Aktuelle Pressemitteilungen

Premiere: Würzburger Organtransplantierte und Angehörige starten beim „Organspendelauf“ in München

Regionalgruppe vor zehn Jahren gegründet / Jubiläumsveranstaltung am 17. Juni

Würzburg. Am 25. April startet in München wieder der „Organspendelauf“. Zentrales Anliegen des Laufs ist es, das Thema Organspende und Organtransplantation in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Erstmals startet dabei auch ein Laufteam der Würzburger Regionalgruppe des Bundesverbandes der Organtransplantierten (BDO). Drei Organtransplantierte und zwei Angehörige werden an den Start gehen.

„Natürlich wollen wir in München als unterfränkische Regionalgruppe präsent sein. Außerdem werden wir unsere Arbeit als Selbsthilfegruppe vorstellen. Der Organspendelauf ist dafür natürlich ein gutes Forum“, sagt Dorothea Eirich, die Leiterin der Gruppe. Der Lauf findet im Jubiläumsjahr der Selbsthilfegruppe statt. Vor zehn Jahren rief die Dorothea Eirich die Gruppe ins Leben, nachdem ihrem Mann ein Herz transplantiert wurde. Die Regionalgruppe besteht aktuell aus etwa 20 Aktiven.

„Es ist schön, dass nun solche Aktionen wieder stattfinden können und dass der Bund der Organtransplantierten bei diesem Lauf auch stark präsent ist. Zudem planen wir bereits für den 17. Juni eine Jubiläumsveranstaltung am Würzburger Uniklinikum“, so Eirich.

Am Organspendelauf kann man übrigens auch virtuell teilnehmen: Von Dienstag, 25. April, bis einschließlich Sonntag, 30. April 2023 gibt es die Möglichkeit, über eine App mitzumachen. Dabei läuft jeder Teilnehmer zu einer selbst gewählten Zeit auf seinem selbst ausgesuchten Streckenverlauf. Weitere Informationen zum Lauf und zur Teilnahmemöglichkeit unter www.organspendelauf.de 

Um das Thema Organspende aus Anlass des Laufes wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, haben sich auch die sechs bayerischen Universitätsklinika zur Initiative: „UNIty Bayern – Bayerische Uniklinika pro Organspende“ zusammengeschlossen. Auch das Universitätsklinikum Würzburg unterstützt die Initiative „UNIty Bayern“. An der Würzburger Uniklinik werden hauptsächlich Nieren und Lebern, aber auch Bauchspeicheldrüsen transplantiert.

Informationen und Kontakt zur Regionalgruppe Würzburg und Umland des Bundesverbandes Organtransplantierten unter:

https://bdo-ev.de/regionalgruppen/rg-wuerzburg-und-umland/ 

 

Ausgezeichneter Vortrag über Resistenzmechanismen bei Immuntherapien

Nach der Einladung zum Nobelpreisträgertagung erhielt Dr. Umair Munawar beim Hämatologie-Kongress in Seoul den Best Oral Presentation Award. In seinem ausgezeichneten Vortrag präsentierte der Molekularbiologe aus Würzburg seine Forschungsergebnisse, die zu einem tieferen Verständnis der komplexen Resistenzmechanismen gegenüber Immuntherapien beim Multiplen Myelom beitragen und letztlich zu wirksameren Behandlungen führen könnten.

Umair Munawar hält bei der Konferenz der KSH seinen Vortrag
Dr. Umair Munawar erhielt auf der Internationalen Konferenz der Koreanischen Gesellschaft für Hämatologie (KSH) in Seoul den Best Oral Presentation Award. Der Molekularbiologe referierte über einen Resistenzmechanismus gegenüber Immuntherapien beim Multiplen Myelom. © Johanna Lehmann / UKW
Grafik zeigt einen Resistenzmechanismus bei Immuntherapien
Die Zellen des Multiplen Myeloms sterben ab, wenn sie durch eine Immuntherapie (CAR-T-Zellen, monoklonale Antikörper mAbs, bispezifische Antikörper BsABs) angegriffen werden; mit Ausnahme der Zellen, deren apoptotische Maschinerie beeinträchtigt ist, was letztlich zu einem Rückfall führen kann. © Umair Munawar (mit Biorender.com)
Porträt von Umair Munawar
Der Molekularbiologe Dr. Umair Munawar arbeitet seit drei Jahren als Post Doc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, dem Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung. © Salih Usta / UKW

Immuntherapien haben die Behandlung verschiedener Krebsarten revolutioniert. Vor allem beim Multiplen Myelom, das nach der Leukämie die zweithäufigste Blutkrebsart ist, zeigen sie eine beispiellose Behandlungseffizienz. Dennoch kommt es bei Patientinnen und Patienten immer wieder zu Rückfällen oder gar zu einer Resistenz gegen die gentechnisch veränderten Abwehrzellen. Warum diese so genannten CAR-T-Zellen einigen Tumorzellen nichts anhaben können, das hat Dr. Umair Munawar mit einem Team der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg untersucht und die Ergebnisse Ende März auf der Internationalen Konferenz der Koreanischen Gesellschaft für Hämatologie (Korean Society of Hematology KSH) in Seoul vorgestellt. Seine Präsentation wurde als der beste mündliche Vortrag ausgezeichnet.

