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Das Gehirn im Gleichgewicht

Maximilian U. Friedrich erhält am 2. Mai 2024 in Hamburg den Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung 2024. Mit dem Preisgeld von 210.000 Euro will der Mediziner und Wissenschaftler am UKW eine Arbeitsgruppe zur Erforschung der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns aufbauen.

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

Würzburg. Ohne ihn hätten wir Schwierigkeiten, uns auf den Beinen zu halten, uns fortzubewegen und uns im Raum zu orientieren. Unser Gleichgewichtssinn ist für unser tägliches Funktionieren von entscheidender Bedeutung. Er besteht aus mehreren Komponenten, unter anderem dem Innenohr mit den so genannten Vestibularorganen, deren Signale über weite Teile des Gehirns und Rückenmarks verschaltet werden. Sobald wir uns bewegen oder unsere Kopfhaltung verändern, senden die Vestibularorgane Signale ans Gehirn, das die Informationen verarbeitet und entsprechende Anpassungen der Augenstellung und Körperhaltung veranlasst, damit wir im Gleichgewicht bleiben. Störungen des Gleichgewichtssinns mindern unsere Lebensqualität drastisch und können sogar zur Arbeitsunfähigkeit oder langfristig zu Depressionen und Angstzuständen führen. Diese Tatsachen sind bekannt, aber die Therapiemöglichkeiten sind sehr begrenzt. 

Atlas vom neuronalen Netzwerk des Gleichgewichtssinns

Dr. Maximilian U. Friedrich will das ändern. „Erkrankungen des Gleichgewichtssinns wie Schwindel, Störungen des Ganges und der räumlichen Orientierung zählen zu den häufigsten Symptomen überhaupt in der Medizin“, sagt der 35-jährige Assistenzarzt und Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). „Die Neurologie hat sich mit der Entwicklung innovativer Hirnstimulationsmethoden mittlerweile zu einem therapeutischen Fach gewandelt - jedoch profitieren davon aktuell noch keine Patientinnen und Patienten mit Gleichgewichtsstörungen.“

Mit modernsten Methoden der Hirnbildgebung und Künstlicher Intelligenz will Maximilian U. Friedrich neue Therapieansätze bei komplexen Gleichgewichtserkrankungen erforschen, die besonders häufig bei neurologischen Erkrankungen wie dem Schlaganfall, der Multiplen Sklerose oder der Parkinsonerkrankung auftreten. „Hierfür werde ich unter anderem schlaganfallbedingte Schädigungen von Gleichgewichtsnetzwerken als Modell nutzen, um Struktur-Funktionsbeziehungen des Gleichgewichtssystems aufzuschlüsseln und zu kartografieren.“

Jung-Karriere-Förderpreis für translationale Forschung in der Neurologie

Sein Forschungsvorhaben und bisherigen Erkenntnisse überzeugten die Hamburger Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung so sehr, dass sie Maximilian U. Friedrich am 2. Mai in Hamburg den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis verleiht. Mit dem Preisgeld will der gebürtige Franke, der derzeit als Clinician Scientist in der Neurologie und Postdoktorand am Center for Brain Circuit Therapeutics des Brigham & Women's Hospital und Forschungsstipendiat an der Harvard Medical School in Boston arbeitet, ab Oktober 2024 eine eigene Arbeitsgruppe am UKW aufbauen.

Bisher untersuchte Maximilian Friedrich unter anderem, wie schlaganfallbedingte Verletzungen und Hirnstimulation die visuelle und Gleichgewichtswahrnehmung sowohl im Menschen als auch im Mausmodell beeinflussen, wofür er mit dem James A. Sharpe Award der nordamerikanischen neuroophthalmologischen Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Ihm gelang es, auf künstlicher Intelligenz basierende Systeme zu entwickeln, mit dem sich neurologische Bewegungsstörungen oder Augenzittern, wie es für Gleichgewichtserkrankungen charakteristisch sind, nur mit handelsüblichen Smartphones analysieren lassen. Die Ergebnisse sind mit denen bisheriger teurer Spezialmethoden vergleichbar, so dass seine Erkenntnisse künftig bei medizinischen Untersuchungen direkt am Krankenbett eine Rolle spielen könnten. Zusammen mit einer Arbeitsgruppe aus Australien gelang es ihm vor kurzem rund 750.000 Australische Dollar für ein Verbundvorhaben zur Weiterentwicklung künstlicher Intelligenzmethoden in der Neurologie einzuwerben.

Vom Tontechniker und Zivi zum Neurologen, Wissenschaftler und DJ

Ursprünglich studierte Maximilian U. Friedrich Germanistik, Philosophie und Klassische Philologie. Doch der Zivildienst als Krankenpfleger brachte ihn zur Medizin und schlussendlich zu einem anderen Blick auf den Geist. Nach der Aufnahme seines Medizinstudiums in Würzburg stellte sich schnell heraus, dass ihn besonders die Neurophysiologie begeisterte. „Das lag eigentlich nahe“, schmunzelt er. „In meiner Jugend habe ich mich als Tontechniker engagiert und viel mit Schaltkreisen und Signalprozessierung hantiert.“ Heute erzeugt er übrigens als DJ Musik aus elektrischen Schaltkreisen, sofern er nicht gerade an Hirnschaltkreisen forscht.

