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Schon zweihundert MIAI-Babys

Studienprotokoll in Frontiers in Immunology veröffentlicht

Der Datenschatz der MIAI-Geburtskohorte soll Aufschluss darüber geben, wie sich das Immunsystem von Kindern im ersten Lebensjahr entwickelt und warum manche Kinder anfälliger für schwere Virusinfektionen sind als andere.

 

Baby Fabian liegt zufrieden auf dem Wickeltisch, während die Studienärztin einen Hautabstrich macht.
Fabian ist das zweihundertste MIAI-Baby. Die Geburtskohorte MIAI des Uniklinikums Würzburg untersucht die Entwicklung des Immunsystems gegen Virusinfektionen der Atemwege. MIAI steht für Maturation of Immunity Against Influenza. © Kirstin Linkamp / UKW
Fabian, das 200ste MIAI-Baby wird von der Studienärztin mit dem Stethoskop abhört.
Studienärztin Dr. Janina Marißen untersucht Fabian vier Wochen nach seiner Geburt in der MIAI-Studienambulanz der Kinderklinik. Sie hört Herz und Lunge ab, überprüft den Muskeltonus und sammelt biologische Proben wie zum Beispiel Hautabstriche. © Kirstin Linkamp / UKW
Die Mutter hält den vier Wochen alten Fabian im Arm, sein Vater steht daneben.
Fabians Eltern freuen sich, dass sie mit ihren und Fabians Daten einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft leisten können. Die Ergebnisse von MIAI könnten helfen, die Immunität gegen Atemwegsviren besser zu verstehen und Empfehlungen zu geben, wie Eltern die Entwicklung des Immunsystems frühzeitig fördern können, um schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Fabian ist das zweihundertste MIAI-Baby. Mit ihm hat die MIAI-Studienambulanz des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) einen wichtigen Meilenstein erreicht, um schon einige der Fragestellungen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes anzugehen. Mit den in der MIAI-Geburtskohorte gesammelten Daten, Untersuchungsergebnissen und Bioproben will das Studienteam um Prof. Dr. Dorothee Viemann verstehen, wie Babys im ersten Lebensjahr lernen, sich gegen Viren wie Influenza, RSV oder SARS-CoV-2 zu verteidigen. MIAI steht für Maturation of Immunity Against Influenza - die Entwicklung des Immunsystems gegen Virusinfektionen der Atemwege. Virale Atemwegsinfektionen sind nach wie vor weltweit ein großes Problem und verursachen zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle. 

Welche Einflüsse prägen das Immunsystem? 

Nach der Geburt reift das Immunsystem und passt sich der neuen Umwelt an. Wie gut sich unser Immunsystem zur Abwehr solche Virusinfektionen entwickelt, hängt neben genetischen Faktoren vor allem von Umwelteinflüssen ab. Welche Umweltfaktoren die Immunreifung fördern und welche sie stören, ist allerdings bis heute nicht ganz klar. Zudem gilt es zu verstehen, welche Komponenten und Zellen des Immunsystems bei Neugeborenen und Kindern wichtig sind, um schwere Atemwegsinfektionen zu verhindern. Diese Unklarheiten nimmt der Lehrstuhl für Translationale Pädiatrie der Kinderklinik gemeinsam mit der Frauenklinik in der MIAI-Studie genauer unter die Lupe. 

Das MIAI-Team untersucht zum Beispiel, welche Rolle der sozioökonomische Hintergrund, die Anzahl von Familienmitgliedern, Kinderkrippenbesuche, Impfungen, Infektionen und Ernährung bei der frühen Entwicklung von Immunantworten spielen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Bildung des Mikrobioms, also der Gesamtheit der Mikroorganismen im Körper, und der Entwicklung der Immunität gegen diese Virusinfektionen nach der Geburt gibt.

Dazu werden die Kinder direkt nach der Geburt in der Würzburger Frauenklinik sowie nach einem, sechs und zwölf Monaten in der MIAI-Studienambulanz der benachbarten Kinderklinik untersucht. Dabei werden der Gesundheitszustand der Kinder erfragt, verschiedene biologische Proben wie Hautabstriche und Stuhlproben gesammelt, die Babys gemessen und gewogen, Herz und Lunge abgehört und der Muskeltonus überprüft.

MIAI-Kinder liefern wichtigen Beitrag für die Wissenschaft 

Die Pläne und das Design der MIAI-Studie sowie die Charakteristika der ersten 171 MIAI-Babys hat Dorothee Viemann jetzt mit ihrem Team in der Fachzeitschrift Frontiers in Immunology veröffentlicht. Besonders hervorzuheben sei die Akzeptanz des Studiendesigns. „Wir haben eine relativ geringe Abbruchquote von etwa 8 Prozent“, berichtet Studienkoordinatorin Dr. Carina Hartmann, die gerade selbst Mutter eines Sohnes geworden ist. Dazu zählen auch Familien, die aus Würzburg weggezogen sind. „Ohne die Eltern könnten wir die MIAI-Studie nicht durchführen. Und die Eltern sind wirklich sehr engagiert, sie kommen gerne zu uns, jetzt auch schon mit den ersten Geschwisterkindern. Das spricht für die Studie und das Studienteam. Unser Studienteam hat zu jedem Kind ein Gesicht und verfolgt seine Entwicklung mit Spannung und Freude.“

Viele Eltern schätzen den zusätzlichen Blick auf ihr Kind neben den U-Untersuchungen beim niedergelassenen Kinderarzt, die Motive für die Teilnahme an der Studie sind aber vor allem altruistischer Natur. Auch Fabians Eltern machen gerne bei MIAI mit, „weil wir mit unseren und Fabians Daten einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft leisten können“. Denn die Ergebnisse könnten helfen, die Immunität gegen Atemwegsviren besser zu verstehen und Empfehlungen zu geben, wie Eltern die Entwicklung des Immunsystems frühzeitig fördern können, um schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. 

