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Der Mann, der die Würzburger Nephrologie auf die Weltbühne gebracht hat

Christoph Wanner geht in den Ruhestand, zumindest was die Leitung der Nephrologie in der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum betrifft. Er wird in Zukunft als Seniorprofessor in Teilzeit am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz sowie an der University of Oxford tätig sein.

Das Bild zeigt Christoph Wanner im Hörsaal vor der Tafel.
Prof. Dr. Christoph Wanner war fast 30 Jahre lang als Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg in der Behandlung, Forschung und Lehre rund um die Niere beschäftigt. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. Ein großer Schrank, ein Schreibtisch, ein paar Grünpflanzen und ein Laptop. So beschrieb eine regionale Tageszeitung vor 29 Jahren das Arbeitszimmer, das Prof. Dr. Christoph Wanner im Oktober 1994 als neuer Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg bezogen hatte. Sein Büro war damals noch auf dem alten Medizincampus in Gebäude D20, sein Laptop eine Sensation, der den Generationenwechsel symbolisierte. Mit 37 Jahren war Wanner der jüngste von allen Bewerbern. Heute mistet der Nephrologe stapelweise Papiere und Aktenordner im Zentrum für Innere Medizin aus und macht Platz für seinen Nachfolger, einem externen Nephrologen, mit dem der Vorstand des Uniklinikums gerade noch verhandelt. Christoph Wanner geht in den Unruhestand. Ab dem 1. April wird er je zur Hälfte als Seniorprofessor im Department für Klinische Forschung und Epidemiologie von Prof. Stefan Störk am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) und an der Clinical Trial Service Unit der University of Oxford tätig sein, wo er eine neue Studie mit rund 11.000 Patienten organisieren wird.

„Ich war ein begeisterter patientennaher Arzt, der gern auf Visite gegangen ist“

Der gebürtige Bad Mergentheimer blickt mit einem lachenden und weinenden Auge auf die vergangenen drei Jahrzehnte in der Universitätsmedizin. Dass heute oftmals viel weniger Zeit für die Visiten zur Verfügung steht, macht ihn zum Beispiel traurig. Dabei sie die Visite Teil der Behandlung. „Früher wurde sie zelebriert, inzwischen bleibt dafür immer weniger Zeit“, so Wanner. Dabei sei das Gespräch mit dem Patienten so wichtig, man müsse doch ein Gefühl für ihre Ängste und Bedürfnisse bekommen. Gerade die Patientengeschichten motivieren. Er habe viele Patienten von der Diagnose bis hin zur Dialyse oder Transplantation begleitet, gesehen, wie sie trotz ihres Leidens Familien gegründet und Kinder großgezogen haben. Das führe den Wert der eigenen Arbeit noch einmal vor Augen.

Zeit gefunden, um die Rolle des Clinician Scientist ausbauen

Auf der anderen Seite freut es ihn, dass er in der klinischen Routine nicht untergegangen ist, Freiheiten für die Forschung bewahren konnte, um die Position als Clinician Scientist weiter auszubauen und zu hoher Exzellenz zu bringen. Er hat sich anfangs mit der Vorbeugung von kardiovaskulären Erkrankungen bei Dialysepatienten beschäftigt, was heute immer noch ein Thema ist, legte aber später seinen Forschungsfokus in die frühen Stadien der Nierenerkrankung und die Prävention der Progression.

„Christoph Wanner hat es geschafft, die Forschung der Würzburger Nephrologie auf die Weltbühne zu tragen“, sagt Prof. Dr. Jens Maschmann, Ärztlicher Direktor des Uniklinikum Würzburg. Die erste Studie, die ihn berühmt gemacht hat war „Die Deutsche Diabetes Dialyse-Studie“ (4D-Studie), an der deutschlandweit 1.266 Dialysepatienten mit Diabetes teilgenommen haben. Die Erkenntnis, dass Statine bei Dialysepatienten das kardiovaskuläre Risiko nicht reduzierten, wurde im Jahr 2005 im New England Journal veröffentlicht. „Und dann hatte ich großes Glück, dass ich von der kardiovaskulären Protektion mit einem Statin zur renokardialen Protektion mit SGLT-2-Hemmer hineingerutscht bin“, erzählt Wanner

„4.000 Menschen haben applaudiert als wir die Ergebnisse verkündet haben“

Als Sternstunde seiner Forschung bezeichnet er zehn Jahre später, im Herbst 2015, die Präsentation der EMPA-REG OUTCOME-Studie beim 51. EASD (European Association for the Study of Diabetes)-Kongress in Stockholm. „Die 4.000 Menschen im Publikum haben applaudiert als wir, die Mitglieder des Steuerungskomitees die Ergebnisse verkündet haben. Das erlebt man nicht oft.“ Die Studie hat gezeigt, dass der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin bei Typ-2-Diabetikern mit hoher kardiovaskulärer Vorbelastung einen signifikanten Überlebensvorteil bringt. Mit einem Vorteil für Nierenpatienten hat niemand gerechnet. „Bei Niere sei nicht viel drin, meinten die Kooperationspartner. Doch ich habe Signale gesehen und gedacht, da müssen wir dranbleiben. Man überließ mir die Daten, und ich machte was draus, was wiederum das New England Journal aufnahm.“ Wanner war einer der ersten, der das Potenzial von SGLT2-Hemmern in der Behandlung von Diabetes, Herz-Kreislauf- UND Nierenerkrankungen erkannt hat. Aus dem Signal ist heute, acht Jahre später, der Hoffnungsträger schlechthin für alle Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung geworden.

Neues Therapieprinzip entwickelt mit dramatischen Vorteilen für Nierenpatienten

Die Effizienz des Wirkstoffs Empagliflozin wurde in der multizentrischen EMPA-KIDNEY-Studie, die Christoph Wanner daraufhin mit der University Oxford ins Leben gerufen hat, eindrucksvoll bewiesen. Die tägliche Einnahme einer Empagliflozin-Tablette senkt nicht nur den Blutzucker, sondern kann auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion oder den Tod infolge einer Herzerkrankung bei Patientinnen und Patienten mit einer Nierenerkrankung verhindern, unabhängig davon, ob die Betroffenen einen Diabetes Typ 2 haben. Wir haben ein Therapieprinzip entwickelt, das für jeden Nierenkranken dramatische Vorteile hat, denn es wird ihn Jahre von der Dialyse fernhalten.