Den Funken für sein späteres Spezialgebiet - Störungen von Gleichgewicht, Augenbewegungen und Motorik – zündeten seine Mentoren während des Praktischen Jahres und der frühen Assistenzarztzeit: Dr. Mathias Pfau, Oberarzt im KWM Juliusspital und Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologie am UKW. „Sie schafften es, die komplexesten neurologischen Rätsel direkt am Patientenbett zu lösen, allein durch die nuancierte neurologische Untersuchung der Augen- und Körpermotorik, und fast ohne den Einsatz von Apparaten. Diese Kunstfertigkeit hat mich inspiriert“, schildert Maximilian U. Friedrich. Er absolvierte in der Neurologie des UKW eine vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) geförderte Ausbildung zum Clinician Scientist und baute zusammen mit Dr. Miriam Bürklein, Oberärztin der HNO-Klinik am UKW, ein interdisziplinäres Schwindelboard und eine Spezialambulanz für komplexe Gleichgewichtserkrankungen auf. In Kooperation mit Prof. Daniel Zeller, Oberarzt der Neurologischen Klinik am UKW und Prof. Martin Nentwich, stellv. Direktor der Augenklinik am UKW, gelang es ihm weiterhin, ein klinisch-wissenschaftliches Labor mit weltweit führender Ausstattung für Augenbewegungsanalysen am UKW zu etablieren. 

Der Weg zum Clinician Scientist sei sicher nicht immer einfach, umso mehr freue er sich über die Auszeichnung. „Die Förderung ermöglicht es mir nun, an meine bisherigen Forschungen anzuknüpfen und mein ganzheitliches klinisch-wissenschaftliches Programm zu verwirklichen.“ Zum Schluss schimmert noch einmal der Philosoph durch, als Maximilian U. Friedrich sein an Seneca angelehntes Motto zitiert: Per aspera ad astra - Über steinige Wege gelangt man zu den Sternen.

Über die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung

Die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung mit Sitz in Hamburg ehrt mit drei jährlich vergebenen Preisen Projekte der Grundlagen- und weiterführenden Forschung von besonderer klinischer Relevanz. Mehr als 15 Mio. Euro hat die Stiftung damit bis heute in die Förderung von Forscherinnen und Forschern investiert, die mit ihren Projekten eine Brücke von der Forschung zum Krankenbett schlagen. Unter dem Motto „Ausgezeichnete Humanmedizin“ trägt die Stiftung so maßgeblich zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten bei. Der Jung-Preis für Medizin, die Jung-Medaille für Medizin in Gold und der Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung zählen in ihrer Gesamtsumme europaweit zu den höchstdotierten Medizinpreisen. Mit der zusätzlichen Vergabe von Fellowships und Deutschlandstipendien kommt die Stiftung so auf Förderungen im Wert von insgesamt bis zu 650.000 Euro jährlich. Mehr Informationen unter www.jung-stiftung.de

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

EBMT Basic Science Award für revolutionäre Erkenntnisse zur Transplant-gegen-Wirt-Reaktion

Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen lösen gefürchtete T-Zellreaktion nach Stammzellentransplantation aus

Dr. Haroon Shaikh aus dem Forschungslabor von Prof. Andreas Beilhack am Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet.

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Würzburg. Glasgow, Schottland, war dieses Jahr Treffpunkt für mehr als 5.000 Expertinnen und Experten aus der Diagnostik, Versorgung und Forschung, die sich auf die Stammzellentransplantation spezialisiert haben. Die so genannte hämatopoetische Stammzellentransplantationen zielt darauf ab, das blutbildende System von Patientinnen und Patienten wiederherzustellen und hat sich für verschiedene Formen von Krebs und genetische Bluterkrankungen, die im Knochenmark entstehen, als Therapie mit der Chance auf Heilung erwiesen. 

Transplant-gegen-Wirt-Reaktion nach allogener Stammzellentransplantation 

Doch trotz ihrer Wirksamkeit birgt die Stammzellentransplantation eine gefährliche Nebenwirkung, insbesondere nach einer allogenen Transplantation, bei der die Stammzellen von einer Spenderin oder einem Spender stammen: die akute Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, kurz GvHD für Graft-versus-Host Disease. Dabei greifen Immunzellen des Spendertransplants - so genannte alloreaktive T-Zellen - die Organe der Empfängerin oder des Empfängers an. Besonders häufig betroffen sind der Magen-Darm-Trakt, die Leber und die Haut. 

Um diese Immunreaktion besser zu verstehen und einen gezielteren Ansatz zur Behandlung von Patientinnen und Patienten zu entwickeln, beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) schon länger mit der Frage, welche Zellen wo und wie und zur Aktivierung von T-Zellen beitragen und das lebensbedrohliche Syndrom einer akuten GvHD auslösen. 

Endothelzellen in Blutgefäßen der Lymphknoten aktivieren gefürchtete T-Zellreaktion

„Wir hatten eine sehr harte Nuss mit einer Serie von aufwendigen Experimenten zu knacken, um dieses wissenschaftliche Problem zu lösen“, berichtet Dr. Haroon Shaikh, der seit Juli 2016 im Forschungslabor von Prof. Beilhack arbeitet. „Unsere Ergebnisse sind jedoch eindeutig, nämlich dass Endothelzellen in den Blutgefäßen der Lymphknoten die alloreaktiven CD4+ T-Zellen aktivieren, was letztendlich die akute GvHD auslösen kann. Damit eröffnen sich nun gleich mehrere Möglichkeiten, um die Therapie von Leukämiepatienten entscheidend zu verbessern.“ 

Drei Awards fürs Beilhack Lab 

Für seine wegweisenden Forschungsergebnisse "Lymph Node Blood Endothelial Cells Prime Alloreactive CD4+ T Cells In Acute Graft-Versus-Host Disease Initiation" wurde Haroon Shaikh auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis zielt darauf ab, herausragende Beiträge aus der Grundlagenforschung auf der Jahrestagung zu ehren. Zusätzlich erhielt der Biotechnologe mit pakistanischen Wurzeln den Young Investigator Award. Und Juan Gamboa Vargas aus der Forschergruppe für Experimentelle Stammzelltransplantation am Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) durfte sich über den Best Young Abstract Poster Award freuen. 

