Aktuelle Pressemitteilungen

Interprofessionelles Lernen in der virtuellen Realität

Am Universitätsklinikum Würzburg wurde in den vergangenen sechs Monaten eine innovative Pilotstudie zum Virtual Reality (VR)-basierten interprofessionellen Teamtraining durchgeführt, um Medizinstudierende und Auszubildende in Pflegeberufen auf die gemeinsame Bewältigung von Notfallsituationen vorzubereiten. Das Training wird nun in einer multizentrischen Studie an fünf weiteren medizinischen Fakultäten in Deutschland erprobt.

Zwei Personen mit VR-Brillen auf dem Kopf und Sticks in der Hand, im Hintergrund ist das virtuelle Szenario auf dem Monitor angezeigt.
Ein interprofessionelles Team aus Pflegeschüler (links) und Medizinstudentin (rechts) behandelt einen virtuellen Patienten mit Magenblutung. Die Teilnehmenden sehen das Szenario auf ihren VR-Brillen, im Hintergrund wird die Ansicht für das Studienpersonal auf einen Projektor übertragen. © Alexander Zamzow / AG Virtual Reality Simulation / UKW

Würzburg. Die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und ärztlichem Personal ist im klinischen Alltag entscheidend für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten, insbesondere in Notfallsituationen wie etwa bei einem Herzinfarkt oder einer Sepsis. Konventionelle Teamtrainings sind allerdings sehr ressourcen- und personalintensiv. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) hat deshalb in den vergangenen sechs Monaten eine innovative Pilotstudie zum Virtual Reality (VR)-basierten interprofessionellen Teamtraining durchgeführt. In der geschützten Umgebung von VR-Simulationen konnten zwölf Tandems aus Medizinstudierenden und Auszubildenden der Pflegeberufe realitätsnahe Notfallszenarien üben, in denen effektive Kommunikation, klare Rollenverteilung und schnelle Entscheidungsfindung im Vordergrund stehen. Das Training erfolgte nach dem etablierten TeamSTEPPS-Programm, das weltweit zum Erlernen erfolgreicher Teamarbeit im Gesundheitswesen eingesetzt wird.

VR nimmt hohen Stellenwert als Lehrmethode ein

Aufgrund des großen Interesses wird das Konzept ab Januar 2025 an fünf weiteren Universitätskliniken in Deutschland ausgerollt. Dazu gehören die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Medizinische Hochschule Hannover sowie die Universitätskliniken in Homburg, Münster und Oldenburg. „Die nationale Ausweitung bietet uns die Chance, die Wirksamkeit des Trainings unter unterschiedlichen Bedingungen zu prüfen,“ sagt Prof. Dr. Sarah König, Leiterin des Instituts für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung am UKW. „Dass unser Konzept an so vielen Fakultäten auf Interesse stößt, zeigt den hohen Stellenwert, den VR als Lehrmethode mittlerweile einnimmt.“

Skalierbares Werkzeug, um Teamfähigkeit gezielt zu fördern

Dr. Tobias Mühling ergänzt: Sollte die Studie zeigen, dass interprofessionelle VR-Szenarien auch hier wirksam sind, hätten wir in Zukunft ein skalierbares Werkzeug, um Teamfähigkeit gezielt zu fördern. Tobias Mühling leitet die Lehrklinik am UKW und hat die Studie gemeinsam mit der medizinischen Doktorandin Marie Lehmann am Standort durchgeführt. Die Auswertung der multizentrischen Studie wird ab Sommer 2025 ebenfalls in Würzburg stattfinden. 

Wie ist die Aufgabenverteilung in den Notfallszenarien? Grundsätzlich, so Mühling, können in den Notfallszenarien alle Aufgaben von allen Teilnehmenden durchgeführt werden. Die Teilnehmenden werden jedoch ermutigt, die Aufgaben zu übernehmen, die ihrer Rolle entsprechen. Das Pflegepersonal führt beispielsweise eine Ersteinschätzung und eine kurze Übergabe durch, überwacht die Vitalwerte und verabreicht auf Anweisung des ärztlichen Personals Medikamente. Ärztinnen und Ärzte veranlassen Differentialdiagnosen und therapeutische Maßnahmen, Konsile und Verlegungen. 

Die Technologie für das Virtual-Reality-Training stammt aus einer Kooperation des Universitätsklinikums Würzburg mit dem Münchner Start-up-Unternehmen ThreeDee GmbH. Das entwickelte Notfalltrainingsprogramm heißt STEP-VR und wurde bereits in früheren Projekten eingesetzt, zum Beispiel im VR-OSCE und im kürzlich veröffentlichten Projekt zur Erfassung der Notfallkompetenz von Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern (Pressemeldung, Studie).

Finanzielle Unterstützung durch Vogel-Stiftung Dr. Eckernkamp

Tobias Mühling hatte für sein Projekt bereits den mit 25.000 Euro dotierten Forschungsförderpreis der Würzburger Vogel-Stiftung Dr. Eckernkamp erhalten. Für die multizentrische Studie hat die Stiftung weitere 10.000 Euro zur Verfügung gestellt. „Teilhabe am Leben durch Forschung – so lautet unser Stiftungsmotto, und dieses Projekt leistet genau das: Erkenntnisse aus der Forschung über technische Hilfsmittel in der Lehre letztlich direkt in die Anwendung am Menschen zu überführen. Und das auch noch in Notfallsituationen!“, so Dr. Gunther Schunk, Vorstand der Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp.
 