Ein kleiner Diamant – die Fabry-Kohorte

Was ihn noch mit Stolz erfüllt ist FAZiT – das Fabry-Zentrum für interdisziplinäre Therapie, das er im Jahr 2001 gegründet hat. „Ich hatte eigentlich nie etwas vor mit dieser Erkrankung, die man nur sehr selten sieht. Aber als ich eine neue Therapie kennen gelernt habe und immer mehr Betroffene nach Würzburg kamen, hat mich das sehr bewegt. Ich habe angefangen eine kleine Ambulanz aufzubauen und von jedem Patienten ein Protokoll im selben Muster anzulegen. Da die lyosomale Speichererkrankung Zellen im gesamten Körper angreift und neben der Niere auch das Herz und das Gehirn schädigt, kamen die Fachdisziplinen Kardiologie und Neurologie hinzu. „Heute, mehr als 20 Jahre später, haben wir die weltgrößte Fabry-Ambulanz und einen unschätzbaren Datenschatz von mehr als 400 Patienten. Allein das Beobachtungsregister hat zu 150 wissenschaftlichen Arbeiten aus Würzburg geführt.“ Die Fabry-Kohorte sei ein kleiner Diamant. „Wenn mich heute ein junger Mensch fragt: Was soll ich denn tun? Dann sage ich: Sammeln sie strukturiert Patientendaten und bauen sie sich eine Kohorte auf! Als ich jung war, habe ich während eines Forschungsaufenthalts in den USA eine Kohorte ausgewertet und dazu zwei internationale Arbeiten geschrieben, die haben mich letztendlich nach Würzburg gebracht.“

Hochrangiges Amt des ERA-Präsidenten

Ein weiterer Höhepunkt seiner Laufbahn und gewissermaßen die Krönung für sein jahrzehntelanges Netzwerken war im Sommer 2020 die Ernennung zum Präsidenten der Europäischen Gesellschaft für Nephrologie ERA (European Renal Association). Sichtbarkeit erlange man Wanner zufolge nicht nur über die Arbeit und publizierten Studien – Wanner hat einen beachtlichen h-index von 103 (web of science), sondern vor allem über das Mitarbeiten in Gesellschaften und Netzwerken. Die ERA und deren Geschäftsstelle kennt er zum Beispiel als langjähriges Vorstandsmitglied, Mitglied der Leitlinienkommission und ehemaliger Leiter des Europäischen Dialyseregisters. Eine weitere „Säule des Tempels“ seien die Tätigkeiten als akademischer Reviewer, Associated Editor und Editor. „Als Editor bekommt man pro Tag zwei bis drei Arbeiten, die man jeweils an drei Reviewer weitergeben muss, die zu diesem Thema forschen. Das heißt, sie kennen nach wenigen Jahren tausende Nephrologen und sind weltweit verflochten.

„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die Arbeit denke.“

Das alles müsse man natürlich 24/7 machen. „Aber das macht ja auch Spaß“, fügt er hinzu. Was sagt die Familie dazu? „Meine Frau macht das alles mit und verfolgt natürlich auch ihre eigenen Interessen. Aber wir verreisen viel, treiben Sport und gehen aus“, sagt der leidenschaftliche Radrennfahrer und Vater von drei Söhnen. Ins Theater nehme sie ihn allerdings nicht mehr mit. Das sei herausgeschmissenes Geld, schlafen könne er daheim. „Und beim Essen hagelt es manchmal Kritik, wenn ich auf dem Smartphone daddele. Bei uns gilt nämlich die Devise: Beim Essen wird das Handy abgegeben!“

Zur Person Christoph Wanner:

Christoph Wanner wurde in Bad Mergentheim geboren, hat in Berlin, Ferrara (Italien) und Würzburg studiert. An der Universität von Singapur und der Universität Zürich hat er ein praktisches Jahr absolviert und an den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA) geforscht. Bevor er im Oktober 1994 die Leitung der Nephrologie in Würzburg übernahm hat er am Universitätsklinikum Freiburg gearbeitet und dort bereits ein großes Forschungslabor geleitet. Am Uniklinikum hat er sich neben der Patientenversorgung auf die klinische Forschung konzentriert und die vergleichsweise kleine nephrologische Abteilung mit neun Ärzten, zwei Oberärzten und ihm als einzige Fakultätsprofessur auf der Weltbühne vertreten. 

Das Bild zeigt Christoph Wanner im Hörsaal vor der Tafel.
Prof. Dr. Christoph Wanner war fast 30 Jahre lang als Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg in der Behandlung, Forschung und Lehre rund um die Niere beschäftigt. © Daniel Peter / UKW

Prof. Dr. Markus Böck geht in den Ruhestand: „Aufgabenvielfalt ist Reiz der Transfusionsmedizin“

Seit 1999 am UKW tätig: Abschied im Jubiläumsjahr der Würzburger Transfusionsmedizin

Vor 75 Jahren startete die Transfusionsmedizin am Uniklinikum Würzburg. Im Jubiläumsjahr geht deren langjähriger Leiter, Prof. Dr. Markus Böck, in den Ruhestand.

Würzburg. „Eigentlich wollte ich ja Chirurg werden“, blickt Prof. Dr. Markus Böck auf die Anfänge seiner medizinischen Laufbahn zurück. Doch es kam anders: Sein Weg führte ihn in die Transfusionsmedizin und schließlich 1999 ans Uniklinikum Würzburg (UKW). Ende März geht der 66-jährige Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin in den Ruhestand.