MIAI-Studie geht weiter – Dank des großen Engagements der Eltern und weiterer Fragestellungen

Viele Erkrankungen werden erst nach der Säuglingszeit sichtbar. Ein frühkindliches Asthma bronchiale ist dafür ein klassisches Beispiel. Häufige Bronchitiden im Laufe des ersten Lebensjahrs können ein Vorläufersymptom für ein Asthma sein, aber nicht bei jedem Kind manifestiert sich tatsächlich diese chronische Atemwegserkrankung. Um solche Zusammenhänge zu verstehen und Faktoren zu identifizieren, die die Entstehung chronisch immunologischer Erkrankungen begünstigen, ist die Nachverfolgung der MIAI-Kinder über das erste Lebensjahr hinaus nun unerlässlich.

Wenn es die finanziellen Möglichkeiten erlauben, würden Prof. Dorothee Viemann und Prof. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik, gesundheitsrelevante Daten gerne bis über das 16. Lebensjahr hinaus sammeln. „In der Pubertät wird im Immunsystems nochmals vieles neugeordnet und reprogrammiert“ erklärt Dorothee Viemann. „Mit diesem Projekt würden wir den Grundstein für wichtige zukünftige Erkenntnisse legen - eine solche Kohorte wäre gerade für die kommende Generation an Forscherinnen und Forschern ein unglaublicher Schatz!“

Studienwebseite mit weiteren Informationen: www.ukw.de/miai.

Publikation:
Carina R. Hartmann, Robin Khan, Jennifer Schöning, Maximilian Richter, Maike Willers, Sabine Pirr, Julia Heckmann, Johannes Dirks, Henner Morbach, Monika Konrad, Elena Fries, Magdalene Winkler, Johanna Büchel, Silvia Seidenspinner, Jonas Fischer, Claudia Vollmuth, Martin Meinhardt, Janina Marissen, Mirco Schmolke, Sibylle Haid, Thomas Pietschmann, Simona Backes, Lars Dölken, Ulrike Löber, Thomas Keil, Peter U. Heuschmann, Achim Wöckel, Sagar, Thomas Ulas, Sofia K. Forslund-Startceva, Christoph Härtel, Dorothee Viemann. A clinical protocol for a German birth cohort study of the Maturation of Immunity Against respiratory viral Infections (MIAI). Frontiers in Immunology, Volume 15 - 2024, https://doi.org/10.3389/fimmu.2024.1443665

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Protein-Kick stärkt Babys Darm

Postnatale Supplementierung mit S100a8/a9-Alarminen verbessert die durch Mangelernährung verursachte Enteropathie

Das Team der Abteilung Translationale Pädiatrie des Uniklinikums Würzburg (UKW) identifiziert in der Fachzeitschrift Nature Communications den Mangel an S100a8/a9 als entscheidenden pathogenetischen Faktor der durch mütterliche Mangelernährung induzierten Enteropathie und zeigt, dass eine einmalige Gabe des Proteins S100a8 direkt nach der Geburt ausreicht, um die Etablierung dieser Darmerkrankung zu verhindern und damit vor dem sonst lebenslang erhöhten Risiko für Darminfektionen und Darmentzündungen zu schützen.

 

Das Bild zeigt eine mikroskopische Aufnahmen von immunfluoreszenzgefärbten Zellen eines Mausdarms.
Immunfluoreszenzfärbung eines Mausdarms. Gefärbt wurden Marophagen (grün) und S100A8/A9 (rot), ein Protein das vor allem in myeloiden Zellen vorkommt. © Julia Heckmann / UKW
Collage aus Porträtbildern von Dorothee Viemann und Julia Heckmann
Prof. Dr. Dorothee Viemann (links) und Julia Heckmann haben Kolleginnen und Kollegen von der Translationalen Pädiatrie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und vom Institut für Biomedizinische Forschung der Universität della Svizzera Italiana welchen Einfluss eine mütterliche Mangelernährung auf die Gesundheit des Kindes, insbesondere auf die Darmentwicklung, hat. © UKW-Collage
Die gelernte Kinderkrankenschwester Sylvia Königer holt die zuvor abgepumpte Muttermilch aus dem Kühlschrank.
In der Würzburger Universitäts-Kinderklinik stellt das Ernährungszentrum für Säuglinge sicher, dass Früh- und Neugeborene rund um die Uhr die Milch der eigenen Mutter erhalten. Die zuvor abgepumpte Muttermilch wird unter strengsten hygienischen Auflagen behandelt, in Flaschen oder Spritzen gefüllt, etikettiert und ausgeliefert. Je nach ärztlicher Anweisung können patientenindividuell Supplemente, wie Fette, Kohlehydrate und Eiweiße, zugesetzt werden. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Weltweit leiden Millionen von Kindern Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen. Dazu gehört auch die sogenannte umweltbedingte Enteropathie („environmental enteropathy“, altgriechisch énteron für Darm und páthos für Leiden). Bisher wurde angenommen, dass diese chronische Darmentzündung durch unhygienische Lebensbedingungen, häufige Aufnahme von Krankheitserregern und ein ungünstiges Darmmikrobiom verursacht wird. Die bei Mangelernährung auftretende Enteropathie führt zu einer verminderten Aufnahmefähigkeit des Darms für Nährstoffe und damit zusätzlichen Verstärkung der Mangelernährung - ein Teufelskreis. 

Prof. Dr. Dorothee Viemann, Leiterin der Translationalen Pädiatrie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), untersuchte mit ihrem Team und einer Schweizer Forschergruppe vom Institut für Biomedizinische Forschung der Universität della Svizzera Italiana, welchen Einfluss eine mütterliche Mangelernährung auf die Gesundheit des Kindes, insbesondere auf die Darmentwicklung, hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. 

Körpereigene Proteine S100A8/A9 kommen in hohen Mengen in Muttermilch vor

„Wir konnten im Mausmodell zeigen, dass eine Mangelernährung der Mutter ausreicht, um beim Neugeborenen schon während der Stillzeit eine Darmentzündung auszulösen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die körpereigenen Proteine S100A8/A9. Diese kommen in der Muttermilch in großen Mengen vor, sind aber bei Mangelernährung der Mutter deutlich reduziert“, berichtet Erstautorin Julia Heckmann. Die Doktorandin hatte bereits ihre Masterarbeit in Biomedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bei der Neonatologin und Immunologin Dorothee Viemann geschrieben und war vor drei Jahren mit ihrer Professorin nach Würzburg gewechselt, um sich auch in ihrer Doktorarbeit mit den Proteinen der S100-Familie und ihrer ambivalenten Funktion zu beschäftigen. Denn die so genannten Alarmin-Proteine, die bei Stress oder Zellschäden als Gefahrensignal freigesetzt werden, tragen dazu bei, entzündungsfördernde Prozesse sowohl zu regulieren als auch zu verstärken. 

