Aktuelle Pressemitteilungen

„Im Angesicht des Todes“

Am Donnerstag, 28.11.2024, findet die nächste Veranstaltung des Schelling-Forums statt. Thema diesmal: Die Kommunikation zwischen Medizin und Patientinnen und Patienten im Wandel der Zeit.

Das Würzburger Akademienprojekt „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“ steht bei der nächsten Veranstaltung des Schelling-Forums mit im Fokus.
Das Würzburger Akademienprojekt „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“ steht bei der nächsten Veranstaltung des Schelling-Forums mit im Fokus. (Bild: Schelling-Forum)

Zwischen Heilserwartungen und Todesängsten – Ärztinnen und Ärzte müssen seit jeher Patienten schwerwiegende Diagnosen vermitteln. Doch wie sieht eigentlich eine gelungene Arzt-Patienten-Beziehung aus? Auf welche Weise können Ärzte selbst komplexe Behandlungsversuche angemessen an ihre Patienten kommunizieren? Wie gehen Sie dabei mit Ängsten und Sorgen der Patienten um? Und was lernen wir aus der Geschichte über das Verhältnis von Ärzten und Patienten?

In der Veranstaltung wirft Michael Stolberg zunächst einen Blick auf die Geschichte und untersucht die Interaktionen zwischen Ärzten und Kranken im 16. und 17. Jahrhundert. Er stützt sich dabei maßgeblich auf Briefe, in denen die Kranken oder deren Angehörige einem erfahrenen Arzt um Rat fragten und ihm deshalb das Krankheitsbild und die bisherigen Behandlungsversuche schilderten. Tausende solcher Briefe wurden seit 2009 in dem Würzburger Akademienprojekt „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“ erschlossen, das seine Arbeit zum Jahresende 2024 beenden wird. Danach spricht Maria-Elisabeth Goebeler über heutige Praktiken in der Arzt-Patienten-Beziehung. Sie geht dabei insbesondere der Frage nach, wie Ärzte vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Behandlungen mit Patienten kommunizieren. Anschließend diskutiert Eva-Bettina Bröcker mit Stolberg und Goebeler über das Ärzte-Patienten-Verhältnis früher und heue – sehr gerne auch mit Ihnen.

Ort und Zeit

Vortrag und Gespräch zum Abschluss des Würzburger Akademie-Projekts „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“

28. November 2024, 18 Uhr, Siebold-Collegium for Advanced Studies, Klinikstraße 6, 97070 Würzburg

Mitwirkende

Prof. Dr. med. Dr. phil. Michael Stolberg war von 2004 an Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg und nimmt seit April 2024 eine Seniorprofessor für Geschichte der Medizin am dortigen Zentrum für Philologie und Digitalität wahr.

Dr. med. Maria-Elisabeth Goebeler ist Leitende Oberärztin des Interdisziplinären Studienzentrums mit ECTU und stellvertretende Vorsitzende der medizinischen Ethikkommission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Prof. Dr. Eva-Bettina Bröcker ist em. o. Professorin für Dermatologie und Venerologie. Von 1992 bis 2011 war sie Direktorin der Klinik für Dermatologie an der Universität Würzburg. Sie ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und des Koordinierungsausschusses des Schelling-Forums.

Anmeldung

Die Teilnahme ist kostenfrei und erfolgt über das Buchungsportal an. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an schelling-forum@ badw.de

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 19.11.2024

Das Würzburger Akademienprojekt „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“ steht bei der nächsten Veranstaltung des Schelling-Forums mit im Fokus.
Das Würzburger Akademienprojekt „Frühneuzeitliche Ärztebriefe“ steht bei der nächsten Veranstaltung des Schelling-Forums mit im Fokus. (Bild: Schelling-Forum)

Vorstufen von Darmkrebs sicherer erkennen

Mit Künstlicher Intelligenz die Bilder von Darmspiegelungen auswerten und die Krebsvorsorge verbessern: Die Wittenstein Stiftung fördert dieses Projekt mit einem 50.000-Euro-Preis.

Dr. Wittenstein überreichte den 1. Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer beim Festkonzert des Universitätsbundes an Joel Troya und die Professoren Puppe und Nüchter. Dr. Schunk, Vorsitzender des Unibunds.
Dr. Manfred Wittenstein (rechts) überreichte den 1. Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer beim Festkonzert des Universitätsbundes an (v.r.) Joel Troya und die Professoren Frank Puppe und Andreas Nüchter. Links Dr. Gunther Schunk, Vorsitzender des Unibunds. (Bild: Wittenstein Stiftung)

Beim Festkonzert des Universitätsbundes Würzburg hat die Wittenstein Stiftung am 13. November 2024 in der Würzburger Neubaukirche erstmalig den Förderpreis Forschung und Transfer verliehen. Dr. Manfred Wittenstein überreichte die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung an ein interdisziplinäres Forschungsteam aus der Universität und dem Universitätsklinikum Würzburg, das einen Prototyp zur verbesserten Erkennung von Darmkrebsvorstufen entwickelt.

Unter zahlreichen Bewerbungen hatte sich das Team aus den Professoren Andreas Nüchter, Lehrstuhl für Informatik XVII – Robotics, und Frank Puppe, Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und Wissenssysteme, sowie dem Forschungsingenieur Gastroenterologie Joel Troya vom InExEn-Team des Universitätsklinikums mit einem medizinischen Projekt durchgesetzt.