In der Rückschau steht für ihn fest: „Ich würde diesen Weg immer wieder so gehen. Auch angehenden Medizinerinnen und Medizinern kann ich diese Fachrichtung nur empfehlen.“ Die Gründe dafür liefert er sofort mit: „Die moderne Transfusionsmedizin verbindet viele unterschiedliche Aufgaben miteinander. Dazu gehören die klinische Seite mit der Patientenversorgung am Bett, der Kontakt mit den Menschen, die Blut oder Stammzellen spenden wollen, der Prozess der Herstellung von Blutprodukten unter höchsten Qualitätsstandards, die interessante Arbeit im Labor, die herausfordernde Organisation einer international agierenden Stammzellspender-Datei und nicht zuletzt die wissenschaftlichen Fragen.“ Hinzu kämen die logistischen Herausforderungen der komplexen „Blutversorgung“ eines Großklinikums. 

Der gebürtige Hofer studierte in Erlangen und München Medizin. Nach Abschluss des Studiums 1982 ging es zunächst vier Jahre lang an das Physiologische Institut der Universität München. Anschließend in die Hämatologie am Universitätsklinikum München Großhadern, der zu diesem Zeitpunkt die dortige Transfusionsmedizin angeschlossen war. 1993 erwarb er die damals neue Facharztbezeichnung „Transfusionsmedizin“. Daneben ist er auch Facharzt für Innere Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Hämostaseologie. 

2007: Ein neues Institut am UKW

1994 wechselte er an das Universitätsklinikum Magdeburg als Leitender Oberarzt an das dortige Institut für Transfusionsmedizin. 1999 folgte der Sprung nach Würzburg, seinerzeit noch in die „Abteilung für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie“, die an der Chirurgie angedockt war. 2007 wurde diese in das eigenständige „Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie“ umgewandelt. Seit dieser Zeit verfügt das UKW über eines der beiden einzigen universitären transfusionsmedizinischen Institute in Bayern.

Aktuell hat das Institut 66 Beschäftigte. Zu den Aufgaben zählen nicht nur die die Bereitstellung von rund 70.000 Blutkomponenten im Jahr, sondern auch die komplette immunhämatologische Labordiagnostik mit über 250.000 Analysen pro Jahr, die gesamte HLA-Diagnostik des Klinikums, ein Apheresezentrum mit mehreren tausend präparativen und therapeutischen Apheresen pro Jahr sowie nicht zuletzt die gesamte transfusionsmedizinische Qualitätssicherung am UKW.

Zu den Meilensteinen zählt – neben vielen baulichen Maßnahmen und der Einrichtung des ersten GMP-Reinraumlabors am UKW – ferner der Aufbau der Stammzellspenderdatei im Jahr 2003. „Heute finden ja regelmäßig Typisierungsaktionen statt. Zu der Zeit gab es einen der ersten Aufrufe für einen Patienten im Internet. Innerhalb weniger Tage standen mehrere tausend Menschen vor unserer Tür und wollten sich typisieren lassen. Auf diesen Ansturm waren wir zunächst logistisch gar nicht vorbereitet, aber wir haben es geschafft. Damit war der Grundstein für diese Datei gelegt“, so Prof. Böck. 

Besonders wichtig war ihm auch die enge Kooperation mit dem Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes „Ohne diese Zusammenarbeit wäre vieles gar nicht möglich. Denn nur gemeinsam kann die Versorgung eines Großklinikums wie des UKW mit Blutkonserven sichergestellt werden.“

Das schönste Fachgebiet der Welt

Nun freut er sich er darauf, „mal einige Gänge runterzuschalten und einen weniger eng getakteten Tagesablauf zu haben.“ Das Institut wird zunächst kommissarisch geleitet. Deshalb wird Prof. Böck zukünftig noch einige Aufgaben in der Lehre übernehmen – und dabei sicherlich für „sein“ Fachgebiet werben. Denn das ist ihm wichtig: „Die Transfusionsmedizin leidet etwas an ihrer mangelnden Sichtbarkeit im Stationsalltag.“ Dann muss er lachen: „Manchmal habe ich den Eindruck, die Fremdwahrnehmung von uns ist, dass wir vor Kühlschränken sitzen und Blutkonserven nach Verfallsdatum sortieren. Dabei ist die Innovationskraft der Transfusionsmedizin groß. Ohne Transfusionsmedizin würde vieles in der modernen Medizin nicht laufen – und deshalb ist die Transfusionsmedizin für mich das schönste Fachgebiet der Welt.“

„Wir danken Prof. Böck für seinen unermüdlichen Einsatz“, betont Prof. Dr. Jens Maschmann. Der Ärztliche Direktor des UKW ist sich sicher: „Das Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie wird sich auch unter neuer Leitung mit vielleicht neuen Schwerpunkten weiterentwickeln und auch in Zukunft ein unverzichtbarer Leistungsträger unseres Klinikums in der Patientenversorgung sowie in Forschung und Lehre sein.“

Studie zur besseren Brustkrebs-Nachsorge gestartet

Im Rahmen der deutschlandweiten Studie BETTER-CARE entwickelt und prüft die Universitätsmedizin Würzburg eine bedarfsadaptierte und individualisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung. Die 30 beteiligten Brustkrebszentren in Deutschland nehmen ab sofort Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer auf.

Eine Studienärztin informiert eine Brustkrebspatientin über das BETTER CARE-Programm.
Im BETTER-CARE-Programm werden in persönlichen Gesprächen und via App das Befinden und mögliche Belastungen der Brustkrebspatientinnen und –patienten abgefragt. © Anna Wenzl / UKW
Eine Brustkrebspatientin hält den Informationsfolder der Studie BETTER CARE in den Händen.
Im Rahmen der Studie BETTER-CARE, an der 30 Brustkrebszentren in Deutschland beteiligt sind, entwickelt und prüft die Universitätsmedizin Würzburg gemeinsam mit ihren Partnern eine bedarfsadaptierte und individualisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung. © Anna Wenzl / UKW
Eine Brustkrebspatientin hält ein Tablet mit der BETTER CARE App in den Händen.
Über die Anwendungssoftware können die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer Angaben zu ihren individuellen therapeutischen Bedürfnissen oder auch Symptomen machen und Interventionen nutzen, um tumorbedingte Belastungen zu reduzieren. © Anna Wenzl / UKW
Das Bild zeigt das Würzburger Studienteam von BETTER CARE im Garten der Frauenklinik.
Die Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg und das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) der Universität Würzburg bauen mit BETTER CARE ein fachübergreifendes digitales Versorgungsnetzwerk auf, um die Wirksamkeit eines Nachsorgekonzepts nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung im Vergleich zur derzeitigen Routineversorgung zu untersuchen. © Anna Wenzl / UKW