Zwei Personen mit VR-Brillen auf dem Kopf und Sticks in der Hand, im Hintergrund ist das virtuelle Szenario auf dem Monitor angezeigt.
Ein interprofessionelles Team aus Pflegeschüler (links) und Medizinstudentin (rechts) behandelt einen virtuellen Patienten mit Magenblutung. Die Teilnehmenden sehen das Szenario auf ihren VR-Brillen, im Hintergrund wird die Ansicht für das Studienpersonal auf einen Projektor übertragen. © Alexander Zamzow / AG Virtual Reality Simulation / UKW

Filmvorführung und Diskussion: „Gretas Geburt“ am 16. Januar im Bürgerbräu

Den Anstoß, den Film auch in Würzburg zu zeigen, gab Prof. Dr. Ulrich Pecks, Professor für Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft und Leiter der Geburtshilfe am Universitätsklinikum Würzburg (UKW).

Die Regisseurin des Films, Katja Baumgarten, kommt am 16. Januar zur Vorführung und anschließenden Diskussion nach Würzburg. Fotonachweis: Viktoria11.de / Dokumentarfilm
Die Regisseurin des Films, Katja Baumgarten, kommt am 16. Januar zur Vorführung und anschließenden Diskussion nach Würzburg. Fotonachweis: Viktoria11.de / Dokumentarfilm

Würzburg. Am 16. Januar 2025, wird im Kino Central im Würzburger Bürgerbräu der Dokumentarfilm „Gretas Geburt“ gezeigt. Der Film begleitet u.a. ein Gerichtsverfahren, in dem es um den Tod eines Mädchens geht, das bei der Geburt verstirbt. Die Geburtshelferin, Ärztin und Hebamme, wird im Prozess u.a. zu sechs Jahren und sechs Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Ein solches Urteil nach einem tragischen Ausgang einer Geburt hatte es bislang nicht gegeben. Zur Vorführung kommt auch die Regisseurin des Films, Katja Baumgarten, nach Würzburg. Im Anschluss an den Film gibt es eine Diskussionsrunde mit verschiedenen Expertinnen und Experten der Geburtshilfe aus Würzburg.

Den Anstoß, den Film auch in Würzburg zu zeigen, gab Prof. Dr. Ulrich Pecks, Professor für Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft und Leiter der Geburtshilfe am Universitätsklinikum Würzburg (UKW): „Der Film, die gezeigten Schicksale und die darin gestellten Fragen bewegen natürlich viele Menschen besonders aus der Geburtshilfe und aus der Hebammenwissenschaft. Darum war es mir wichtig, dass wir hier auch eine Diskussion nach der Vorführung anbieten können.“ Prof. Pecks leitet auch das Institut für Hebammenwissenschaften an der Universitätsmedizin Würzburg. Seit 2022 wird der Studiengang Hebammenwissenschaften in Würzburg angeboten.

Regisseurin arbeitete selbst als Hebamme

Der Film „Gretas Geburt“ erhielt 2023 den Preis für den besten deutschsprachigen Dokumentarfilm beim „DOK.fest.“ in München. Regisseurin Katja Baumgarten hat selbst 30 Jahre als Hebamme gearbeitet, sie arbeitet seit 1992 auch Regisseurin und Produzentin eigener Dokumentarfilme und ist auch als Journalistin tätig. 

Neben der Regisseurin und Prof. Pecks nehmen folgende Personen an der Diskussion teil: Prof. Dr. phil. Sabine Schlegelmilch, Kommissarische Lehrstuhlleitung des Instituts für Geschichte der Medizin der JMU Würzburg, Kathrin Dürr, Hebamme am mainGeburtshaus in Würzburg und Monika Gevers, M. Sc. Hebamme, Institut für Hebammenwissenschaft, Universitätsmedizin Würzburg.

Termin: Film „Gretas Geburt“ mit anschließender Diskussion

16. Januar 2025, 19.30, Central im Bürgerbräu, Kino

Karten online hier.

Weitere Informationen und Hintergründe zum Film: www.gretas-geburt.de

 

 

COVIDOM+: Millionenförderung für die molekulare Erforschung der Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung

4,9 Millionen Euro Förderung für bundesweiten Forschungsverbund zur Aufklärung des Post-COVID-Syndroms im Vergleich zu anderen infektiösen Atemwegserkrankungen