Wenn der programmierte Zelltod, die Apoptose, beeinträchtigt ist

„Der Best Oral Presentation Award ist eine große Ehre für mich“, freut sich Umair Munawar. „Der Preis zeichnet nicht nur meine Art der Präsentation aus, sondern vor allem unsere zukunftsweisende Forschungsarbeit zu Resistenzmechanismen gegenüber Immuntherapien beim Multiplen Myelom.“ Der 31-jährige Molekularbiologe hat mit einem Team aus dem Institut für Translationale Myelomforschung den Beweis geliefert, dass die Auslösung der Apoptose die primäre Wirkungsweise einiger Immuntherapien beim Multiplen Myelom ist. Die Apoptose ist ein programmierter Zelltod. Wenn eine Zelle ihre Funktion verloren hat oder plötzlich für den Organismus schädlich wird, kann sie sich selbst vernichten. Ist dieser Zellselbstmord jedoch beeinträchtigt, können die Tumorzellen selbst dem gezielten Angriff der gentechnisch veränderten Abwehrzellen standhalten.

Zellen ohne Proteine FADD und BID sprachen nicht auf Immuntherapie an

„Um den Resistenzmechanismus zu verstehen, haben wir die Rolle von zwei Proteinen des apoptotischen Weges untersucht, indem wir diese Proteine – FADD und BID – mit Hilfe von genetischen Werkzeugen aus den Krebszellen entfernten und feststellten, dass Zellen ohne diese Proteine nicht auf die Immuntherapie ansprachen. Wir fanden auch heraus, dass Patienten, die nicht auf die Immuntherapie ansprachen, niedrige Werte dieser Proteine aufwiesen, was die Bedeutung dieser Gene für den Erfolg moderner therapeutischer Interventionen hervorhebt“, erklärt Umair Munawar. Generell zeige diese Studie, die im Fachjournal Blood* publiziert wurde, wie bedeutsam personalisierte medizinische Ansätze sind, die die genetische Beschaffenheit der Krebszellen der einzelnen Betroffenen berücksichtigen, um schlussendlich die wirksamsten Behandlungsoptionen zu ermitteln.

Entwicklung wirksamerer und individuell angepasster Behandlungen

Prof. Dr. Martin Kortüm, Leiter des Instituts für Translationale Myelomforschung, ergänzt: „Letztlich können unsere Forschungsergebnisse zur Entwicklung wirksamerer und individuell angepasster Behandlungen für Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom und möglicherweise anderen Krebsarten beitragen, was die Überlebensraten und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern könnte.“

Daher sollen in nachfolgenden Studien die Signalproteine FADD und BID und ihre Beeinflussung der Immuntherapieresistenz weiter untersucht werden. Auch die mögliche Verwendung der Expressionsniveaus von FADD und BID als prädiktive Biomarker für das Ansprechen auf eine Immuntherapie beim Multiplen Myelom soll geprüft werden.

Zur Person:

 

Dr. Umair Munawar wechselte im Jahr 2017 von der Lahore University of Management Sciences (LUMS) in Pakistan an die Universität Würzburg und promovierte an der Graduate School of Life Sciences. Seit drei Jahren arbeitet er als Post Doc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, dem Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung. Kurz vor der Verleihung des „Best Oral Presentation Award“ erhielt der Nachwuchswissenschaftler eine weitere Auszeichnung, und zwar die einmalige Gelegenheit, an der diesjährigen Lindauer Nobelpreisträgertagung teilzunehmen. 

*Studie: Umair Munawar, Xiang Zhou, Sabrina Prommersberger, Max Johannes Steinhardt, Julia Mersi, Max Bittrich, Silvia Nerreter, Cornelia Vogt, Eva Teufel, Seungbin Han, Larissa Haertle, Patrick Eiring, Nicole Banholzer, Sophia Danhof, Adrián Fernández-Martín, Marietta Truger, Santiago Barrio, Miguel Gallardo, Antonio Valeri, Eva Castellano, Peter Raab, Claudia Haferlach, Markus Sauer, Michael Hudecek, Joaquin Martinez-Lopez, Hermann Einsele, Leo Rasche, Martin Kortuem; Impaired Death Receptor Signaling Mediates Cross-Resistance to Immunotherapy in MM. Blood 2022; 140 (Supplement 1): 4226–4227. doi: doi.org/10.1182/blood-2022-168702

Umair Munawar hält bei der Konferenz der KSH seinen Vortrag
Dr. Umair Munawar erhielt auf der Internationalen Konferenz der Koreanischen Gesellschaft für Hämatologie (KSH) in Seoul den Best Oral Presentation Award. Der Molekularbiologe referierte über einen Resistenzmechanismus gegenüber Immuntherapien beim Multiplen Myelom. © Johanna Lehmann / UKW
Grafik zeigt einen Resistenzmechanismus bei Immuntherapien
Die Zellen des Multiplen Myeloms sterben ab, wenn sie durch eine Immuntherapie (CAR-T-Zellen, monoklonale Antikörper mAbs, bispezifische Antikörper BsABs) angegriffen werden; mit Ausnahme der Zellen, deren apoptotische Maschinerie beeinträchtigt ist, was letztlich zu einem Rückfall führen kann. © Umair Munawar (mit Biorender.com)
Porträt von Umair Munawar
Der Molekularbiologe Dr. Umair Munawar arbeitet seit drei Jahren als Post Doc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, dem Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung. © Salih Usta / UKW

Neubau für die Klinikapotheke des UKW: Erstes Modul per Schwerlasttransport angeliefert

„Arzneimittelsicherheit wird weiter ausgebaut“ / Weitere Transporte in den kommenden Nächten

Würzburg. Das erste Baumodul für den neuen Ergänzungsbau der Klinikapotheke des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurde in der Nacht zu Montag (17. April) per Schwerlasttransport angeliefert und auf dem Luitpold-Campus des UKW gegenüber der Kinderklinik aufgestellt. Insgesamt sind für den Neubau 44 Baumodule nötig. Das Besondere: Die grundlegende Ausstattung für die hochspezialisierten Arbeitsbereiche sind bereits vormontiert.

