Aktuelle Pressemitteilungen

ME/CFS: Neue Schulungsreihe für betroffene Kinder und Jugendliche im Rahmen einer Studie

Angebot des Sozialpädiatrischen Zentrums am UKW startet erstmals im April / „Bedarf wird zunehmen“

 

Prof. Dr. Juliane Spiegler leitet das Sozialpädiatrische Zentrum am Universitätsklinikum Würzburg (UKW).
Prof. Dr. Juliane Spiegler leitet das Sozialpädiatrische Zentrum am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Foto: UKW / Daniel Peter

Würzburg/München. Es ist eine der schwersten Folgen von Long-Covid: Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom, abgekürzt: ME/CFS. Am Sozialpädiatrischen Zentrum des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) startet nun im Rahmen einer Studie ein gezieltes Schulungsangebot für betroffene Kinder, Jugendliche und deren Eltern. Die Schulungen erfolgen innerhalb des Forschungsprojekts „Bayerisches Netzwerk zur Erforschung von ME/CFS (BAYNET FOR MECFS)“ und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK) gefördert. Sie ist ein gemeinsames Projekt der Uniklinik-Standorte München und Würzburg. Die Projektkoordination erfolgt am MRI Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen (MCFC) des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.

„Die Betroffenen sind schwer chronisch krank und leiden unter der geringen Belastbarkeit mit Fatigue enorm. Selbst einfachste Tätigkeiten wie Zähne putzen oder das Kämmen der Haare können eine Verschlechterung der Symptome auslösen. Die Anforderungen im Schulalltag oder im sozialen Umfeld sind in der Regel nicht mehr zu bewältigen – bis hin zur Bettlägerigkeit“ beschreibt Prof. Dr. Juliane Spiegler, Leiterin des Sozialpädiatrischem Zentrums (SPZ) am UKW das Krankheitsbild, das bislang wenig erforscht ist. ME/CFS entsteht in den meisten Fällen in Folge einer akuten Infektionserkrankung, beispielsweise Grippe, Pfeiffersches Drüsenfieber nach Epstein-Barr-Virus oder einer Coronaviruserkrankung. „Daher sind wir froh, gemeinsam mit dem MCFC in München dieses Schulungsmodel jetzt erproben zu können“, so die Würzburger Neuropädiaterin.

Schulungen finden online statt

Ein Ziel der Schulungen, die online stattfinden, ist die Anleitung zum sogenannten „Pacing“, also das Einteilen und Managen der eigenen Kraft-Reserven, die durch die Erkrankung stark reduziert sind. „Gerade das ist aber nicht einfach für Kinder und Jugendliche, die zuvor oft sehr aktiv waren, sei es im Sport oder in der Musik, und auf einmal einfach keine Kraft mehr dafür und für ihren Alltag haben“, beschreibt Prof. Spiegler den Leidensdruck. Auch aus diesem Grund wurde bereits in einem Pilotprojekt vor Schulungsbeginn getestet, wie lange die Dauer der Schulungen überhaupt sein können. Das Ergebnis: Die ursprünglich geplanten 45 Minuten waren für Betroffene zu lang, daher ist für diese nun eine Schulungseinheit von rund 25 Minuten geplant. Die Teilnehmerzahl ist für jede einzelne Schulungsreihe auf sechs bis acht Personen limitiert. Spiegler: „Auch das ist ein wichtiger Faktor: Die Jugendlichen lernen andere Jugendliche und Eltern andere Eltern kennen, denen es genauso geht. Der Austausch kann enorm unterstützend sein.“ Ebenso wichtig sei das Gefühl, ernst genommen zu werden.

