Muttermilchmanagement & Co.

Anlässlich der Weltstillwoche informiert das Uniklinikum Würzburg (UKW) über die Vorteile des Stillens für Mutter und Kind, das Gold der Muttermilch, und die Goldwerte Unterstützung von Stillberaterinnen, Hebammen und Pflegefachkräften in Frauen- und Kinderklinik.

Die Weltstillwoche wird seit 1991 jedes Jahr in 120 Ländern abgehalten und unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF unterstützt. In Deutschland findet sie immer in der 40. Kalenderwoche statt, in diesem Jahr vom 2. bis 8. Oktober. Mit der Weltstillwoche soll das Stillen als natürliche und selbstverständliche Ernährung für Säuglinge in den Mittelpunkt gestellt und über die positiven Effekte des Stillens informiert werden. Ein Anliegen, das das Universitätsklinikum Würzburg mit vereinten Stimmen und Kräften unterstützt. 

Vorteile für Mutter und Kind 

Muttermilch ist die ideale Nahrung für Säuglinge. Sie ist optimal an die individuellen Bedürfnisse angepasst und deckt im ersten Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit, die für ein gesundes Heranwachsen benötigt werden. 
Zudem unterstützt die Muttermilch die Bildung des kindlichen Immunsystems und stärkt die Darmflora. Einen Grund dafür hat Prof. Dr. Dorothee Viemann, Leiterin der Translationalen Pädiatrie in Würzburg, herausgefunden: Spezielle Moleküle, so genannte Alarmine, sind für die positive Wirkung verantwortlich. Sie seien das Gold der Muttermilch. Die Proteine sorgen dafür, dass eine optimale Bakterienvielfalt im Darm entsteht, die ein Leben lang bleibt und gegen viele Krankheiten, die mit einer Störung der Darmbesiedlung zusammenhängen, schützt. Die präventive Wirkung des Stillens ist laut Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) wissenschaftlich belegt: Gestillte Kinder haben eine geringere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht oder den plötzlichen Kindstod und erkranken seltener an Mittelohrentzündungen, Magen-Darm- und Atemwegsinfekten. 

Nicht nur das Kind, auch die Mutter profitiert von der Brusternährung. Stillende Mütter erkranken seltener an Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen sowie an Brust- oder Eierstockkrebs. Außerdem erreichen sie schneller wieder das Gewicht vor der Schwangerschaft. Darüber hinaus fördert das Stillen die enge Bindung zwischen Mutter und Kind.

Optimale Stilldauer: 4 oder 6 Monate ausschließlich stillen? 

Die optimale Stilldauer steht derzeit auf dem Prüfstand. Die WHO empfiehlt 6 Monate ausschließliches Stillen. Die Nationale Stillkommission (NSK), die beim Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, angesiedelt ist und bei der Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik am UKW, Leitlinienmitglied ist, untersucht derzeit die Empfehlung für die deutsche Leitlinie. Sollten Säuglinge vier oder sechs Monate ausschließlich Muttermilch erhalten? Ferner engagiert sich Achim Wöckel, der sich zu Brusterkrankungen der Stillzeit habilitierte, im Netzwerk Gesund ins Leben, wo er die Leitlinie für entzündliche Brusterkrankungen der Stillzeit, in der Fachsprache Mastitis, mitkoordiniert. Brusterkrankungen wie wunde Mamillen, Milchstau oder Mastitis gehören zu den häufigsten Abstillgründen. 

Stillförderung am UKW – investierte Zeit ist Gold wert 

In der Frauenklinik am Uniklinikum Würzburg stehen frisch gebackenen Müttern während des Aufenthalts ein Team aus drei Still- und Laktationsberaterinnen mit Rat, Informationen und praktischer Hilfe zur Seite. 
„Die Zeit, die wir in die Stillberatung investieren, ist Gold wert“, sagt Claudia Freudinger, leitende Stillberaterin in der Frauenklinik. „Bei Bedarf sind wir schon beim ersten Anlegen behilflich, beraten zu Stillpositionen und geben Tipps zur Schonung der Mamillen.“ Stillen soll nicht schmerzen. Oberste Regel: Der erste und der letzte Tropfen Muttermilch gehört der Mama zur Pflege der Mamillen. Die vielen Bestandteile der Milch schützen die Haut. Neben viel Luft und Licht, das die Mutter ihren Brüsten gegebenenfalls mit zu Donuts geformten Mullbinden verschaffen kann, helfe auch reines Wollfett, so genanntes Lanolin, oder eine Lasertherapie. Die sanften Laserstrahlen fördern die Wundheilung. 