„Diese Auszeichnungen würdigen den Stellenwert der Grundlagenforschung, in präklinischen Mausmodellen und der Analyse von Patientenproben, um etablierte Therapien zu verbessern oder rundum neue Behandlungsstrategien zu entwerfen. Und sie geben einen enormen Motivationsschub für das gesamte Forschungsteam“, freut sich Andreas Beilhack. „Vor allem der prestigereiche Basic Science Award wird Haroon Shaikh nun dazu beflügeln, seine eigene Nachwuchsforschergruppe zu starten.“

Und Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und Standortsprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich Transregio 221 „GvH-GvL“ kommentiert: „Dass das Team von Herrn Professor Beilhack nun zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren mit diesem angesehenen europäischen Forschungspreis ausgezeichnet wurde, zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, die Immuntherapie von Krebspatienten nachhaltig zu verbessern.“

Drei neue Ansatzpunkte für weitere Forschungsschritte

Die Wissenschaftler leiten gleich drei neue Ansatzpunkte aus den erzielten Ergebnissen ab. Zunächst wollen sie ähnliche Blutgefäßzellen im Knochenmark untersuchen und prüfen ob diese für eine gezielte Immunantwort gegen Krebs verantwortlich sind. Zweitens erforschen sie, ob Lymphknotengefäßzellen auch aus umliegenden Organen Antigene aufnehmen und alloreaktiven T Zellen präsentieren können. Drittens wollen sie neue Strategien prüfen, ob sich die Antigenpräsentation von Lymphknotengefäßzellen gezielt verändern lässt, um eine akute GvHD in Patientinnen und Patienten zu verhindern.

Link zum Interview mit Dr. Haroon Shaikh im EBMT TV Studio.

Text: Andreas Beilhack / Kirstin Linkamp 

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Erstmaliger Nachweis eines lokalen Biomarkers zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Interdisziplinäres Würzburger Team aus Neuroradiologie und Neurologie identifiziert das Enzym MMP-9 direkt in Blutgefäßen des betroffenen Hirnareals als entscheidenden Biomarker für schwerste Schlaganfallverläufe nach mechanischer Gerinnselentfernung, noch bevor therapeutische Schritte erfolgen.

Das Forscher-Team im Labor
An der Studie beteiligte Forscher am Fluoreszenzmikroskop mit aktiven MMP-9 positiven Entzündungszellen aus einem betroffenen Hirngefäß (v.l.n.r.): Alexander Kollikowski, Michael Schuhmann, Guido Stoll und Mirko Pham. © Vivian Vogt
MMP-9-expressierende Zellen unterm Fluoreszenzmikroskop
Erstmalige Beobachtung stark MMP-9-expressierender neutrophiler Granulozyten aus einer betroffenen Hirnregion bei hyperakutem ischämischem Schlaganfall. © Alexander Kollikowski

Würzburg. Plötzliche Lähmung, Taubheit, Verwirrung, Geh-, Sprach- und Sehstörungen können auf einen Schlaganfall hinweisen, der schnellstmögliche medizinische Hilfe erfordert. Bei einem ischämischen Schlaganfall, der einen Großteil der Schlaganfälle ausmacht, wird ein Teil des Gehirns aufgrund einer Unterbrechung der Blutversorgung geschädigt. Das wirkstärkste Therapieverfahren ist die mechanische Thrombektomie, die allein oder in Kombination mit medikamentöser Thrombolyse durchgeführt werden kann. Dabei wird das für den Schlaganfall verantwortliche Gerinnsel mittels eines interventionell-radiologischen Katheterverfahrens - minimalinvasiv - aus dem betroffenen Blutgefäß des Gehirns entfernt und die Blutversorgung wiederhergestellt. 

Risiken für Komplikationen nach einem Schlaganfall 

Auch bei schneller und effizienter Behandlung können bedauerlicherweise im Verlauf bisher unvorhersehbare, schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie beispielsweise eine raumfordernde Blutung im betroffenen Hirnareal oder neurologische Beeinträchtigungen mit hohem Behinderungsgrad aufgrund ausgedehnter Gewebeschäden. Obwohl allgemeine Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder eine lange Zeitdauer bis zum Therapiebeginn in nachträglichen Analysen einiger Therapiestudien zur mechanischen Thrombektomie beschrieben wurden, ist bisher noch nicht verstanden, welche individuellen Faktoren dazu führen, dass bestimmte Patientinnen und Patienten ein höheres Risiko für schwere Verläufe haben. Deshalb war es bisher noch nicht möglich, die klinische Praxis für potenzielle Risikogruppen frühzeitig und individuell anzupassen. 

Sogenannte Matrix-Metalloproteinasen (MMP) werden seit langem mit Blutungskomplikationen und neurologischen Beeinträchtigungen nach einem ischämischen Schlaganfall in Verbindung gebracht. Allerdings existieren noch keine Studien, welche die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung in einem therapeutischen Kontext untersucht haben.

Intravaskuläre weiße Blutkörperchen - neutrophile Granulozyten - als Quelle von MMP-9 identifiziert 

Das hat Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) nun gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des klinischen Labors der Neurologie, und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe geändert. Ihre Forschungsergebnisse zu verschiedenen Matrixmetalloproteinasen und ihrer prognostischen Relevanz, die anhand von winzigen Blutproben direkt aus dem Gehirn von Schlaganfallpatientinnen und -patienten gewonnen wurden, noch bevor das Gerinnsel mechanisch entfernt wurde und das wiedereinströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte, wurden in eBioMedicine, dem translationalen Fachjournal der international führenden Lancet-Gruppe, veröffentlicht. 

Das endovaskuläre Schlüsselverfahren hierzu hatte das interdisziplinäre Team in mehrjähriger Vorarbeit etabliert. Dabei konnten die Forschenden erstmals belegen, dass beim Menschen während eines Schlaganfalls eine sofortige massive Entzündungsreaktion im Gehirn stattfindet, die durch bestimmte Botenstoffe sowie eine Immunzellinvasion in das abgeriegelte Gefäßsystem über Umgehungskreisläufe charakterisiert ist. Nun haben die Forschenden aus Würzburg bei ihrer Analyse von 264 Proben von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten belegen können, dass von eindringenden Neutrophilen, einer Art weißer Blutkörperchen, enzymatisch aktive Matrixmetalloproteinase (MMP)-9, nicht aber das zur gleichen Enzymfamilie gehörende MMP-2, in die Blutgefäße des betroffenen Hirnareals freigesetzt wird.