Peter Heuschmann in schwarzem Jacket und Stefan Störk in weißem Kittel vor einem Wandgemälde, das ein Herz darstellt, aus dem Blumen wachsen.
Prof. Dr. Peter Heuschmann (links) und Prof. Dr. Stefan Störk leiten am Uniklinikum Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße, in der nun auch die Studie COVIDOM+ durchgeführt wird. © Daniel Peter / UKW
Eine Patientin sitzt in einer Kabine mit Maske vor dem Mund, eine Nurse leitet sie an, kräftig auszuatmen.n.
Zur COVIDOM-Studie gehört auch ein Lungenfunktionstest. Dabei wird die Leistungsfähigkeit der Lunge beim Einatmen und Ausatmen überprüft. © Romana Kochanowski / UKW
Links im Anschnitt ist der Oberkörper eines liegenden Mannes zu sehen, von hinten ein Arzt, der eine Echokardiografie durchführt, in der Mitte des Bildes der Monitor mit Ultraschallbildern und Daten.
Die Echokardiografie, auch Herzecho genannt, ist eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, die wichtige Informationen über die Struktur des Herzens und seine Leistungsfähigkeit liefert. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Die COVIDOM-Studie hat gezeigt, dass dem Entzündungssturm einer akuten COVID-19-Erkrankung häufig das Post-COVID-Syndrom (PCS) folgt. Das PCS umfasst eine Vielzahl von Symptomen, die die Betroffenen im Alltag zum Teil stark einschränken. Typisch sind chronische Erschöpfung bis hin zur Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) sowie Konzentrationsstörungen (Brain Fog), Atemnot und eingeschränkte Leistungsfähigkeit auch nach mildem Verlauf. Diese Beschwerden können Wochen bis Monate anhalten und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Weitere häufige Symptome wie Muskelschmerzen und Schlafstörungen führen in der Folge oft zu einer starken psychischen Belastung. Die Vielzahl und Überlappung der Symptome erschweren die Diagnose und die Abgrenzung zu anderen Syndromen.

Post-COVID verstehen: Ziele der Studie COVIDOM+ 

In der Folgestudie COVIDOM+ wollen die Universitätskliniken Kiel, Berlin und Würzburg nun die langfristigen gesundheitlichen Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere das PCS, untersuchen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fördert COVIDOM+ mit insgesamt 4,9 Millionen Euro für die Projektjahre 2025 und 2026. Damit knüpft COVIDOM+ nahtlos an COVIDOM an, das als populations-basierte Plattform im Rahmen des Nationalen Pandemie-Kohorten-Netzwerks (NAPKON) über das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde.

Die bereits etablierte bevölkerungsbasierte COVIDOM-Kohorte umfasst 3.634 mit SARS-CoV-2 infizierte Personen, die in den Regionen Schleswig-Holstein, Unterfranken und Berlin-Neukölln mit Hilfe der lokalen Gesundheitsämter rekrutiert wurden. 

Score zur Einschätzung des Schweregrads des PCS 

„Das COVIDOM-Projekt lieferte kontinuierlich neue und wichtige Erkenntnisse: Wir kennen jetzt die Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Post-Covidom-Syndroms bestimmen; ein Score zur Einschätzung des Schweregrads des PCS ist in die Routine eingeführt und die Rolle von depressiver Verstimmung und Fatigue ist genau charakterisiert. Diese Forschungsergebnisse helfen uns direkt, die Versorgung dieser wichtigen Patientengruppe zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Stefan Störk, der am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) die Forschungsprofessur Klinische Forschung und Epidemiologie innehat. Gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B), leitet Stefan Störk auf dem Gelände des Uniklinikums Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße am DZHI, in der neben COVIDOM auch andere Studien, wie STAAB und STAAB-COVID durchgeführt werden. 

Würzburger STAAB-Studienteilnehmende sind wertvolle Kontrollgruppe 

„Schon während der Pandemie haben wir in Würzburg bedeutende Strukturen auf- und ausgebaut, die jetzt für die Analyse spezifischer Langzeitfolgen sehr hilfreich sind. So wurden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der STAAB-Studie, einer populationsbasierten Studie zu frühen Stadien der Herzinsuffizienz, zur STAAB-COVID-Studie eingeladen. Viele von ihnen hatten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses noch keine COVID-Infektion, so dass sie als wertvolle Kontrollgruppe für die Unterscheidung zu COVID- und Pandemie-spezifischen Verläufen dienen“, erklärt Peter Heuschmann. 

Neue Erkenntnisse für die Entwicklung klinischer Leitlinien 

„Die Nachfolgestudie COVIDOM+ soll uns helfen, die Häufigkeit, Schwere und Langzeitfolgen des Post-COVID-Syndroms besser zu verstehen. Wir wollen herausfinden, wie Infektionszeitpunkt, Impfstatus und Krankheitsverlauf, aber auch bestehende Vorerkrankungen die Entwicklung von PCS beeinflussen und dabei unterschiedliche Ausprägungen, sogenannte Phänotypen, erkennen und diese von anderen postinfektiösen Erkrankungen wie dem chronischen Erschöpfungssyndrom abgrenzen“, erklärt Prof. Dr. Jan Heyckendorf, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, und Projektleiter von COVIDOM+. „Die gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Entwicklung klinischer Leitlinien beitragen und die Versorgung der Betroffenen durch präzisere Diagnose- und Behandlungskonzepte verbessern“, ergänzt PD Dr. Thomas Bahmer, Co-Studienleiter von COVIDOM+.