Würzburg. Brustkrebs ist die weltweit am häufigsten diagnostizierte Krebsart. Jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom. Moderne Therapien bieten gute Heilungschancen. Dennoch bleibt immer ein Risiko, dass der Krebs zurückkommt, ein Rezidiv oder eine Metastasierung bildet, also gestreut hat. Umso wichtiger ist die Nachsorge. Und die hinkt hierzulande noch hinter dem Therapiefortschritt hinterher. „Aktuell wird in Deutschland die Nachsorge bei Brustkrebs nach einem sehr einheitlichen Schema gestaltet. Durch diese Gleichbehandlung besteht im jeweiligen Einzelfall die Gefahr einer Über- oder Unterversorgung“, schildert Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg, das Problem. „Die Nachsorge muss viel individualisierter, bedarfs- und risikoadaptierter werden. Und dafür benötigen wir ein wissenschaftlich untermauertes Konzept.“ Es wird in ausgewählten Zentren ein fachübergreifendes digitales Versorgungsnetzwerk aufgebaut, um die Wirksamkeit eines Nachsorgekonzepts im Vergleich zur derzeitigen Routineversorgung zu untersuchen. Die Nachsorge wird hierbei an die individuellen Bedürfnisse sowie das individuelle Risiko der Betroffenen angepasst.

15 Brustkrebszentren bieten BETTER-CARE-Nachsorge, 15 weitere die herkömmliche Nachsorge nach S3-Leitlinie

Das möchte der Gynäkologe gemeinsam mit dem Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) der Universität Würzburg mit dem großangelegten Versorgungsforschungsprojekt BETTER-CARE entwickeln und erproben. „Eines der Ziele von BETTER-CARE ist es, erstmals in Deutschland ein umfassendes, wissenschaftliches Nachsorgeprogramm zu evaluieren, das an die Bedürfnisse und an das individuelle Risiko von Patientinnen und Patienten nach ihrer Brustkrebsbehandlung angepasst ist“, erläutert Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des IKE-B.

Die 30 deutschen Brustkrebszentren, die an BETTER-CARE teilnehmen, wurden der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zufällig zugeordnet. Das heißt, 15 Zentren bieten ausschließlich die herkömmliche Brustkrebsnachsorge nach S3-Leitinie an und 15 Zentren die BETTER-CARE-Nachsorge. In jedem Zentrum können ab sofort etwa 38 Personen in die Studie aufgenommen werden.

Aufbau eines fach- und sektorenübergreifenden digitalen Versorgungsnetzwerks

Die Basis des BETTER-CARE-Programms bildet ein jeweils lokales vom Brustkrebszentrum koordiniertes Netzwerk mit Partnerinnen und Partnern aus anderen Fachbereichen wie etwa der Kardiologie, Neurologie, Psychotherapie und Physiotherapie. Über eine zentral gesteuerte Dokumentation, der elektronischen Patientenakte, können die fachärztlichen und therapeutischen Disziplinen untereinander interagieren. Das Befinden und mögliche Belastungen der Patientinnen und Patienten werden sowohl in persönlichen Gesprächen als auch über mobile Anwendungssoftware abgefragt. Über die Apps können die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer Angaben zu ihren individuellen therapeutischen Bedürfnissen oder auch Symptomen machen, die den Interventionszentren stetig aktualisiert zur Verfügung stehen. So können zeitnah weitere Behandlungsschritte eingeleitet werden. Da die Apps auch Prozesse der Künstlichen Intelligenz nutzen, können sie den Betroffenen schnell maßgeschneiderte Angebote liefern. So kann zum Beispiel eine psychologische Intervention vorschlagen werden, um tumorbedingte Belastungen zu reduzieren. „Bei körperlichen oder mentalen Herausforderungen, die auf diesem unmittelbaren Weg nicht zu lösen sind, wird das behandelnde Brustkrebszentrum informiert, mit dem dann das weitere Vorgehen besprochen werden kann“, erklärt Achim Wöckel.

Um den Effekt des neuen Nachsorgekonzeptes beurteilen zu können, werden die Informationen zu Lebensqualität, gesundheitlichen Folgen der Therapie, psychischem Befinden, Gesundheitsverhalten, Zufriedenheit mit der Behandlung und Behandlungskosten zwischen Interventions- und Kontrollgruppe verglichen.

Koordination, Evaluation und Konsortialpartner

Die deutschlandweite vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 3,3 Millionen Euro geförderte Multicenter-Studie wird von der Frauenklinik des Uniklinikums Würzburg koordiniert und durch das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) der Universität Würzburg evaluiert. Als Konsortialpartner sind beteiligt: die Klinik für Frauenheilkunde des Universitätsklinikums Heidelberg, die Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Ulm, die Universitäts-Frauenklinik Tübingen des Departments für Frauengesundheit, die Institut Frauengesundheit GmbH Tübingen, der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling und interne Unternehmensrechnung der Universität Würzburg und die Zentrale für Klinische Studien des Universitätsklinikums Würzburg.

Rekrutierungsstart

Jedes an der Studie beteiligte Brustkrebszentrum in Deutschland kann ab sofort Patientinnen und Patienten in die Studie aufnehmen. Alle Patientinnen und Patienten nach ihrer primären Brustkrebsbehandlung, unabhängig von Geschlecht und durchgeführter Therapie, sind herzlich eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Ansprechpersonen sind die behandelnden Gynäkologinnen und Gynäkologen sowie das Studienteam am Universitätsklinikum Würzburg.