Das Projekt zielt darauf ab, Darmkrebsvorstufen bereits bei vorsorglichen Darmspiegelungen besser zu erkennen. Bei den Spiegelungen wird ein Prototyp eingesetzt, der Bilder von zwei zusätzlichen seitlichen Mikrokameras bereitstellt, die von einer Künstlichen Intelligenz ausgewertet werden. Sollte auf den Bildern ein Polyp entdeckt werden, erhält die untersuchende Person eine Warnung, so dass sie die entsprechende Stelle in der Schleimhaut genauer untersuchen kann.

Dieses System könnte die Genauigkeit der frühzeitigen Erkennung von Polypen um bis zu 30 Prozent steigern und zur Prävention von Darmkrebs beitragen – was langfristig die Heilungschancen der Patienten erhöht.

Nutzen für die Gesellschaft steht beim Förderpreis im Fokus

Ziel des Förderpreises Forschung und Transfer ist es, in frühen Entwicklungsphasen wissenschaftliche Projekte, Experimente, Konzepte, Modelle, Programme oder Erfindungen zu fördern, die nachhaltige Veränderungen in Technologie, Medizin, Kultur, Wirtschaft oder Politik anstoßen können. Zudem muss das Preisgeld dafür geeignet sein, das Projektvorhaben in die nächste Entwicklungsphase zu überführen, also eine positive Veränderung in der Gesellschaft erzeugen.

„Mit dem Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer feiern wir sozusagen eine Weltpremiere und überreichen den am höchsten dotierten Preis in der Geschichte des Unibunds“, so Dr. Gunther Schunk, Vorsitzender des Universitätsbunds. „Und wenn man bedenkt, dass wir erst im Sommer 2024 gemeinsam mit der Wittenstein Stiftung die Möglichkeiten für diesen Preis ausgelotet haben – dann ist das für Deutschland eine erstaunliche Geschwindigkeit. Ich glaube fest daran, dass dieser Spirit auf unser Gewinner-Team übergreift und es schon bald erste Erfolge mit dem Prototyp feiern kann.“

Preis wird künftig jährlich vergeben

Mit dem „Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer“ unterstützt die Wittenstein Stiftung gemeinsam mit dem Universitätsbund Würzburg die Julius- Maximilians-Universität (JMU) Würzburg im Bereich der herausragenden, fächerübergreifenden Forschung mit besonderem gesellschaftlichen Anwendungspotenzial.

Mit einer Fördersumme von 50.000 Euro wird künftig jährlich ein innovatives, an der JMU durchgeführtes Forschungsvorhaben prämiert. Der Förderpreis soll eine markante Hebelwirkung für hochkarätige Transferprojekte in einem frühen Stadium leisten und zur Sichtbarkeit im Wettbewerb um langfristige und großvolumige Fördermittel verhelfen. Bewerbungen sind beim Universitätsbund möglich, www.unibund.de 

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 19.11.2024

Dr. Wittenstein überreichte den 1. Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer beim Festkonzert des Universitätsbundes an Joel Troya und die Professoren Puppe und Nüchter. Dr. Schunk, Vorsitzender des Unibunds.
Dr. Manfred Wittenstein (rechts) überreichte den 1. Würzburger Förderpreis Forschung und Transfer beim Festkonzert des Universitätsbundes an (v.r.) Joel Troya und die Professoren Frank Puppe und Andreas Nüchter. Links Dr. Gunther Schunk, Vorsitzender des Unibunds. (Bild: Wittenstein Stiftung)

Was T-Zellen im Tumor müde macht

DETAILLIERTE ANALYSE IM JOURNAL BLOOD VON EXTRAMEDULLÄREN LÄSIONEN BEIM MULTIPLEN MYELOM UND NEUE THERAPIEANSÄTZE

Die extramedulläre Erkrankung (EMD) ist ein Hochrisikofaktor beim Multiplen Myelom. Angela Riedel und Leo Rasche vom Uniklinikum Würzburg haben die Mikroumgebung dieser Myelomzellen außerhalb des Knochenmarks erstmals detailliert analysiert und ihre bahnbrechenden Erkenntnisse in der Fachzeitschrift Blood publiziert. Die Studie zeigt, warum EMD so schlecht auf gängige Immuntherapien anspricht und welche neuen therapeutischen Möglichkeiten in Frage kommen, um auch diese Läsionen erfolgreich bekämpfen zu können.

 

Das Titelbild der Ausgabe von blood zeigt eine mikroskopische Aufnahme einer Myelomläsion.
Mit einem Immunfluoreszenzbild einer kutanen extra-medullären Myelomläsion haben es Angela Riedel und Leo Rasche und ihre Arbeitsgruppen auf das Cover der Fachzeitschrift Blood der American geschafft. Die grünen Bereiche zeigen Zellen, die das Protein CD3e tragen, was typischerweise auf T-Zellen hinweist. Die roten Bereiche markieren Zellen mit CD138, ein Zeichen für Plasmazellen, die bei Myelomen eine wichtige Rolle spielen. Die blauen Bereiche stellen Kollagen I dar, ein Strukturprotein, das in der Haut vorkommt. © Mara John und Angela Riedel / American Society of Hematology
Copy Number Variations sind in verschiedenen Farben dargestellt.
Hier wurde die Anzahl der vorhergesagten Copy Number Variations (CNVs) in verschiedenen Bereichen des Gewebes, so genannten spots, im Rahmen der räumlichen Transkriptomatik analysiert. CNVs sind genetische Veränderungen, bei denen bestimmte Abschnitte der DNA entweder vervielfältigt oder gelöscht sind. Dies führt dazu, dass sich die Anzahl der Kopien bestimmter Gene oder DNA-Abschnitte zwischen verschiedenen Proben unterscheidet. © Moutaz Helal
Gruppenbild draußen auf der Terrasse vor dem UKW, Angela Riedel und Leo Rasche sitzen in der Mitte, außen stehen Mara John und Moutez Helal.
Die beiden Erstautoren Mara John (links) und Moutaz Helal (rechts) mit den beiden Letztautoren Angela Riedel und Leo Rasche. © UKW