Für eine präzise Langzeitbeobachtung umfasst die Studie mehrere Nachuntersuchungen, die im jährlichen Abstand nach dem ersten Untersuchungstermin stattfinden. Hierüber können Veränderungen bezüglich des Verlaufs des Post-COVID-Syndroms (PCS) systematisch dokumentiert werden. Dazu werden umfassende Gesundheitsdaten und biologische Proben wie Blut, Speichel und Stuhl archiviert, die eine detaillierte molekulare und klinische Analyse der Auswirkungen von PCS ermöglichen.

Weitere Informationen zu COVIDOM und Publikationen finden Sie hier
 

Peter Heuschmann in schwarzem Jacket und Stefan Störk in weißem Kittel vor einem Wandgemälde, das ein Herz darstellt, aus dem Blumen wachsen.
Prof. Dr. Peter Heuschmann (links) und Prof. Dr. Stefan Störk leiten am Uniklinikum Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße, in der nun auch die Studie COVIDOM+ durchgeführt wird. © Daniel Peter / UKW
Eine Patientin sitzt in einer Kabine mit Maske vor dem Mund, eine Nurse leitet sie an, kräftig auszuatmen.n.
Zur COVIDOM-Studie gehört auch ein Lungenfunktionstest. Dabei wird die Leistungsfähigkeit der Lunge beim Einatmen und Ausatmen überprüft. © Romana Kochanowski / UKW
Links im Anschnitt ist der Oberkörper eines liegenden Mannes zu sehen, von hinten ein Arzt, der eine Echokardiografie durchführt, in der Mitte des Bildes der Monitor mit Ultraschallbildern und Daten.
Die Echokardiografie, auch Herzecho genannt, ist eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, die wichtige Informationen über die Struktur des Herzens und seine Leistungsfähigkeit liefert. © Kirstin Linkamp / UKW

Neue Erkenntnisse zur Fibromyalgie beim Mann

Die Würzburger Neurologin Prof. Dr. Nurcan Üçeyler liefert mit ihrem Team in einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie, die in der Fachzeitschrift Pain Reports veröffentlichte wurde, detaillierte Daten zur Schmerzphänotypisierung und zur Pathologie der kleinkalibrigen Nervenfasern in einer Kohorte von Männern mit Fibromyalgie-Syndrom. Ihr Team zeigt zum ersten Mal, dass auch bei Subgruppen von Männern mit FMS eine Kleinfaserpathologie vorliegt, die mit dem Schweregrad der Schmerzen und dem Nervenfaserverlust in der Hornhaut korreliert.

Nurcan Üceyler und Betty Feulner sitzen in weißen Kitteln am Besprechungstisch - Betty Feulner hält ein Messgerät auf die Hand von Nurcan Üceyler.
Assistenzärztin Betty Feulner (rechts) hat im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, leitende Oberärztin in der Neurologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), Daten zur Schmerzphänotypisierung und zur Pathologie der kleinkalibrigen Nervenfasern in einer Kohorte von Männern mit Fibromyalgie-Syndrom analysiert. Hier im Labor für quantitative sensorische Testung, Betty Feulner hält eine so genannte Thermode auf den Handrücken von Nurcan Üçeyler. © Julia Grüner / UKW
Zwei Hauptproben werden gegenübergestellt
Die Abbildungen zeigen mittels Stanzbiopsie gewonnene Hautproben von Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Der Patient auf der linken Seite weist eine normale Hautinnervation auf, während auf der rechten Seite die intraepidermale Nervenfaserdichte reduziert ist. © Franziska Karl-Schöller / UKW

Würzburg. Weltweit sind etwa zwei bis vier Prozent der Bevölkerung vom Fibromyalgie-Syndrom (FMS) betroffen. Da die Symptome unspezifisch sind und die Diagnose schwierig ist, wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, chronischer Müdigkeit und Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen und vegetativen Beschwerden. Psychische Belastungen wie Depressionen und Angststörungen sind häufige Begleiter. Das FMS ist nicht heilbar, aber individuell angepasste Therapien wie Bewegung, Schmerzmanagement und psychologische Unterstützung können die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in Häufigkeit, Symptomschwere und Diagnostik

Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, leitende Oberärztin in der Neurologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), und ihr Team gewannen jetzt wichtige Erkenntnisse auf der Suche nach objektiven und messbaren Biomarkern für die Diagnose und Therapie bei Männern mit FMS. Das Fibromyalgie-Syndrom unterscheidet sich deutlich zwischen den Geschlechtern, was die Häufigkeit, die Schwere der Symptome und den Weg zur Diagnose betrifft. So ist die Mehrzahl der Betroffenen Frauen, allerdings wird auch von einer hohen Fallzahl unter Männern ausgegangen, die in wissenschaftlichen Studien zur Fibromyalgie allerdings meist unterrepräsentiert sind. Die Unterschiede verdeutlichen, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische Ansätze in der Behandlung und Diagnostik zu berücksichtigen, um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern.