„Durch diese Vormontage können wir eine Menge Zeit sparen bei diesem Neubau. Da die Schwerlasttransporte erst nach 22 Uhr auf die Straße dürfen, werden die übrigen Module jetzt in den kommenden Nächten angeliefert und direkt per Spezialkran millimetergenau an den passenden Bereich auf die Baustelle gesetzt“, erklärt Bertram Bräutigam, Abteilungsleiter im zuständigen Geschäftsbereich Technik und Bau des UKW. Das UKW errichtet den Neubau in Eigenregie. Gemeinsam investieren der Freistaat Bayern und das UKW rund 20 Millionen in Euro für den Neubau und die nötige Ausstattung der Klinikapotheke. Die letzten Transporte sind aktuell für Ende April geplant.

In dem Gebäude werden zukünftig vor allem patientenindividuelle Ernährungslösungen und Zytostatika, also Arzneimittel die etwa bei einer Chemotherapie eingesetzt werden, hergestellt. Hierzu sind spezielle Reinraumlabore nötig. Daher wird es auch vor dem Start der Produktion zunächst einen Probebetrieb und entsprechende Qualitätsprüfungen geben. Der Probebetrieb ist aktuell ab November geplant.

„Mit diesem Neubau werden wir unsere Herstellungskapazitäten ausbauen und eine größere Bandbreite anbieten können. Neben Zytostatika und Ernährungslösungen wird dann auch die aseptische, d.h. keimarme Zubereitung von anderen Arzneimitteln möglich sein, sogar spezielle neuartige Therapien, die einen extra Herstellungsraum benötigen. Gerade diese Vielfalt und die Flexibilität bei der Zubereitung macht eine universitäre Klinikapotheke aus“, blickt Dr. Mareike Kunkel, Leiterin der UKW-Klinikapotheke auf die kommenden Monate. „Die derzeitigen Arbeitsbereiche sind räumlich sehr begrenzt“, so Kunkel. Mit dem Neubau wird auch die „Unit Dose“- Versorgung am UKW eingeführt. „Dadurch können wir unter anderem die Arzneimitteltherapiesicherheit am UKW weiter verbessern, denn die Medikamente werden individuell für jeden Patienten in einem automatisierten Prozess einzeln verpackt. Im Anschluss wird dann die Zusammenstellung nochmals  überprüft. Davon profitieren die Patienten und die Kollegen auf den Stationen, da dort keine Zusammenstellung mehr erforderlich ist“, so Kunkel.

Der Neubau umfasst zwei Geschosse, eine Techniketage und hat eine Bruttogrundfläche von etwa 1.900 Quadratmetern.

Chirurgische Spezialisierung nach europäischem Vorbild: Alles um Magen und Speiseröhre aus einer Hand

Florian Seyfried erhält an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Professur für die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakts und bariatrische Chirurgie

Das Porträt zeigt den Chirurgen Florian Seyfried.
Prof. Dr. Florian Seyfried hat die neue Professur für die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakts und bariatrische Chirurgie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erhalten. Das Konzept für die neue Professur hat er selbst nach Vorgaben des Europäischen Fachärzteverbandes der EU (UEMS) entwickelt. © Hans Pastyrik / UKW
Das Bild zeigt Florian Seyfried und Team bei einer Operation.
Florian Seyfried erforscht, lehrt, behandelt und operiert starkes Übergewicht sowie Funktionsstörungen der Speiseröhre und des Magens und bösartige Tumoren im oberen Verdauungstrakt. © Daniel Peter / UKW

Er ist ein akademischer Chirurg mit translationaler Ausrichtung. Sein Schwerpunkt sei unheimlich schön, weil inhaltlich hochspannend und innovativ, interdisziplinär, operationstaktisch extrem herausfordernd und sehr nah am Patienten, sagt er. Der Universitäts-Professor Dr. Florian Seyfried leitet die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakts und bariatrische Chirurgie am Universitätsklinikum Würzburg und hat vor kurzem die neu eingerichtete gleichnamige Professur an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erhalten. Das heißt: Florian Seyfried erforscht, lehrt, behandelt und operiert starkes Übergewicht sowie Funktionsstörungen der Speiseröhre und des Magens und bösartige Tumoren im oberen Verdauungstrakt. Gaster heißt auf griechisch Magen, intestinum auf lateinisch Darm. Der Gastrointestinaltrakt umfasst also die vom Mund bis zum Darmausgang reichende Röhre. Seyfried konzentriert sich auf den oberen Bereich: Speiseröhre, Magen und Dünndarm.