Weitere Informationen finden Sie unter www.better-care.health

Eine Studienärztin informiert eine Brustkrebspatientin über das BETTER CARE-Programm.
Im BETTER-CARE-Programm werden in persönlichen Gesprächen und via App das Befinden und mögliche Belastungen der Brustkrebspatientinnen und –patienten abgefragt. © Anna Wenzl / UKW
Eine Brustkrebspatientin hält den Informationsfolder der Studie BETTER CARE in den Händen.
Im Rahmen der Studie BETTER-CARE, an der 30 Brustkrebszentren in Deutschland beteiligt sind, entwickelt und prüft die Universitätsmedizin Würzburg gemeinsam mit ihren Partnern eine bedarfsadaptierte und individualisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung. © Anna Wenzl / UKW
Eine Brustkrebspatientin hält ein Tablet mit der BETTER CARE App in den Händen.
Über die Anwendungssoftware können die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer Angaben zu ihren individuellen therapeutischen Bedürfnissen oder auch Symptomen machen und Interventionen nutzen, um tumorbedingte Belastungen zu reduzieren. © Anna Wenzl / UKW
Das Bild zeigt das Würzburger Studienteam von BETTER CARE im Garten der Frauenklinik.
Die Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg und das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) der Universität Würzburg bauen mit BETTER CARE ein fachübergreifendes digitales Versorgungsnetzwerk auf, um die Wirksamkeit eines Nachsorgekonzepts nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung im Vergleich zur derzeitigen Routineversorgung zu untersuchen. © Anna Wenzl / UKW

Neue Klinikseelsorgerin am Uniklinikum Würzburg

Seit Kurzem verstärkt Anita Reichert das ökumenische Seelsorgeteam des Uniklinikums Würzburg.

Würzburg. Seit Anfang Februar dieses Jahres ist Anita Reichert Teil des ökumenischen Seelsorgeteams des Uniklinikums Würzburg. Die katholische Klinikseelsorgerin (Jahrgang 1969) studierte Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit in Eichstätt. Anschließend war sie als Gemeindeassistentin in den Pfarreien Sankt Laurentius und Zur Heiligen Familie in Würzburg-Heidingsfeld tätig, ab 2005 als Gemeindereferentin.

2014 wechselte sie in die Pfarreiengemeinschaft Randersacker-Theilheim-Eibelstadt. Zuletzt arbeitete sie ab 2017 als Klinikseelsorgerin in der Helios Klinik in Erlenbach am Main.

„‘Für Sie da‘ steht auf dem Flyer der Seelsorge des Uniklinikums. Vor allem da sein werde ich als Seelsorgerin bei meiner neuen Aufgabe in der Frauenklinik“, berichtet Reichert und ergänzt: „Dabei möchte ich mir für die Gespräche und das Zuhören Zeit nehmen – das ist mir besonders wichtig.“

Krebsforschung im Gespräch

Dank Forschung haben sich die Überlebenschancen und die Lebensqualität von Menschen mit Krebs in den letzten Jahren erheblich verbessert. In einem neuen Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ sprechen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Comprehensive Cancer Center Allianz WERA über aktuelle Themen der Krebsforschung, geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag und erklären einfach und verständlich, wie und an welchen Themen sie forschen.

Kurzweilig, offen, einfach und verständlich – ab 1. April 2023 sprechen im Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Comprehensive Cancer Center Allianz WERA über aktuelle Themen der Krebsforschung.
Kurzweilig, offen, einfach und verständlich – ab 1. April 2023 sprechen im Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Comprehensive Cancer Center Allianz WERA über aktuelle Themen der Krebsforschung.

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und fast jeder Zweite erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. Gleichzeitig haben sich die Überlebenschancen und die Lebensqualität krebskranker Menschen in den letzten Jahren erheblich verbessert. Heute wissen wir schon viel über die strukturellen und funktionellen Hintergründe verschiedener Krebserkrankungen. So kann Krebs früher diagnostiziert und wirksamer behandelt werden – mit größtmöglicher Wahrung der Lebensqualität. Doch was und wie wird eigentlich geforscht?

Kurzweilig, offen, einfach und verständlich

Im Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ erhalten die Zuhörer vielfältige Einblicke, wie und an welchen Themen im Kontext Krebs aktuell geforscht wird. Kurzweilig, offen, einfach und verständlich stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in 13 Folgen ab 1. April 2023 ihre Themen vor. Forschende aus den Onkologischen Spitzenzentren in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg beschäftigen sich in den von Anne Kollikowski moderierten Gesprächen unter anderem mit diesen Fragen:

  • Wie geht das Immunsystem mit Krebs um?
  • Welche Rolle spielen ‚Gene‘ in Entstehung und Verlauf von Krebserkrankungen?
  • Was wissen wir zu Bewegung und Komplementärmedizin im Kontext Krebs?
  • Wie werden neue Medikamente das erste Mal am Menschen getestet?
  • Was sind eigentlich Krebsregister und Biobanken?
  • Patienten als Forschungspartner – wie und warum?

Eine spannende Reise in der Welt der Krebsforschung

Mit Geschichten aus dem Forschungsalltag möchte der Podcast alle Interessierten auf eine spannende Reise in die Welt der Krebsforschung mitnehmen. Ab 1. April 2023 erscheint an jedem 1. und 15. eines Monats bis Oktober 2023 eine neue Folge. Bei der Konzeptionierung und Planung des Podcast waren auch Patientenvertreterinnen und -vertreter beteiligt und haben die Initiative der Onkologischen Spitzenzentren in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg maßgeblich unterstützt.

Die CCC Allianz WERA

Zusammen bilden die vier Standorte der Comprehensive Cancer Center in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg die CCC Allianz WERA. Die Deutsche Krebshilfe hat 2022 die gemeinsame Allianz der vier Universitätskliniken als „Onkologisches Spitzenzentrum der Deutschen Krebshilfe“ ausgezeichnet und verbindet damit eine vierjährige Förderung. Die Allianz aus den vier starken Krebsversorgungs- und -forschungszentren hat zum Ziel, mit neuen Konzepten zu Krebsforschung und -versorgung wesentlich zum Fortschritt in der Krebsmedizin beizutragen und mehr als acht Millionen Einwohner in einem großen Teil von Bayern mit Spitzenmedizin zu versorgen.

Zudem wurde die CCC Allianz WERA im Februar 2023 zum offiziellen Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ernannt: Ziel des NCT WERA ist der Ausbau national und international kompetitiver Forschungsallianzen zur schnellen Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis.

