Digitalisierungsprojekte

Clevere Technik in der Medizin

Dank der engen Verzahnung von Forschung und Anwendung können wir in der medizinischen Betreuung neueste Techniken und Methoden einsetzen.

Welche innovativen Digitalisierungsprojekte werden in den Kliniken und Einrichtungen am UKW erprobt oder haben sich in der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten bewährt?

Auf dieser Seite stellen die beteiligten Einrichtungen der Interdisziplinären AG Digitale Medizin (IAGDM) die schlauen Diagnosehelfer, smarten Behandlungsassistenten und zukunftsweisenden Präventionskonzepte aus ihren Bereichen vor.

Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz: PASSPORT-HF Studie / AHF-Voice Studie

Das DZHI setzt sich für eine umfassende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz ein. Dabei kommen auch modernste telemedizinische Ansätze zum Einsatz, von denen exemplarisch zwei vorgestellt werden.

PASSPORT-HF Studie: Fernüberwachung ermöglicht schnelle Therapieanpassung

Die vom DZHI geleitete und vom Institut für Herzinfarktforschung Ludwigshafen durchgeführte randomisierte PASSPORT-HF Studie hat den Weg für die Anwendung des CardioMEMSTM HF Systems ins deutsche Gesundheitssystem geebnet. Das System besteht aus drei Komponenten: ein Sensor wird Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz in die Lungenarterie implantiert; ein „intelligentes Kissen“ dient als Mess-Station; eine sichere Datenbank empfängt die täglich gemessenen Werte, wo sie vom Betreuerteam beurteilt werden können. Ein Druckanstieg in der Pulmonalarterie lässt meist schon Wochen vorher eine drohende Entgleisung erkennen. So kann durch eine geeignete Therapieanpassung eine weitere Verschlechterung, ein Krankenhausaufenthalt oder Schlimmeres verhindert werden.

AHF-Voice Studie: Stimme als Indikator für Herzschwäche

Die AHF-Voice Studie ist Teil des Innovationsprojektes UNISONO und verfolgt das Ziel, Stimmveränderungen von Patientinnen und Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz bis zur vollständigen Rekompensation zu untersuchen. Mithilfe einer eigens entwickelten Smartphone-App wird die Stimme des Patienten sowohl während des Krankenhausaufenthalts als auch nach der Entlassung aufgenommen und anschließend auf stimmliche Biomarker untersucht.
Die Analyse der Stimme könnte zukünftig als wertvolles Frühwarnsystem dienen, um drohende Dekompensationen frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten. Damit eröffnet die AHF-Voice Studie neue, innovative Ansätze in der Telemedizin. Stimmaufnahmen könnten dabei ein einfach zu erhebendes, kosteneffizientes und nicht-invasives Instrument zur Überwachung von Patienten mit Herzinsuffizienz darstellen.
 

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Smartphone-App ProVIA-Kids

Kinder mit Entwicklungsstörungen der Intelligenz oder einer Autismus-Spektrum-Störung zeigen häufig sogenannte „herausfordernde Verhaltensweisen“. Beispielsweise zerstören sie Dinge, verweigern sich bei Anforderungen oder verletzen sich selbst oder andere. Das Verhalten hat aus Sicht der Kinder gute Gründe. Sie haben oft ein Problem, das sie nicht anders mitteilen können.

Unterstüzung für Betreuungspersonen

Sowohl Eltern als auch Therapeutinnen und Therapeuten oder Beschäftigte in Wohneinrichtungen oder Schulen fühlen sich hiervon oft überfordert. Gleichzeitig fehlen im Gesundheitssystem die Ressourcen, um allen Familien und Einrichtungen die notwendigen Beratungs- und Therapieangebote zu machen.

Um diesem Ressourcenmangel zu begegnen, wurde im Rahmen des interdisziplinären Projekts „Problemverhalten verstehen und vorbeugen bei intellektueller Entwicklungsstörung und Autismusspektrumstörungen“ (ProVIA) die Smartphone-App ProVIA-Kids entwickelt. 

Tipps zur Prävention und zum Umgang mit herausforderndem Verhalten

Die App bietet Betreuungspersonen Unterstützung im Alltag. Sie hilft, die multifaktoriellen Ursachen des Verhaltens der Kinder zu ermitteln, und gibt konkrete verhaltenstherapeutisch und pädagogisch basierte Handlungsempfehlungen zur Prävention von und zum Umgang mit Problemverhalten. Ziel ist neben einer Entlastung im Alltag auch, die Notwendigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen zu reduzieren. Außerdem soll die App den Betreuungspersonen helfen, eigene Ressourcen zu stärken.

Die App wurde in Zusammenarbeit zwischen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, dem Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV und dem Institut für medizinische Datenwissenschaften (ImDS) der Universität Würzburg entwickelt. 