Speiseröhre und Magen gehören in vielerlei Hinsicht zusammen

Der gebürtigen Wormser war schon früh im Studium in Würzburg fasziniert von der Atmosphäre im Operationsaal, der chirurgischen Herangehensweise an Probleme, den Herausforderungen, Krankheitsbilder zu verstehen und Verantwortung zu übernehmen. Vor allem Menschen mit starkem Übergewicht oder Schluckbeschwerden hätten einen hohen Leidensdruck, da sei es sehr bewegend, wenn man ihnen helfen könne. Die metabolische bariatrische Chirurgie wurde früh sein Forschungsschwerpunkt – metabolisch, weil die gewichtsreduzierende Operation (bariatrisch = medizinisch Behandlung des Übergewichts) zu einer maßgeblichen Verbesserung des Stoffwechsels (Metabolismus) führen kann. Seyfried habilitierte auf diesem Gebiet, führte preisgekrönte grundlagenwissenschaftliche und translationale Untersuchungen durch und erstellte ein Konzept für eine Professur, in der er die bariatrische Chirurgie mit der kompletten Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakt kombiniert. Damit entspricht dieses Tätigkeitsprofil der durch den Fachärzteverband der Europäischen Union UEMS (European Union of Medical Specialists) geforderten Subspezialisierung dieses Fachgebietes. „Die beiden Gebiete sind sowohl thematisch als auch operationstaktisch extrem verwandet und wir haben hier viele Überschneidungen“, erklärt der zweifache Vater.

„Die rekonstruktiven Schritte in der Krebschirurgie ähneln denen in der bariatrischen Chirurgie.“ Wobei es hier herausfordernde Forschungsansätze gebe: „Während auf der einen Seite ein Gewichtsverlust das Ziel ist, möchte ich das auf der anderen Seite, bei den Krebskranken, verhindern.“ Und eben das sei das Hochspannende an seiner Arbeit: „Ich kann ein anatomisches Gebiet sowohl funktionell als auch onkologisch und metabolisch betrachten. Ich muss alles von unterschiedlichen Seiten angehen, um Probleme zu erkennen und zu lösen und für jede Situation gerüstet sein.“ Die zu beherrschenden operativen Plattformen schließen zudem alle gängigen und hochmodernen Technologien ein. Seyfried und sein Team operieren konventionell chirurgisch offen sowie minimal-invasiv, also endoskopisch mit Sonde und laperoskopisch mit Schlüssellochtechnologie, auch unter Anwendung von komplexen OP-Systemen wie den Operationsroboter.

Multimodale Therapieansätze bei Adipositas analog zur Krebsbehandlung

In der Adipositas-Therapie gibt es inzwischen infolge der zahlreichen neuen Erkenntnisse zur Wirkweise von bariatrischen Operationen auch Analogien zur multimodalen Krebstherapie. So könnten stark Übergewichtige von Medikamenten profitieren, die sich verstärkt auf den Metabolismus auswirken und diesen dazu bringen, relevant Gewicht zu verlieren. Diese imitieren nunmehr die komplexen Wirkungsweisen der Adipositas-Operation. So ändern sich über eine chirurgische Veränderung der Anatomie komplexe Regelkreise, deren Wirkung sehr wesentlich über Strukturen im Gehirn vermittelt wird. Dies hat Seyfried gerade erst gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Würzburger Endokrinologie, der Psychiatrie und der Molekularen Infektionsbiologie publiziert. Ist der Hypothalamus, ein zentraler Teil des Gehirns, der als wichtige Schaltzentrale unseres Körpers vegetative und endokrine Vorgänge reguliert und unter anderem die Nahrungsaufnahme steuert, krankheitsbedingt zerstört, ist der Effekt der Operation deutlich abgeschwächt. Denn sattmachende Hormone, die nach dem chirurgischen Eingriff verstärkt aus dem Magen-Darm-Trakt ausgeschüttet werden, können ihre nahrungsregulierende Wirkung über den geschädigten Hypothalamus nicht entfalten.

Seyfried hofft sehr, dass er mit solchen Erkenntnissen dazu beitragen kann, sowohl seine Patientinnen und Patienten als auch die Adipositas-Chirurgie vom Stigma zu befreien. Diätetische Maßnahmen funktionieren bei den meisten Patienten nicht. Der Körper habe beim Gewichtsverlust klare Verteidigungsstrategien, um den Hungertod abzuwenden. Dabei könne er nicht unterscheiden, ob ich 5 Kilogramm zu viel habe und diese eine sinnvolle Reserve sind, oder ob ich 50 Kilogramm zu viel habe und dieses Übergewicht mich todkrank macht. Adipositas ist eine Krankheit, die interdisziplinär mit individuell abgestimmten multimodalen Therapieansätzen behandelt werden kann.

Ausbau des klinischen Sektors in der metabolisch bariatrischen Chirurgie

Florian Seyfried hat sich für seine Professur viel vorgenommen. Die metabolisch bariatrische Chirurgie, mit der die Universitätsmedizin Würzburg deutschlandweit schon sehr präsent sei, möchte er weiter ausbauen und sowohl die Betroffenen als auch die bariatrische Chirurgie vom Stigma befreien. „Wir sind translational bereits sehr stark aufgestellt, nun gilt es, mit diesen Ansätzen den Weg in die klinische Forschung zu finden und unsere geplanten multizentrischen, prospektiv, randomisierten Studien umzusetzen,“ erklärt er.