Lokale Freisetzung von MMP-9 ist ein Prädiktor für schwerste Verläufe

Und tatsächlich: „Die lokale Freisetzung von MMP-9 vor Thrombektomie war ein starker unabhängiger Prädiktor für raumfordernde Einblutungen und schwerste Behinderung oder Tod im frühen klinischen Verlauf trotz erfolgreicher Rekanalisation“, schildert Alexander Kollikowski. „Die Daten aus den gewonnen Proben deuten darauf hin, dass lokal stärkste Konzentrationserhöhungen von MMP-9 einen erheblichen Informationswert für die Vorhersage dieser Ereignisse haben, womit wir erstmals einen Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker vor einer therapeutischen Rekanalisation erbracht haben.“ Damit ist örtlich freigesetztes MMP-9 ein pathophysiologisch relevanter Biomarker zur Identifizierung der klinisch relevantesten Hochrisikogruppen für schwere Verläufe nach einer mechanischen Thrombektomie, noch bevor die eigentlich therapeutischen Schritte eingeleitet werden, um den Blutfluss zum betroffenen Hirnareal wiederherzustellen. 

Für diesen Befund gibt es eine plausible Erklärung aus der Grundlagenforschung: Es ist seit langem bekannt, dass MMP-9 die schützende Blut-Hirn-Schranke schwer schädigen kann, was wiederum eine erhöhte Blutungsneigung zur Folge hat. Michael Schuhmann resümiert: „Unsere Ergebnisse haben damit weitreichende Implikationen für die zukünftige präklinische und klinische Schlaganfallforschung, insbesondere für die Implementierung erweiterter Behandlungskonzepte für die Akutphase zur Verbesserung des Outcome. Im Rahmen weiterführender Untersuchungen zeichnen sich schon jetzt vielfältige erweiterte Konzepte für zukünftige Schlaganfalltherapien ab.“

Forschungsförderung

Diese Untersuchungen wurden durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Würzburg (Projekt T-516; Kollikowski/Schuhmann: Integration von zerebraler Hämodynamik, Hämorheologie und Inflammation im hyperakuten Schlaganfall) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG  (TR240 Projekt B02; Stoll/Pham: Thrombozyten-abhängige Schädigungs- und Schutzmechanismen im akuten Schlaganfall) gefördert. Aktuell wird Michael Schuhmann durch die Hentschel-Stiftungsprofessur unterstützt.

Zahlen, Daten und Fakten zum Schlaganfall

Jedes Jahr erleiden etwa 250.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Laut Robert-Koch-Institut hatten bereits 2,5 Prozent der Erwachsenen hierzulande einen Schlaganfall, das entspricht einem von 40 Menschen in Deutschland. Trotz Fortschritten in der Vorsorge und Behandlung wird die globale Krankheitslast infolge von Schlaganfällen bis zum Jahr 2050 stetig ansteigen, sodass es zu diesem Zeitpunkt weltweit rund 200 Millionen Überlebende von Schlaganfällen geben wird, einhergehend mit jährlich über 30 Millionen Neuerkrankungen und 12 Millionen Todesfällen. Weitere Informationen:Deutsche Schlaganfall Gesellschaft, Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe und Hentschel-Stiftung

Literatur; The Lancet Discovery Science:
Kollikowski, A. M. et al. MMP-9 release into collateral blood vessels before endovascular thrombectomy to assess the risk of major intracerebral haemorrhages and poor outcome for acute ischaemic stroke: a proof-of-concept study. EBioMedicine 103, 105095 (2024). doi.org/10.1016/j.ebiom.2024.105095 

Text: Kirstin Linkamp 
 

Das Forscher-Team im Labor
An der Studie beteiligte Forscher am Fluoreszenzmikroskop mit aktiven MMP-9 positiven Entzündungszellen aus einem betroffenen Hirngefäß (v.l.n.r.): Alexander Kollikowski, Michael Schuhmann, Guido Stoll und Mirko Pham. © Vivian Vogt
MMP-9-expressierende Zellen unterm Fluoreszenzmikroskop
Erstmalige Beobachtung stark MMP-9-expressierender neutrophiler Granulozyten aus einer betroffenen Hirnregion bei hyperakutem ischämischem Schlaganfall. © Alexander Kollikowski

Teilnehmende für ARIPro-Studie bis 30. April gesucht!

Untersucht werden Auswirkungen von akut respiratorischen Infektionen (ARI) auf Immunität, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden des Gesundheitswesens.

Das ehamlige CoVacSer-Studienteam auf dem Gelände des UKW.
Das ARIPro-Studienteam v.l.n.r.: Alexander Gabel, Nils Petri, Juliane Mees, Manuel Krone, Isabell Wagenhäuser, Julia Reusch; es fehlen Max Mayerhöfer und Helen Müller. © Daniel Peter / UKW
Aufbau der Studie ARIPro - Grafik

Wer im Gesundheitswesen arbeitet, die Wissenschaft unterstützen und regelmäßig Informationen über seinen Immunstatus erhalten möchte, hat noch bis zum 30. April die Chance an der ARIPro-Studie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) teilzunehmen. Ziel der Studie ist es, Auswirkungen von akut respiratorischen Infektionen (ARI), insbesondere SARS-CoV-2, Influenza und Respiratorisches-Synzytial-Virus (RSV) auf die Immunität, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden des Gesundheitswesens zu untersuchen und wie diese gegebenenfalls durch Impfungen verhindert werden können. 