Website: www.ccc-wera.de/podcast/ 

Kontakt: CCC WERA Geschäftsstelle, E-Mail: kontakt@ ccc-wera.de 

Kurzweilig, offen, einfach und verständlich – ab 1. April 2023 sprechen im Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Comprehensive Cancer Center Allianz WERA über aktuelle Themen der Krebsforschung.
Kurzweilig, offen, einfach und verständlich – ab 1. April 2023 sprechen im Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Comprehensive Cancer Center Allianz WERA über aktuelle Themen der Krebsforschung.

Präzisionsmedizin durch Schwarmlernen

Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten und vom Uniklinikum Würzburg koordinierten Projekt SWAG (SWArm learning for Generation and dissemination of high-quality data in oncology) wird das Teilen und Analysieren von Datensätzen mittels kombinierter KI-Methoden entwickelt und erprobt. Die synthetischen Datensätze und trainierten Modelle sollen öffentlich verfügbar gemacht und gemeinsam weiterentwickelt werden, um die Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu verbessern.

Das Logo zeigt den Schwarm, der in diesem Fall aus Servern an verschiedenen Standorten besteht, welche die Algorithmen teilen; einen zentralen Server gibt es nicht.
Im Projekt SWAG wird das Teilen und Analysieren von Datensätzen mittels kombinierter KI-Methoden entwickelt und erprobt. Der Schwarm besteht hier aus Servern an den fünf Standorten Aachen, Dresden, Heidelberg, Mainz und Würzburg, über die die künstlich erzeugten Modelle ausgetauscht werden. Man teilt nur die Algorithmen und das, was sie am jeweiligen Standort dazulernen. © Bettina Baeßler / UKW
Hier sind erste künstlich erzeugte CT-Bilder vom Bauch zu sehen.
Erste Trainingsergebnisse: Aus zahlreichen echten Patientendaten wurden erste synthetische CT-Aufnahmen vom Abdomen erstellt. © Daniel Truhn / Universitätsklinikum Aachen.

Gesundheitsdaten sind überaus sensibel und unterliegen einem besonderen Schutz. Auch wenn man sie noch so sehr anonymisiert, sie dürfen aufgrund des Datenschutzes nicht herausgegeben werden und müssen dortbleiben, wo sie erhoben wurden. Das erschwert jedoch die Präzision in Diagnostik und Behandlung vieler Erkrankungen, vor allem, wenn diese selten sind. So ließe sich zum Beispiel mit einer großen Sammlung an medizinischen Bilddaten aus verschiedenen Zentren die Entwicklung von Tumoren und einer möglichen Metastasierung besser abschätzen und eine optimale Therapie wählen.

Synthetische Daten sind frei von Datenschutzbeschränkungen und Eigentumsansprüchen

Mit dem Projekt SWAG will ein interdisziplinäres Konsortium aus fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die praktischen, ethischen und rechtlichen Hindernisse, die einer Sammlung großer Datensätze im Wege stehen, überwinden. Denn mit KI können klinisch relevante Parameter aus den Röntgenbildern, Computertomografie-Aufnahmen oder histologischen Befunden ausgelesen werden und zu einem KI-Modell zusammengefasst werden. Je mehr Patientendaten das KI-Modell umfasst, umso effizienter lassen sich krankhafte Veränderungen in Zellen und Gewebe vorhersagen. SWAG steht für SWArm learning for Generation and dissemination of high-quality data in oncology. Mit der noch sehr neuen Technologie Schwarmlernen sollen generative Modelle zur Synthese und Nutzbarmachung hochqualitativer Daten in der Krebsmedizin erzeugt werden.

Algorithmen bewegen sich durch Datensätze an verschiedenen Standorten

Der Schwarm besteht in diesem Fall aus Servern an fünf Standorten: der Universitätsmedizin in Aachen, Dresden, Heidelberg, Mainz und Würzburg. Über diese Server werden die gelernten, also künstlich erzeugten Modelle mittels Blockchain-Technologie untereinander ausgetauscht. Das heißt, die Daten bleiben am Standort, man teilt nur die Algorithmen und das, was sie am jeweiligen Standort dazulernen. Einen zentralen Koordinator wie es beim föderierten Lernen der Fall ist, gibt es beim Schwarmlernen nicht, wodurch die Daten zusätzlich gesichert sind. Jeder lokale Server wirkt als zentraler Server, sobald er seinen neuesten Block mit künstlichen Datensätzen mit dem vorhergehenden Block verbindet und somit das KI-Modell mit einer stetig wachsenden Datenmenge trainiert.

„Wir erzeugen synthetische Bilder, die auf ganz vielen Bildern von verschiedenen Patienten basieren, jedoch keinen Patientenbezug mehr haben und daher niemandem gehören“, bringt es Prof. Dr. Bettina Baeßler auf den Punkt. Die Leiterin der Kardiovaskulären Bildgebung und Künstlichen Intelligenz am Uniklinikum Würzburg koordiniert das SWAG-Projekt. Die Radiologin vergleicht es gern mit KI-generierten Kunstwerken: „Die KI lernt wie typische Bilder von van Gogh oder Monet aussehen. Dann sage ich: Generiere mir ein Bild, dass so aussieht, als hätte es van Gogh gemalt. Das Bild sieht dann aus wie ein van Gogh, ist aber keiner.“

Mit Swarm Learning trainierte KI-Modelle können genetische Veränderungen vorhersage

Wie vielversprechend der Einsatz von Schwarmlernen für dezentrale Künstliche Intelligenz in der Onkologie ist, haben die SWAG-Projektpartner, der Dresdner Internist Prof. Dr. Jakob Nikolas Kather, der Physiker und Mediziner Dr. Daniel Truhn aus Aachen und der Mainzer Pathologe Dr. Sebastian Försch bereits im renommierten Journal Nature Medicine publiziert. „Anhand von Daten von mehr als 5.000 Patientinnen und Patienten konnten wir zeigen, dass KI-Modelle, die mit Swarm Learning trainiert wurden, klinisch relevante genetische Veränderungen direkt aus Standardpräparaten von Gewebe aus Tumoren des Dickdarms vorhersagen können“, erläutert Jakob Kather. Weibliche Unterstützung im SWAG-Team bekommt Bettina Baeßler übrigens von der Informatikerin Prof. Dr. Sandy Engelhardt, die am Universitätsklinikum Heidelberg die AG Artificial Intelligence in Cardiovascular Medicine leitet.