Alarmine beeinflussen die Entwicklung der Darmflora und des Immunsystems nach der Geburt 

Dorothee Viemann beschrieb bereits während ihrer Tätigkeit in Hannover die Rolle von S100-Alarminen in der Regulation der körpereigenen Abwehr von Neugeborenen. S100-Alarmine sorgen dafür, dass das Immunsystem von Säuglingen in den Monaten nach der Geburt zunächst ganz bewusst mit angezogener Handbremse läuft. Zum einen, damit sich die körpereigenen Abwehrtruppen nicht in unzählige Scharmützel mit neuen Bakterien und Fremdkörpern verwickeln lassen und dabei starke, lebensgefährliche Entzündungsreaktionen auslösen. Zum anderen, damit sich der Darm mit bestimmten Bakterien besiedeln und das sogenannte Mikrobiom bilden kann. 
„Kindern, die nach der Geburt zu wenig dieser Alarmin-Proteine bilden, fehlt diese Handbremse, weshalb sie ein massiv erhöhtes Risiko für schwere Infektionsverläufe haben. Vor allem bei Frühgeborenen, denen es an S100A8/A9 mangelt, ist das Sepsisrisiko deutlich erhöht“, sagt Dorothee Viemann, die gemeinsam mit dem Direktor der Universitäts-Kinderklinik, Prof. Dr. Christoph Härtel, im Forschungsprojekt PROSPER (Prevention of Sepsis by personalized nutritional S100A8/A9 supplementation to vulnerable neonates) untersucht, ob eine Nahrungsergänzung mit S100A8/A9 Frühgeborene mit niedrigen Alarmin-Spiegeln vor einer Sepsis schützt.

Mehr als 10 Prozent der kindlichen Todesfälle sind auf Darminfektionen zurückzuführen

Doch auch bei Reifgeborenen kann ein Mangel an S100A8/A9 zu chronischen Darmentzündungen und zu einer ungünstigen Keimbesiedlung des Darms führen, wenn eben nicht genügend dieser Alarmine in der Muttermilch vorhanden sind. Dazu kann es kommen, wenn die Mütter z.B. unterernährt oder fehlernährt sind. Die häufigste Form der Unterernährung ist die Protein-Energie-Mangelernährung. Sie führt bei Kindern zu Wachstumsstörungen und macht sie besonders anfällig für Infektionen, insbesondere für Darminfektionen, die für mehr als 10 Prozent der Todesfälle bei Kindern verantwortlich sind.

In ihrer Studie, die von der Bill & Melinda Gates Foundation und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, legen die Wissenschaftlerinnen den Fokus auf einen Zeitraum, der in der Erforschung umweltbedingter Enteropathien bislang kaum Beachtung fand: die Stillzeit. Das verminderte S100A8/A9 in der Muttermilch mangelernährter Mütter legt den Grundstein für eine lebenslang erhöhte Suszeptibilität, also Empfänglichkeit, für überschießende Darmentzündungen. 

Einmalige Gabe des Proteins S100A8 direkt nach der Geburt schützt vor Darmentzündung

„Unsere aufregendste Entdeckung war, dass eine einmalige Gabe von S100A8 an Neugeborene eine gesunde Darmentwicklung sicherstellt - und zwar lebenslang“, freut sich Julia Heckmann. Eine Nahrungsergänzung mit S100A8 könnte daher eine vielversprechende und einfache Behandlungsmöglichkeit darstellen, um die kindliche Darmentwicklung bei reduzierten S100A8/A9-Spiegeln in der Muttermilch, aber auch generell bei reduzierter oder fehlender Muttermilchzufuhr zu schützen. „Milchersatzprodukte enthalten kein S100A8/A9, sollten aber aufgrund unserer Ergebnisse dringend in Betracht gezogen werden“, rät Dorothee Viemann. 

Präklinische Studie untersucht Wirksamkeit, Sicherheit und Dosierung der Nahrungsergänzung mit S100A8/A9

Ob sich diese Erkenntnisse vom Mausmodell auf den Menschen übertragen lassen, wie wirksam und sicher die Nahrungsergänzung ist und welche Dosierung geeignet ist, untersucht das Team bereits in einer neuen Studie, die vom BMBF gefördert wird. „In der präklinischen Studie wollen wir die Wirkung der Nahrungsergänzung mit S100A8/A9 auf Erkrankungen und das Darmmikrobiom testen, mögliche Nebenwirkungen aufdecken und Dosisempfehlungen für eine klinische Studie geben“, sagt Dorothee Viemann. 

Nachdem der Effekt von S100A8/A9 auf das Immunsystem des Neugeborenen relativ gut verstanden ist, will das Team außerdem untersuchen, wie die Alarmine auf die Epithelzellen der Darmschleimhaut wirken. Die Epithelzellen bilden schließlich die erste Zellschicht im Darm, mit der S100A8/A9 aus der Muttermilch in Kontakt kommt. 

Publikation:
Perruzza, L., Heckmann, J., Rezzonico Jost, T. et al. Postnatal supplementation with alarmins S100a8/a9 ameliorates malnutrition-induced neonate enteropathy in mice. Nat Commun 15, 8623 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-52829-x

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Wie ein fehlgeleitetes Immunsystem Gelenkentzündungen nach einem Zeckenstich aufrechterhält

Neue Studie entschlüsselt zentrale Mechanismen hinter antibiotikaresistenter Lyme-Arthritis (ARLA)

Ein Team aus der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) zeigt, wie bestimmte Zellen unseres Immunsystems zuerst die durch einen Zeckenstich ausgelöste Borrelien-Infektion bekämpfen und dann bei manchen Menschen eine Fehlreaktion auslösen, die zu einer chronischen Gelenkentzündung führt. Dieses Wissen hilft nicht nur bei der Diagnose und Behandlung von ARLA, sondern liefert auch Hinweise darauf, wie Infektionen und das Immunsystem bei anderen Krankheiten wie der rheumatoiden Arthritis zusammenwirken.