Wichtige Unterstützung durch Väter und Bezugspersonen 

„Viele Mütter im Wochenbett sind sehr belesen, einige aber auch erstaunt darüber, dass die Nacht nicht mehr ihnen gehört. Denn ein Kind trinkt acht- bis zwölfmal am Tag, auch nachts“, schildert Claudia Freudinger ihre Erfahrungen. Eine große Unterstützung in der Zeit des Stillens und Abpumpens seien übrigens die Väter oder Partner und Partnerinnen, vor allem wenn die Mütter aufgrund von Komplikationen oder eines Kaiserschnitts in den ersten Tagen noch immobil sind. „Von der reinen mentalen Anwesenheit, einem strukturierten Vorgehen, dem Anreichen von Baby oder Hilfsmitteln, der Begleitung ins Bad oder Botendiensten, die Mütter tun sich leichter, dem Partner oder der Partnerin Aufträge zu erteilen als den Schwestern oder Hebammen,“ fasst Claudia Freudinger die wichtigen Beiträge der Bezugsperson zusammen. „Daher ist es uns sehr wichtig, diese feste Bindung bei der ganzen Familie von Beginn an zu stärken und unterstützen“ ergänzt Prof. Ulrich Pecks, der zum 1. Oktober die Leitung der Geburtshilfe am UKW und Professur für Mütterliche Gesundheit und Hebammenwissenschaft innehat.
Die Stillberaterinnen unterstützen die Mütter selbstverständlich auch, wenn das Stillen nicht möglich ist und zeigen, wie sie trotzdem die Entwicklung einer starken Eltern-Kind-Bindung fördern können, zum Beispiel durch möglichst häufigen Haut-zu-Haut-Kontakt.

Kolostrum: Die nähr- und immunstoffreiche Vormilch 

Auch in der Kinderklinik gibt es zur Stillberaterin ausgebildete Pflegekräfte, wie zum Beispiel Natalie Seeberger: „Wenn wir bereits vor der Geburt wissen, dass das Neugeborene auf unserer Kinderintensivstation betreut werden muss, beraten wir die Mütter auch schon in der Schwangerschaft über die Stillmöglichkeiten beziehungsweise die Milchgewinnung per Hand und durch Abpumpen“, berichtet sie. Auch über die Gewinnung des Kolostrums wird informiert. Die vor der Entbindung gebildete Vormilch der Mutter ist besonders reich an Nähr- und Immunstoffen. Vor allem Müttern mit einem Schwangerschaftsdiabetes wird empfohlen, das Kolostrum ab der 37. Schwangerschaftswoche zwei- bis dreimal täglich auszustreichen, in Spritzen zu sammeln, einzufrieren und zur Entbindung mitzubringen. Somit erhält das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt ausreichend Nahrung, die seinen Blutzuckerspiegel stabilisiert. 

Muttermilchmanagement in der Säuglingsernährung 

Für die Früh- und Neugeborenen, die in der Würzburger Universitäts-Kinderklinik betreut werden müssen, stellt das Ernährungszentrum für Säuglinge sicher, dass sie rund um die Uhr die Milch der eigenen Mutter erhalten. Hier bereitet ein Team aus drei Kinderkrankenschwestern und zwei Diätassistentinnen die zuvor abgepumpte Muttermilch auf. Die für die kleinen Patientinnen und Patientinnen lebenswichtige Nahrung wird unter strengsten hygienischen Auflagen behandelt, in Flaschen oder Spritzen gefüllt, etikettiert und ausgeliefert. Je nach ärztlicher Anweisung können patientenindividuell Supplemente, wie Fette, Kohlehydrate und Eiweiße, zugesetzt werden.
„Wir haben auf der Kinderstation gerade 24 Babys, die je nach Entwicklung zwölf, acht oder sechs Mahlzeiten benötigen. Das heißt, ich habe heute 60 Spritzen aufgezogen und 300 Flaschen vorbereitet“, bringt Sylvia Königer als Beispiel. Die gelernte Kinderkrankenschwester arbeitet seit 33 Jahren am Uniklinikum, seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene. Das Zentrum wird fälschlicherweise oft als Milchküche bezeichnet, dabei ist die Säuglingsernährung eher ein Labor und Ort des Muttermilchmanagements, welches künftig noch erweitert werden soll. 