Würzburg. Schon die Diagnose Multiples Myelom allein ist ein schwerer Schlag für die Betroffenen. Denn die Blutkrebserkrankung, bei der verschiedene bösartige Tumorherde im Knochenmark auftreten, ist bis heute nicht heilbar. Dank zahlreicher Therapiemöglichkeiten kann das Fortschreiten der Erkrankung jedoch über einen längeren Zeitraum verhindert und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert werden. Wenn sich die Tumorzellen jedoch außerhalb des Knochenmarks ausbreiten und in andere Gewebe und Organe eindringen, erschwert dies die Behandlung. Denn viele Erkrankte mit diesen sogenannten extramedullären Läsionen (kurz EMD für extramedullary disease) sprechen auch auf moderne Immuntherapien mit CAR-T-Zellen oder bispezifischen Antikörpern nicht mehr an. 

Warum ist das so? Dr. Angela Riedel und Prof. Dr. Leo Rasche vom Uniklinikum Würzburg (UKW) haben sich mit ihren Juniorgruppen am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) die Tumorzellen außerhalb des Knochenmarks genauer angeschaut und mit Hilfe der räumlichen und Einzelzell-Transkriptomik erstmals die detaillierte Mikroumgebung von 14 EMD-Läsionen untersucht. Ihre bahnbrechenden Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Blood der American Society of Hematology als Titelstory veröffentlicht. Das Cover ziert ein Immunfluoreszenzbild einer kutanen EMD, bei der T-Zellen mit dem Protein CD3e grün, Plasmazellen mit CD138 rot und das Kollagen der Haut I blau markiert sind. 

Immunzellen dringen in Tumoren ein, sind aber oft in ihrer Funktion gestört 

„Die Infiltration von Immun- und Stromazellen war sowohl innerhalb als auch zwischen den Patientinnen und Patienten sehr unterschiedlich“, schildert Angela Riedel. Das bedeutet, dass der Tumor und das umliegende Gewebe bei jeder Patientin und jedem Patienten anders auf das Immunsystem reagieren, was zeigt, wie komplex und individuell die Krankheit verläuft. Die Biomedizinerin nennt ein Beispiel: „Wir konnten beobachten, dass T-Zellen zwar in die EMD-Läsion einwandern können, aber in einen erschöpften Zustand geraten, sobald sie in die Nähe der Myelomzellen kommen.“ Die ermüdeten weißen Blutkörperchen des Immunsystems verlieren also ihre Fähigkeit, die Krebszellen zu bekämpfen. Aktive T-Zellen fanden sich meist außerhalb der Läsion in tumorfreiem Gewebe zusammen mit spezifischen Makrophagen-Subtypen, die ebenfalls eine Rolle in der Immunantwort spielen. 

Bei Erkrankten, die gut auf eine Therapie mit bispezifischen T-Zell-Antikörpern ansprachen - das sind Antikörper, die mit einem Arm an das Oberflächenmerkmal der Immunzelle und mit dem anderen Arm an das der Tumorzelle binden, um die Immunzellen zur Tumorzelle zu leiten und diese zu zerstören - war der Unterschied zwischen erschöpften und aktiven T-Zellen nicht mehr feststellbar. 

Multizelluläres Ecosystem

Die Forschenden vermuten zudem eine genomische Instabilität innerhalb der Läsion, da die Myelomzellen Variationen in der Kopienzahl der Chromosomen sowie neue Subklone in bestimmten Tumorbereichen aufwiesen. Die Tumorzellen wiesen also ein Mosaik genetischer Vielfalt auf, das sie schwer behandelbar machen könnte.

„Bislang ging man davon aus, dass EMD nur aus Plasmazellen besteht, doch wir zeigen, dass es sich dabei um eine multizelluläre Umgebung handelt“, resümiert Angela Riedel.

Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren als therapeutische Strategie gegen EMD

Leo Rasche zufolge sind diese Ergebnisse von großer klinischer Bedeutung, da das Vorhandensein von ermüdeten T-Zellen bei Fällen beobachtet wurde, die nicht auf bispezifische T-Zell-adressierende Antikörper ansprachen. „Die von uns identifizierten erschöpften T-Zellen exprimierten die Oberflächenmoleküle TIM3 und PD-1, was prinzipiell für eine immunologische Checkpoint-Therapie spricht, die auf diese Moleküle abzielen. Obwohl Checkpoint-Inhibitoren beim Multiplen Myelom bisher nicht erfolgreich waren, könnten sie bei Erkrankungen mit EMD-Läsionen erneut getestet werden, möglicherweise auch in Kombination mit bispezifischen Antikörpern“, rät Leo Rasche. 