 

Collage der beiden Porträts von Johannes Dirks und Henner Morbach
Dr. Johannes Dirks (links) und PD Dr. Henner Morbach von der Pädiatrischen Entzündungsmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) bieten mit ihrer neuen Studie einen Fahrplan, der erklärt, wie T-Zell-Reaktionen, die zur Kontrolle einer Infektion notwendig sind, trotz Antibiotikatherapie eine nachteilige T-Zell-Reaktion auslösen können, was zu einer postinfektiösen, entzündlichen Arthritis führt. © Collage / UKW
Immunfluoreszenzanalyse und Sequenzierungen des T-Zell Rezeptors
Collage mit Abbildungen aus der Originalpublikation zum krankheitsspezifischen T-Zell Rezeptor Motiv: Die Immunfluoreszenzanalyse (MACSimaTM Imaging Platform) der Synovia eines Patienten mit Antibiotika-refraktärer Lyme-Arthritis zeigt Aggregate von B- und aktivierten T-Helfer Zellen (links). Durch Einzelzell-RNA Sequenzierung und Hochdurchsatzsequenzierung des T-Zell Rezeptors der synovialen T-Helfer Zellen konnte ein krankheitsspezifisches T-Zell Rezeptor Motiv identifiziert und mit der Funktion dieser Zellen in Zusammenhang gebracht werden. ©J Clin Invest DOI: 10.1172/JCI179391
Collage mit Fotos von der Wanderröte nach Zeckenstich und geschwollenem Knie, Röntgenbild von Gelenkentzündung und mikroskopischer Aufnahme.
Wie es nach einer Borrelien-Infektion, die durch einen Zeckenstich ausgelöst wird, zu einer chronischen Gelenkentzündung kommt, der sogenannten Antibiotika-refraktären Lyme-Arthritis, kurz ARLA. © Collage / UKW

Würzburg. Die Wanderröte nach einem Zeckenstich ist ein erster Hinweis auf Lyme-Borreliose. Sie ist die häufigste von Zecken übertragene Krankheit in Europa und Nordamerika. Wird sie nicht rechtzeitig mit einem Antibiotikum behandelt, können sich die Borrelia burgdorferi-Bakterien im Körper ausbreiten und langfristige Beschwerden wie Gelenkentzündungen verursachen. In den meisten Fällen kann die sogenannte Lyme-Arthritis mit Antibiotika behandelt werden, aber bei einem kleinen Prozentsatz bessert sich der Zustand trotz Beseitigung der Bakterien nicht. Diese Form der Arthritis wird als antibiotikaresistente Lyme-Arthritis (ALRA) bezeichnet und erfordert häufig eine spezielle Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs), die das Immunsystem regulieren. 

Obwohl bekannt ist, dass Immunzellen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser chronischen Entzündung spielen, waren die genauen molekularen Mechanismen der antibiotikaresistenten Verlaufsformen der Lyme-Arthritis bislang unklar. Dr. Johannes Dirks und PD Dr. Henner Morbach von der Pädiatrischen Entzündungsmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben nun gemeinsam mit einem interdisziplinären Team zentrale Fehlreaktionen des Immunsystems entschlüsselt. Ihre im renommierten Journal of Clinical Investigation veröffentlichte Studie beleuchtet die Rolle des Immunsystems bei der Entstehung chronischer Gelenkentzündungen und liefert wichtige Hinweise für eine genauere Diagnose und effektivere Therapie dieser belastenden Erkrankung. Die Bedeutung der Arbeit wurde gerade durch einen begleitenden Kommentar des Entdeckers der Lyme-Arthritis, Dr. Allen Steere von der Harvard Medical School in Boston, unterstrichen.

Genetische Veranlagung für fehlgeleitete Immunantwort 

Allen Steere beschrieb die Lyme-Arthritis erstmals 1976, nachdem in der Gegend von Lyme, Connecticut, mehrere Fälle bei Kindern aufgetreten waren, die zunächst fälschlicherweise als rheumatische Erkrankungen diagnostiziert worden waren. Nach der Entdeckung von Borrelia burgdorferi im Jahr 1982 konnte die Mehrzahl der Betroffenen erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden. Das Nichtansprechen auf die Therapie wurde auf eine genetische Prädisposition für eine fehlgeleitete Immunantwort zurückgeführt. Die Patientinnen und Patienten trugen vermehrt bestimmte HLA-Moleküle (HLA = Human Leukocyte Antigene), die dem Immunsystem ein Borrelien-Antigen so präsentierten, dass sich die Immunreaktion gegen den eigenen Körper richtete, statt die Infektion zu bekämpfen. 

TCR-β-Motiv unterscheidet ARLA von anderen rheumatischen Erkrankungen

Johannes Dirks und das Würzburger Team haben in den Gelenken von ARLA-Patientinnen und -Patienten aus Deutschland eine besondere Art der Immunantwort entdeckt, die durch T-Zell-Rezeptoren (TCR) gesteuert wird. T-Zell-Rezeptoren sind Proteine auf der Oberfläche von T-Zellen, einer Art weißer Blutkörperchen, die eine zentrale Rolle im Immunsystem spielen. Durch bioinformatische Analysen identifizierten die Forschenden ein charakteristisches Muster in den TCR, das ARLA-Patienten von anderen rheumatischen Erkrankungen unterscheidet, das sogenannte TCR-β-Motiv. Die Struktur in der β-Kette des TCR wird von T-Zellen genutzt, um fremde oder veränderte körpereigene Moleküle zu erkennen. 