Nierenzellkarzinom als Prototyp für viele andere seltene Krebserkrankungen

Mit Schwarmlernen können KI-Modelle für beliebige Bildanalyseaufgaben trainiert werden. Im SWAG-Projekt geht es zunächst um vier Modalitäten. Das heißt, die Modelle lernen mit echten, retrospektiven Patientendaten, wie Röntgen-Thorax-Bilder, CT-Aufnahmen vom Bauch (Abdomen), vom Brustkorb (Thorax) und histologische Aufnahmen, also Gewebeproben aussehen. „Der Computer spuckt dann im Grunde synthetische Bilder aus, die reine Mathematik sind, also eine Riesenformel“, beschreibt Bettina Baeßler. „Und diese vortrainierten Modelle können wir wiederum auf bestimmte Pathologien trainieren. Im SWAG-Projekt konzentrieren wir uns zunächst auf das Nierenzellkarzinom.“ Tumore in Nierenzellen sind sehr selten, sehr unterschiedlich und in vielen Fällen tödlich. Dank moderner Bildgebungsverfahren können sie zwar früh erkannt werden, doch es ist oft schwierig, eine Prognose zur Entwicklung des Tumors zu treffen und eine passende Behandlung zu wählen.

Damit die KI-Modelle auch an anderen Standorten als in Aachen, Dresden, Heidelberg, Mainz und Würzburg funktionieren, wird das Schwarmlernen mit generativem Lernen kombiniert. Ziel ist es, die synthetischen Datensätze und trainierten Modelle mit der Wissensgemeinschaft zu teilen, sie gemeinsam weiterzuentwickeln und somit seltene Tumore besser bewerten und behandeln zu können.

BMBF-Förderung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs

SWAG wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von interdisziplinären Projekten zur Entwicklung und Erprobung von neuen Ansätzen der Datenanalyse und des Datenteilens in der Krebsforschung in der Nationalen Dekade gegen Krebs mit 1 Millionen Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert. 

Das Logo zeigt den Schwarm, der in diesem Fall aus Servern an verschiedenen Standorten besteht, welche die Algorithmen teilen; einen zentralen Server gibt es nicht.
Im Projekt SWAG wird das Teilen und Analysieren von Datensätzen mittels kombinierter KI-Methoden entwickelt und erprobt. Der Schwarm besteht hier aus Servern an den fünf Standorten Aachen, Dresden, Heidelberg, Mainz und Würzburg, über die die künstlich erzeugten Modelle ausgetauscht werden. Man teilt nur die Algorithmen und das, was sie am jeweiligen Standort dazulernen. © Bettina Baeßler / UKW
Hier sind erste künstlich erzeugte CT-Bilder vom Bauch zu sehen.
Erste Trainingsergebnisse: Aus zahlreichen echten Patientendaten wurden erste synthetische CT-Aufnahmen vom Abdomen erstellt. © Daniel Truhn / Universitätsklinikum Aachen.

Revolutionären Regulationsmechanismus der Blutgerinnung entdeckt

Würzburger Arbeitsgruppe rund um Studienleiter Bernhard Nieswandt entschlüsselt einen von Blutplättchen vermittelten Regulationsmechanismus der Fibrinbildung bei der Blutgerinnung und leitet daraus neue Therapieansätze ab. Die Blutstillung ist lebenswichtig, um übermäßigen Blutverlust zu vermeiden. Bei einer überschießenden Reaktion und einer unkontrollierten Bildung von Fibrin besteht jedoch ein Thrombose-Risiko. In der in Nature Cardiovascular Research publizierten Studie decken die Forschenden das Glykoprotein GPV als Schaltstelle für die Blutstillung und Thrombusbildung auf.

Das Bild zeigt, dass lösliches GPV die Bildung eines Thrombus im Blutgefäß verhindern kann.
Behandlung einer Maus mit löslichem GPV verhindert die Bildung eines gefäßverschließenden Thrombus in einem experimentellen Modell zur Thrombosebildung (rechts). Im Vergleich dazu ist ein gefäßverschließender Thrombus einer unbehandelten Maus gezeigt (links). © Sarah Beck
Die Grafik zeigt, wie geschnittenes GPV an Thrombin bindet und die Fibrinbildung reduziert.
Zusammenfassende Skizze: GPV wird durch Thrombin geschnitten, bleibt an dieses gebunden und lokalisiert zusammen mit Thrombin an Fibrin. Fibrinbildung wird dadurch reduziert. So kontrolliert GPV räumlich-zeitlich die Thrombusbildung. © RVZ

Wenn unsere Blutgefäße durch Schnitt- oder Schürfwunden oder Quetschungen verletzt werden, ist es lebenswichtig, dass die Blutung gestillt und die Wunde verschlossen wird. In der Fachsprache heißt dieser Prozess Hämostase. Diese besteht aus zwei Vorgängen: Der Blutstillung, bei der sich Blutplättchen (Thrombozyten) an die Wundränder heften, einen Pfropf bilden und die Verletzung provisorisch abdichten. Und der Blutgerinnung beziehungsweise Gerinnungskaskade, bei der am Ende lange Fasern aus Fibrin gebildet werden, welche gemeinsam mit den Blutplättchen die Wunde fest abdichten. Wird Fibrin jedoch im Übermaß gebildet, zum Beispiel bei chronischen Wunden, kann es zu Gefäßverschlüssen, so genannten Thrombosen, kommen. Deshalb ist eine strenge Regulierung der Fibrinbildung wichtig. Doch wie die Gerinnung begrenzt wird, war bislang nicht vollständig verstanden. In einem von der Würzburger Universitätsmedizin koordinierten, internationalen Projekt haben Forschende jetzt einen zentralen Regulationsmechanismus der Fibrinbildung entschlüsselt und daraus neue Therapieansätze abgeleitet. Die Ergebnisse wurden im renommierten Magazin Nature Cardiovascular Research veröffentlicht.