Beim Fibromyalgie-Syndrom sind kleine schmerzleitende Nervenfasern – small fibers - geschädigt

Die Arbeitsgruppe Üçeyler wies bereits vor elf Jahren nach, dass bei Frauen mit FMS die kleinkalibrigen schmerzleitenden Nervenfasern, die so genannten small fibers, geschädigt sind (Studie und Pressemeldung). Nun erweiterte die AG mit ihrer rein männlichen Kohorte das Verständnis der Pathophysiologie des Schmerzes bei FMS, indem sie bei Männern den Schmerz charakterisierten und die Nervenfasern auf morphologischer und funktioneller Ebene bewerteten. Die Ergebnisse der Studie „Pain and small fiber pathology in men with fibromyalgia syndrome” wurden in der Fachzeitschrift Pain Reports veröffentlicht.

In dem von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) teilgeförderten Projekt wurden 42 Männer mit FMS in einem umfassenden Untersuchungsprogramm unterzogen, das ein schmerzbezogenes Interview, eine Fragebogenerhebung, eine neurologische Untersuchung, elektrophysiologische Tests sowie spezielle Untersuchungen der kleinkalibrigen Nervenfasern, konkret der dünn-myelinisierten Aδ- und der unmyelinisierten C-Nervenfasern, umfasste. Die Untersuchung der small fibers, die für die Schmerzwahrnehmung und das Temperaturempfinden verantwortlich sind und deren Endigungen in der Haut lokalisiert sind, beinhaltete die Entnahme von Hautstanzbiopsien, die korneale konfokale Mikroskopie, bei der die Morphologie der kleinen Nervenfasern in der Hornhaut analysiert wurde, sowie die quantitative sensorische Testung, bei der die Reaktionsfähigkeit des Patienten auf Reize untersucht wurde.

Je stärker die Nerven in der Haut betroffen sind, desto umfassender scheinen die Schmerzsymptome zu sein

„Wir fanden heraus, dass Männer mit FMS vor allem über generalisierte und dauerhafte Schmerzen mit zusätzlichen Schmerzattacken und meist drückendem Schmerzcharakter berichten“, berichtet Nurcan Üçeyler. 
Im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen war bei Männern mit FMS die Nervenversorgung sowohl in der Haut als auch in der Hornhaut des Auges reduziert, was auf eine neurologische Beteiligung bei FMS hinweist. Auch die Funktion der kleinen Nervenfasern war im Vergleich zu gesunden Männern beeinträchtigt. Männer mit FMS benötigten stärkere Reize, um Wärme oder Kälte wahrzunehmen, und einen stärkeren Druck, um Schmerzen auszulösen.

„Interessanterweise ergab eine Korrelationsanalyse, dass Patienten mit FMS und reduzierter Hautinnervation über Schmerzen in mehr Körperregionen berichteten als Personen mit normaler Hautnervenversorgung“, erzählt die Erstautorin Betty Feulner, die die Studie im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit in der Arbeitsgruppe durchgeführt hat und jetzt auch als Assistenzärztin an der Neurologischen Klinik tätig ist. Dies sei ein wichtiger Befund, der auf einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der kutanen Denervierung, also der Reduzierung der Hautnerven, und der Symptomlast hindeute. Mit anderen Worten: Je stärker die Nerven in der Haut betroffen sind, desto ausgeprägter scheinen die Schmerzsymptome zu sein. Weitere Untersuchungen sollen Weg in die klinische Praxis ebnen

Damit zeigt das Team aus der Neurologie in Zusammenarbeit mit Privatdozent Daniel Kampik von der Würzburger Augenklinik und Prof. Rayaz A. Malik von Weill Cornell Medicine in Doha (Katar) erstmals, dass auch bei Untergruppen von Männern mit FMS eine Kleinfaserpathologie vorliegt, die mit der Schmerzintensität und dem Nervenfaserverlust in der Hornhaut korreliert. „Auch wenn wir unsere Ergebnisse noch nicht direkt in die Klinik übertragen können, so liefern wir doch wichtige Erkenntnisse auf der Suche nach objektiven und messbaren Biomarkern für die Diagnostik und Therapie von FMS“, fasst Nurcan Üçeyler zusammen. Entscheidend wird nun sein, den diagnostischen und therapeutischen Wert der Ergebnisse weiter zu untersuchen, um den Weg in die klinische Praxis zu ebnen.

Publikation:
Feulner, Betty; Gross, Franziska; Evdokimov, Dimitar; Malik, Rayaz A.; Kampik, Daniel; Üçeyler, Nurcan,*. Pain and small fiber pathology in men with fibromyalgia syndrome. PAIN Reports 9(6):p e1212, December 2024. | DOI: 10.1097/PR9.0000000000001212

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Nurcan Üceyler und Betty Feulner sitzen in weißen Kitteln am Besprechungstisch - Betty Feulner hält ein Messgerät auf die Hand von Nurcan Üceyler.
Assistenzärztin Betty Feulner (rechts) hat im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, leitende Oberärztin in der Neurologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), Daten zur Schmerzphänotypisierung und zur Pathologie der kleinkalibrigen Nervenfasern in einer Kohorte von Männern mit Fibromyalgie-Syndrom analysiert. Hier im Labor für quantitative sensorische Testung, Betty Feulner hält eine so genannte Thermode auf den Handrücken von Nurcan Üçeyler. © Julia Grüner / UKW
Zwei Hauptproben werden gegenübergestellt
Die Abbildungen zeigen mittels Stanzbiopsie gewonnene Hautproben von Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Der Patient auf der linken Seite weist eine normale Hautinnervation auf, während auf der rechten Seite die intraepidermale Nervenfaserdichte reduziert ist. © Franziska Karl-Schöller / UKW

Personalia vom 17. Dezember 2024 +++ Wir gratulieren!