Aufbau eines Registers für seltene Schluckbeschwerden im Achalasie-Zentrum

Ein weiterer Forschungsfokus liegt auf der Achalasie. Würzburg hat sich zu einem von drei großen Zentren in Deutschland entwickelt, die diese seltene aber schwerwiegende Funktionsstörung der Speiseröhre (lateinisch Ösophagus) behandelt. Die Betroffenen haben Probleme beim Schlucken und stoßen Unverdautes wieder auf. Im „Zentrum für Achalasie und andere Ösophagusmotilitätsstörungen“, das er unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) leitet, werden etwa 100 Patientinnen und Patienten pro Jahr behandelt. Oft reicht schon eine Schwächung des Schließmuskels zwischen Speiseröhre und Magen, um die Speiseröhre zu entleeren. Die Betroffenen haben einen langen Leidensweg hinter sich, bevor ihre Erkrankung überhaupt diagnostiziert wird. Die Symptome sind unspezifisch, die Ursachen unklar und daher ist die Erkrankung noch weitestgehend unverstanden. Doch das will Florian Seyfried mit seinem Team ändern. „Aus den Daten, die wir bereits von 800 Patientinnen und Patienten gesammelt haben, möchten wir ein Register erstellen und retrospektiv auswerten, aber auch fortsetzen, um mehr Erkenntnisse zur Entstehung und Behandlung zu erhalten.“ Des Weiteren möchte er den Stellenwert vielversprechender moderner minimaler Operationstechniken, wie der robotischen Chirurgie, zur operativen Behandlung onkologischer Erkrankungen von Magen und Speiseröhre systematisch untersuchen. Florian Seyfried steckt voller Tatendrang und seine Faszination vom „Upper GI“, wie sein Fachgebiet in europäischen Kollegenkreisen kurz und prägnant beschreiben, kommt selbst dann zum Ausdruck, wenn er sich nach einer nächtlichen Notoperation eines komplizierten Speiseröhrenrisses und klinischem Alltag am späten Nachmittag mit einem Espresso für die nächste Besprechung rüstet. 

Das Porträt zeigt den Chirurgen Florian Seyfried.
Prof. Dr. Florian Seyfried hat die neue Professur für die Chirurgie des oberen Gastrointestinaltrakts und bariatrische Chirurgie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erhalten. Das Konzept für die neue Professur hat er selbst nach Vorgaben des Europäischen Fachärzteverbandes der EU (UEMS) entwickelt. © Hans Pastyrik / UKW
Das Bild zeigt Florian Seyfried und Team bei einer Operation.
Florian Seyfried erforscht, lehrt, behandelt und operiert starkes Übergewicht sowie Funktionsstörungen der Speiseröhre und des Magens und bösartige Tumoren im oberen Verdauungstrakt. © Daniel Peter / UKW

Mehr VR und KI im GI: Mit Virtueller Realität und Künstlicher Intelligenz die Gastroenterologie optimieren

Der Gastroenterologe mit Programmierkenntnissen Alexander Hann hat zum 1. März 2023 die neu eingerichtete Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg angenommen. Sein Ziel ist es, die Digitalisierung in Forschung, Lehre, Vorsorge und Behandlung der Verdauungsorgane voranzutreiben.

Alexander Hann hält seit März 2023 die neue Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie
Der Gastroenterologe Alexander Hann will mit der neuen Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie die Digitalisierung vorantreiben. Er nutzt seine Programmierfähigkeiten, um endoskopische Untersuchungen in die virtuelle Realität zu bringen und andere Computermethoden, um die Arbeit des ärztlichen und pflegenden Teams zu erleichtern. © Daniel Peter / UKW

Im Gespräch mit Prof. Dr. Alexander Hann, dem neuen Professor für Digitale Transformation in der Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg, ergeben sich unweigerlich Assoziationen zu Daniel Drüsentrieb, dem genialen Meistertüftler aus Walt Disneys Entenhausen. Zum Beispiel, wenn Alexander Hann sein Basecap mit Tracking-Gerät obenauf präsentiert. Beugt sich die Person mit dem Tracker auf dem Kopf nach vorn, vergrößert sich das endoskopische Bild in dem Bereich des Dickdarms, der gerade von Interesse ist. „Ein typisches Beispiel, wie sich mit einfachen technischen Tricks und etwas Computerwissen die Probleme, die wir im klinischen Alltag haben, lösen lassen“, sagt der Gastroenterologe, der schon als Schüler eine Firma gegründet hat, um Homepages zu programmieren. Das Problem lag hier darin, dass das Endoskop bei der Darmspiegelung, der so genannten Koloskopie, manchmal nur eingeschränkte Bilder liefert. „Wenn ich zum Beispiel einen Bereich näher betrachten möchte, und das Gerät nicht näher an die Darmwand kann, geht man automatisch mit dem Kopf näher zum Monitor, natürlich erfolglos, da vergrößert sich nichts“, bemerkt Alexander Hann. „Daher habe ich einen Virtual Reality-Tracker an den Kopf des Untersuchenden angeschlossen und das Videosignal durch den Computer geleitet. Jetzt wird das Bild tatsächlich größer, wenn ich näher rangehe.“ Die intuitive Zoom-Methode mittels virtueller Realität (VR) wurde 2019 im gastroenterologischen Fachjournal Gut publiziert.