Unterschiede zwischen Immunantworten in Europa und Nordamerika

Interessanterweise korrelieren die TCR-β-Motive bei den ARLA-Patienten in Deutschland mit spezifischen genetischen Markern, HLA-DRB1*11 oder HLA-DRB1*13. Diese so genannten Allelen unterscheiden sich jedoch von den Varianten nordamerikanischer Patientinnen und Patienten. 
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Immunantwort bei ARLA-Patienten in Europa deutlich von der in Nordamerika unterscheidet, was vermutlich auf die unterschiedlichen Borrelien-Spezies zurückzuführen ist. Die bisherigen Forschungsergebnisse, die vor allem in Nordamerika gewonnen wurden, lassen sich daher nicht direkt auf die europäische Situation übertragen“, erklärt Henner Morbach, Leiter der Studie und Letztautor. 

Spezifische T-Zell-Rezeptoren halten pathogene T-Helferzell-Reaktionen aufrecht

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die Entdeckung, dass die TCR-gesteuerte Immunantwort zu einer starken Vermehrung von T-peripheren Helferzellen (Tph-Zellen) führt. Tph-Zellen senden entzündungsfördernde Signale aus und scheinen die chronische Entzündung in den Gelenken aufrechtzuerhalten. 

Die Forschung in Deutschland geht weiter: „Durch die Identifizierung der spezifischen T-Zell-Rezeptormotive konnten wir erstmals das Genexpressionsmuster krankheitsspezifischer T-Zellen in den betroffenen Gelenken verfolgen. Diese Erkenntnisse sollen in weiteren Studien vertieft werden, um herauszufinden, gegen welche Strukturen sich die Immunantwort richtet - ob es sich um eine Autoimmunreaktion handelt oder um Bestandteile nicht mehr lebensfähiger Borrelien, die die Entzündung aufrechterhalten“, sagt Johannes Dirks.

Auswirkungen auf Diagnose und Behandlung 

Das Studienteam, Allen Steere und die Fachwelt sind sich einig: Die Studienergebnisse werden weitreichende Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung von ARLA haben. Denn durch die Entdeckung spezifischer Immunmarker könnte es Ärztinnen und Ärzten künftig möglich sein, die Erkrankung früher zu diagnostizieren und von anderen chronischen Gelenkentzündungen zu unterscheiden. Auch die Erkenntnisse über die Rolle der Tph-Zellen und des TCR-β-Motivs bieten neue Ansätze für therapeutische Interventionen. Zukünftige Behandlungen könnten diese spezifischen Immunwege gezielt modulieren, um Entzündungen zu verringern und das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, das überschießende Immunsystem frühzeitig ins Visier der Therapie zu nehmen, statt immer wieder auf Antibiotika zu setzen“, betont Henner Morbach.

Auch über die Lyme-Arthritis hinaus könnte die Forschung wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie Infektionen chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen auslösen. Daraus könnten neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung anderer Autoimmunerkrankungen entwickelt werden.

Forschungsförderung

Die Untersuchungen wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Morbach 2160/4-1). Henner Morbach wird durch das Advanced Clinician Scientist Programm INTERACT des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (BMBF, 01EO2108), das in das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) des Universitätsklinikums Würzburg integriert ist. Johannes Dirks wird durch das Clinical Leave Program des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) gefördert.


Publikation

Disease-specific T cell receptors maintain pathogenic T helper cell responses in postinfectious Lyme arthritis. Johannes Dirks, Jonas Fischer, Julia Klaussner, Christine Hofmann, Annette Holl-Wieden, Viktoria Buck, Christian Klemann, Hermann J. Girschick, Ignazio Caruana, Florian Erhard, Henner Morbach. J Clin Invest. 2024;134(17):e179391. doi.org/10.1172/JCI179391.
 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Probiotika fördern die Reifung der Darmflora bei Frühgeborenen

PRIMAL-Studie im Rahmen der BMBF-Förderinitiative „Gesund – ein Leben lang“

In der multizentrischen klinischen Studie PRIMAL untersuchte ein Verbund unter der Leitung von Christoph Härtel vom Uniklinikum Würzburg den Einfluss von Probiotika auf die Darmflora von Frühgeborenen. Erste Ergebnisse wurden jetzt in JAMA Pediatrics veröffentlicht: Bifidobakterien und Lactobazillen konnten die Besiedlung mit multiresistenten Bakterien in den ersten 30 Lebenstagen nicht verhindern, förderten jedoch die Reifung des Mikrobioms.

 

Füße eines Frühgeborenen im Brutkasten
Die ersten Ergebnisse der PRIMAL-Studie wurden im August 2024 in JAMA Pediatrics veröffentlicht: Bifidobakterien und Lactobazillen fördern die Reifung der Darmflora bei Frühgeborenen. Durch die Gabe der Probiotika war ihr Mikrobiom fast so gut ausgereift wie das von Kindern, die termingerecht geboren wurden. © Daniel Peter / UKW
Porträt vom Direktor der Kinderklinik, Prof. Dr. Christoph Härtel, im weißen Kittel vor buntem Hintergrund
Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), hat die klinische Studie PRIMAL geleitet, in der ein multizentrisches Team die Wirksamkeit von Probiotika untersucht, um eine ungünstige Darmbesiedlung bei Frühgeborenen zu verhindern. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. PRIMAL ist der Name des Konsortiums, das sich anlässlich der Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Gesund - ein Leben lang“ im Jahr 2016 gebildet hat. Die Abkürzung steht für PRiming IMmunity At the beginning of LIFE – Prägung der Immunität am Anfang des Lebens. Im Mittelpunkt des deutschlandweiten Netzwerks von Expertinnen und Experten aus der Kinder- und Jugendmedizin und den Naturwissenschaften steht der Darm. Die Zusammensetzung der Darmflora zu Beginn des Lebens ist von entscheidender Bedeutung für die Prägung des Immunsystems und damit für die lebenslange Gesundheit. 

Frühgeborene sind besonders anfällig für Störungen der Darmbesiedlung und damit möglicherweise auch für spätere Erkrankungen wie Asthma, Autoimmunerkrankungen, metabolische Störungen oder Übergewicht. Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und Leiter der klinischen PRIMAL-Studie, hat jetzt mit seinem multizentrischen Team in der renommiertesten pädiatrischen Fachzeitschrift JAMA Pediatrics erste Ergebnisse der Untersuchung zur Wirksamkeit von Probiotika zur Vermeidung einer ungünstigen Darmbesiedlung bei Frühgeborenen veröffentlicht.