Hämatologisch-onkologische Mischformen

Der Oberarzt weist auf einen weiteren Aspekt der Studie hin, nämlich dass das Multiple Myelom im Grunde ein Hybrid zwischen hämatologischen und soliden Krebserkrankungen ist. „Die Ähnlichkeiten zur soliden Onkologie hätten wir ohne unsere neue Methode, die Spatial Transcriptomics, nicht gefunden“, sagt Rasche. Spatial Transcriptomics ermöglicht es, die Genaktivität in einem Gewebeschnitt zu analysieren und diese Information mit der räumlichen Position der Zellen zu verknüpfen. So lässt sich nachvollziehen, welche Gene in welchen Bereichen des Gewebes an- oder abgeschaltet sind und wie diese Gene das Verhalten der Zellen in ihrer Umgebung beeinflussen. Solche Einblicke in die Tumorbiologie dieser Variante des Myeloms sind besonders wichtig. Immerhin nimmt die Häufigkeit von EMD beim Multiplen Myelom zu. „Die Läsionen finden sich inzwischen bei jedem dritten Patienten im Rezidiv“, bemerkt Rasche.

Wie geht es weiter? In den nächsten Schritten will das Team Knochenmarkbiopsien auf räumlicher Ebene analysieren, um zu verstehen, was genau der Unterschied zwischen dem Multiplen Myelom im Knochenmark und den extramedullären Läsionen ist. Die große Frage ist, ob die Ergebnisse von den extramedullären Läsionen auf das Knochenmark übertragbar sind.

Kooperationen und Förderungen

Die Publikation ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen einer deutschen und tschechischen Gruppe, zu der das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) Würzburg, die Medizinische Klinik und Poliklinik II des UKW, die Pathologie der Universität Würzburg, das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), das Münchner Leukämielabor (MLL) und die Abteilung für Hämatoonkologie der Universität von Ostrava gehören.

Das Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Krebshilfe über das MSNZ-Programm, von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) über das Forschungskolleg TWINSIGHT, vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) über das Projekt Z-12 und vom tschechischen Gesundheitsforschungsrat gefördert.

Publikation: 

John M, Helal M, Duell J, Mattavelli G, Stanojkovska E, Afrin N, Leipold AM, Steinhardt MJ, Zhou X, Žihala D, Anilkumar Sithara A, Mersi J, Waldschmidt JM, Riedhammer C, Kadel SK, Truger M, Werner RA, Haferlach C, Einsele H, Kretzschmar K, Jelínek T, Rosenwald A, Kortüm KM, Riedel A, Rasche L. Spatial transcriptomics reveals profound subclonal heterogeneity and T-cell dysfunction in extramedullary myeloma. Blood. 2024 Nov 14;144(20):2121-2135. doi: 10.1182/blood.2024024590. PMID: 39172759.

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Das Titelbild der Ausgabe von blood zeigt eine mikroskopische Aufnahme einer Myelomläsion.
Mit einem Immunfluoreszenzbild einer kutanen extra-medullären Myelomläsion haben es Angela Riedel und Leo Rasche und ihre Arbeitsgruppen auf das Cover der Fachzeitschrift Blood der American geschafft. Die grünen Bereiche zeigen Zellen, die das Protein CD3e tragen, was typischerweise auf T-Zellen hinweist. Die roten Bereiche markieren Zellen mit CD138, ein Zeichen für Plasmazellen, die bei Myelomen eine wichtige Rolle spielen. Die blauen Bereiche stellen Kollagen I dar, ein Strukturprotein, das in der Haut vorkommt. © Mara John und Angela Riedel / American Society of Hematology
Copy Number Variations sind in verschiedenen Farben dargestellt.
Hier wurde die Anzahl der vorhergesagten Copy Number Variations (CNVs) in verschiedenen Bereichen des Gewebes, so genannten spots, im Rahmen der räumlichen Transkriptomatik analysiert. CNVs sind genetische Veränderungen, bei denen bestimmte Abschnitte der DNA entweder vervielfältigt oder gelöscht sind. Dies führt dazu, dass sich die Anzahl der Kopien bestimmter Gene oder DNA-Abschnitte zwischen verschiedenen Proben unterscheidet. © Moutaz Helal
Gruppenbild draußen auf der Terrasse vor dem UKW, Angela Riedel und Leo Rasche sitzen in der Mitte, außen stehen Mara John und Moutez Helal.
Die beiden Erstautoren Mara John (links) und Moutaz Helal (rechts) mit den beiden Letztautoren Angela Riedel und Leo Rasche. © UKW

Selen-Proteine: Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung

Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von Krebs bei Kindern könnte diese Entdeckung neue Strategien eröffnen.

Zellbiologe Pedro Friedmann Angeli (rechts) zusammen mit Erstautor Zhiy Chen.
Zellbiologe Pedro Friedmann Angeli (rechts) zusammen mit Erstautor Zhiy Chen. (Quelle: Zhiy Chen)

Eigentlich sind Proteine, die das Element Selen enthalten, für uns Menschen überlebenswichtig: Sie helfen beim Abbau schädlicher Stoffe in unserem Körper, unterstützen das Immunsystem und spielen eine wichtige Rolle bei Stoffwechselprozessen. Allerdings können sie auch unerwünschte Aktivitäten entfalten – so etwa das Protein Glutathionperoxidase 4 (GPX4), das Krebszellen vor dem Zelltod schützt.