ARI steht für akut respiratorische Infektionen, Pro für Protection. Teilnehmen können alle erwachsene Mitarbeitende des Gesundheitswesens, unabhängig davon, ob sie Kontakt zu Patientinnen und Patienten haben. 

Zwei Teilnahmezeitpunkte pro Person und Jahr

Der Einschluss in die Studie erfolgt bis zum 30. April 2024. Nach der Anmeldung werden die Studienteilnehmenden gebeten, einen Online-Fragebogen auszufüllen und eine Blutprobe mit der Einwilligungserklärung an das Studienteam zu senden. Weitere Datenerhebungen wird es vor der nächsten ARI-Saison im Herbst 2024 sowie im Frühjahr und Herbst 2025 und im Frühjahr 2026 geben. Alle im Rahmen der Studie ermittelten serologischen Befunde werden den Teilnehmenden individuell und baldmöglichst mitgeteilt.

Einladung an Personen, die im Gesundheitswesen im gesamten Bundesgebiet arbeiten

ARIPro ist eine Fortsetzungsstudie der CoVacSer-Studie mit modifiziertem Studien-Design. Die Teilnahme an der vorhergehenden CoVacSer-Studie, aus der zahlreiche wissenschaftliche und gesellschaftlich relevante Erkenntnisse gewonnen wurden (siehe Info weiter unten), ist jedoch nicht verpflichtend. Generell sind Interessierte aus dem gesamten Bundesgebiet herzlich eingeladen, an der ARIPro-Studie teilzunehmen. Für diejenigen die in Würzburg und Umgebung wohnen, bietet das Studienteam auch individuelle Blutentnahmetermine zu bestimmten Zeiten an.

Die ARIPro-Studie wird von einem interdisziplinären Team Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Zentralen Einrichtung für Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship, der Medizinischen Klinik und Poliklinik I, Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg sowie dem Institut für Hygiene und Mikrobiologie und dem Institut für Virologie und Immunbiologie der Julius-Maximilians-Universität durchgeführt.

Kontakt: 
Universitätsklinikum Würzburg
Institut für Hygiene und Mikrobiologie
ARIPro-Studienteam
Josef-Schneider-Str. 2 / Gebäude E1
97080 Würzburg

E-Mail: aripro@ ukw.de

Weiterführende Informationen und die genaue Anleitung zur Teilnahme finden Sie unter folgendem Link.

Über die erfolgreiche Vorgängerstudie CoVacSer

In der CoVacSer-Studie des Universitätsklinikums Würzburg wurde die immunologische Impfantwort sowie die Lebens- und Arbeitsqualität nach einer Covid-19-Impfung und/oder -Infektion in einer Kohorte von 1.800 Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten untersucht. Die Daten der CoVacSer-Studie unterstreichen zum Beispiel die Bedeutung von Grippe-Impfung für Beschäftigte in der Patientenversorgung. Die Studie wurde hochrangig publiziert im Journal of Infection. Hier geht es zur Pressemitteilung. Weitere Auswertungen im Rahmen der CoVacSer-Studie zu Faktoren, die die Konzentration von Antikörpern nach einer Corona-Infektion oder Covid-19-Impfung beeinflussen, zur Verträglichkeit der Varianten-adaptierten Covid-19 Impfstoffe und gemeinsamen Verabreichung mit der Influenza-Impfung sind hier zusammengefasst. Auch der Einfluss der psychischen Gesundheit und Schlafqualität auf die Immunogenität von Covid-19-Impfungen wurden im Rahmen der CoVacSer-Studie untersucht und sind hier nachzulesen. 
 

Das ehamlige CoVacSer-Studienteam auf dem Gelände des UKW.
Das ARIPro-Studienteam v.l.n.r.: Alexander Gabel, Nils Petri, Juliane Mees, Manuel Krone, Isabell Wagenhäuser, Julia Reusch; es fehlen Max Mayerhöfer und Helen Müller. © Daniel Peter / UKW
Aufbau der Studie ARIPro - Grafik

Förderung durch den Freistaat: UKW untersucht Effekte von Kompaktkuren für die ganze Familie nach Brustkrebsdiagnose

Staatsministerin Judith Gerlach überbringt Zuwendungsbescheid in Höhe von 350.000 Euro / Ergebnisse sollen 2027 vorliegen

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW.   Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.von rechts), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.von rechts) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, rechts). Foto: UKW / Stefan Dreising
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW. Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.v.r.), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.v.r) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, r.). Foto: UKW / Stefan Dreising

Würzburg. Das bayerische Gesundheitsministerium fördert ein Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) mit rund 350.000 Euro. In dem Projekt wird untersucht, welchen Effekt es hat, wenn nach einer Brustkrebsdiagnose die komplette Familie der Patientin an einer ambulanten Kompaktkur teilnimmt. Am Freitag, 12. April, überbrachte Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention den Zuwendungsbescheid. Das Projekt ist bis 2027 angelegt.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach: „Die Diagnose Brustkrebs ist für viele Frauen und Ihre Familienangehörigen erstmal ein Schock. Um die Situation für die Betroffenen künftig zu verbessern, unterstützen wir unsere Spitzenwissenschaftler in den Universitätskliniken, wie hier in Würzburg. Wir stärken somit aktiv auch den Forschungs- und Medizinstandort Bayern.“

