafür, dass unser Körper bei erhöhter Belastung genügend Energie hat und hemmt Entzündungen. Wenn es jedoch über einen längeren Zeitraum in hohen Dosen eingenommen oder unkontrolliert über die Nebenniere ausgeschüttet wird, stürzt es den Organismus ins Chaos: Viele Betroffenen entwickeln nicht nur ein bauchbetontes Übergewicht, rundes Gesicht und kräftigen Nacken, sondern auch Bluthochdruck, Muskelschwäche, Diabetes und werden anfälliger für Infekte. Die Summe dieser Symptome nennt man auch Cushing-Syndrom.

Tumor in Hypophyse Ursache für erhöhten Cortisol-Spiegel und Cushing-Syndrom

Ausgelöst wird das Cushing-Syndrom in gut 70 Prozent aller Fälle durch gutartige Tumore der Hypophyse, eine erbsengroße Drüse unterhalb des Gehirns. Durch den Tumor produziert die Hirnanhangsdrüse ungebremst das Hormon Adrenocorticotropin (ACTH), welches die Nebennieren antreibt, Cortisol auszuschütten. Trotz chirurgischer Therapie - mit Entfernung der für den Hormonexzess ursächlichen Raumforderung - sind viele Betroffene anschließend nicht dauerhaft geheilt und benötigen eine medikamentöse Behandlung. Allerdings sind die Medikamente oft nicht ausreichend wirksam und weisen häufig zahlreiche Nebenwirkungen auf. Was in Tumoren passiert, die ungezügelt ACTH ausschütten, war lange Zeit unbekannt, was die Entwicklung neuer Therapien gebremst hat. Das will ein Forschungsteam des Lehrstuhls für Endokrinologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) ändern. Die Entschlüsselung der Ursachen des endogenen Cushing-Syndroms sowohl in klinischen als auch in wissenschaftlichen Ansätzen steht seit mehr als zehn Jahren im Forschungsfokus des Teams unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Fassnacht.

Mutation in Genen USP8 und USP48 für Hälfte aller Morbus-Cushing-Tumoren verantwortlich

„Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus München und Japan waren wir die ersten, die in einer in der Fachzeitschrift Nature Genetics publizierten Studie (1), zeigen konnten, dass Mutationen im Deubiquitinase-Gen USP8 in rund einem Drittel der Tumoren für das Cushing-Syndrom verantwortlich waren“, berichtet Privatdozent Dr. Silviu Sbiera, Leiter des Würzburger Endokrinologischen Forschungslabors. „Im Jahr 2019 haben wir in der Zeitschrift NeuroOncology (2) eine weitere krankmachende Mutation im Deubiquitinase-Gen USP48 veröffentlicht. Damit sind somatische Mutationen im Deubiquitinase-System für die Hälfte aller Morbus-Cushing-Tumoren verantwortlich, was diesem System eine außerordentliche Bedeutung für diese seltene Erkrankung verleiht.“ Der Mensch besitzt etwa 100 verschiedene Deubiquitinasen. Die Enzyme können die Stabilität der Proteine regulieren.

DFG fördert Forschungsprojekt mit 580.450 Euro

Die bisherigen Ergebnisse haben die Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, die schon zahlreiche Projekte einzeln und im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio 205 zur Nebenniere gefördert hat, überzeugt, sodass sie jetzt weitere Untersuchungen zum Verständnis der Vorgänge in den ACTH-produzierenden Hypophysen-Tumoren mit einer Einzelförderung von 580.450 Euro unterstützt. Geleitet wird das Forschungsprojekt von Silviu Sbiera und Martin Fassnacht sowie Nikita Popov, Professor für Ubiquitin Signaling in Cancer in der Abteilung Klinische Tumorbiologie am Universitätsklinikum Tübingen. Beteiligt sind außerdem die Core Unit Bioinformatik am Comprehensive Cancer Center Mainfranken, die Neurochirurgien an den Universitätskliniken Erlangen, Hamburg-Eppendorf und Tübingen, die Genomic Core Facility und das Proteome Center am Uniklinikum Tübingen sowie das Department of Cell and Chemical Biology am Leiden University Medical Centre in den Niederlanden.

Das neue Forschungsprojekt gliedert sich in vier Arbeitspakete: 1.) Herstellung von humanen Zelllinien mit unterschiedlichem genetischem Hintergrund und Verwendung als 2D- und 3D-Modell. 2.) Tiefergehende Charakterisierung des Einflusses von USP8- und USP48-Mutationen auf Signalwege in den Zellen. 3.) Vertiefende Analysen der Interaktion zwischen Immunsystem und Morbus Cushing-Tumoren. 4.) Etablierung prognostischer Marker und potenzieller therapeutischer Ziele.