Inhalte für Betroffene, Eltern, Geschwister und Lehrkräfte

Innerhalb der Schulungsreihe gibt es spezielle Angebote für Betroffene, Eltern, Geschwister und Lehrkräfte. „Für Eltern und Geschwister ist es natürlich eine starke Belastung und große Sorge. Für die Geschwister kommt dazu, dass ihre eigenen Bedürfnisse eventuell angesichts der schweren Erkrankung in der Familie zu kurz kommen. Bei den Lehrkräften geht es darum, Wissen und Akzeptanz zu vermitteln, da die Erkrankung bislang wenig in der Gesellschaft bekannt ist“, erläutert Prof. Spiegler. Sie weiß auch: „Die Erkrankung geht oft mit einer Vielzahl von Arztbesuchen verschiedener Fachdisziplinen einher – nicht selten verbunden mit der Suche nach dem ´heilenden Medikament´. Nur: Dieses eine Medikament gibt es bislang nicht. Aktuell steht eine sorgfältige symptomorientierte Versorgung im Vordergrund. Dadurch wird die Versorgung aufwändiger. Die Akzeptanz dafür fällt oft auf allen Seiten schwer.“

Zugang für Betroffene und Eltern nur nach Diagnose am MCFC

Voraussetzung für eine Schulung der Betroffenen und ihrer Eltern ist die Teilnahme an dem vom Freistaat Bayern geförderten Forschungsprojekt BAYNET FOR MECFS. Dieses Projekt bindet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zu einem Alter von 20 Jahren ein, die in Bayern leben. Die Studienteilnahme beginnt mit einem Studieneinschluss am MCFC in München, wenn der dringende Verdacht auf ME/CFS besteht. Am MCFC erfolgt dann zunächst eine sehr genaue interdisziplinäre Diagnostik. Wenn die Verdachtsdiagnose ME/CFS bestätigt wird, wird die Mitversorgung am SPZ in Würzburg inklusive Schulungsprogramm angeboten. Hierfür stehen insgesamt 50 Plätze bereit. 

Zugang für Geschwister und Lehrkräfte 

Für Geschwister und Lehrkräfte gibt es unterschiedliche Schulungsangebote mit und ohne Studienprogramm, die in Würzburg erfragt werden können. Anmeldungen sind für alle Geschwister und Lehrkräfte offen. 

Ziele der Schulungen

Im Rahmen der Forschungsprojekte geht es darum, die Machbarkeit und Akzeptanz der entwickelten Schulungsmodule zu überprüfen, und das Schulungsprogramm für die jungen Betroffenen, deren Familien und Lehrkräfte weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Routineschulungen für Geschwister und Lehrkräfte wird Basiswissen zur Erkrankung vermittelt. 

Prof. Spiegler betont: „Unser langfristiges Ziel ist es, die Schulungsreihe dauerhaft anzubieten. Dazu bedarf es in einem nächsten Schritt einer weiteren Finanzierung, damit das Programm nachhaltig etabliert werden kann. Denn der Bedarf wird sicher zunehmen.“ Die erste Schulungsreihe beginnt am 13. April.

Weitere Informationen zum Schulungsangebot ME/CFS:

https://www.ukw.de/spz/mecfs  

Prof. Dr. Juliane Spiegler leitet das Sozialpädiatrische Zentrum am Universitätsklinikum Würzburg (UKW).
Prof. Dr. Juliane Spiegler leitet das Sozialpädiatrische Zentrum am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Foto: UKW / Daniel Peter

Allgemeine Maskenpflicht für Besucher und Patienten des UKW entfällt ab 8. April

Würzburg. Mit dem Auslaufen der Corona-Regelungen des Bundes nach dem Infektionsschutzgesetz entfallen auch am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ab dem 8. April 2023 die allgemeinen Maskenpflichten für Besucher und Patienten. Natürlich können auf eigenen Wunsch weiterhin Mund-Nasen-Schutz oder FFP2-Maske getragen werden.

Unabhängig von der SARS-CoV-2-Pandemie bestehende Regelungen zur Infektionsprävention in einzelnen Klinikbereichen bestehen weiter fort. 

Zudem kann weiterhin am UKW bereichs- und klinikbezogen für Besucher die Pflicht zum Tragen, z. B. von Mund-Nasen-Schutz für einzelne Bereiche mit besonders gefährdeten Patienten festgelegt werden. 

