„Hätte mir jemand vor ein paar Jahren gesagt, dass ich mit 29 Jahren Professorin werde, hätte ich die Person für verrückt erklärt“, lacht Dr. Carmina Teresa Fuß, Assistenzärztin in der Endokrinologie am Uniklinikum Würzburg und seit kurzem mit einer Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)* Juniorprofessorin für Translationale Medizin. Es war lange überhaupt nicht klar, dass die gebürtige Würzburgerin mit italienischen Wurzeln überhaupt Medizin studiert. Denn parallel zur allgemeinen Schulausbildung am Egbert-Gymnasium in Münsterschwarzach hatte sie sich im PreCollege der Musikhochschule Würzburg auf ein entsprechendes Studium mit den Schwerpunkten Gesang und Klavier vorbereitet. Doch die Medizin mit ihrer Nähe zum Menschen und all ihren Möglichkeiten und Herausforderungen fand sie ebenfalls spannend. Sie wollte Chirurgin werden und entschied sich für das Medizinstudium. „Jetzt mache ich das genaue Gegenteil“, schmunzelt sie. „Die Endokrinologie ist das mit am wenigsten invasivste Fach, was man in der Medizin machen kann. Und sowieso war eine Professur allenfalls ein Hirngespinst.“
Kombination aus Antrieb, Umfeld und Möglichkeiten
Sie habe nie auf eine Professur hingearbeitet, sondern sei den klassischen Fuß'schen Weg gegangen: Ich mache etwas, weil es mich interessiert und es für mich sinnvoll und stimmig ist, ohne dabei etwas abzuhaken. Aber als sie plötzlich von der Berufungskommission zum „Vorsingen“ eingeladen wurde, wurde ihr klar, dass die Sachen, die sie ‚einfach mal so‘ macht, durchaus außergewöhnlich sind und ihr Werdegang ‚maximal ungewöhnlich‘ ist. Eine Kombination aus Antrieb, Umfeld und Möglichkeiten habe sie dahin geführt, wo sie jetzt steht.
Promotion zur verbesserten Diagnostik des Primären Hyperaldosteronismus
Carmina Teresa Fuß kam im fünften Semester als wissenschaftliche Hilfskraft (HIWI) zur Endokrinologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I – und blieb. Hier hat sie zunächst im Rahmen des Conn-Registers Patientinnen und Patienten mit Primärem Hyperaldosteronismus betreut. Beim Hyperaldo, wie ihn Carmina Teresa Fuß gern abkürzt, schütten die Nebennieren zu viel Aldosteron aus. Das Hormon kontrolliert den Blutdruck und Salzhaushalt. Anzeichen für ein Übermaß an Aldosteron sind ein Bluthochdruck, der sich trotz mehrerer Medikamente nicht einstellen lässt, und ein niedriger Blut-Kalium-Spiegel. In den meisten Fällen ist entweder eine beidseitige Überproduktion von Aldosteron oder ein einseitiger gutartiger Tumor die Ursache. Die Diagnose ist jedoch komplex und benötigt eine gewisse Expertise. Im Rahmen einer Katheteruntersuchung, die neben Würzburg nur wenige Zentren in Deutschland anbieten, wird den Erkrankten Blut aus beiden Nebennierenvenen entnommen, um die Hormonwerte zu messen. Ist nur eine Nebenniere betroffen, kann diese entfernt werden und der Bluthochdruck idealerweise geheilt werden. Sind beide Seiten betroffen, muss medikamentös behandelt werden.
Wie ließe sich die Erkrankung besser diagnostizieren und unterscheiden, welche Seite betroffen ist? Carmina Teresa Fuß nahm sich dieser Fragen an und suchte in ihrer Doktorarbeit auf Basis einer funktionellen Bildgebung nach Lösungen. „Wir konnten sehen, dass in den Tumoren, die Aldosteron produzieren, ein Chemokinrezeptor, für den es einen Tracer gibt und den man funktionell darstellen kann, hoch exprimiert ist. Erste Pilotstudien haben eine ähnlich gute Differenzierung gezeigt wie der Katheter“, berichtet die Ärztin.