Gesundes und vielfältiges Mikrobiom unterstützt die Reifung des Immunsystems

„Der Goldstandard für die Entwicklung des Immunsystems ist für uns das reife, gestillte, Antibiotika unbehandelte Neugeborene, das nie vom elterlichen Kontakt getrennt war und bestenfalls mit Geschwistern aufwächst“, erklärt Christoph Härtel, der die Studie in Lübeck begonnen hat, wo er bis 2020 als Spezialist für Neugeborenen- und Intensivmedizin und Leiter des Bereichs Pädiatrische Infektiologie, Immunologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein tätig war. Frühgeborene sind am Anfang des Lebens einer nicht-physiologischen Umwelt ausgesetzt. Somit fehlt ihnen die Möglichkeit, sich so vielfältig zu besiedeln wie reifgeborene Kinder. Durch die Umgebung der Intensivstation und den häufigen Einsatz von Antibiotika bei Frühgeborenen aufgrund deren Infektanfälligkeit wird das Gleichgewicht der Mikroorganismen oft gestört. Es kommt zur Besiedelung mit Antibiotika-resistenten Keimen, welche die Reifung des Immunsystems und die Ausbildung einer effektiven Immunantwort negativ beeinflussen können.

Frühgeborene erhielten 28 Tage lang Bifidobakterien und Lactobazillen

Um dies zu kompensieren, hatte das Konsortium die Idee, den Kindern Probiotika, also lebende Mikroorganismen, in die Muttermilch, Spendermilch oder die künstliche Frühgeborenennahrung, zu geben. Die „Champions“, die natürlicherweise im Mikrobiom reifer, gesunder Neugeborener vorkommen, sind Bifidobakterien und Lactobazillen. In insgesamt 18 Perinatalzentren wurden 643 Kinder, die zwischen der 28. und 33. Schwangerschaftswoche geboren wurden, nach Geschlecht und Gestationsalter gleichverteilt in die randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie eingeschlossen. Die Behandlung begann innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt und dauerte 28 Tage. Am 30. Lebenstag wurde das Mikrobiom der jungen Studienteilnehmenden untersucht. 

Probiotika modulieren Mikrobiom in Richtung Eubiose

Die Probiotika konnten die Besiedlung mit multiresistenten Bakterien nicht verhindern: In beiden Gruppen - Studien- und Kontrollgruppe - waren 37 Prozent der Kinder mit sogenannten MDRO+-Bakterien besiedelt (MDRO steht für Multidrug-Resistant Organism). Das Studienteam konnte jedoch beobachten, dass die Kinder, die Probiotika erhalten hatten, eine schnellere Reifung ihres Mikrobioms aufwiesen. Durch die Gabe von Probiotika war ihr Mikrobiom fast so gut ausgereift wie das von Kindern, die termingerecht geboren wurden. In der Fachsprache wird dieses harmonische Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Mikroorganismen im Darm als Eubiose bezeichnet. Die schnellere Reifung des Frühgeborenen-Mikrobioms durch Probiotika im ersten Lebensmonat sei schon mal ein hoffnungsvolles Zwischenergebnis, sagt Christoph Härtel. 

Erste Studienkinder kommen jetzt in die Schule: Gibt es Zusammenhang mit ADHS? 

Jetzt gilt es die Daten nach dem ersten und zweiten Lebensjahr auszuwerten und weitere Langzeituntersuchungen zu planen, um neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Konsequenzen die frühe Probiotikabehandlung für die kindliche Gesundheit hat. Die ersten Kinder, die an der kontrollierten Studie teilgenommen haben, kommen jetzt in die Schule – ein spannendes Alter, das zum Beispiel Aufschluss über einen vermuteten Zusammenhang zwischen gestörter Darmflora und Autismus, ADHS, Asthma und Adipositas geben könnte.

PRIMAL-Konsortium mit mehreren Projekten 

Neben der klinischen PRIMAL-Studie gibt es innerhalb des Konsortiums weitere Projekte aus der Grundlagenforschung und der translationalen Pädiatrie zur Erforschung der Immun-Mikrobiom-Interaktion. Prof. Philipp Henneke vom Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) am Universitätsklinikum Freiburg leitet neben der Koordination des PRIMAL-Konsortiums das Projekt Immunmetabolismus. Prof. Stephan Gehring von der Universitätsmedizin Mainz ist zusammen mit Prof. Peer Bork vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg für das Projekt der Mikrobiomanalyse verantwortlich. Prof. Michael Zemlin vom Universitätsklinikum des Saarlandes beschäftigt sich in PRIMAL mit Impfantworten nach früher Probiotikatherapie. Prof. Christian Gille vom Universitätsklinikum Heidelberg untersucht mit seinem Team die Rolle von myeloischen Suppressorzellen (MDSC) und Granulozyten. Prof. Dorothee Viemann, Leiterin des Bereichs Translationale Pädiatrie am UKW, analysiert in PRIMAL systematisch die Immunzellprofile der Studienteilnehmenden als wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis der frühkindlichen Mikrobiom-Immun-Interaktion. Gemeinsam mit Dorothee Viemann, Henner Morbach und vielen Kooperationspartnerinnen und -partnern aus den benachbarten Kliniken, Institutionen und Grundlagenwissenschaften wie zum Beispiel der Systemimmunologie möchte Christoph Härtel den Würzburger Forschungsschwerpunkt für die Immunentwicklung im Kindesalter weiter ausbauen. 

Erforschung des Mikrobioms steckt noch in den Kinderschuhen

Die Erforschung des Mikrobioms und seiner Rolle für die lebenslange Gesundheit hat in den vergangenen Jahren bereits große Fortschritte gemacht und wichtige Erkenntnisse geliefert. In vielen Bereichen steckt sie aber noch in den Kinderschuhen. Es gibt noch immer zahlreiche offene Fragen darüber, wie die verschiedenen Mikroben miteinander und mit dem menschlichen Körper interagieren und wie spezifische Veränderungen im Mikrobiom bestimmte Krankheiten beeinflussen können.