„Krebserkrankung betrifft die ganze Familie“

Prof. Dr. Imad Maatouk, Leiter des Schwerpunkts Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie an der Medizinischen Klinik II des UKW und sein Team sind verantwortlich für das Projekt. Prof. Maatouk: „Eine Brustkrebserkrankung betrifft nicht nur die Patientin direkt, sondern die gesamte Familie. Das merken wir in der akuten Versorgung in der Klinik, aber das gilt natürlich auch darüber hinaus im Rahmen der Nachsorge. Mit dem Projekt wollen wir dazu beitragen, neue Versorgungsformen im Kurbereich wissenschaftlich fundiert zu prüfen.“
„Dazu blicken wir konkret auf die Ergebnisse einer ambulanten Kompaktkur mit der gesamten Familie. Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen Einfluss die Maßnahme auf die Patientin, ihre Angehörigen und die Familie als Ganzes hat. Dieses Thema ist für die Gesellschaft und die Gesundheitsversorgung von enormer Bedeutung“, so Prof. Maatouk weiter. Im Rahmen des wissenschaftlichen Projektes werden u.a. strukturierte Befragungen eingesetzt. „Gerade interdisziplinäre Ansätze in der Kurortmedizin, die gezielt die Familienstrukturen einbinden, können einen Beitrag leisten, auch die Langzeiteffekte von Kureffekten zu stabilisieren“, erklärt Dr. Franziska Reinhardt (UKW), die das Projekt koordiniert. Bei einer ambulanten Kompaktkur tragen, anders als z.B. bei einer Rehabilitationsmaßnahme, die Patientinnen und Patienten selbst die Kosten für die Unterbringung. Der Fokus liegt dabei auf gesundheitsfördernden Maßnahmen. 

Das UKW kooperiert bei dem Projekt mit „mammaLIFE“, dem Anbieter einer bereits etablierten Kompaktkur für Frauen nach einer Brustkrebserkrankung in Bad Tölz. Das dreiwöchige mammaLIFE-Kurprogramm unterstützt Frauen bei der Bewältigung der Erkrankung sowie der Etablierung eines gesunden Lebensstils. „Viele Frauen fallen nach Abschluss der Therapie, wenn die Rückkehr in den Alltag ansteht, in ein Loch und wünschen sich an dieser Stelle Hilfestellung. Wir freuen uns, mit dem Projekt nun auch die Familien der Betroffenen mit einbeziehen zu können, für die es bis dato kaum professionelle Unterstützungsangebote gibt“, erläutert Dr. Florian Wiedemann, Leiter von mammaLIFE.

Beratungsangebot für Familien 2023 am UKW etabliert

Gerade mit Blick auf die Kinder von erkrankten Menschen sei die Einbeziehung der Familie wichtig, so Prof. Maatouk: „Speziell minderjährige Kinder weisen häufig einen hohen Stresslevel auf. Dieser kann bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen dazu führen, dass sie manifeste psychische und psychosomatische Störungen entwickeln." Dank einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 20.000 Euro des Vereins „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ mit der Vorsitzenden Gabriele Nelkenstock konnte die UKW-Klinik bereits 2023 hier ein neues Beratungsangebot für Familien mit dem Namen „Kleeblatt“ etablieren. Auch die Stiftung „Forschung hilft“ unterstützt ein Projekt zur Unterstützung von Angehörigen in diesem Bereich.

PD Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKW, betont: „Als Universitätsmedizin ist es eine unserer Kernaufgaben, Innovation in der Gesundheitsversorgung voranzubringen, auch über einzelne Versorgungsstufen hinaus. Dazu will das Projekt, speziell mit dem Blick auf Familien, beitragen. Über die Förderung durch den Freistaat Bayern freuen wir uns daher sehr.“ Insgesamt liegt das Projektvolumen bei rund einer halben Million Euro: Zusätzlich zur Förderung des Freistaates Bayern stellt die Universitätsmedizin Würzburg aus Eigenmitteln 150.000 Euro für das Projekt bereit.
 

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW.   Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.von rechts), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.von rechts) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, rechts). Foto: UKW / Stefan Dreising
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (4.v.l.) überreichte den Zuwendungsbescheid für das Projekt zur familienorientierten Versorgungsforschung am UKW. Über die Förderung der Würzburger Universitätsmedizin freuen sich (v.l.) Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW, Dr. Franziska Reinhardt und Prof. Dr. Imad Maatouk (Projektleitung, UKW), Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (3.v.r.), Gabriele Nelkenstock („Hilfe im Kampf gegen Krebs“, 2.v.r) und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin Psychoonkologischer Dienst (UKW, r.). Foto: UKW / Stefan Dreising

Blutplättchen: Gerinnungshelfer und Entzündungstreiber

Prof. Dr. Bernhard Nieswandt erhält vom European Research Council den prestigeträchtigen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für seine Forschung zu einem noch gänzlich unbekannten zellulären Mechanismus in Thrombozyten (Blutplättchen), der bei entzündlichen Erkrankungen eine wichtige Rolle zu spielen scheint.

Porträt von Bernhard Nieswandt im RVZ
Prof. Dr. Bernhard Nieswandt erhält den prestigeträchtigen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für seine Forschung zu einem noch gänzlich unbekannten zellulären Mechanismus in Thrombozyten, ein Prozess zellulärer Reorganisation. © Daniel Peter / UKW
Mikroskopische Aufnahme vom Blutplättchen und der abgespaltenen Organelle
Die von Bernhard Nieswandt hier in der Maus beobachteten PITTs - Platelet-derived Integrin- and Tetraspanin-enriched Tethers – sind kometenschweifartige, von Thrombozyten abgespaltene Organellen, die mit anderen Zellen im Gefäßsystem interagieren und so Entzündungen vorantreiben. © Bernhard Nieswandt

Würzburg. Mitte des 19. Jahrhunderts fielen sie erstmals als kleine Kügelchen im Blut auf, um die Jahrhundertwende wurde ihre Funktion bei der Blutgerinnung, der sogenannten Hämostase, und der Entstehung von Thrombosen entdeckt, und einige Jahre später kannte man auch den Ort ihrer Bildung im Knochenmark, wo die Blutplättchen von ihren Vorläuferzellen, den Megakaryozyten abgeschnürt werden. Die Biologie dieser kleinen kernlosen Zellen, die nur einen Tausendstel Millimeter groß sind, und von denen wir etwa 250 Millionen in jedem Milliliter Blut haben, hat sich nach und nach zu einem großen Forschungsgebiet entwickelt. Inzwischen ist klar, dass Blutplättchen, in der Fachsprache Thrombozyten genannt, viel mehr können als Blutungen stillen und Infarkte auslösen. Als Modulatoren des Immunsystems treiben sie auch Entzündungsprozesse voran und begünstigen so Gewebeschädigungen.