GPV kontrolliert die Aktivität von Thrombin und Bildung von Fibrin 

In der Studie gelangt die Arbeitsgruppe rund um Studienleiter Prof. Dr. Bernhard Nieswandt zu grundlegend neuen Erkenntnissen: „Wir konnten erstmals eine neue Schaltstelle aufdecken, die sowohl die Blutstillung als auch die Bildung von Thrombosen reguliert. Diese Schaltstelle ist das Glykoprotein V, kurz GPV, das sich auf der Oberfläche von Blutplättchen befindet. GPV kontrolliert die Aktivität des Enzyms Thrombin, das für die Bildung von Fibrin verantwortlich ist“, erläutert Bernhard Nieswandt, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Biomedizin I und Vorstand des Rudolf-Virchow-Zentrum - Center for Integrative and Translational Bioimaging (RVZ) der Universität Würzburg.

Thrombin ist ein entscheidendes Enzym in der Blutgerinnung und seine Aktivität muss daher zeitlich-räumlich sehr genau kontrolliert sein. Bisher war bekannt, dass der Oberflächenrezeptor GPV während der Aktivierung der Blutplättchen durch Thrombin geschnitten wird. Dadurch wird GPV als lösliche Rezeptorform freigesetzt. Die physiologische Funktion dieses Rezeptors war jedoch weitestgehend unbekannt. Mit genetischen und pharmakologischen Ansätzen haben die Forschenden gezeigt, dass eine Thrombin-vermittelte Abspaltung von GPV die Bildung von Fibrin begrenzt. Indem das lösliche GPV an Thrombin gebunden bleibt, verändert es die Aktivität von Thrombin, sodass dieses weniger Fibrin bilden kann.

„Erkenntnisse werden Lehrbuchwissen verändern“

In einer Reihe von Versuchen an experimentellen Thrombosemodellen konnte gezeigt werden, dass lösliches GPV unter anderem die Bildung von gefäßverschließenden Thromben verhindert und einen deutlichen Schutz vor experimentellem Schlaganfall und damit verbundener Hirnschädigung vermittelt. Bernhard Nieswandt ist davon überzeugt, dass diese neuen Erkenntnisse das Lehrbuchwissen erweitern werden, und dankt den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des RVZ und des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), die von Kolleginnen und Kollegen aus Mainz, Maastricht und den USA unterstützt wurden.

Antikörper gegen GPV bieten großes klinisches Potential bei Behandlung einer gestörten Hämostase

In einem weiteren Ansatz hat die Forschungsgruppe Antikörper gegen GPV generiert, die das Thrombin-vermittelte Abschneiden von GPV verhindern. „In unseren Studien konnten wir zeigen, dass diese Antikörper die Thrombin-Aktivität erhöhen und es dadurch zu einer vermehrten Fibrinbildung kommt. Unsere Idee war es deshalb, diese Antikörper im Zusammenhang mit einer gestörten Hämostase zu nutzen, um die Fibrinbildung zu erhöhen“, führt Prof. Dr. David Stegner, Leiter der Arbeitsgruppe Vaskuläre Bildgebung am RVZ und einer der Letztautoren der Studie, weiter aus. Neben genetischen Ursachen kann eine gestörte Hämostase auch auf pharmakologisch-bedingte Beeinträchtigungen der Thrombozytenanzahl oder -funktion zurückgeführt werden. Dies ist zum Beispiel nach Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern wie etwa Clopidogrel der Fall, die zur Vorbeugung eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls und zur Behandlung von Durchblutungsstörungen eingesetzt werden.

„In einem experimentellen Modell zur Blutstillung konnte unser neuer Antikörper tatsächlich die Hämostase unter Bedingungen wiederherstellen, unter denen ansonsten keine Blutstillung möglich ist. Dies weist auf eine Unterstützung der Hämostase durch Verbesserung der Thrombin-abhängigen Fibrinbildung hin.“ ergänzt Dr. Sarah Beck, Wissenschaftlerin am Würzburger Institut für Experimentelle Biomedizin und Erstautorin der Studie. „Eine Anti-GPV-Behandlung könnte großes klinisches Potential haben und ist ein Ansatzpunkt, den wir in Zukunft näher verfolgen werden.“ 

Publikation

Sarah Beck, Patricia Öftering, Renhao Li, Katherina Hemmen, Magdolna Nagy, Yingchun Wang, Alessandro Zarpellon, Michael K. Schuhmann, Guido Stoll, Zaverio M. Ruggeri, Katrin G. Heinze, Johan W.M. Heemskerk, Wolfram Ruf, David Stegner, Bernhard Nieswandt: Platelet glycoprotein V spatio-temporally controls fibrin formation. Nature Cardiovascular Research (April 2023) DOI: 10.1038/s44161-023-00254-6; URL: https://www.nature.com/articles/s44161-023-00254-6

Kontakt

Prof. Dr. Bernhard Nieswandt (Rudolf-Virchow-Zentrum, Universität Würzburg)Tel.: + 49 931 31-80405, bernhard.nieswandt@virchow.uni-wuerzburg.de

Das Bild zeigt, dass lösliches GPV die Bildung eines Thrombus im Blutgefäß verhindern kann.
Behandlung einer Maus mit löslichem GPV verhindert die Bildung eines gefäßverschließenden Thrombus in einem experimentellen Modell zur Thrombosebildung (rechts). Im Vergleich dazu ist ein gefäßverschließender Thrombus einer unbehandelten Maus gezeigt (links). © Sarah Beck
Die Grafik zeigt, wie geschnittenes GPV an Thrombin bindet und die Fibrinbildung reduziert.
Zusammenfassende Skizze: GPV wird durch Thrombin geschnitten, bleibt an dieses gebunden und lokalisiert zusammen mit Thrombin an Fibrin. Fibrinbildung wird dadurch reduziert. So kontrolliert GPV räumlich-zeitlich die Thrombusbildung. © RVZ