„Diese Schutzfunktion von GPX4 stellt eine große Herausforderung für Standard-Krebstherapien dar, weil sie das Überleben von Krebszellen trotz Medikamentenzugabe begünstigt“, erklärt Pedro Friedmann Angeli, Professor am Lehrstuhl für Translationale Zellbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). „Umgekehrt heißt das: Wenn es uns gelingt, die Produktion von GPX4 zu hemmen, können wir möglicherweise Krebszellen gezielter angreifen und zerstören. Das ist besonders vielversprechend für die Behandlung des Neuroblastoms, das vor allem Kinder betrifft.“

Krebszellen anfälliger machen

Gemeinsam mit Forschenden des Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine um Juniorgruppenleiter Hamed Alborzinia fokussiert sich Friedmann Angelis Lehrstuhl deshalb auf die Forschung zur Hemmung von Enzymen, die die Produktion von Selenproteinen fördern. „Bislang war nur bekannt, dass ein Enzym namens Selenocystein-Lyase (SCLY) diese Funktion übernimmt“, sagt Zhiy Chen, Doktorandin in Friedmann Angelis Team und Erstautorin der Studie. „Unsere Forschung hat nun aber ein weiteres Protein identifiziert, das dazu beiträgt, die Selen-Protein-Produktion aufrechtzuerhalten, wenn SCLY nicht vorhanden ist: Peroxiredoxin 6, kurz PRDX6.“

Mittels modernster Techniken wie Massenspektrometrie und CRIPSR-Cas9-basierte Genomik entdeckte das Forschungsteam, dass PRXD6 sich direkt an Selen bindet und das Spurenelement – ähnlich wie ein Shuttle – zur weiteren Protein-Produktion transportiert. Zur Einordnung: Massenspektrometrie ist eine wissenschaftliche Methode zur Analyse der Masse und Struktur von Molekülen. In der Studie konnte das Forschungsteam auch zeigen, dass die Hemmung von PRXD6 bei der Behandlung von Neuroblastomen von Vorteil sein könnte.

Nächste Schritte in der Krebsforschung

Eine weitere Erkenntnis: Obwohl PRXD6 Zellen helfen kann, in Abwesenheit von Selenocystein-Lyase (SCLY) zu überleben, zeigt es nicht die gleiche hohe enzymatische Aktivität. In weiteren Forschungen will Friedmann Angelis Team nun herausfinden, welche zusätzlichen Proteine zusammen mit PRXD6 die erforderliche enzymatische Rolle von SCLY übernehmen. Zudem plant es die Entwicklung von molekularen Hemmstoffen, die sowohl auf SCLY als auch auf PRXD6 abzielen, um das Wachstum von Krebszellen besser einzuschränken.

Beteiligt an der Studie waren neben der Universität Würzburg auch die Universität São Paulo in Brasilien, das Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine sowie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Finanzielle Unterstützung gab es vom Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der EU-H2020 (ERC-CoD, DeciFERR) und die José Carreras Leukämie-Stiftung.

Zur Studie

PRDX6 contributes to selenocysteine metabolism and ferroptosis resistance. Zhiyi Chen, Alex Inague, Kamini Kaushal, Hamed Alborzinia, Sayuri Miyamoto, José Pedro Friedmann Angeli. Veröffentlicht am 14.11.2024. DOI: 10.1016/j.molcel.2024.10.027 (Link: https://doi.org/10.1016/j.molcel.2024.10.027)

Kontakt

Prof. Dr. Pedro Friedmann Angeli, Lehrstuhl für Translationale Zellbiologie, Tel. +49 931 31-85547, pedro.angeli@ uni-wuerzburg.de

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 15. November 2024

Zellbiologe Pedro Friedmann Angeli (rechts) zusammen mit Erstautor Zhiy Chen.
Zellbiologe Pedro Friedmann Angeli (rechts) zusammen mit Erstautor Zhiy Chen. (Quelle: Zhiy Chen)

„Entscheidungsrauschen“ ist kein Messfehler

ABNAHME INKONSISTENTER ENTSCHEIDUNGEN VOM JUGEND- ZUM ERWACHSENENALTER VERMITTELT ZUNAHME KOGNITIVER KOMPETENZ

Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg stellt in der Fachzeitschrift PLOS Biology erstmals die Entwicklung verrauschter Entscheidungen der Entwicklung spezifischer kognitiver Prozesse gegenüber. Es zeigte sich, dass eine altersabhängige Zunahme spezifischer und komplexer kognitiver Prozesse nicht nur mit einer Abnahme „verrauschter“ inkonsistenter Entscheidungen einhergeht, sondern sogar von dieser Abnahme abhängt.

 

Lorenz Deserno und Vanessa Scholz vor alten Torbogen des Zentrums für Psychische Gesundheit.
Dr. Vanessa Scholz und Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), zeigen in ihrer neuesten Studie, dass die Zunahme der Komplexität von Prozessen und die Abnahme des Entscheidungsrauschens proportional zusammenhängen. © Kirstin Linkamp / UKW
Kinder und Jugendliche treffen oft impulsive und inkonsistente Entscheidungen, zum Beispiel bei der Auswahl einer Eissorte. Erwachsene hingegen entscheiden überlegter. Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg fand heraus, dass die Fähigkeit zu überlegtem Entscheiden im Jugendalter zunimmt und impulsive Entscheidungen abnehmen. Diese Entwicklung könnte wichtig für komplexere kognitive Prozesse sein, wie in ihrer Studie in PLOS Biology beschrieben. © UKW

Würzburg. Wer kennt sie nicht, die Qual der Wahl, zum Beispiel in der Eisdiele. Nehme ich meine Lieblingssorte oder probiere ich etwas Neues, vielleicht sogar etwas ganz Exotisches. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist dieses so genannte Entscheidungsrauschen besonders groß. Bei einer Fehlentscheidung oder einem „Igitt!“ reagieren die Eltern meist mit „Das war doch klar. Das hätte ich dir gleich sagen können.“ Eben weil Erwachsene in der Regel überlegter und vorausschauender entscheiden.