Hier lesen Sie Neuigkeiten aus dem Bereich Personal: Neueinstellungen, Dienstjubiläen, Forschungsfreisemester und mehr.

Dr. Julius Frederik Heidenreich, Oberarzt, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, wurde mit Wirkung vom 04.12.2024 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Radiologie“ erteilt.

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 17.12.2024

Ein schnelles Ende für mRNA

Forschende der Universität Würzburg haben einen Prozess entdeckt, der mRNA-Moleküle im menschlichen Körper besonders effizient abbaut. Etwa für die Behandlung von Krebs könnte das von Nutzen sein.

Schematische Darstellung eines Ribosoms (hier lachsfarben), das sich entlang einer mRNA bewegt (gewundene Struktur, hier lila-bläulich) und auf Basis der darin enthaltenen Information ein Protein formt (stabförmige Struktur, hier dunkellila, ragt aus dem Ribosom hervor). (Bild: Ozgu Arslan / iStockphoto.com)
Schematische Darstellung eines Ribosoms (hier lachsfarben), das sich entlang einer mRNA bewegt (gewundene Struktur, hier lila-bläulich) und auf Basis der darin enthaltenen Information ein Protein formt (stabförmige Struktur, hier dunkellila, ragt aus dem Ribosom hervor). (Bild: Ozgu Arslan / iStockphoto.com)

Sie sind so etwas wie die Architekten unseres Körpers: Messenger-Ribonukleinsäuren, kurz mRNA. In ihrem Inneren enthalten sie detaillierte Baupläne für Proteine, die von ihren „Kollegen“, den Ribosomen, gelesen und umgesetzt werden. Ohne die Proteine in unseren Körpern könnten wir Menschen nicht überleben – sie steuern unsere Zellteilung, sorgen für ein starkes Immunsystem und machen unsere Zellen widerstandsfähig gegen Angriffe von außen.

Wie im „echten Bauwesen“ sind auch auf Zellebene bei bestimmten Bauplänen zusätzliche Arbeitsanweisungen erforderlich – zum Beispiel, weil ein Protein besonders schnell hergestellt werden muss oder weil der Bauplan fehlerhaft ist. In unserem Inneren übernehmen diese Rolle sogenannte RNA-Modifikationen, kleine chemische Veränderungen, ähnlich ergänzenden Kommentaren, die sich an einzelne Bestandteile der mRNA anheften.

Neuer Abbauprozess für mRNA aufgedeckt

Mit einer speziellen Modifikation, dem N6-Methyladenosin (kurz m6A), haben sich jetzt Forschende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) beschäftigt. „Interessant für die Wissenschaft ist m6A deshalb, weil diese Modifikation häufig bei Menschen verändert ist, die unter Stoffwechselstörungen, Krebs oder Herzerkrankungen leiden“, erklärt Bioinformatikerin Kathi Zarnack. „Seine Funktion: Wenn m6A an eine mRNA geheftet ist, löst dies den Abbau der mRNA aus, sobald die ersten Proteine nach dem enthaltenen Bauplan hergestellt wurden. Das ist besonders wichtig für Proteine, von denen keinesfalls zu viele hergestellt werden dürfen, weil dies schädlich für die Zelle wäre.“ Diesen Abbauprozess haben die Würzburger Forschenden nun weltweit als erste entdeckt und beobachtet: Er koppelt den Abbau einer mRNA direkt an die produzierten Proteine und geht deutlich schneller und effizienter vonstatten als bisher bekannte Mechanismen zum Abbau von mRNA.

Entscheidend ist, dass dieser besondere Abbauweg nur dann funktioniert, wenn m6A in bestimmten Regionen der mRNA sitzt. „Kommentiert“ werden von m6A vor allem die Baupläne für Proteine, die an der Ausdifferenzierung von Zellen beteiligt sind – die also festlegen, ob eine Zelle als Nervenzelle, Muskelzelle, Hautzelle oder einer anderen Form existieren wird.

Medikamente, die die Anheftung von m6A an mRNA steuern, könnten sich diesen Prozess zunutze machen. Indem sie m6A gezielt unterdrücken, ließen sich verstärkt Proteine mit erwünschten Funktionen produzieren – und umgekehrt die Produktion unerwünschter Proteine hemmen. Das Problem: Bislang waren die Effekte solcher Medikamente für die Wissenschaft nur schwer vorhersagbar, weil unbekannt war, in welchen Regionen der mRNA die m6A-Modifikation sitzen muss, um den Abbau auszulösen. „Mit unserer Studie tragen wir nun zu einem besseren Verständnis und einer genaueren Vorhersage bei, welche mRNA besonders auf diese Wirkstoffe reagieren“, so Biochemiker und RNA-Biologe Julian König, Zarnacks Kollege.