Projektwebseite: https://primal-studie.de/

Publikation: Thea Van Rossum, Annette Haiß, Rebecca L. Knoll, Janina Marißen, Daniel Podlesny, Julia Pagel, Marina Bleskina, Maren Vens, Ingmar Fortmann, Bastian Siller, Isabell Ricklefs, Jonas Klopp, Katja Hilbert, Claudius Meyer, Roman Thielemann, Sybelle Goedicke-Fritz, Martin Kuntz, Christian Wieg, Norbert Teig, Thorsten Körner, Angela Kribs, Hannes Hudalla, Markus Knuf, Anja Stein, Christian Gille, Soyhan Bagci, Frank Dohle, Hans Proquitté, Dirk M. Olbertz, Esther Schmidt, Lutz Koch, Sabine Pirr, Jan Rupp, Juliane Spiegler, Matthias V. Kopp, Wolfgang Göpel, Egbert Herting, Sofia K. Forslund, Dorothee Viemann, Michael Zemlin, Peer Bork, Stephan Gehring, Inke R. König, Philipp Henneke, Christoph Härtel. Bifidobacterium and Lactobacillus Probiotics and Gut Dysbiosis in Preterm Infants: The PRIMAL Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr. Published online August 05, 2024. doi:10.1001/jamapediatrics.2024.2626

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: Das Childhood-Haus Würzburg nimmt Form an

Ein bedeutender Schritt im Kinderschutz: Das Childhood-Haus in Würzburg soll nun Realität werden. Ein Childhood-Haus ist eine kinderfreundliche, multidisziplinäre, ambulante Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeugen von sexualisierter und körperlicher Gewalt geworden sind.

Gruppenbild Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg
Die Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg bei der konstituierenden Sitzung am 30.07.2024. Bild: Alina Menschick / UKW

Würzburg. Dank einer langjährigen Kooperation mit der World Childhood Foundation, gegründet von Königin Silvia von Schweden, ist es gelungen, ein breites regionales Bündnis zur Etablierung eines Childhood-Hauses in Würzburg zu mobilisieren. Am Dienstag, den 30. Juli, hat sich der Förderverein Projekt Childhood-Haus Würzburg gegründet, um den Aufbau der neuen Einrichtung zu unterstützen.

Bereits im September 2015 entstanden im Rahmen einer Fachtagung mit Benefizgala in der Würzburger Residenz erste persönliche Kontakte zu der World Childhood Foundation, die schon zuvor Projekte von Wildwasser Würzburg e.V. in der Region unterstützt hat.

Die Schaffung einer gut strukturierten, zentralen Anlaufstelle, die alle notwendigen interdisziplinären Professionen unter einem Dach vereint, um eine optimale Versorgung für Kinder und Jugendliche mit Missbrauchserfahrungen zu gewährleisten, ist Kernpunkt der Initiative. Die Folgen eines Traumas zu mindern, Geschehenes strafrechtlich aufzuarbeiten und weitere Übergriffe zu verhindern, sind auch erklärte Ziele der Vereinsmitglieder.

Eine neue Dimension regionaler Zusammenarbeit im Bereich Kinderschutz

Das Universitätsklinikum, die Julius-Maximilians-Universität, die Stadt Würzburg, die Landkreise Würzburg und Main-Spessart, sowie pro familia Bezirksverband Unterfranken e.V., Wildwasser Würzburg e.V., Menschenskinder e.V. und die Flyeralarm Kids Foundation setzen sich künftig dafür ein, das Childhood-Haus langfristig zu sichern und den Kinderschutz in der Region weiter zu stärken. Die Kooperation ist geprägt von einer intensiven Vernetzung der existierenden regionalen Beratungs- und Behandlungsangebote.

Diese Haltung spiegelt sich auch in der Vorstandschaft des gemeinnützigen Fördervereins wider. Åsa Petersson wurde zur ersten Vorsitzenden gewählt. Prof. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, übernimmt den stellvertretenden Vorsitz. Weitere Vorstandsmitglieder sind Petra Müller-März, Wildwasser Würzburg e.V. sowie Prof. Marcel Romanos, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und psychosomatik am UKW.

Erste positive Effekte des Projekts sind bereits spürbar. Ein gemeinsamer Besuch im Childhood- Haus Heidelberg und die Gespräche mit den dortigen Fachkolleginnen und -kollegen haben wichtige Erkenntnisse gebracht.

Das Childhood-Haus Konzept

Bisher droht von Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen die Gefahr, während eines Strafverfahrens mehrfach befragt zu werden – von der ersten polizeilichen Befragung über die medizinische Untersuchung bis hin zum Gerichtsverfahren –, was zu Retraumatisierungen führen kann. Die speziell eingerichteten Räumlichkeiten im Childhood-Haus, geschultes Fachpersonal und kurze Wege zwischen den beteiligten Behörden schützen die Betroffenen vor Mehrfachbefragungen.

"Wir wollen einen Perspektivwechsel initiieren. Das betroffene Kind bzw. der/die betroffene Jugendliche steht im Mittelpunkt der Überlegungen und notwendigen Maßnahmen, um die Belastung zu verringern. Das bedeutet, dass im Childhood-Haus die Abklärung und insbesondere auch die strafrechtliche Aufarbeitung unter vorrangiger Berücksichtigung des Schutz-, Unterstützungs- und Hilfebedarfs des betroffenen Kindes/Jugendlichen erfolgt. Ich freue mich, dass nun in Würzburg der zweite bayerische Standort entsteht", so Dr. Astrid Helling-Bakki, Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Deutschland.

Als Nächstes soll mit den Justizbehörden eine Kooperationsvereinbarung geschlossen werden, die die Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein Projekt Childhood-Haus Würzburg e.V., dem Amtsgericht Würzburg, dem Landgericht Würzburg und den Ermittlungsbehörden regelt.