Altersabhängige Abnahme inkonsistenter Entscheidungen könnte Voraussetzung für Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse sein

Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), bezeichnet diese verrauschten Entscheidungen auch als explorative oder inkonsistente Entscheidungen. Sie nehmen im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter kontinuierlich ab, während spezifische und komplexe kognitive Prozesse zunehmen. Neueste Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe, die jetzt in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlicht wurden, legen sogar nahe, dass die altersabhängige Abnahme inkonsistenter Entscheidungen eine Voraussetzung für die Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse sein könnte. 

„Bisherige Studien haben inkonsistente Entscheidungen oft ignoriert und als Messfehler abgetan. Wir haben uns aber die Rauschkomponenten, die sich aus fast allen Verhaltensexperimenten extrahieren lassen, genauer angeschaut“, berichtet Lorenz Deserno. Dazu hat seine Mitarbeiterin Dr. Vanessa Scholz die Daten von 93 Männern und Frauen im Alter von 12 bis 42 Jahren ausgewertet, die am Computer drei verschiedene Aufgaben lösen mussten: spielerische Aufgaben, die die Annäherung an Belohnung und Bestrafung testen sowie Aufgaben zum Umlernen von Entscheidungen und zur Planung von Entscheidungen. „In solchen Experimenten sehen wir, wie die Studienteilnehmenden aufeinander folgende Entscheidungen planen, wie schnell sie sich anpassen, wenn sich der Zusammenhang zwischen Entscheidung und Ereignis plötzlich ändert, und wie die Entscheidungen von positiven und negativen Ereignissen abhängen“, schildert Vanessa Scholz.

„Computational Psychiatry“

Bevor die Psychologin vor vier Jahren nach Würzburg in die Arbeitsgruppe von Lorenz Deserno kam, arbeitete sie als Postdoktorandin in den Niederlanden im Bereich der Verhaltensmodellierung. Dabei geht es darum, menschliches Verhalten und kognitive Prozesse mit Hilfe von mathematischen Modellen und Computersimulationen zu verstehen. Bei der Verhaltensmodellierung ist nicht allein das konkrete Ergebnis ausschlaggebend, also welche Entscheidung getroffen wurde, sondern wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, was psychologisch und biologisch passiert ist, dass ich mich zwischen A und B entschieden habe. „Jedes Modell bildet verschiedene Prozesse ab und stellt eine Hypothese dar. So baue ich aus ganz einfachen Modellen immer komplexere Modelle“, erklärt Vanessa Scholz. Und das sei in der Entwicklungspsychiatrie besonders spannend. „Denn mit den Modellen können wir in unserem Fall ganz konkret verschiedene Entscheidungswege vergleichen und zum Beispiel reflektierte von verrauschten Prozessen trennen.“

„Computational Psychiatry“ ist das Stichwort. Dieser Forschungsansatz, bei dem Methoden der theoretischen Computational Neuroscience direkt mit der Psychiatrie verknüpft werden, ist in der Kinder- und Jugendpsychiatrie relativ neu. Weltweit gibt es nur vereinzelte Arbeitsgruppen, die diesen Forschungsansatz in der Entwicklungspsychiatrie anwenden. „Hier hat Würzburg fast ein Alleinstellungsmerkmal“, betont Lorenz Deserno. Der Mediziner hat sich bereits in London intensiv mit Computational Psychiatry beschäftigt, bevor er nach Würzburg ans Zentrum für Psychische Gesundheit kam.

Das Inkonsistente war bei allen drei Experimenten konsistent

Vanessa Scholz erklärt, was ihre aktuellen Modellierungen ergeben haben: „Das Niveau des Rauschens pro Individuum war über die drei Experimente sehr konsistent. Das zeigt uns, dass das Rauschen keine gezielte Exploration ist, sondern hier noch eine kontextunabhängige Eigenschaft. Diese Eigenschaft sollte im Laufe der Entwicklung abnehmen, weil man ja eigentlich kontextadaptiveres Verhalten erlernen will.“ So können die meisten Erwachsene besser vorausdenken, planen und sich anpassen als Jugendliche, weil ihre kognitiven Fähigkeiten in der Regel ausgereifter sind.

Welche klinische Relevanz hat das Rauschen?

In allen Experimenten beobachteten die Forschenden eine altersabhängige Zunahme der komplexen kognitiven Prozesse. Der stärkere Effekt war jedoch die Abnahme des Entscheidungsrauschens. Völlig neu an dieser Arbeit ist, dass die Forschenden diese beiden Stränge zusammengeführt haben und zeigen konnten, dass sie proportional zusammenhängen: Die Zunahme der Komplexität von Prozessen scheint von der Abnahme des Entscheidungsrauschens abhängig zu sein. Das Entscheidungsrauschen hätte also eine Bedeutung für die altersabhängige Entwicklung. Lorenz Deserno folgert daraus: „Inkonsistente Entscheidungen könnten der Erkundung oder dem Ausprobieren neuer Verhaltensweisen und Kontexte dienen und damit eine gesunde Entwicklung spezifischer und komplexer kognitiver Prozesse ermöglichen. Wenn Entscheidungen jedoch zu oft inkonsistent bleiben, kann dies die Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse und des Gehirns negativ beeinflussen.

Kognitive Kompetenz bei ADHS stärken oder Rauschen reduzieren?

Das könnte zum Beispiel für Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, relevant sein. So untersucht das Team derzeit, ob inkonsistente Entscheidungen bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS eine zentrale Rolle bei der Erkrankung spielen und möglicherweise ein Ansatzpunkt für verbesserte Therapien sein könnten. Ist die etwas reduzierte kognitive Leistung von Kindern mit ADHS eine Folge des Rauschens, oder ist das für Kinder mit ADHS typische sprunghafte eine Folge der reduzierten kognitiven Leistung? Sollte die kognitive Leistung des Kindes gestärkt oder das Rauschen reduziert werden, damit das Kind kognitiv stärker werden kann?