Nächste Schritte in der Forschung

Künftig wollen die Forschenden noch detaillierter untersuchen, wie der Abbau von mit m6A gekennzeichneter mRNA vonstattengeht, zum Beispiel woran genau Ribosomen die Modifikation erkennen. Zusätzlich soll es darum gehen, wie sich der gezielte mRNA-Abbau durch m6A klinisch nutzbar machen lässt.

Beteiligt an der Studie waren neben den Würzburger Forschenden das Institut für Molekulare Biologie (IMB) Mainz und die Goethe Universität Frankfurt. Das Projekt wird im Rahmen des Sonderforschungsbereichs TRR 319 „RMaP: RNA Modifikation und Prozessierung“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.

Zur Studie

m6A sites in the coding region trigger translation-dependent mRNA decay. You Zhou, Miona Ćorović, Peter Hoch-Kraft, Nathalie Meiser, Mikhail Mesitov, Nadine Körtel, Hannah Back, Isabel S. Naarmann-de Vries, Kritika Katti, Aleš Obrdlík, Anke Busch, Christoph Dieterich, Štěpánka Vaňáčová, Martin Hengesbach, Kathi Zarnack, Julian König. Molecular Cell. 21. November 2024. DOI: 10.1016/j.molcel.2024.10.033

Kontakt

Prof. Dr. Kathi Zarnack, Leiterin des Lehrstuhls für Bioinformatik II, Tel. +49 931 31-81878, kathi.zarnack@ uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Julian König, Leiter des Lehrstuhls für Biochemie und RNA-Biologie, Tel. +49 931 31-84730, julian.koenig@ uni-wuerzburg.de

Text: Sebastian Hofmann, einBLICK 17.12.2024, Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Schematische Darstellung eines Ribosoms (hier lachsfarben), das sich entlang einer mRNA bewegt (gewundene Struktur, hier lila-bläulich) und auf Basis der darin enthaltenen Information ein Protein formt (stabförmige Struktur, hier dunkellila, ragt aus dem Ribosom hervor). (Bild: Ozgu Arslan / iStockphoto.com)
Schematische Darstellung eines Ribosoms (hier lachsfarben), das sich entlang einer mRNA bewegt (gewundene Struktur, hier lila-bläulich) und auf Basis der darin enthaltenen Information ein Protein formt (stabförmige Struktur, hier dunkellila, ragt aus dem Ribosom hervor). (Bild: Ozgu Arslan / iStockphoto.com)

Anhaltender Rückenwind für die Schmerzforschung

DFG VERLÄNGERT FÖRDERUNG DER KLINISCHEN FORSCHUNGSGRUPPE RESOLVEPAIN (KFO 5001) AM UNIKLINIKUM WÜRZBURG (UKW)

Bereits seit vier Jahren erforscht die Klinische Forschungsgruppe (KFO 5001) ResolvePAIN die peripheren Mechanismen des Schmerzes und seiner Rückbildung - zur vollsten Zufriedenheit der Gutachterinnen und Gutachter. Nun unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Forscherinnen und Forscher in einer zweiten Förderperiode mit insgesamt über 8 Millionen Euro für weitere vier Jahre. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), die mit der Universität Leipzig, der Charité Universitätsmedizin Berlin und dem Mercator Fellow in Rochester New York kooperiert, wird von Professorin Dr. Heike Lydia Rittner geleitet, Sprecherin ist Professorin Dr. Claudia Sommer.

Das Bild zeigt Claudia Sommer und Heike Rittner freudestrahlend nach der Begutachtung, mit Blumen und Sektglas in den Händen.
Die Sprecherin von ResolvePAIN, Professorin Dr. Claudia Sommer (links) und die wissenschaftliche Leiterin der Forschungsgruppe, Professorin Dr. Heike Lydia Rittner freuen sich über die Finanzierung der zweiten Förderperiode durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). © Prof. Alexander Brack / UKW

Würzburg. Eine so enge Verknüpfung von klinischer und Grundlagenforschung in der Schmerzmedizin mit einer innovativen Fragestellung gebe es nirgendwo sonst in Europa, war eine der zahlreichen Rückmeldungen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) berufenen Gutachter, nachdem sie sich zum Ende der ersten Förderperiode ein Bild von der Klinischen Forschungsgruppe (KFO 5001) ResolvePAIN gemacht hatten. Schmerzen auflösen, der Name ist Programm. Konkret will die Forschungsgruppe verstehen, wie Schmerzen nach einer Nervenschädigung wieder abklingen. „Solche Nervenschäden können verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine Chemotherapie, die Operation eines Narbenbruchs, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom oder Erkrankungen des Immunsystems, die die Nerven angreifen. Wir untersuchen sowohl die zugrundeliegenden biologischen Prozesse, die zur Schmerzlinderung beitragen, als auch Faktoren, die vorhersagen können, ob und wie schnell sich der Schmerz zurückbildet“, sagt Professorin Dr. Heike Rittner, Inhaberin des Lehrstuhls für Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Würzburg und wissenschaftliche Leiterin der Forschungsgruppe. Sprecherin von ResolvePAIN ist die leitende Oberärztin der Neurologie, Professorin Dr. Claudia Sommer.