Vernetzung von Betreuungspersonen im Folgeprojekt

Aktuell wird im Folgeprojekt ProVIA-Teams eine Version der App entwickelt, mit der sich verschiedene Betreuungspersonen (zum Beispiel Eltern, Lehrkräfte und Schulbegleitung oder Betreuungspersonen in einer Wohneinrichtung) vernetzen und Daten teilen können. Das Kombinieren von Informationen soll helfen, das Verhalten der Kinder noch besser zu verstehen. Gleichzeitig sollen Teams gestärkt und Konflikte reduziert werden.

ProVIA und ProVIA-Teams werden durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

Das Ziel: eine App für betroffene Kinder mit Frühwarncheck und Regulierungsstrategien

Perspektivisch soll auch eine begleitende App zur Nutzung durch die Kinder mit Entwicklungsstörungen der Intelligenz oder Autismus-Spektrum-Störungen selbst entstehen, die den Kindern hilft, ihr eigenes Verhalten besser zu verstehen und neue Fähigkeiten zu erlernen (zum Beispiel Frühwarnzeichen von Anspannung erkennen und Erlernen von Strategien, diese Anspannung zu regulieren). Damit die App eine wirkliche, praktisch nutzbare Hilfe für Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Einschränkungen darstellt, wollen wir diese App gemeinsam mit Betroffenenorganisationen und Familien von Kindern mit Entwicklungsstörungen der Intelligenz oder Autismus entwickeln. 

Benutzeroberfläche der ProVia-App

Rheumatologie: Bechterew-App Axia

Die Digitalisierung ist auch in der Rheumatologie angekommen. Als eher konservatives und weniger technik-affines Fach – verglichen mit Fächern wie der HNO oder Radiologie – bot die Rheumatologie bisher eher weniger Potential für digitale Innovationen. Die Digitalisierungsansätze bestehen in der Rheumatologie vor allem in der Versorgung der Patientinnen und Patienten. 

Smartphone-Apps bieten beispielsweise eine gute Möglichkeit, die Behandlung und die Lebensqualität von Personen mit rheumatischen Erkrankungen zu verbessern, zumal auch viele junge Menschen betroffen sind. 

Ein Beispiel ist die Therapie-App Axia für die axiale Spondyloarthritis. Eine Teilform der axSpa ist besser bekannt als Morbus Bechterew. Dabei kommt es zu Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule und manchmal auch der peripheren Gelenke mit Bewegungseinschränkung und Funktionsverlust. Neben entzündungshemmender, medikamentöser Therapie ist eine konsequente Bewegungs- und Physiotherapie, am besten täglich, eine der zentralen Säulen.

Ziel der Bechterew-App mit Namen Axia ist es, den Betroffenen eine Trainingsapp an die Hand zu geben, die ansprechend ist und sich dynamisch an die Anforderungen der Betroffenen jeglicher Altersgruppen anpasst und sie bei der Bewältigung ihres Alltags zusätzlich zur medikamentösen Therapie und konventionellen Physiotherapie unterstützt. Neben dem Trainingsprogramm bietet die App weitere Features wie Symptomtracking, Medikamententagebücher, Entspannungsübungen und eine Wissensbibliothek.

Entwickelt wurde die App vom Start-up Applimeda, mit Unterstützung der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (DVMB).
 

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie: CARE-Studie

Psychotische Störungen manifestieren sich häufig in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter und zählen zu den schwerwiegendsten und kostenintensivsten psychischen Erkrankungen. Dem Ausbruch der Erkrankung geht häufig eine durchschnittlich fünfeinhalb Jahre andauernde Entwicklung voraus, in welcher die Patientinnen und Patienten unspezifische Veränderungen der Stimmung, des Denkens oder der Wahrnehmung bemerken. Derzeit bestehen kaum spezialisierte Früherkennungsangebote, sodass Betroffene oft wenig zielgerichtet nach Hilfen suchen und notwendige diagnostische und präventivtherapeutische Maßnahmen ausbleiben.

Im Rahmen der CARE-Studie ("Computer-Assistierte Risiko-Evaluation zur Früherkennung psychotischer Störungen") nutzen wir Methoden des Machine Learnings, um bei Menschen mit einem erhöhten Psychoserisiko eine individuelle Abschätzung des Risikos der Entwicklung einer manifesten Psychose vorzunehmen. Hierfür verwenden wir multimodale klinische Daten, die wir beispielsweise durch standardisierte Interviews, neuropsychologische Untersuchungen oder mittels morphologischer Hirnbildgebung (MRT) erheben. Basierend auf der Risikoeinschätzung erfolgt eine individuell gestaltete, präventive Frühbehandlung, im Rahmen derer die Probandinnen und Probanden eine Psychotherapie über sechs Monate erhalten. Das Ziel des Projektes besteht darin, den Ausbruch einer Psychose zu verhindern oder Krankheitsverläufe abzumildern und das soziale und berufliche Leistungsniveau zu verbessern.

Das CARE-Projekt wird als multizentrische, randomisiert-kontrollierte Studie an 20 Standorten in ganz Deutschland und unter Mitwirkung der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt. In Würzburg kooperieren wir im Rahmen des Projektes mit unserer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Koordiniert wird die Studie vom LVR-Klinikum der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf; finanziell gefördert wird sie mit ca. 9,5 Millionen Euro vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).