Generell wirft der Entscheidungsprozess, der eine Systemeigenschaft zu sein scheint, viele weitere Fragen auf. Zum Beispiel wäre es interessant, im Längsschnitt zu beobachten, wie schnell und wann genau das Rauschen abnimmt. Sind Menschen, bei denen das Rauschen schneller abnimmt, gesünder als andere oder umgekehrt? Was ist bei Erwachsenen noch Rauschen, was gezielte Exploration oder einfach Neugier, nach dem Motto: „Ich probiere heute ganz bewusst das Knoblaucheis mit Knallzucker“.


Publikation:

Vanessa Scholz, Maria Waltmann, Nadine Herzog, Annette Horstmann, Lorenz Deserno (2024) Decrease in decision noise from adolescence into adulthood mediates an increase in more sophisticated choice behaviors and performance gain. PLoS Biol 22(11): e3002877. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3002877

Kooperation und Förderung: 

Die Studie wurde in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig durchgeführt und unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Lorenz Deserno und Vanessa Scholz vor alten Torbogen des Zentrums für Psychische Gesundheit.
Dr. Vanessa Scholz und Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), zeigen in ihrer neuesten Studie, dass die Zunahme der Komplexität von Prozessen und die Abnahme des Entscheidungsrauschens proportional zusammenhängen. © Kirstin Linkamp / UKW
Kinder und Jugendliche treffen oft impulsive und inkonsistente Entscheidungen, zum Beispiel bei der Auswahl einer Eissorte. Erwachsene hingegen entscheiden überlegter. Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg fand heraus, dass die Fähigkeit zu überlegtem Entscheiden im Jugendalter zunimmt und impulsive Entscheidungen abnehmen. Diese Entwicklung könnte wichtig für komplexere kognitive Prozesse sein, wie in ihrer Studie in PLOS Biology beschrieben. © UKW

Klinische Genetik wird ausgebaut: Prof. Dr. Anke K. Bergmann neu an der Universitätsmedizin Würzburg

UKW wird Teil des bundesweiten Modellvorhabens zur Genomsequenzierung

Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann.
Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann. Foto: UKW / Anke K. Bergmann (privat)

Würzburg. Die Universitätsmedizin Würzburg stärkt die Genommedizin mit Professorin Anke Katharina Bergmann. Sie wurde auf die Professur für Klinische Genetik und Genommedizin an die Medizinische Fakultät berufen. Ihre Tätigkeit in Würzburg hat sie im September 2024 aufgenommen.

In der Krankenversorgung ist sie u.a. an das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZESE) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) angebunden. Zuvor war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

„Gemeinsam mit den anderen Fachdisziplinen möchte ich die Genommedizin noch stärker in die klinische Diagnostik, Prävention und Therapie integrieren. Durch eine genetische Diagnostik und eine klinische Interpretation der jeweiligen Erbinformationen können wir die Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, Krankheitsbilder besser zu verstehen und so dazu beitragen, individuelle Therapien einzuleiten und ggf. zielgereichte Präventionsmaßnahmen für die Patienten und deren Angehörige anbieten“. Damit leiste die klinische Genetik wichtige Voraussetzungen für eine personalisierte Medizin und fördert somit die zukunftsorientierte Ausrichtung des Standorts Würzburg. 

Stärkung der personalisierten Medizin

Der Nutzen personalisierter Medizin zeige sich nicht nur bei den sogenannten „Seltenen“ Erkrankungen, sondern auch bei onkologischen Erkrankungen. Prof. Bergmann: „Speziell in der Krebsmedizin hat die Genomik stark an Bedeutung gewonnen.“ In Hannover baute sie u.a. die nationale genetische Referenzdiagnostik für die akute lymphatische Leukämie (ALL) im Kindesalter auf, der häufigsten Krebserkrankung bei Kindern. Diese Referenzdiagnostik wird nun mit Prof. Dr. Bergmann ebenfalls aus Hannover nach Würzburg wechseln. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das EU-Projekt „CAN.HEAL“, das Teil des europäischen Krebsbekämpfungsplans (EBCP) und dessen Koordination Prof. Bergmann in Hannover inne hatte.

Am UKW stärkt Prof. Bergmann zudem die Teilnahme am bundesweiten Modellvorhaben zur Genomsequenzierung, das ein Ergebnis der Nationalen Strategie für Genommedizin ist. Dabei wird das Erbgut von Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine Seltene erbliche Erkrankung oder Krebserkrankung sequenziert. Dieses Modellvorhaben ist auf fünf Jahre angelegt, aktuell beteiligen sich 27 Universitätskliniken daran. Prof. Bergmann: „Dadurch wird den Patientinnen und Patientinnen eine hochinnovative Diagnostik ermöglicht, gleichzeitig werden neue Erkenntnisse gewonnen, die dann auch auf weitere Krankheitsbilder übertragen werden können, um perspektivisch die Genomsequenzierung auch in die Regelversorgung zu übertragen. Genau diese Translation auch in die Grundlagenforschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für mich eine Stärke der Würzburger Universitätsmedizin.“ Das werde auch einen direkten Einfluss auf die innovative Patientenversorgung haben, so die Genommedizinerin: „Der große Vorteil an der interdisziplinären Verzahnung liegt darin, dass wir so die Sequenzierungsdaten des Erbgutes mit weitere klinischen und diagnostischen Daten zusammenführen können. Das unterstützt die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken enorm.“