Text: Åsa Petersson

 

Gruppenbild Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg
Die Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg bei der konstituierenden Sitzung am 30.07.2024. Bild: Alina Menschick / UKW

Auszeichnung für die Erforschung von Babylauten

Prof. Dr. Kathleen Wermke erhält Fellowship der Carl Friedrich von Siemens Stiftung

Kathleen Wermke sitzt am Besprechungstisch vor dem Bücherregal in ihrem Büro im Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen
Prof. Dr. Kathleen Wermke, Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. Bild: Kathrin Königl

Würzburg. Erst vor wenigen Monaten, im März 2024, hat Prof. Dr. Kathleen Wermke ihr erstes Sachbuch über Babygesänge herausgegeben. Auf über 200 Seiten beschreibt sie unterhaltsam und fundiert, wie aus Weinen Sprache wird. Jetzt soll ein Fachbuch zur frühen Sprachentwicklung folgen. Die Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) an der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist von der Carl Friedrich von Siemens Stiftung eingeladen worden, ab Herbst ein Jahr lang am Stiftungssitz in München ungestört und konzentriert an ihrem wissenschaftlichen Werk zu arbeiten. In dieser Zeit ist Kathleen Wermke von ihren universitären Verpflichtungen freigestellt. Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung vergibt das Fellowship-Stipendium jährlich an zwei herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen und Nationalitäten. Einige Ergebnisse dieser Fellowships wurden in der 'Edition der Carl Friedrich von Siemens Stiftung' veröffentlicht, die im C.H. Beck Verlag erscheint.

„Ich freue mich außerordentlich über diese Auszeichnung, weil sie meine bisherige Forschung würdigt und mir die Möglichkeit gibt, meine wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenzufassen und weiterzugeben. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Kathleen Wermke. Die Verhaltensbiologin erforscht seit Jahrzehnten auf fast allen Kontinenten das Weinen, Quieken und Brabbeln von Säuglingen und Kleinkindern. Dabei analysiert sie die unterschiedlichen Melodien, Intervalle und rhythmischen Betonungen der Laute, also Elemente der späteren Prosodie der Umgebungssprachen. Mit ihrem Team hat sie dabei entdeckt, dass sich bereits in den ersten Lebenstagen die Melodiekontur im natürlichen Weinen von Neugeborenen rund um den Globus unterscheidet. Damit könne der Babygesang im ersten Lebensjahr als das entscheidende fehlende Puzzlestück betrachtet werden, um die Evolution vom Tiergesang zur menschlichen Lautsprache besser zu verstehen.

Weltweit erste Vorsprachliche Diagnostik anhand von Säuglingslauten

Bevor Kathleen Wermke 2003 nach Würzburg kam, forschte und lehrte sie viele Jahre am Institut für Medizinische Anthropologie der Charité in Berlin. An die Poliklinik für Kieferorthopädie des UKW kam sie, um gemeinsam mit einem interdisziplinären Ärzteteam das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb aufzubauen. Eine frühzeitige Diagnostik potenzieller Störungen in der Sprech- und Sprachentwicklung ist nicht nur bei Lippen-Kiefer-Gaumenspaltbildungen wichtig, sondern auch bei anderen Erkrankungen wie etwa angeborenen Hörstörungen oder Atemwegsproblemen. 

Das Team in der Kieferorthopädie betrat vor 20 Jahren absolutes Neuland. „Um überhaupt einen frühen Hinweis auf eine mögliche Entwicklungsstörung erkennen zu können, mussten wir zunächst erforschen, wie sich aus dem Weinen der Säuglinge über Gurr- und Brabbellaute einfache Silben und erste Wörter bilden und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Das war damals auch für Kinder ohne Risikofaktoren für die frühe Sprachentwicklung nicht bekannt. Wir brauchten Kontrollgruppen“, sagt die 63-Jährige rückblickend. So entstand im Laufe der Jahre ein besonderes Archiv mit Babylauten und die einzigartige, international gefragte Kompetenz, diese frühen Laute geeignet auszuwerten.

Im geplanten Fachbuch wird Kathleen Wermke ihre Theorien zur vorsprachlichen Entwicklung sowohl mit modernen Konzepten zur Sprachevolution als auch mit ihren klinischen Erfahrungen verbinden.

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Kathleen Wermke sitzt am Besprechungstisch vor dem Bücherregal in ihrem Büro im Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen
Prof. Dr. Kathleen Wermke, Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. Bild: Kathrin Königl

7.000 Euro für die Station Regenbogen

Bei einer Benefiz-Aktion von Auszubildenden des Würzburger Autohauses Rhein kamen 7.000 Euro für die Elterninitiative für leukämie- und krebskranke Kinder e.V. zusammen, die damit die Station Regenbogen der Würzburger Universitäts-Kinderklinik unterstützt.

Bei der Spendenübergabe
Bei der Spendenübergabe: Prof. Dr. Christoph Härtel vom Uniklinikum Würzburg (links) und Monika Demmich von der Elterninitiative für leukämie- und krebskranke Kinder e.V. (Vierte von links), zusammen mit Azubis und Ausbilderinnen des Würzburger Autohauses Rhein. © Ricarda Gertner / UKW

Würzburg. Ende April dieses Jahres überreichten die Auszubildenden des Würzburger Autohauses Rhein einen Spendenscheck über 7.000 Euro sowie 34 Teddybären an Prof. Dr. Christoph Härtel, den Direktor der Würzburger Universitäts-Kinderklinik, und Monika Demmich, die stellvertretende Vorsitzende der Elterninitiative für leukämie- und krebskranke Kinder e.V. 

Das Geld kam bei einem vorweihnachtlichen, von den Azubis organisierten Benefiz-Teddybärenverkauf zusammen. Ralf Rhein, der Geschäftsführer des Unternehmens, rundete die Spendensumme großzügig auf. Die Aktion wurde bereits zum zehnten Mal durchgeführt. Prof. Härtel und Monika Demmich bedankten sich herzlich für das freundliche Engagement. Das Geld und die Kuscheltiere kommen den kleinen Patientinnen und Patienten der Station Regenbogen der Kinderklinik zugute. Dort werden an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche behandelt und betreut. 

Text: Pressestelle / UKW

Bei der Spendenübergabe
Bei der Spendenübergabe: Prof. Dr. Christoph Härtel vom Uniklinikum Würzburg (links) und Monika Demmich von der Elterninitiative für leukämie- und krebskranke Kinder e.V. (Vierte von links), zusammen mit Azubis und Ausbilderinnen des Würzburger Autohauses Rhein. © Ricarda Gertner / UKW

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