Dies ist aktuell in der UKW-Kinderklinik der Fall: Dort besteht zunächst bis einschließlich 1. Mai 2023 grundsätzlich weiter die Pflicht zum Tragen  einer FFP2-Maske ab einem Alter von 14 Jahren für Patienten, Besucher und Begleitpersonen angesichts der Anzahl von Patienten, die wegen bzw. mit einer Infektion behandelt werden.

Neue Ausgabe: Gesundheitsmagazin UNI.KLINIK mit Parkinson als Titelthema ist online

Die kürzlich erschienene Ausgabe 1/2023 von UNI.KLINIK, dem Gesundheitsmagazin des Universitätsklinikums Würzburg, berichtet in seinem Titelthema über Behandlungsmöglichkeiten bei Morbus Parkinson.

Würzburg. Die Showlegende Frank Elstner und der Ökowinzer Ewald Ruppert aus Prichsenstadt sind beide von der fortschreitenden neurodegenerative Erkrankung Morbus Parkinson betroffen. Beide werden am Uniklinikum Würzburg (UKW) behandelt: Elstner mit Medikamenten, Ruppert mit einem topmodernen Hirnschrittmacher. Wie die jeweiligen Therapiewege funktionieren und wie es den beiden Patienten damit geht, berichtet die aktuelle Ausgabe von UNI.KLINIK in seiner Titelgeschichte. Das kostenlose Gesundheitsmagazin wird vom UKW zwei Mal jährlich herausgegeben.

Darüber hinaus bringt die 24-seitige Publikation Forschungshintergründe zum Chronischen Fatique-Syndrom und zu Maligner Hyperthermie. Sie erläutert, wie sich eine Trichterbrust per Bügel-Operation korrigieren lässt und wandert durch die 75-jährige Geschichte der Transfusionsmedizin am Würzburger Großkrankenhaus. 

Diese und viele weitere informative Artikel finden sich in der Online-Version unter www.ukw.de/presse/magazine. 

Chronische Rückenschmerzen: Uniklinik Würzburg sucht Teilnehmende für Studie mit VR-Brille

Das Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin des Uniklinikums Würzburg sucht für eine Studie Personen, die schon seit einiger Zeit an chronischen Rückenschmerzen leiden. Erprobt wird ein neues physiotherapeutisches Programm, das Technologien der Virtuellen Realität (VR) nutzt.

Bei der neuen Studie werden VR-Technologie und physiotherapeutische Übungen zur Behandlung von Rückenschmerzen kombiniert.
Bei der neuen Studie werden VR-Technologie und physiotherapeutische Übungen zur Behandlung von Rückenschmerzen kombiniert. Bild: Videoreality / Julian Hölgert
Ziel der Studie ist es, mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Virtuellen Realität neuronale Netzwerke im Gehirn so zu modifizieren, dass chronische Schmerzen möglichst dauerhaft gelindert werden.
Ziel der Studie ist es, mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Virtuellen Realität neuronale Netzwerke im Gehirn so zu modifizieren, dass chronische Schmerzen möglichst dauerhaft gelindert werden. Bild: UKW / Isabel Neumann

Würzburg. Bei einer Studie des Zentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS) des Uniklinikums Würzburg tauchen Patientinnen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen mit einer speziellen Brille in eine virtuelle Welt ein und führen unter diesem Eindruck physiotherapeutische Übungen durch. So sollen neue Wege eröffnet werden, sich auch im Alltag schmerzarm bewegen zu können.

Gesucht werden dafür Personen im Alter von 18 bis 65 Jahre, die an chronischen Rückenschmerzen leiden – das heißt seit mindestens drei Monaten bis maximal fünf Jahren. Zu den Voraussetzungen zählen gute Deutschkenntnisse. Wichtig ist auch, dass die Studienteilnehmende gut sehen können, am besten ohne Sehhilfe, ansonsten mit Kontaktlinsen oder einer nur kleinformatigen Brille. Ausschlusskriterien sind ferner Schwangerschaft sowie seelische oder neurologische Erkrankungen.

