Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger haben eine Reihe ausgeklügelter Strategien entwickelt, um vom menschlichen Immunsystem unentdeckt zu bleiben. Sie täuschen, tarnen und töten. Wie es unseren Immunzellen trotzdem gelingt, sie zu identifizieren und auszuschalten, das erforscht Anna Lippert. Seit Mai ist sie neu als Juniorprofessorin für translationale Medizin am Institut für Systemimmunologie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.
„Man weiß heute schon eine Menge darüber, wie Immunzellen ihre Umgebung auf chemischer Ebene wahrnehmen“, erklärt die Wissenschaftlerin, „beispielsweise, dass sie infizierte Zellen bzw. deren charakteristische Molekülstruktur mithilfe von Rezeptoren erkennen.“ Neben chemischen spielten aber auch veränderte physische Eigenschaften kranker Zellen eine wichtige Rolle, etwa die charakteristische Steifigkeit virenbefallener Zellen. „Und wie unser Immunsystem diese Merkmale wahrnimmt, das ist kaum erforscht.“
Grundlagenforschung soll zur Entwicklung schonenderer Therapien dienen
Lipperts Ziel: Entschlüsseln, wie unser Immunsystem tickt und Immunzellen genetisch so verändern, dass sie Zellen mit bestimmten Eigenschaften gezielt ausschalten. „Könnten wir einer Immunzelle beispielsweise beibringen, besonders weiche Zellen zu töten, hätten wir einen möglichen Ansatz für die Bekämpfung von Krebs“, so die Forscherin. „Krebsbefallene Zellen verfügen nämlich in der Regel über ein weicheres Zellskelett als gesunde Zellen.“
Perspektivisch könnte die Grundlagenforschung so dazu beitragen, klassische Chemotherapien durch schonendere und gezieltere Behandlungen zu ersetzen – oder auch verhindern, dass Immunzellen gesunde Zellen angreifen, wie es bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. „Auch Neuropathien, also Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose (MS), könnten wir durch unsere Forschung besser verstehen.“
Internationale Forschung
Von der University of California in Berkeley und der Cambridge University, wo Lippert bisher im Rahmen eines Henry-Wellcome-Fellowships forschte, bringt sie mehrere Forschungsprojekte mit nach Würzburg. „Ein Fokus meiner Arbeit ist das Verständnis, wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen“, erzählt Lippert. „Die Zellen in unserem Körper verändern ihre Steifigkeit bei Entzündungen und Krankheiten wie Krebs, und unsere Immunzellen sind diesen Veränderungen ausgesetzt und können sie erkennen. Wenn wir verstehen, wie sie dies tun, können wir gezielte Immuntherapien entwickeln, die die Steifigkeit von Geweben verändern oder Immunzellen weniger oder empfindlicher für diese Steifigkeitsänderungen machen.“ Zudem erforscht die Juniorprofessorin die molekulare Funktion von Antikörpern bei Neuropathien und den Zusammenhang zwischen Zytoskeletten und der Aktivierung von Immunzellen von Patienten mit Immundefekten.
Vor ihrer Zeit in Berkeley und Cambridge schloss Lippert ihre Doktorarbeit an der University of Oxford ab zum Thema „Wie aktivieren Antikörper Immunzellen?“. Ihren Master in „Integrated Life Sciences absolvierte sie am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen, ihren Bachelor in „Integrated Life Sciences“ ebenfalls in Erlangen.
Über das Institut für Systemimmunologie
Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine Initiative der Uni Würzburg und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Ihr Ziel ist exzellente immunologische Forschung: Rund 50 internationalen Forschende untersuchen die Entwicklung und Funktion des Immunsystems. Ihr Fokus liegt auf der Erforschung der Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.
Kontakt
Prof. Dr. Anna Lippert, Juniorprofessorin für translationale Medizin, anna.lippert@ uni-wuerzburg.de
einBlick - Das Onlinemagazin der Universität Würzburg vom 05.09.2023