Effizientere Therapien durch besseres Verständnis molekularen Pathogenese

„Wir erhoffen uns, die molekularen Merkmale, die durch die Mutationen in den Deubiquitinase-Genen in der Mehrzahl der Morbus Cushing-Fälle induziert werden, besser zu verstehen. Wenn wir deren Einfluss auf die DNA-Reparaturebene und das Fortschreiten der Tumoren genauer beschreiben können, lassen sich wahrscheinlich auch Mechanismen der antitumoralen Immunität und von Immune-Escape-Mechanismen umfassender charakterisieren. In einem zweiten Schritt streben wir an, mithilfe unserer neu entwickelten Zellsysteme molekulare Ziele zu identifizieren, die durch zukünftige individualisierte Therapien angegangen werden können“, fasst Silviu Sbiera die Vision zusammen. Und Martin Fassnacht fügt hinzu: „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse mittel- und langfristig dazu beitragen, effizientere und nebenwirkungsärmere Medikamente für diese und möglicherweise auch für andere Hypophysen-Erkrankung zu entwickeln.“

(1) Reincke, M*., Sbiera, S*., Hayakawa, A. Theodoropoulou M, Osswald A, Beuschlein F, Meitinger T, Mizuno-Yamasaki E, Kawaguchi K, Saeki Y, Tanaka K, Wieland T, Graf E, Saeger W, Ronchi CL, Allolio B, Buchfelder M, Strom TM, Fassnacht M*, Komada M* Mutations in the deubiquitinase gene USP8 cause Cushing's disease. Nat Genet 47, 31–38 (2015). doi.org/10.1038/ng.3166

(2) Silviu Sbiera, Luis Gustavo Perez-Rivas, Lyudmyla Taranets, Isabel Weigand, Jörg Flitsch, Elisabeth Graf, Camelia-Maria Monoranu, Wolfgang Saeger, Christian Hagel, Jürgen Honegger, Guillaume Assie, Ad R Hermus, Günter K Stalla, Sabine Herterich, Cristina L Ronchi, Timo Deutschbein, Martin Reincke, Tim M Strom, Nikita Popov, Marily Theodoropoulou, Martin Fassnacht, Driver mutations in USP8 wild-type Cushing’s disease, Neuro-Oncology, Volume 21, Issue 10, October 2019, Pages 1273–1283, doi.org/10.1093/neuonc/noz109

PD Dr. Silviu Sbiera
Prof. Dr. Martin Fassnacht
Lehrstuhl für Endokrinologie und Diabetologie
Universitätsklinikum Würzburg
sbiera_s@ ukw.de
fassnacht_m@ ukw.de

Prof. Nikita Popov
Medizinische Onkologie und Pneumologie
Universitätsklinikum Tübingen
nikita.popov@ med.uni-tuebingen.de

 

Darstellung der Hypophyse und den Einfluss von ACTH auf die Cortisol-Produktion der Nebenniere.
Das Cushing-Syndrom wird in den meisten Fällen durch gutartige Tumore der Hypophyse, eine erbsengroße Drüse unterhalb des Gehirns, ausgelöst. Durch den Tumor produziert diese sogenannte Hirnanhangsdrüse ungebremst das Hormon Adrenocorticotropin (ACTH), welches die Nebennieren antreibt, Cortisol auszuschütten.

Weltweit größte Studie zur Verbesserung der Dialyse

In der Studie RESOLVE wird in acht Ländern unter realen Bedingungen die vergleichende Wirksamkeit von zwei Standard-Dialysat-Natriumkonzentrationen bewertet. Für die Koordination in Deutschland konnte Jule Pinter vom Uniklinikum Würzburg bei der DFG eine Förderung von 1,16 Millionen Euro einwerben.