Die Studie läuft über neun Wochen. Ab der dritten Woche finden wöchentlich zwei Therapiesitzungen in der virtuellen Realität statt. Von der sechsten bis zur neunten Woche wird nur noch beobachtet. Bei Studienabschluss erhalten die Teilnehmenden eine Aufwandsentschädigung von 10 Euro pro Therapiesitzung, insgesamt also 60 Euro. Alle Termine finden in Würzburg statt. 

Interessierte melden sich bitte unter E-Mail reliefvr@ uni-wuerzburg.de. 

Die Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Projekt „Gesellschaft der Ideen“ gefördert. 

Bei der neuen Studie werden VR-Technologie und physiotherapeutische Übungen zur Behandlung von Rückenschmerzen kombiniert.
Bei der neuen Studie werden VR-Technologie und physiotherapeutische Übungen zur Behandlung von Rückenschmerzen kombiniert. Bild: Videoreality / Julian Hölgert
Ziel der Studie ist es, mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Virtuellen Realität neuronale Netzwerke im Gehirn so zu modifizieren, dass chronische Schmerzen möglichst dauerhaft gelindert werden.
Ziel der Studie ist es, mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten der Virtuellen Realität neuronale Netzwerke im Gehirn so zu modifizieren, dass chronische Schmerzen möglichst dauerhaft gelindert werden. Bild: UKW / Isabel Neumann

Großer Infotag zum Thema Prostatakrebs am 22. April

Am Samstag, 22. April 2023, lädt das Prostatakarzinomzentrum des Uniklinikums Würzburg zu seinem 5. Patienteninformationstag ein. Die kostenlosen Vorträge widmen sich zentralen Aspekten der häufigsten Krebserkrankung des Mannes: Von der Prävention über die Diagnostik bis zu neuen Therapieverfahren und den Leistungen der Selbsthilfe.

Würzburg. Das Uniklinikum Würzburg verfügt über ein von der Deutschen Krebshilfe zertifiziertes Prostatakarzinomzentrum. Dieses lädt am Samstag, den 22. April 2023, alle Interessierten zu einem topaktuellen, ganzheitlichen Blick auf die verbreitete Tumorerkrankung ein. Zwischen 10:00 und etwa 14:15 Uhr referieren insgesamt zehn Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen im Hörsaal des Zentrums für Operative Medizin (ZOM) an der Oberdürrbacher Straße. So werden beispielsweise beim Thema Früherkennung die Vor- und Nachteile des PSA-Tests diskutiert, während bei der Diagnostik die verschiedenen bildgebenden Verfahren sowie die Fusionsbiopsie vorgestellt werden. Außerdem präsentieren die Fachleute die ganze Breite des derzeitigen therapeutischen Spektrums: chirurgische Eingriffe, Strahlentherapie und die Gabe von Medikamenten. Als komplementärmedizinische Gesichtspunkte runden Vorträge zu „Prostatakrebs und Sport“ sowie eine Vorstellung der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs Würzburg das Informationsangebot ab. 

Zum Abschluss der Veranstaltung haben die Teilnehmer Gelegenheit, im direkten Gespräch mit den Spezialistinnen und Spezialisten persönliche Fragen zu diskutieren. 

Die Teilnahme am Patienteninfotag ist kostenlos, das detaillierte Programm gibt es unter www.urologie.ukw.de, Rubrik „Veranstaltungen“.

Weniger ist mehr: Antibiotika bei Harnwegsinfekten

Würzburger Institut für Allgemeinmedizin für Forschung um Antibiotikaverbrauch bei Harnwegsinfekten ausgezeichnet

Das Bild zeigt die Preisträger Christian Röver, Yvonne Kaußner und Ildikó Gágyor.
„Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM) verlieh den David-Sackett-Preis 2023 an das Forscherteam der Studie „UTI-IPD - Strategien zur Verringerung des Antibiotikaverbrauchs bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfekten in der Primärversorgung - eine individuelle Patientendaten-Metaanalyse (IPD-MA). Stellvertretend für das Team nahmen Dr. Christian Röver von der Universitätsmedizin Göttingen sowie Dr. Yvonne Kaußner und Prof. Dr. Ildikó Gágyor vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg (v.l.n.r.) den Preis entgegen.