Interdisziplinäres Team aus Würzburg, Leipzig, Berlin und New York

21 Forscherinnen und Forscher aus Wissenschaft und Klinik widmen sich bei ResolvePAIN in neun Arbeitsgruppen und einem zentralen Serviceprojekt interdisziplinär und mit differenzierten Fragestellungen den Mechanismen des Schmerzes und seiner Rückbildung. Aus Würzburg sind der Lehrstuhl Schmerzmedizin sowie die Kliniken beziehungsweise Institute für Anästhesiologie, Neurologie, Chirurgie, Innere Medizin, Neuroradiologie, Psychiatrie und Klinische Neurobiologie beteiligt.
Als Kooperationspartner konnten das Institut für Biologie, Tier- und Verhaltensphysiologie der Universität Leipzig, das Institut für Klinische Physiologie - Ernährungsmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin sowie das Department of Psychiatry des University of Rochester Medical Center in New York gewonnen werden. Als so genannter Mercator Fellow unterstützt Prof. Paul Geha aus den USA für zwei Monate im Jahr die Forschungsgruppe bei der Suche nach im funktionellen MRT sichtbaren Korrelaten chronischer Schmerzen und deren Rückbildung im Gehirn.

Brücken zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung 

Derzeit laufen verschiedene klinische Studien zu Nervenschädigungen durch Chemotherapien, Narbenhernienoperationen, dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom oder Autoimmunneuropathien. Ergänzend wird intensive Grundlagenforschung betrieben: Sie reicht von Untersuchungen an der Fruchtfliege zu Mechanismen im Rückenmark über Zell- und Gewebemodelle wie Neuronen aus IPS-Zellen, 3D-Modelle der Spinalganglien und Barrieremodelle bis hin zu präklinischen Studien zur Nervenschädigung, zum Beispiel bei Barrieren oder der Bortezomib-induzierten Polyneuropathie. Weitere Schwerpunkte sind neuroimmune Mechanismen sowie zentrale Prozesse und die Interaktion zwischen peripherem und zentralem Nervensystem, die mit Methoden wie fMRI, sozialen Interventionen, 7-Tesla-MRT und Mikroneurographie untersucht werden. 

Ärztinnen und Ärzte, die sich neben ihrer klinischen Tätigkeit auch wissenschaftlich engagieren wollen, erhalten in den Clinician and Advanced Clinician Scientist Programmen Freiräume für ihre Forschung. „Durch die Ausbildung forschungsorientierter Ärztinnen und Ärzte können wir langfristig Brücken zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung schlagen”, sagt Heike Rittner. Sie ist stolz auf ihre engagierten und gemischten Teams. Bis auf eine Ausnahme ist bei jedem Projekt auch eine Frau in der Projektleitung. 

8 Millionen Euro für weitere 4 Jahre 

Die bisherigen Strukturen, Projekte und Ergebnisse haben die Jury überzeugt. Die DFG unterstützt die Forscherinnen und Forscher in einer zweiten Förderperiode mit über acht Millionen Euro für weitere vier Jahre. 
„Das ist eine einmalige Chance, in dem großen Team der Kliniker:innen und Wissenschaftler:innen die Schmerzforschung sowohl mechanistisch als auch diagnostisch voranzubringen, so dass am Ende den Patientinnen und Patienten mit diesen Erkrankungen passgenau besser geholfen werden kann. Das wird die Universitätsmedizin Würzburg und das Zentrum für interdisziplinäre Schmerzforschung national und international weit sichtbar machen“, freut sich Claudia Sommer. 

Forschungsgruppen der DFG

Mit der Förderung von Forschungsgruppen ermöglicht die DFG Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihres Faches zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Sie werden bis zu acht Jahre gefördert. Von den derzeit über 200 geförderten Forschungsgruppen sind zwölf Klinische Forschungsgruppen (KFO), die sich durch eine enge Verzahnung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit auszeichnen. Im Dezember hat der Hauptausschuss der DFG beschlossen, acht neue Forschungsgruppen einzurichten und die Förderung von zwei weiteren Forschungsgruppen sowie einer KFO zu verlängern (Pressemeldung der DFG).

Link zur Klinischen Forschungsgruppe (KFO5001).
Zu den Porträts von Heike Rittner und Claudia Sommer in der Serie #WomenInScience.

Text: Kirstin Linkamp / UKW
 

Das Bild zeigt Claudia Sommer und Heike Rittner freudestrahlend nach der Begutachtung, mit Blumen und Sektglas in den Händen.
Die Sprecherin von ResolvePAIN, Professorin Dr. Claudia Sommer (links) und die wissenschaftliche Leiterin der Forschungsgruppe, Professorin Dr. Heike Lydia Rittner freuen sich über die Finanzierung der zweiten Förderperiode durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). © Prof. Alexander Brack / UKW