Studienaufbau: Kann eine Standard-Dialysat-Natriumkonzentration von 137 mmol/l verglichen mit 140 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei erwachsenen Hämodialysepatientinnen und -patienten verringern?
In der weltweit größten Studie klinischen Versorgungsstudie zur langfristigen Verbesserung des Dialysequalitätsstandards RESOLVE untersucht Jule Pinter vom Uniklinikum Würzburg gemeinsam mit einem internationalen Team die optimale Natriumkonzentration im Dialysat.
Screenshot vom Patientenfilm: Kann eine Standard-Dialysat-Natriumkonzentration von 137 mmol/l verglichen mit 140 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei erwachsenen Hämodialysepatientinnen und -patienten verringern?
Bei der Dialyse wird das Blut der Patientinnen und Patienten durch den Hämodialysator geleitet und von Giftstoffen gereinigt. Über die Spülflüssigkeit werden Substanzen aus dem Blut entfernt und im Gegenstromprinzip hinzugefügt. Liegt die Konzentration der einzelnen Komponenten im Dialysat über der Konzentration im Blut des Dialysepflichtigen, fließen die entsprechenden Substanzen ins Blut, ist die Konzentration einer Substanz im Dialysat niedriger, wird sie dem Blut entzogen. Copyright: Markus Koch
Das Bild zeigt die angehende Nephrologin Jule Pinter im Büro.
Dr. Jule Pinter aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I im Uniklinikum Würzburg koordiniert die RESOLVE-Studie in Deutschland. Sie hat dafür bei der DFG 1,16 Millionen Euro eingeworben. © UKW

Mehr als 100.000 Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung benötigen hierzulande regelmäßig eine Hämodialyse. Da ihre Niere den lebenswichtigen Job nicht mehr ausreichend erfüllen kann, übernimmt die Blutwäsche die Funktion. Bei dieser Nierenersatztherapie wird das Blut der Patientinnen und Patienten in der Regel dreimal pro Woche durch eine „künstliche Niere“, den so genannten Hämodialysator, geleitet, und von Giftstoffen gereinigt. Über die Spülflüssigkeit, dem Dialysat, werden Substanzen aus dem Blut entfernt und im Gegenstromprinzip hinzugefügt. Das heißt: Liegt die Konzentration der einzelnen Komponenten im Dialysat über der Konzentration im Blut des Dialysepflichtigen, fließen die entsprechenden Substanzen ins Blut, ist die Konzentration einer Substanz im Dialysat niedriger, wird sie dem Blut entzogen. Neben Kalium, Kalzium und Magnesium ist ein wichtiges Substrat das Natriumchlorid. Der Körper benötigt dieses Salz für Nerven, Muskeln, Zellfunktionen, Verdauung und Knochenbau. Da Salz Wasser bindet, ist Natrium auch wichtig für die Regulation des Wasserhaushalts und den Blutdruck.

Optimum an Salz

Doch wie viel Natrium benötigen Dialysepflichtige? Was ist zu wenig? Was ist zu viel? Hat die Natrium-Konzentration im Dialysat möglicherweise einen Effekt auf die Sterblichkeit? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich gerade Dr. Jule Pinter aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I im Uniklinikum Würzburg.

„Obwohl die Dialyse die Lebensdauer der Nierenkranken verlängern kann, bleibt die Sterblichkeit der Dialysepflichtigen unverändert hoch. Eine der häufigsten Todesursachen sind kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen“, erläutert die angehende Nephrologin und erklärt mögliche Ursachen: „Die Herz-Kreislauf-Probleme sind oft mit einer linksventrikulären Hypertrophie assoziiert. Dabei ist aufgrund einer erhöhten chronischen Belastung das Herzmuskelgewebe in der linken Herzkammer vergrößert. Ein Auslöser könnte unter anderem ein so genannter Natriumexzess sein, wenn also ein Salzüberschuss vorliegt.“

Qualitätsstandard in der Versorgung von Dialysepflichtigen verbessern

In der weltweit größten Studie klinischen Versorgungsstudie zur langfristigen Verbesserung des Dialysequalitätsstandards untersucht Jule Pinter gemeinsam mit einem internationalen Team nun die optimale Natriumkonzentration im Dialysat. Die Studie RESOLVE (Randomised Evaluation of SOdium dialysate Levels von Vascular Events, deutsch: Randomisierte Evaluation der Natrium-Dialysat-Konzentration auf kardiovaskuläre Ereignisse) soll klären, ob eine Standard-Dialysat-Natriumkonzentration von 137 mmol/l verglichen mit 140 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei erwachsenen Hämodialysepatientinnen und -patienten verringert. Geleitet wird die Studie von der University of Sydney. Insgesamt sollen in den kommenden fünf Jahren 414 Dialysezentren in Australien, China, Indien, Malaysia, Kanada, Frankreich, England und Deutschland teilnehmen. In Deutschland wird die Studie von Jule Pinter koordiniert. Ihr Ziel ist es, 15 Hämodialysezentren mit etwa 2.550 erwachsenen Patienten einzubringen. In sechs Zentren soll zudem eine Teilstudie stattfinden. „Darin untersuchen wir an 400 Dialysepflichtigen, ob eine geringere Salzzufuhr während der Dialyse die Überwässerung, die wir mittels Bioimpedanzspektroskopie messen, verringert“, schildert die Medizinerin.