Künstliche Intelligenz in der Darmkrebsvorsorge

Alexander Hann liebt es, solche praktischen Sachen zu erforschen und zu entwickeln. Er selbst hat, ähnlich wie die Comicfigur Düsentrieb, keine kommerziellen Interessen, freut sich aber natürlich, wenn die Industrie seine Ideen aufgreift. Am liebsten steckt er jedoch seine Energie in neue, spannende Projekte. Zum Beispiel untersucht er mit seiner Würzburger Arbeitsgruppe InExEn, wie sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die Darmkrebs-Vorsorge verbessern lässt. InExEn steht für interventionelle und experimentelle Endoskopie. So hat das interdisziplinäre InExEn-Team, das aus Informatikern, Ingenieuren und Ärzten besteht, die selber programmieren können, eine KI entwickelt, die während einer Dickdarmspiegelung in Echtzeit mit kleinen blauen Quadraten auf Krebsvorstufen aufmerksam macht. Dazu musste die KI zuvor mit vielen Bilddaten trainiert werden, welche im Rahmen von klinischen Studien an verschiedenen Zentren gesammelt wurden. „Dank unserer Kooperationspartner haben wir einen unglaublichen Datenschatz mit tausenden von Endoskopie-Videos, die dazu beitragen, die Vorsorge unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern“, schwärmt Alexander Hann, der die KI zur Polypen-Detektion im Internet frei zur Verfügung gestellt hat.

Blind auf die KI verlassen, solle man sich jedoch nicht. Sein Team hat nämlich auch den Einfluss von KI auf die Untersuchenden unter die Lupe genommen. Dazu wurden Erfahrenen und Anfängern Eyetracking-Brillen aufgesetzt und endoskopische Videos mit und ohne Polypen sowie mit und ohne KI-Unterstützung gezeigt. Ergebnis: Sobald KI im Spiel ist reduzierten sich die Augenbewegungen in beiden Gruppen, die Untersuchenden werden weniger aufmerksam. KI birgt also auch Risiken. Für die grundlegenden und klinischen Analysen der Polypen-Detektionssysteme in der Vorsorgekoloskopie wurde das Team mit dem Darmkrebs-Präventionspreis 2023 der Stiftung LebensBlicke ausgezeichnet.

Neue Dimension des Lernens mit dem Virtuellen Gastro-Tutor VIGATU

Nicht nur die Forschung und Optimierung der Behandlung liegen dem Vater einer kleinen Tochter am Herzen, auch die Lehre. Und hier kann Virtual Reality eine sinnvolle Ergänzung sein, wie das Projekt VIGATU (VIrtueller GAstro TUtor) erfolgreich unter Beweis stellt. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „Digitale Medien in der beruflichen Bildung in den Gesundheitsberufen (DigiMed)“ geförderten Verbundprojekt, wird ein VR-basiertes Lehr-Lernsystem für Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte entwickelt. Die Koordination und den medizinischen Input stellt Alexander Hann mit seinem Team. Die Endoskopiefachkrankenschwester und promovierte Pflegewissenschaftlerin Monika Engelke vom Bildungswerk Herne betreut die Inhalte für die Pflegekräfte, während die Universität Ulm mit dem Institut für Medieninformatik die Programmierarbeit und das Institut für Psychologie und Pädagogik die Didaktik übernehmen und das Unternehmen ThreeDee für die 3D-Gestaltung zuständig ist.

Alexander Hann: „Ich sehe tagtäglich die Grenzen der Medizin. Doch mit interdisziplinärem Einsatz können wir diese Grenzen verschieben.“ 

Wie der virtuelle Gastro-Tutor funktioniert und man Wissen und Fertigkeiten zur Durchführung einer Leitlinienkonformen Vorsorgekoloskopie mittels VR erwerben kann, erklärt Alexander Hann am Beispiel eines Films: „Meine Kollegin Dorothea Henniger setzt hier im Büro die VR-Brille auf, ein so genanntes Head-Mounted Display, und teleportiert sich in einen virtuellen Koloskopie-Raum. Sie kann sich dort umschauen und frei bewegen, überprüft Checklisten, baut das Endoskop auf, schaltet den Endoskopie-Turm ein, gibt dem Patienten etwas zum Schlafen, überprüft Blutdruck und Puls, alles ganz wichtige Pflegetätigkeiten, bevor es zur Simulation einer Vorsorgekoloskopie kommt.“ 30 solcher VR-Brillen stehen bereit um in den nächsten Monaten deutschlandweit in Weiterbildungszentren eingesetzt zu werden. 

VR als Vehikel, um Wissen zu transportieren

Auch für die Studierenden gibt es Möglichkeiten, sich mittels VR sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen über die Endoskopie anzueignen. Mit der VR-Brille beamen sie sich gewissermaßen in eine andere Welt, in der sie auf spielerische Art und Weise alles rund um den Darm erfahren: Wie unterscheidet sich zum Beispiel ein kranker vom gesunden Darm? Was sind Symptome und Risikofaktoren von Pankreaskarzinomen? Die Studierenden bekommen ein Endoskop in die Hand gedrückt und müssen die Ventile korrekt stecken. Und sie werden zu Krebsvorstufen abgefragt, welche Polypen deuten auf ein Karzinom hin? „Das Tolle ist, dass die Ausbildenden die Plattform eigenständig und ohne Programmierkenntnisse bedienen und eigene VR-Lehrvideos erstellen können“, bemerkt Alexander Hann. „Damit haben wir, was die Virtual Reality betrifft, die gesamten Weiterbildungsbereiche abgedeckt.“ Bei der Informatik und Medizin gebe es so viele Überschneidungen und Verknüpfungsmöglichkeiten, sodass Alexander Hann dringend empfiehlt, Medizinstudierende, die ein Interesse an KI haben, zu fördern. Ebenso sollten Informatiker schon während des Studiums für medizinische Fragestellungen begeistert werden.

Schreibt KI künftig die Endoskopie-Befunde?