Mehr als jede zweite Frau ist ein- oder mehrmals in ihrem Leben von einer Blasenentzündung betroffen. Da es sich bei der Erkrankung üblicherweise um eine Infektion der Harnwege mit Bakterien handelt, kommen bei der Behandlung häufig Antibiotika zum Einsatz. Doch diese Therapie ist umstritten, da sie viel zu oft und manchmal fehlerhaft eingesetzt wird. So werden Resistenzen von Bakterien gefördert. Ein internationales Team unter Leitung des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg hat herausgefunden, wann Alternativen zu Antibiotika sinnvoll sind und Wege aufgezeigt, die Verordnung von Antibiotika in den hausärztlichen Praxen zu verringern.

Für die Forschungsarbeit zu „Strategien zur Verringerung des Antibiotikaverbrauchs bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfekten in der Primärversorgung“ erhielt das Forscherteam am 22. März 2023 in Potsdam den David-Sackett-Preis. Überreicht wurde er Dr. Yvonne Kaußner vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), gemeinsam mit der wissenschaftlichen Leiterin und Direktorin des Instituts Prof. Dr. Ildikó Gágyor, sowie Dr. Christian Röver von der Universitätsmedizin Göttingen, Mitautor und Vertreter des zweiten wissenschaftlichen Leiters Prof. Dr. Tim Friede vom dortigen Institut für Medizinische Statistik. Im Namen des Teams sagt Prof. Dr. Ildikó Gágyor: „Wir freuen uns außerordentlich über den Preis und damit über die Anerkennung, dass wir mit unserer Arbeit die Evidenz zur Diagnostik und Behandlung des unkomplizierten Harnwegsinfekts verbessern konnten.“

Das Team hatte die Daten von 3500 Patientinnen aus neun bereits durchgeführten Studien für eine sogenannte individuelle Patientendaten-Metaanalyse herangezogen. Damit gelang es den Forschenden aus Würzburg und Göttingen erstmals im Detail zu untersuchen, welche Faktoren eher für oder gegen eine Antibiotika-Gabe sprechen. Wenn bei einer Frau mit Harnwegsinfekt Blutspuren (Erythrozyten) oder Bakterien im Urin nachweisbar sind, scheitert eine Antibiotika-freie Behandlung deutlich häufiger. Sind aber weder Blut noch Bakterien vorhanden, zeigen Antibiotika keinen erkennbaren Vorteil. Mit diesem Wissen ließe sich der Antibiotika-Einsatz um fast zwei Drittel vermindern.

Der David-Sackett-Preis wird seit 2008 jährlich vom Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM) vergeben. Das Netzwerk verfolgt das Ziel einer patientenorientierten medizinischen Behandlung auf der Grundlage von empirisch nachgewiesenen Wirksamkeiten. Um Forschungen in diesem Gebiet zu fördern, vergibt das Netzwerk den mit 2000 Euro dotierten David-Sackett-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen in Forschung, Lehre oder bei der Verbreitung der Anliegen der EbM. Der kanadische Mediziner war einer der Wegbereiter der evidenzbasierten Medizin.

Seit 2018 widmet sich das Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. Ildikó Gágyor und Prof. Dr. Anne Simmenroth der allgemeinmedizinischen Lehre und Forschung, mit dem Schwerpunkt der Versorgungsforschung. Informationen zum Institut für Allgemeinmedizin finden Sie auf der Homepage: www.allgemeinmedizin.uni-wuerzburg.de.

Link zu EbM-Netzwerk

 

Pressemitteilung des Instituts für Allgemeinmedizin. 

Das Bild zeigt die Preisträger Christian Röver, Yvonne Kaußner und Ildikó Gágyor.
„Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM) verlieh den David-Sackett-Preis 2023 an das Forscherteam der Studie „UTI-IPD - Strategien zur Verringerung des Antibiotikaverbrauchs bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfekten in der Primärversorgung - eine individuelle Patientendaten-Metaanalyse (IPD-MA). Stellvertretend für das Team nahmen Dr. Christian Röver von der Universitätsmedizin Göttingen sowie Dr. Yvonne Kaußner und Prof. Dr. Ildikó Gágyor vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg (v.l.n.r.) den Preis entgegen.