Bislang gibt es keine evidenzbasierten Empfehlungen

Die Studie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit insgesamt 1,16 Millionen Euro gefördert. „Das zeigt, wie wichtig diese Versorgungsstudie ist“, freut sich Jule Pinter. Die Nephrologie sei bislang etwas stiefmütterlich behandelt worden, es gebe keine evidenzbasierten Empfehlungen für die Dialyse, weder für das Dialysat noch für die Häufigkeit der Nierenersatztherapie. „Dabei gehen Prognosen in den nächsten Jahren von einem beträchtlichen Anstieg der Dialysepflichtigen aus. Bis zum Jahr 2040 werde sich die Fallzahl um 20 bis 23 Prozent erhöhen“, bemerkt Prof. Dr. Christoph Wanner, der in der Studie als Mentor fungiert.

Stellenausschreibungen

Zur Verstärkung ihres Teams in Würzburg sucht Jule Pinter noch eine/n Clinical Trial Manager/in sowie eine/n Projektkoordinator/in. Details dazu finden Sie unter www.ukw.de/karriere/stelle/clinical-trial-manager-position und www.ukw.de/karriere/stelle/projektkoordinator

*https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8497075/

 

Hinweis: In unserem digitalen Adventskalender „Forschende öffnen ihre Türchen“ stellt hinter der 13. Tür Dr. Jule Pinter die Studie RESOLVE vor. Der Film und viele weitere aus der bunten Palette an Forschungsprojekten im UKW können auf www.ukw.de/advent geöffnet werden. 

 

Studienaufbau: Kann eine Standard-Dialysat-Natriumkonzentration von 137 mmol/l verglichen mit 140 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei erwachsenen Hämodialysepatientinnen und -patienten verringern?
In der weltweit größten Studie klinischen Versorgungsstudie zur langfristigen Verbesserung des Dialysequalitätsstandards RESOLVE untersucht Jule Pinter vom Uniklinikum Würzburg gemeinsam mit einem internationalen Team die optimale Natriumkonzentration im Dialysat.
Screenshot vom Patientenfilm: Kann eine Standard-Dialysat-Natriumkonzentration von 137 mmol/l verglichen mit 140 mmol/l kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle bei erwachsenen Hämodialysepatientinnen und -patienten verringern?
Bei der Dialyse wird das Blut der Patientinnen und Patienten durch den Hämodialysator geleitet und von Giftstoffen gereinigt. Über die Spülflüssigkeit werden Substanzen aus dem Blut entfernt und im Gegenstromprinzip hinzugefügt. Liegt die Konzentration der einzelnen Komponenten im Dialysat über der Konzentration im Blut des Dialysepflichtigen, fließen die entsprechenden Substanzen ins Blut, ist die Konzentration einer Substanz im Dialysat niedriger, wird sie dem Blut entzogen. Copyright: Markus Koch
Das Bild zeigt die angehende Nephrologin Jule Pinter im Büro.
Dr. Jule Pinter aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I im Uniklinikum Würzburg koordiniert die RESOLVE-Studie in Deutschland. Sie hat dafür bei der DFG 1,16 Millionen Euro eingeworben. © UKW

Erfolg von Adipositas-OP hängt wesentlich vom Gehirn ab

Ein interdisziplinäres Team der Universitätsmedizin Würzburg veröffentlicht eine Studie, die zeigt, dass der Effekt einer bariatrischen Operation nicht auf einer simplen Magenverkleinerung basiert, sondern sehr wesentlich auf einer intakten Informationsverarbeitung in bestimmten Gehirnarealen.

Würzburg. Für viele Personen mit ausgeprägter Adipositas ist eine bariatrische Operation wie zum Beispiel ein Magenbypass oder ein Schlauchmagen der letzte Ausweg, um ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren. Der Erfolg der Operation hängt dabei aber nicht allein vom chirurgischen Eingriff im Magen-Darm-Trakt ab, sehr wesentlich wird die Wirkung über Strukturen im Gehirn vermittelt. Das fand jetzt ein interdisziplinäres Team am Uniklinikum Würzburg heraus. Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal Metabolism: Clinical and Experimental veröffentlicht (Hypothalamic integrity is necessary for sustained weight loss after bariatric surgery: A prospective, cross-sectional study, https://doi.org/10.1016/j.metabol.2022.155341).