Mit der neuen Professur, die er seit dem 1. März 2023 innehat, möchte er die Universitätsmedizin Würzburg auf dem Gebiet der KI und Digitalisierung deutschlandweit bekannter machen. Ebenfalls möchte er die Digitalisierung vorantreiben und weiterhin viele praktische Lösungen finden, welche die Diagnostik und Behandlung verbessern, nachhaltig sind und Arbeitsschritte erleichtern. Aktuell arbeitet er daran, dass die KI Ärzten und Ärztinnen vom zeitaufwändigen und bisweilen mühsamen Schreiben der Befunde erlöst. „Die KI kann das sehr gut übernehmen, wie unsere neuste Forschungsarbeit zeigt.“

Zur Person

Prof. Dr. Alexander Hann (Jahrgang 1980) ist in Hamburg aufgewachsen und hat schon vor dem Abitur eine Firma gegründet und Homepages programmiert. Während seines Medizinstudiums hat er am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) Grundlagenforschung betrieben, die er in seiner ersten Assistenzarztzeit am Universitätsklinikum Marburg zum Thema Pankreaskarzinom fortgesetzt hat. Seinen Facharzt für Innere Medizin hat er am Katharinenhospital in Stuttgart absolviert, wo er vorwiegend klinische Forschung zum Pankreaskarzinom betrieben hat. Diese intensivierte er am Universitätsklinikum Ulm in der Gastroenterologie. In Ulm hat er Prof. Dr. Alexander Meining kennen gelernt, der dort von 2014 bis 2019 die Professur für interventionelle und experimentelle Endoskopie innehatte und heute am Uniklinikum Würzburg, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II ist und hier den Schwerprunkt Gastroenterologie leitet. Alexander Hann folgte Alexander Meining nach Würzburg und wurde stellvertretender Schwerpunktleiter der Gastroenterologie. Seit März 2023 hält er die neue Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie. 

Alexander Hann hält seit März 2023 die neue Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie
Der Gastroenterologe Alexander Hann will mit der neuen Professur für Digitale Transformation in der Gastroenterologie die Digitalisierung vorantreiben. Er nutzt seine Programmierfähigkeiten, um endoskopische Untersuchungen in die virtuelle Realität zu bringen und andere Computermethoden, um die Arbeit des ärztlichen und pflegenden Teams zu erleichtern. © Daniel Peter / UKW

klinikum & wir: Kernthema Krebsforschung

Ausgehend vom neuen Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen WERA widmet sich das Top-Thema des frisch erschienenen Magazins Krebsforschungsverbünden mit Würzburger Beteiligung. Darüber hinaus bündelt die vom Uniklinikum Würzburg herausgegebene Publikation erneut aktuelle Berichte aus der vielgestaltigen Lebenswelt des mainfränkischen Großkrankenhaus.

Titelseite
Titelseite klinikum & wir

Würzburg. Seit Februar dieses Jahres ist der Verbund der vier Uniklinika-Standorte Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg, kurz WERA, Bayerns erster Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT). Ziel des NCT ist es, die Krebsforschung patientenzentriert weiter auszubauen und so zukünftig mehr Krebskranken in Deutschland den Zugang zu innovativen Methoden in Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. Weitere Details dazu – und zu weiteren überregionalen onkologischen Zentrumsstrukturen, wie der CCC Allianz WERA und dem Bayerischen Zentrum für Krebsforschung – liefert das Top-Thema der Ausgabe 1/2023 von klinikum & wir. 

Das 40-seitige Magazin der Würzburger Universitätsmedizin berichtet darüber hinaus über die Erfahrungen nach den ersten drei Jahren der generalistischen Pflegeausbildung und gibt einen Überblick über kürzlich publizierte Forschungsergebnisse. Weitere Meldungen – zum Beispiel zu personellen Veränderungen, preiswürdigen Leistungen, Angeboten der Selbsthilfe oder Wissenswertem aus der Klinikumsverwaltung – runden das Themenkaleidoskop ab.

Neben den gedruckten Exemplaren, die an vielen öffentlich zugänglichen Stellen im Klinikum zum Mitnehmen ausliegen, gibt es klinikum & wir auch als Webmagazin unter www.ukw.de/presse/magazine 

Titelseite
Titelseite klinikum & wir

Klinikpfarrer Jürgen Floß verabschiedet sich

Jürgen Floß ist seit Dezember 2014 einer der beiden Leiter des ökumenischen Seelsorgeteams am Uniklinikum Würzburg. Zum 1. Mai dieses Jahres geht der evangelische Klinikpfarrer in den Ruhestand.

Würzburg. Der 30. April 2023 ist der letzte Arbeitstag von Jürgen Floß am Uniklinikum Würzburg (UKW). Dann geht der für die evangelischen Mitglieder des ökumenischen Klinikseelsorgeteams zuständige Teamleiter in den verdienten Ruhestand. Der gebürtige Stuttgarter (Jahrgang 1959) kann zurückblicken auf insgesamt fast zwei Jahrzehnte in der Klinikseelsorge – die letzten 8,5 Jahre davon am UKW. Dabei konstatiert Floß: „Es wird ja viel gezweifelt, was Kirche überhaupt noch soll in dieser Zeit. Gerade die Begleitung von Menschen in ihren Lebenssituationen im Krankenhausumfeld hat jedoch nichts von ihrer Bedeutung verloren.“ Diese spirituell-mitmenschliche Begleitung leistete der evangelische Pfarrer in den vergangenen Jahren auf insgesamt zehn Stationen der Zentren für Operative und Innere Medizin sowie am Zentrum für Psychische Gesundheit des UKW. „Wir von der Seelsorge versuchen, möglichst überall am Klinikum präsent zu sein. Allerdings müssen wir mit unserem aktuell nur elfköpfigen Team Prioritäten setzen: Wo ist unsere Tätigkeit besonders dringend gefragt?“, verdeutlicht der scheidende Klinikpfarrer. 