Würzburger Neurowissenschaftler erhält Nachwuchspreis für Tremor-Studie

Dr. Dr. Sebastian Schreglmann wurde auf dem Kongress für Klinische Neurowissenschaften im März 2023 für seine Arbeiten zur Oberflächen-Elektrostimulation gegen das Zittern beim Essentiellen Tremor mit dem Nachwuchspreis der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (DGKN) ausgezeichnet. Folgestudie steht in den Startlöchern.

Links im Bild ist Prof. Christian Grefkes-Hermann mit Blumenstrauß, rechts Dr. Sebastian Schreglmann, der die Urkunde in den Händen hält.
Prof. Christian Grefkes-Hermann (links) überreicht den DGKN-Nachwuchsförderpreis für Klinische Neurophysiologie an Dr. Dr. Sebastian Schreglmann. © DGKN/Jan Wassmuth

Wenn das Schreiben per Hand, Aufschließen der Haustür oder das Führen der Teetasse zum Mund zu einer Zitterpartie wird, kann die Ursache ein so genannter Essentieller Tremor sein. Ein Prozent der Bevölkerung ist von dem unkontrollierten Zittern betroffen, das sich meistens auf Arme und Hände, aber auch auf Beine und Kopf auswirken kann. „Der Essentielle Tremor kann schon in jungen Jahren auftreten und die Betroffenen das ganze Leben lang begleiten beziehungsweise ihren Alltag massiv einschränken“, berichtet Dr. Dr. Sebastian Schreglmann, Neurologe und Neurowissenschaftler am Uniklinikum Würzburg. Häufig werde das Syndrom, das keine Verbindung zu Parkinson hat, vererbt. „Wir wissen aber, dass nicht nur ein Gen dafür verantwortlich ist. Wahrscheinlich kommen mehrere Phänomene zusammen, die noch weitestgehend unverstanden sind.“ Nur etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten erreichen langfristig eine gute Symptomkontrolle mittels medikamentöser Therapie. Für schwere Fälle bietet die Tiefe Hirnstimulation mittels eines implantierten Hirnschrittmachers Abhilfe, viele Patienten scheuen aber die notwendige OP. Sebastian Schreglmann hat mit Kooperationspartnern eine Methode entwickelt, bei der auf das Zittern der Hände abgestimmte Elektroimpulse über Klebeelektroden auf der Kopfhaut das Zittern erfolgreich reduzieren können. Für die im Fachmagazin Nature Communications publizierte Studie wurde er jetzt auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e. V. in Hamburg ausgezeichnet. Den mit insgesamt 4.500 Euro dotierten Nachwuchsförderpreis Klinische Neurophysiologie teilt sich der Wissenschaftler mit zwei weiteren Preisträgern.

Ziel: Therapieansätze bei Essentiellen Tremor und anderen Erkrankungen mit abnormen Oszillationen

Die Jury begründet die Auszeichnung mit dem innovativen Ansatz und einem hohen Nutzen für die Therapie. DGKN-Präsident Prof. Dr Christian Grefkes-Hermann: „Die Einbindung von Echtzeit-Analysen krankhafter Netzwerkmuster in Stimulationsprotokolle ist hoch innovativ und ein vielversprechender Schritt in Richtung einer personalisierten Therapie von Bewegungsstörungen.“