Hormone können bei geschädigtem Hypothalamus Wirkung nicht entfalten

„Die Adipositas-Chirurgie ist aktuell sicherlich die effektivste Therapie für eine ausgeprägte Adipositas. Die Wirkweise dieser Operation ist allerdings nicht vollständig verstanden“, berichtet Dr. Ulrich Dischinger, Oberarzt und Leiter der experimentellen Adipositasforschung am Lehrstuhl für Endokrinologie und Diabetologie. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Chirurgischen Klinik 1, der Psychiatrie und der Molekularen Infektionsbiologie fand er heraus, dass die Effektivität der Adipositas-Chirurgie von einem intakten Hypothalamus abhängt. Der Hypothalamus ist ein zentraler Teil des Gehirns, der als wichtige Schaltzentrale unseres Körpers vegetative und endokrine Vorgänge reguliert und unter anderem die Nahrungsaufnahme steuert.

Ist diese Gehirnregion jedoch krankheitsbedingt zerstört, zum Beispiel durch einen gutartigen Tumor wie etwa ein Kraniopharyngeom, ist der Effekt der Adipositas-Operation deutlich abgeschwächt. Das heißt, sattmachende Hormone wie GLP-1 oder PYY, die nach dem chirurgischen Eingriff verstärkt aus dem Magen-Darm-Trakt ausgeschüttet werden, können ihre nahrungsregulierende Wirkung über den geschädigten Hypothalamus nicht entfalten. Obwohl die in dieser Studie untersuchten Patientinnen und Patienten mit Adipositas und geschädigtem Hypothalamus nach der bariatrischen Operation höhere Hormonspiegel als diejenigen mit Adipositas und intaktem Hypothalamus aufwiesen, war der Effekt der OP bei ihnen deutlich abgeschwächt. Dies zeigt, dass die Wirkweise der Adipositas-Chirurgie im Wesentlichen auf veränderten neuroendokrinen Signalen aus dem Magendarmtrakt basiert und von einem intakten Hypothalamus abhängt.

Adipositas-OP vom Stigma einer simplen Magenverkleinerung befreien

Ulrich Dischinger ist sich sicher, dass die Erkenntnisse wesentlich zu einer weiteren Aufklärung der Wirkweise der Adipositas-Chirurgie beitragen: „Die überragende Bedeutung einer intakten Hypothalamusfunktion für die Effektivität der bariatrischen Chirurgie war am Menschen bislang nicht gut untersucht. Mit unseren Resultaten können wir helfen, die Adipositas-Chirurgie vom Stigma einer simplen Magenverkleinerung zu befreien. Tatsächlich ist die bariatrische Operation eine Art neuroendokrine Intervention.“ Auch Prof. Dr. Florian Seyfried, Oberarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie und Leiter des Würzburger Referenzzentrums für metabolische und bariatrische Chirurgie, hofft, dass die Ergebnisse zu einer größeren Akzeptanz der Adipositas-Chirurgie beitragen. „Bislang sind nicht nur die Adipositas, sondern auch die bariatrische Chirurgie stigmatisiert. So hält sich die historische Annahme, dass die Wirkungsweise bariatrischer Operationen darauf beruht, dass der Patient weniger Nahrung aufnehmen kann und diese vom Körper teilweise nicht mehr verstoffwechseln kann. Die nun publizierte Arbeit widerspricht nun ganz klar diesem vermuteten Wirkprinzip.“

Menschen mit hypothalamischer Adipositas besser beraten

Ulrich Dischinger führt weiter aus: „Unsere Forschung wird auch dabei helfen, Menschen mit Schädigung des Hypothalamus und dadurch verursachter hypothalamischer Adipositas‘ vor einer geplanten Adipositas-Operation besser beraten zu können. Gerade dieses sensible Patientengut sollte keiner Intervention zugeführt werden, deren üblicher günstiger Effekt nicht zu 100 Prozent übertragbar sein dürfte.“

Aktuell wird das Spektrum der Adipositasforschung mit einer Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz erweitert. Wesentliche Untersuchungsgegenstand wird hier die Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion sein, einer häufigen und bislang nicht gut behandelbaren Begleiterkrankung der Adipositas.

Pressemitteilung, Universitätsklinikum Würzburg, 22. November 2022

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