Unterstützung auf den Intensivstationen 

Für ihn selbst gehörten unter anderem die Intensivstationen des UKW zu diesen vorrangigen Orten. „Die Intensivpatientinnen und -patienten befinden sich häufig auf einem schmalen Grad zwischen Leben und Tod. Eine meiner Aufgabe war es hier, den Menschen Lust zu machen, ins Leben zurückzukehren“, schildert Floß. Selbst Sedierte sind nach seinen Erfahrungen nicht einfach abgeschaltet, sondern haben einen veränderten Bewusstseinszustand, der manchmal von Alpträumen und Bedrohungsgefühlen geprägt ist. „Hier hatte ich die Chance und die Zeit, durch beruhigende Worte oder das Halten einer Hand Entlastung zu geben, als Anker zu wirken“, berichtet der Geistliche. 

Brückenbauer in Corona-Zeiten

Deutlich erschwert wurde die Arbeit des ökumenischen Seelsorgeteams durch die Infektionsschutz-Maßnahmen während der Corona-Pandemie. „Trotz des allgemeinen Besuchsverbots war es uns wichtig, weiterhin zu den Patientinnen und Patienten gehen zu können“, erzählt Floß und fährt fort: „Es hat uns sehr gefreut, dass wir mit diesem Wunsch sowohl beim Klinikumsvorstand, als auch bei vielen Stationsleitungen auf positive, unseren Dienst wertschätzende Resonanz stießen.“ In der praktischen Umsetzung bedeutete dies, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger umfassend in den jeweils geltenden Hygieneregeln geschult wurden und zum Beispiel das sichere An- und Ablegen von Schutzkleidung erlernten. „So konnten wir nicht nur den isolierten Kranken selbst beistehen, sondern fungierten in sehr vielen Fällen auch als Brücke zu deren Angehörigen draußen“, erinnert sich Floß. Ein emotionaler Höhepunkt war für ihn in diesem Zusammenhang die Organisation und Durchführung einer Abschiedsfeier für eine sterbende Corona-Patientin aus Vietnam. Mit Unterstützung der Seelsorge gelang es, per Internet Verwandte aus der Heimat der jungen Frau zu der bewegenden Veranstaltung zuzuschalten. „Für die Familie in der Ferne war dies ein großer Trost“, weiß der Pfarrer. 

Hilfreiche Gespräche in den Zwischenräumen

Im Alltag findet Krankenhausseelsorge nach seinen Worten häufig in „Zwischenräumen“ statt. Dazu zählt er beispielsweise spontane Kontakte zu Patientinnen und Patienten, Angehörigen oder UKW-Beschäftigten auf den Fluren. Oder er berichtet von einem mit „Seelsorge“ gekennzeichneten Rollhocker im Anmeldebereich der Radiologie, der für Gespräche mit den dort Wartenden bereitsteht. „In besonders schönen Fällen spiegeln uns die Menschen danach wider, dass sie das Gespräch als entlastend und wertvoll empfunden haben“, so Floß. 

Mitglied des Klinischen Ethikkomitees 

Zu seinen persönlichen Interessensfeldern zählt ferner die Ethik in der Medizin. Deshalb beteiligte er sich am Klinischen Ethikkomitee des UKW. Das unabhängige, multiprofessionelle Gremium unterstützt die Beschäftigten des Klinikums bei moralischen Fragen und Herausforderungen. Außerdem referierte Pfarrer Floß bei Vorträge in Unter- und Mittelfranken wiederholt zu medizinethischen Themen, wie zum Beispiel unter dem Titel „Tun wir zu viel am Lebensende?“ über sinnvolle Behandlungsziele bei sehr weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien.

Wertgeschätzte Freiheiten

„Ich habe es immer genossen, am Uniklinikum Würzburg in einem säkularen Haus zu arbeiten“, betont Floß und verdeutlicht: „Natürlich werde ich als Vertreter der Kirche wahrgenommen, habe aber viele Freiheiten. Beispielsweise schreckt es mich nicht ab, wenn jemand der Kirche den Rücken gekehrt hat. Vielmehr bleibt mein Interesse am Menschen – was macht dein Leben aus?“ Aus seiner Sicht ist diese offene, nicht wertende Haltung gegenüber den menschlichen Eigenheiten wichtig, um die Klinikseelsorge als erfüllende Arbeit zu erleben. Hinzukämen eine gewisse psychische Belastbarkeit sowie die Bereitschaft, sich auch auf die häufig auftretenden Überraschungen einzulassen.

Und wie sehen seine Pläne für den Ruhestand aus? „Hier habe ich schon eine lange Liste an Ideen, um die neuen Freiräume zu genießen. So will ich meine sieben Enkelinnen und Enkel klarer in den Blick nehmen, alte Freundschaften pflegen, vertieft Schwedisch lernen sowie möglichst oft Segeln gehen und mit dem Wohnmobil verreisen“, kündigt der baldige Pensionär an.