Thrombo-Inflammation: Von Blutplättchen ausgelöste Entzündungsprozesse

Prof. Dr. Bernhard Nieswandt, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Biomedizin I am Uniklinikum Würzburg (UKW) und Forschungsgruppenleiter am Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) der Universität Würzburg (JMU), war an diesen Erkenntnissen maßgeblich beteiligt und hat den Begriff „Thrombo-Inflammation“ geprägt. Für seine Pionierarbeit in der Blutplättchenforschung, seine neueste Entdeckung und weiterführende Untersuchungen wurde er jetzt mit einem ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro ausgezeichnet. Die Advanced Grants des European Research Councils (ERC) sind Teil des EU-Programms Horizon Europe und richten sich an etablierte Spitzenforscherinnen und -forscher. Der Grant gehört zu den prestigeträchtigsten und kompetitivsten wissenschaftlichen Auszeichnungen und Instrumenten der EU-Forschungsförderung (siehe Info-Kasten weiter unten). 

PITT-Inflame: abgespaltene Organellen, die Immunfunktionen steuern 

Der Preis ist für Bernhard Nieswandt Anerkennung und Ansporn zugleich, weiter seinem wissenschaftlichen Instinkt zu folgen, am Puls der Zeit zu forschen und Durchbrüche in dem Verständnis von Erkrankungen wie Schlaganfall, Blutvergiftung (Sepsis) oder akutem Lungenversagen (ARDS) zu erzielen. Bei der Entstehung dieser Erkrankungen spielen Thrombozyten nämlich eine maßgebliche Rolle. Und um die geht es auch im neuen ERC-Projekt „PITT-Inflame“, ein Akronym für “Platelet-derived Integrin- and Tetraspanin-enriched Tethers as key effectors in thrombo-Inflammation”. PITT sind dabei kometenschweifartige, von Thrombozyten abgespaltene Organellen, die mit anderen Zellen im Gefäßsystem interagieren und so Entzündungen vorantreiben. 
„Konkret wollen wir einen zellulären Mechanismus von Thrombozyten analysieren, der noch nie beschrieben wurde und den wir in meiner Arbeitsgruppe eher beiläufig entdeckt haben“, berichtet Bernhard Nieswandt. „Eigentlich ist das Leben eines Thrombozyten nach seiner Aktivierung und Anhaftung an Verletzungsstellen schnell vorbei, und er wird von Phagozyten entsorgt. Doch wir konnten sehen, dass nicht aktivierte Thrombozyten im Blutstrom einen unerwarteten Prozess zellulärer Reorganisation durchlaufen, der dazu führt, dass sie Teile ihrer Membran dort deponieren, wo Entzündungsprozesse ablaufen und diese damit befeuern.“ Im ersten Teil des ERC-Projekts möchte Bernhard Nieswandt erforschen, wie es zu dieser Reorganisation kommt und der Thrombozyt einen kleinen Teil von sich selbst hinterlässt, eine Organelle, angefüllt mit Kommunikationsmolekülen, die Immunfunktionen steuern, aber auch entzündliche Gewebeschädigung begünstigen kann. 

100.000 Moleküle werden reorganisiert 

Erstaunt habe ihn, dass sich Integrine, also bestimmte Adhäsionsrezeptoren, die am Zytoskelett der Zelle hängen, absolut frei in der Membran bewegen können und 100.000 Moleküle blitzschnell in eine bestimmte Region der Zelloberfläche (Mikrodomäne) gebracht werden. „Da muss in der Zelle eine Art Sortiermaschine vorhanden sein, die den gesamten Bestand ihrer wichtigsten Adhäsionsrezeptoren zusammen mit assoziierten Membranproteinen, den Tetraspaninen, als Bausteine für neuartige Zellorganelle, die PITTs, reorganisiert.“ Nieswandt hat erste Hinweise, dass diese Organellen mit Signalmolekülen, Ribosomen und RNA beladen sind und somit die Funktion ihrer Zielzellen verändern können. Nachdem der Biologe mit seinem Team eine detaillierte molekulare Zusammensetzung und Architektur von PITTs geliefert und die zugrundeliegenden Signalnetzwerke entschlüsselt hat, plant er im zweiten Teil des Projekts, PITT-induzierte Effekte auf den Zielzellen zu identifizieren und aus den gewonnenen Erkenntnissen therapeutische Strategien abzuleiten. 

„Spätestens bei Covid-19 haben wir gelernt, was Thrombo-Inflammation tatsächlich bedeutet“

Zahlreiche seiner Erkenntnisse und Patente sind bereits erfolgreich im klinischen Einsatz, oder auf dem Weg dorthin. Beispiel ischämischer Schlaganfall: Wurde der Thrombus, der die Blutversorgung in einem bestimmten Teil des Gehirns unterbrochen hat, erfolgreich entfernt, und der Blutfluss wiederhergestellt, kann es immer noch zu einer Entzündungsreaktion und daraus resultierenden Hirnschädigungen kommen. Die Mechanismen, die dieser von Thrombozyten gesteuerten Entzündung zugrunde liegen, haben Bernhard Nieswandt und sein Team einst gemeinsam mit der Neurologie am UKW aufgedeckt. Erste Studien mit Inhibitoren, die diese Entzündungsreaktion unterdrücken, verliefen erfolgsversprechend. Und auch beim akuten Lungenversagen, was vor allem in der Corona-Pandemie viele Menschen getroffen hat, ist eine überschießende Immunreaktion angetrieben durch außer Kontrolle geratene Blutplättchen, beteiligt. „Spätestens bei Covid-19 haben wir gelernt, was Thrombo-Inflammation tatsächlich bedeutet“, erklärt Bernhard Nieswandt. Mit dem Glykoprotein VI (GPVI), das sich auf der Oberfläche von Thrombozyten befindet, hat seine Arbeitsgruppe einen vielversprechenden Angriffspunkt für die Behandlung solcher entzündlichen Krankheitsprozesse gefunden. „Indem wir GPVI gezielt mit einem Antikörper hemmen, können wir den verheerenden Einstrom von Entzündungszellen ins Lungengewebe unterbinden und die daraus resultierende Gewebeschädigung der entzündeten Lunge deutlich reduzieren, ohne das Risiko von Entzündungsblutungen zu erhöhen“, erläutert Nieswandt. Er hat nicht nur einen Mechanismus entdeckt, wie man GPVI hemmen kann, sondern auch gezeigt, wie dieser Rezeptor aus Thrombozyten entfernt werden kann, was zukünftig von erheblichem therapeutischem Nutzen sein könnte. 