„Die Daten unserer Pilotstudie, in der wir zunächst einmal die prinzipielle Machbarkeit einer nicht-invasiven Stimulation mit Oberflächenelektroden bei Patienten mit Essentiellem Tremor bewiesen haben, sind so gut, dass wir in Folgestudien mittel- und langfristig Effekte der Stimulation untersuchen werden. Ziel ist es, hieraus eine weniger invasive und besser verträgliche klinische Therapie für Menschen mit Tremor zu entwickeln,“ kommentiert Sebastian Schreglmann. Noch in diesem Frühjahr soll in Würzburg nach umfangreichen Vorarbeiten eine entsprechende klinische Folgestudie starten. Parallel hierzu arbeitet Sebastian Schreglmann mit seinem Team an der optimalen Auswahl von Zielpunkt und Stimulationsform und führt zur präklinischen Erprobung in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen an der Berliner Charité komplexe Computersimulationen durch, die es auch erlauben Effekte auf andere Hirnareale abzuschätzen. „Denn die Anwendung des Prinzips der phasen-spezifischen Neurostimulation erscheint prinzipiell auch bei anderen Erkrankungen, die auf fehlgeleitete rhythmische Aktivität im Gehirn basieren, vorstellbar“, so Schreglmann.

Optimale Stimulations-Phase ist für jeden Patienten individuell unterschiedlich

Entscheidend für den Effekt, also für die Reduktion des Zitterns, sei die Phase der Stimulation. „Die Stimulation der Hirnaktivität ist nur wirksam, wenn sie an die Schwingungsphase des Zitterns in Echtzeit angepasst wird“, erklärt der forschende Oberarzt. Daher gilt die DGKN-Auszeichnung auch dem gesamten Studienteam, ohne dem diese Studie nicht möglich gewesen wäre. So hat zum Beispiel Dr. Nir Grossmann aus London für die exakte, angepasste Ansteuerung des Stimulators einen neuartigen mathematischen Algorithmus entwickelt. Die Herausforderung dabei war die Überwindung des Gibbs’schen Phänomens, das die Berechnung der exakten Phase einer Schwingung in Echtzeit bis dato unmöglich gemacht hatte. Die komplexe statistische Signal-Auswertung hat der Mathematiker Dr. Robert Peach mittels maschinellen Lernens ermöglicht. Durch diese Analysen kann vorhergesagt werden, welche Form von Zittern die Stimulation beeinflussen kann, also welcher Patient darauf anspricht, und der zugrundeliegende Mechanismus einer erfolgreichen Stimulation kann ergründet werden.

Bei der Mehrzahl ging das Zittern zurück oder hörte ganz auf

Zum Studienablauf: Um die Bewegungen der zitternden Hand zu messen wurde den Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern zunächst ein Sensor um den Mittelfinger gelegt. In Abhängigkeit von diesen Messungen wurde das Gehirn über Klebeelektroden, die an der Stirn und über dem Kleinhirn platziert wurden, mit minimalem Wechselstrom 30 Sekunden lang stimuliert. Bei der Mehrzahl der Patientinnen und Patienten ging das Zittern während der randomisiert wiederholten Stimulation zurück oder hörte sogar gänzlich auf. Die Experimente wurden nach dreieinhalb Jahren wiederholt, und auch hier konnten die gleichen Resultate beobachte werden. Ein Video zeigt eindrucksvoll das Nachlassen des Zitterns während der Stimulation (Link zum Video).

„Wir haben damit zwar nicht die Ursache der abnormen Schwingungen gelöst, aber wir haben sie wieder in den Tritt gebracht“, resümiert Schreglmann und wagt einen Blick in die Zukunft: „Der schlussendlich gefundene Algorithmus ist so elegant, dass für seine Anwendung nur eine vergleichsweise geringe Rechenleistung nötig ist. Für die Vision eines nicht-invasiven Hirnschrittmachers ist dies ein wesentlicher Punkt. Denn dadurch könnte ein kleiner, zum Beispiel am Gürtel zu tragender Controller zur Steuerung ausreichen, um phasen-spezifisch zu stimulieren und so das Signalverhalten involvierter Neuronengruppen zu modulieren und letztlich Symptome zu lindern.“

Links im Bild ist Prof. Christian Grefkes-Hermann mit Blumenstrauß, rechts Dr. Sebastian Schreglmann, der die Urkunde in den Händen hält.
Prof. Christian Grefkes-Hermann (links) überreicht den DGKN-Nachwuchsförderpreis für Klinische Neurophysiologie an Dr. Dr. Sebastian Schreglmann. © DGKN/Jan Wassmuth