Würzburg. Beim Nebennierenkarzinom, kurz ACC für Adrenocorticales Carzinom, handelt es sich um einen seltenen, hochgradig bösartigen Tumor an einer der paarig angelegten Hormondrüsen an der Niere. Die Behandlung ist eine Herausforderung, da herkömmliche Therapien meist nicht ausreichend wirken. Auch die Diagnose ist schwierig, da der Tumor oft erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt wird, was die Therapie zusätzlich erschwert. Zudem ist die Entstehung des Karzinoms, die so genannte Pathogenese, noch nicht vollständig verstanden. Neben dem Tumor selbst beeinflusst auch die veränderte Hormonausschüttung das Krankheitsbild erheblich, was die Komplexität weiter erhöht und viel Raum für Forschung lässt. In diesem Raum ist Dr. Barbara Altieri seit ihrem Studium in Rom aktiv, um neue Therapieansätze zu finden und die Prognose und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Spleißen als Ansatzpunkt für mögliche Therapien beim Nebennierenkarzinom
Rückenwind erhält die Medizinerin und Wissenschaftlerin, die seit 2019 das Team der Endokrinologie am Uniklinikum Würzburg verstärkt, nun vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF). Das BZKF fördert einen neuen Forschungsansatz im Rahmen eines Young-Scientist-Fellowship-Programms mit 100.000 Euro. In dem Projekt „RNA-Splicing und SF3B1-Hemmung zur Modulation des Zellzyklus beim Nebennierenrindenkarzinom“ konzentriert sich Barbara Altieri auf den Prozess des Spleißens beim ACC. Als Spleißen (engl. splicing) bezeichnet man einen wichtigen Schritt in der Genexpression, bei dem die Introns, also die nicht codierten Abschnitte der DNA, aus der prä-mRNA (precursor messenger mRNA) entfernt werden, sodass eine translationsfähige mRNA entsteht. Das Spleißen wird vom Spleißosom, einem Ribonukleoprotein-Komplex katalysiert. Bei vielen Krebsarten ist der Spleißvorgang gestört. Dadurch entstehen abnorme Proteine, die das Tumorwachstum fördern oder die Zellen resistent gegen Therapien machen können.
Pladienolid B blockiert SF3B1 und bringt Tumorzellen zum Stillstand
Eine Schlüsselkomponente im Spleißing-Prozess ist der Splicing Factor 3b Subunit 1 (SF3B1). Das Molekül hilft dem Spleißosom die prä-mRNA zu erkennen und in die reife mRNA umzuwandeln. mRNA steht für Messenger-Ribonukleinsäure. Sie ist der Bauplan für alle möglichen Proteine im Körper und fungiert als Botin, um die genetischen Informationen von der DNA im Zellkern zum Ribosom zu transportieren, das wiederum den Bauplan abliest und das entsprechende Protein herstellt. SF3B1 sorgt dafür, dass die genetische Information korrekt verarbeitet wird. Mutationen in SF3B1 sowie Überexpressionen von SF3B1 können jedoch zu fehlerhaftem Spleißen führen und Krankheiten wie Krebs auslösen.
Substanzen wie Pladienolide B zielen darauf ab, SF3B1 zu hemmen, um den fehlerhaften Spleißvorgang zu unterbrechen, so dass Tumorzellen nicht mehr wachsen oder sich teilen können.
Dieser Ansatz hat sich bereits bei verschiedenen Krebsarten als vielversprechend erwiesen. Die Rolle des Spleißosoms bei Nebennierentumoren ist bisher jedoch kaum erforscht. „Wir wollen die Spleißveränderungen und die Expression von SF3B1 bei ACC untersuchen, um herauszufinden, ob SF3B1 auch bei ACC eine entscheidende Rolle spielt und ein möglicher Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Therapien sein könnte“, sagt Barbara Altieri. Die gebürtige Italienerin wurde für ihre Forschungsarbeiten bereits mehrfach ausgezeichnet (siehe Porträt in der UKW-Serie #WomenInScience) und freut sich sehr über die Unterstützung ihres neuen vielversprechenden Forschungsprojekts durch das BZKF.
BZKF-Young Scientist Fellowships
„Im Young-Scientist-Fellowship-Programm ermutigen wir junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, neue Methoden zur Krebsdiagnostik und -therapie zu entwickeln. Das Würzburger Projekt von Barbara Altieri verfolgt einen innovativen Ansatz, um die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit seltenem Nebennierenkarzinom zu erweitern“, sagt Professor Dr. Ralf Bargou, Direktor des Comprehensive Cancer Center Mainfranken und Mitglied im Direktorium des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung.
Das BZKF fördert bereits zum dritten Mal sechs herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den sechs Universitätskliniken in Bayern. Im Rahmen der aktuellen Förderrunde wurden insgesamt 600.000 Euro bereitgestellt. Die Auszeichnung der Stipendiatinnen und Stipendiaten fand am 18. November 2024 in einer virtuellen Ehrung statt. Die sechs BZKF-Young Scientist Fellowships 2025 auf einen Blick:
- Dr. med. Johanna S. Enke, Universitätsklinikum Augsburg: INSIGHT Melanoma: Korrelation der Immunantwort und des Therapieansprechens bei Melanompatienten, die eine Immuntherapie erhalten, mittels PET/CT-Bildgebung, peripherem Immunstatus und zirkulierenden Tumorbestandteilen Link
- Dr. Dr. med. Christian Matek, Universitätsklinikum Erlangen: Integration histomorphologischer und räumlich aufgelöstermolekularer Daten mit Hilfe von histologischenBasismodellen der künstlichen Intelligenz Link
- Dr. med. Philipp Keyl, LMU München: Entwicklung erklärbarer KI-Methoden für die Unterstützung von Diagnostik und Therapie in der personalisierten Krebsmedizin Link
- Dr. med. Dipl. Biochem. univ. Florian Lüke, Universitätsklinikum Regensburg: BasiqCompass Trial MTB: Prospektive Untersuchung der Therapiefitness für Patientinnen und Patienten im Molekularen Tumorboard Link
- Dr. med. Carmen Mota Reyes, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München: Biomarker-Screening für schwere neurale Invasion beim Pankreaskarzinom zur präzisen Tumorstadienbestimmung und Risikoeinschätzung bei anatomisch resektablen Patienten Link
- Dr. med. Barbara Altieri, Universitätsklinikum Würzburg: RNA-Splicing und SF3B1-Hemmung zur Modulation des Zellzyklus beim Nebennierenrindenkarzinom Link
Text: Kirstin Linkamp / UKW