Endokrinologie – ein intellektuelles Fach, das Spürsinn erfordert
Nach ihrem Examen hat Carmina Teresa Fuß kurz über einen Standortwechsel nachgedacht. Aber für sie habe es keinen Sinn gemacht. Sie war gut eingebunden ins Team, das unter der Leitung von Prof. Stefanie Hahner und Prof. Martin Fassnacht außerordentlich, weil nett, hochmotiviert und mit Begeisterung bei der Arbeit sei. „Das zeigt, dass das Umfeld ein relevanter Teil der Arbeit ist“, bemerkt Carmina Teresa Fuß. Sie hatte aber auch zufällig das gefunden, was ihr Spaß macht. „Die Endokrinologie ist ein sehr breites Fach in der Inneren Medizin, und ein intellektuelles“, erzählt sie. „Abgesehen von Schilddrüsenerkrankungen und Diabetes haben wir es oft mit seltenen Erkrankungen und diffusen Symptomkomplexen zu tun, die absolute Detektivarbeit erfordern. Die Patientinnen und Patienten kommen aus dem ganzen Bundesgebiet mit einer langen Vorgeschichte zu uns. Wir haben die Möglichkeit, uns Zeit für die Anamnese nehmen, ausführliche Gespräche zu führen und alle Laborwerte im Detail anzuschauen und über die Diagnose nachzudenken. Je nach Krankheitsbild können wir die Symptome nicht nur medikamentös behandeln, sondern auch die Grunderkrankung heilen.“
Aufbau eines Registers für Hypoparathyreoidismus
Im SFB/Transregio 205 „Die Nebenniere: Zentrales Relais in Gesundheit und Krankheit“ arbeitet Carmina Teresa Fuß weiter an der Entwicklung neuer Tracer für die Diagnose des Primären Hyperaldosteronismus. Im Praktischen Jahr erschien es ihr zudem sinnvoll, mit Prof. Stefanie Hahner ein Register für Patientinnen und Patienten mit Hypoparathyreoidismus aufzubauen. Sie bewarb sich für eine Rotationsstelle, erhielt sie und schuf eine strukturierte Registerstudie. Mit der Datenbank können Patienten mit dieser Nebenschilddrüsen-Unterfunktion systematisch untersucht und die Erkrankung, bei der zu wenig vom Parathormon produziert wird, welches den Kalziumspiegel steuert, charakterisiert werden. Es sei gerade bei den seltenen Erkrankungen wichtig, diese strukturell zu erfassen, um sich gezielt mit ihnen zu beschäftigen.
Modellsysteme zum Einfluss des Ubiquitin-Systems beim Nebennierenkarzinom
Darüber hinaus betreibt Carmina Teresa Fuß Grundlagenforschung. Im Rahmen ihrer Clinician-Scientist-Ausbildung ist sie in die Arbeitsgruppe von Dr. Markus Diefenbacher gegangen, der am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie von Prof. Martin Eilers den Einfluss des Ubiquitin-Systems auf die Tumorentwicklung erforscht. Ubiquitin ist ein Protein, das für zahlreiche zelluläre Prozessen bedeutsam ist. Carmina Teresa Fuß schaut sich sowohl in Zellkultur als auch bei den Betroffenen an, wie sich das Ubiquitin-System in der Nebenniere beim Nebennierenkarzinom verändert, und wie man hier therapeutisch eingreifen könnte. In einem weiteren Projekt in der AG Diefenbacher entwickelt sie Modellsysteme, um die Genetik verschiedener Nebennierenerkrankungen abzubilden und verschiedene Mechanismen und therapeutische Strategien zu testen.
Akademischer Zehnkampf – Klinik, Forschung, Lehre
Klinik, Forschung und Lehre - Martin Fassnacht nennt es akademischen Zehnkampf. Auch diese Herausforderung nimmt Carmina Teresa Fuß gern an. Sie liebt es zu unterrichten und hofft, dass sie ihre Studierenden genauso für die Endokrinologie begeistern kann wie sie es einst wurde.
Ein bisschen mulmig sei ihr allerdings bei dem neuen Titel. Sie soll nun Vorbild sein, lehren, eine Forschungsgruppe aufbauen, den Nachwuchs fördern und empfinde sich doch selbst noch als Nachwuchs. Andererseits habe es auch etwas Positives, vom Alter noch so nah an den Studierenden zu sein. Auch wenn sie sich täglich hinterfragt, gibt es bei ihr keine Unsicherheiten. Denn das, was sie tut, tut sie aus voller Überzeugung.
Ablenkung findet sie beim Lesen, Rennradfahren und Musizieren. „Ich habe die klassischen Mediziner-Hobbies“, meint sie. Dabei sei sie in einem Philologen-Haushalt mit einem klaren sprachlichen Track aufgewachsen. Ihr Vater, Dr. Albert Fuß, war Leiter des Zentrums für Sprachen an der Julius-Maximilians-Universität, ihre Mutter, Dr. Rosaria Sabetta-Fuß, gebürtige Italienerin, hat Germanistik und Anglistik studiert. Carmina Teresa Fuß ist zweisprachig aufgewachsen und lebt diese Neigung heute als Vizepräsidentin der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Dettelbach aus, welche die Städtepartnerschaft zwischen Dettelbach und Rufina bei Florenz fördert.
Hopp oder top!
Man könnte meinen, ihr Tag habe mehr als 24 Stunden. Aber die außerberuflichen Aktivitäten seien ihre Inseln, die ihr Kraft geben und sie wieder aufnahmefähig machen. Zudem sei sie extrem neugierig und probiere viel aus. „In der Schule wollte ich unbedingt Cello spielen. Doch es hieß: Kind, das passt jetzt so – nachdem ich schon Ballett, Gesang, Klavier und Saxophon machte. Das Cello ließ mich aber nicht los, sodass ich mir vor drei Jahren ein Cello besorgt habe und seither einmal pro Woche Unterricht nehme. Das macht mir so viel Spaß, dass ich manchmal denke: Hätte ich früher Cello gespielt, hätte ich vielleicht doch Musik studiert“, gibt sie zu Bedenken. Aber die Musik sei auf der anderen Seite sehr subjektiv, und man sei immer dem Urteil anderer ausgesetzt – hopp oder top. In der Medizin kann sie ihre Arbeit wissenschaftlich belegen und am Uniklinikum Würzburg scheint es für die sympathische Juniorprofessorin nur das eine zu geben: top! * WISNA-Programm des BMBF: W1-Professur für Translationale Medizin mit Tenure-Track auf eine W2-Professur