Kinderklinik plant Frauenmilchbank und Rooming-In 

„Wir planen derzeit, die Säuglingsernährung zu einer Frauenmilchbank auszubauen, in der auch der Einsatz von Spenderinnenmilch möglich ist“, schildert Prof. Dr. Christoph Härtel, der Direktor der Kinderklinik. „So können auch bedürftige Frühgeborene und kranke Neugeborene, bei denen die Milch der eigenen Mutter nicht ausreicht, ausschließlich mit humaner Milch ernährt werden.“ 

Zudem plant die Kinderklinik ein Rooming-In, ähnlich wie es auf den Zimmern der Wochenstation angeboten wird. Indem der neugeborene Schützling rund um die Uhr im Zimmer der Mutter bleibt, wird die Bindung unterstützt und das Stillen erleichtert. Für noch mehr Nähe sorgen die Pforzheimer Bettchen, die direkt ans Bett der Mutter angehängt werden können. 

Rooming-In – vor allem in der Pandemie 

Wie wichtig das so genannte Rooming-In ist, weiß auch Prof. Ulrich Pecks. Im von ihm geleiteten CRONOS-Projekt wurden Daten von mehr als 8.000 Frauen erhoben, die sich während ihrer Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Die Ergebnisse der Analyse des Stillens bei SARS-CoV-2-infizierten Müttern und der Umfrage unter den beteiligten Kliniken in Deutschland zum Stillen in der Pandemie wurden gerade im Journal of Human Lactation veröffentlicht. Ulrich Pecks: „Es ist bemerkenswert und schön zu sehen, wie hoch die Stillraten in den Kliniken in der Pandemie waren, die sich am CRONOS-Projekt beteiligt haben. Claudia Freudinger fügt erklärend hinzu: „Auch wenn die Pandemie vieles erschwert hat und viele den Besuch vermisst haben, die Ruhe auf den Stationen hat sich positiv auf die Stillsituation ausgewirkt.“ Neben den Strukturen zur Stillunterstützung ist es insbesondere das Rooming-In, das für eine hohe Stillrate sorgt. Das unterstreicht, wie wichtig die Mutter-Kind-Zusammenführung ist - auch bei Kindern, die nach der Geburt medizinisch versorgt werden müssen.“

Laktation, Stillen und Säuglingsernährung Teil der Hebammenausbildung 

Auch im Studiengang und der allgemeinen Hebammenausbildung spielen Laktation, also der natürliche Prozess der Milchproduktion, Stillen und die Ernährung von Neugeborenen und Säuglingen eine zentrale Rolle. „Es gehört zu den grundlegenden Kompetenzen einer Hebamme, während der Schwangerschaft und nach der Geburt und im Wochenbett bei allen Fragen, Entscheidungen und Problemen im Zusammenhang mit der Ernährung und Pflege des Neugeborenen zu unterstützen“, erklärt Mira Pflanz, die Leiterin des Studiengangs Hebammenwissenschaft am UKW.  

Muttermilch to go! Stillen im Beruf – kenne Deine Rechte 

Muttermilch ist praktisch, da stets verfügbar, hygienisch unbedenklich und wohl temperiert. Auch ein früher Einstieg in die Berufstätigkeit lässt sich inzwischen immer besser mit dem Stillen vereinbaren. Da aber nicht jede Stillende die umfassenden Regelungen zum Schutz der stillenden Mutter in der deutschen Gesetzgebung kennt, lautet das Motto der diesjährigen Stillwoche 2023 „Stillen im Beruf – kenne deine Rechte”. Die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung informiert: „Für Stillende gelten besondere Rechte im Beruf: Sie haben beispielsweise ein Recht auf Stillpausen während der Arbeitszeit, ihnen dürfen bestimmte Arbeiten nicht abverlangt werden und sie dürfen nicht nachts arbeiten.“
 

Sylvia Königer stellt einen Träger mit Muttermilchflaschen in den Kühlschrank.
Die gelernte Kinderkrankenschwester Sylvia Königer arbeitet seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene der Universitäts-Kinderklinik. © Kirstin Linkamp / UKW
Sylvia Königer füllt die Muttermilch in Spritzen
Sylvia Königer portioniert die zuvor abgepumpte Milch der Mütter für deren Neu- und Frühgeborenen auf der Säuglingsstation der Universität-Kinderklinik vor. © Kirstin Linkamp / UKW

Die gelernte Kinderkrankenschwester Sylvia Königer arbeitet seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene der Universitäts-Kinderklinik. © Kirstin Linkamp / UKW

Sylvia Königer portioniert die zuvor abgepumpte Milch der Mütter für deren Neu- und Frühgeborenen auf der Säuglingsstation der Universität-Kinderklinik vor. © Kirstin Linkamp / UKW

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