„Wichtiger Bestandteil der zukünftigen Medizin“

„Mit der Berufung von Prof. Dr. Bergmann und der kommenden Etablierung des Instituts für klinische Genetik und Genommedizin am UKW werden die bestehenden Möglichkeiten der personalisierten Diagnostik und Therapie konsequent ausgebaut. Damit stärkt sie die enorme Innovationskraft am UKW. Eine Genomsequenzierung kann für betroffene Patienten eine klare Diagnose und gegebenenfalls Therapiemöglichkeit ergeben und damit die Versorgungssituation erheblich verbessern“, betont PD Dr. Tim von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am UKW. Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg, erklärt: „Die klinische Genetik ist ein elementarer Bestandteil für die zukünftige Medizin. Prof. Bergmann wird dieses Fachgebiet hier in Würzburg entscheidend voranbringen. Davon profitieren auch Forschungsprojekte unterschiedlicher Fachdisziplinen. Ebenso wird das Thema mit ihrer Berufung auch in der Lehre enorm gestärkt.“

Zur Person:

Anke Katharina Bergmann war nach ihrem Medizinstudium in Berlin und Paris und ihrer Promotion an der Charité zunächst an der Harvard Universität in Boston, USA, in der Kinderheilkunde tätig. Bereits damals beschäftigte sie sich mit der genetischen Grundlage von Blutkrankheiten. Danach war sie von 2009 bis 2018 am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Kiel in der Kinderheilkunde und der Humangenetik tätig und war in dieser Zeit auch zwischenzeitlich für Forschungsaufenthalte an der Radboud University in Nijmegen, Niederlande.  

Nach ihrer Habilitation und Facharztanerkennung wechselte sie an die Medizinische Hochschule Hannover. Ab 2019 übernahm sie die Leitung des diagnostischen Labors für postnatale (molekulare) Zytogenetik und Molekulargenetik u.a. für Leukämien & Lymphome, insbesondere auch die nationale genetische Referenzdiagnostik für kindliche Blutkrebserkrankungen. Zusätzlich etablierte sie ihre Forschungsgruppe Personalisierte Genomik. Im Jahr 2020 übernahm sie die Leitung des B-Zentrums seltener syndromaler Erkrankungen des Zentrums für seltene Erkrankungen und seit 2021 war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der MHH, eines der größten humangenetischen Institute Deutschlands.
 

Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann.
Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann. Foto: UKW / Anke K. Bergmann (privat)

Für eine optimierte Versorgung bei Kreislaufstillstand

Bei seinem zweiten interdisziplinären Forum wandte sich das Cardiac Arrest Center des Uniklinikums Würzburg erneut an alle, die Anteil an der Behandlung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Stillstand haben. Ziel der Informations- und Netzwerkveranstaltung war es, gemeinsam eine bestmögliche Versorgung dieser kritischen Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern.
Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation ist für die Überlebenschancen der Betroffenen eine bestmögliche Weiterbehandlung von zentraler Bedeutung. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) ist seit dem Jahr 2019 als Cardiac Arrest Center (CAC) zertifiziert. Damit wird bestätigt, dass der größte regionale Maximalversorger in Unterfranken für die Weiterbehandlung von Patientinnen und Patienten nach einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand besonders spezialisiert ist. Aus dieser Rolle heraus will das Würzburger CAC die Therapie nach stattgefundenem Herz-Kreislauf-Stillstand immer weiter verbessern. Dazu gehört es, sowohl die innerklinische Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen, als auch den Kontakt zum Rettungsdienst zu optimieren. Diese Ziele verfolgte auch das „Interdisziplinäre Forum Cardiac Arrest Center“, das am 6. November dieses Jahres zum zweiten Mal stattfand. 

Zwölf Vortragende, 200 Zuhörerinnen und Zuhörer

Rund 200 Teilnehmende aus Rettungsdienst, Ärzteschaft und Pflege kamen dabei im Hörsaal des Zentrums für Operative Medizin des UKW zusammen. Bei der etwa dreistündigen Vortragsveranstaltung breiteten elf Referentinnen und Referenten des UKW sowie ein Kollege des Rhön-Klinikums – Campus Bad Neustadt einen breiten Themenfächer aus. So schuf die Präsentation von aktuellen Fallzahlen und Qualitätsdaten zu inner- und außerklinischen Reanimationen eine wichtige Daten- und Diskussionsbasis. Anschließend beschäftigten sich Vorträge mit Fragen wie: Was können vergleichsweise neue, blutungsstillende Maßnahmen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand bei Schwerstverletzten, also zum Beispiel nach einer massiven Gefäß- oder Organverletzung, leisten? Oder: Welche Faktoren tragen dazu bei, wie gut sich Patientinnen und Patienten von einem Kreislauf-Stillstand erholen – und wie zuverlässig lässt sich dies voraussagen? Abgerundet wurde die abendliche Informations- und Netzwerkveranstaltung durch die Vorstellung von spannenden und informativen Fällen aus der Praxis – unter anderem mit Aspekten wie telefonangeleitete Laienreanimation, gerätegestützte Reanimationsunterstützung oder auch Kriterien für den Abbruch der Reanimation.

Text: Pressestelle / UKW
 

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern.
Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation ist für die Überlebenschancen der Betroffenen eine bestmögliche Weiterbehandlung von zentraler Bedeutung. © Daniel Peter / UKW