Neue Wege für die Behandlung eines breiten Spektrums von Krankheiten 

Zurück zu PITT-Inflame: „Unsere Hypothese ist, dass zirkulierende Thrombozyten die Fähigkeit haben, ihre wichtigsten Adhäsions- und Signalisierungsmechanismen auf zwei grundlegend verschiedene Arten zu nutzen und dadurch zwischen hämostatischen und einem thrombo-inflammatorischen Funktionen zu wechseln. Sollte sich diese Annahme bestätigen, würde dies eine grundlegend neue Forschungsrichtung in der Thrombozytenbiologie begründen und vielversprechende Wege für die Behandlung eines breiten Spektrums von Krankheiten mit großen Auswirkungen auf die Gesellschaft eröffnen“, fasst Bernhard Nieswandt zusammen. 

Über Bernhard Nieswandt

Bernhard Nieswandt (Jahrgang 1968) studierte in Regensburg und Canterbury (UK) Biologie und Biochemie. Bereits als Doktorand in Regensburg beschäftigte er sich mit dem damals noch gänzlich neuen Forschungsgebiet Thrombozyten und Entzündung und entwickelte die weltweit ersten Antikörper gegen Maus-Thrombozyten, die wichtige Werkzeuge bei der Erforschung dieser Zellen wurden. Nach seiner Promotion im Jahr 1997 wechselte er an die Universität Witten/Herdecke, wo er sich habilitierte. Im Februar 2002 zog er nach Würzburg und treibt seither vor allem die kardio- und neurovaskuläre Forschung mit bahnbrechenden Entdeckungen voran. Er baute im neu gegründeten Rudolf-Virchow-Zentrum als erster eine Arbeitsgruppe auf, wurde zwei Jahre später Professor und übernahm im Jahr 2008 die Leitung des Lehrstuhls I für Experimentelle Biomedizin. Mit seinem Team hat er die Grundlagen für zwei Medikamente gelegt: Ein Faktor XIIa-Inhibitor von CSL Behring, der gerade von der US-amerikanischen Food and Drug Administration FDA zugelassen wurde und von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA geprüft wird, und ein GPVI-Inhibitoren, die gerade in der klinischen Phase III angekommen sind. 
Bernhard Nieswandt hat in Würzburg bislang 26 Postdocs, 41 Doktorarbeiten und 24 Master-Studierende betreut. Seit 1999 hat er über 320 Publikationen veröffentlicht, die mehr als 26,000-mal zitiert wurden. Acht Patente wurden erteilt, drei weitere sind noch in Begutachtung. Bernhard Nieswandt lebt mit seiner Familie in Eibelstadt, wo er mit seiner Firma EMFRET Analytics Antikörper für die kardiovaskuläre Forschung herstellt. 

Über die ERC Advanced Grants
Die ERC Advanced Grants sind Teil des EU-Programms Horizon Europe und richten sich an etablierte Spitzenforscherinnen und –forscher. Die Preise gehören zu den prestigeträchtigsten und kompetitivsten der EU. Der ERC gab am Donnerstag, 11. April, die Namen von insgesamt 255 herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Europa bekannt, die mit dem ERC Advanced Grant ausgezeichnet werden. Mit den neuen Zuschüssen im Gesamtwert von 652 Millionen Euro werden Forschungsprojekte in einem breiten Spektrum unterstützt, das von Biowissenschaften über die Naturwissenschaften bis hin zu den Sozial- und Geisteswissenschaften reicht. Spitzenreiter unter den erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerbern ist Deutschland mit insgesamt 50 Preisen, gefolgt von Frankreich mit 37 und Großbritannien mit 28. Insgesamt wurden 1829 Anträge eingereicht. Mit der Förderung werden nicht nur die Forschenden dabei unterstützt, wissenschaftliches Neuland zu betreten, sondern auch rund 2.500 Arbeitsplätze in ganz Europa geschaffen, so Illiana Ivanova, Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend. Hier geht es zur Pressemitteilung des ERC. 

Ebenfalls mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet wurde der Würzburger Physikochemiker Tobias Brixner, der am Lehrstuhl für Physikalische Chemie I an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg zu elektronischen Anregungen forscht. Dafür erhielt er eine Fördersumme von 2,5 Millionen Euro. Hier geht es zur Pressemitteilung der JMU.

Porträt von Bernhard Nieswandt im RVZ
Prof. Dr. Bernhard Nieswandt erhält den prestigeträchtigen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für seine Forschung zu einem noch gänzlich unbekannten zellulären Mechanismus in Thrombozyten, ein Prozess zellulärer Reorganisation. © Daniel Peter / UKW
Mikroskopische Aufnahme vom Blutplättchen und der abgespaltenen Organelle
Die von Bernhard Nieswandt hier in der Maus beobachteten PITTs - Platelet-derived Integrin- and Tetraspanin-enriched Tethers – sind kometenschweifartige, von Thrombozyten abgespaltene Organellen, die mit anderen Zellen im Gefäßsystem interagieren und so Entzündungen vorantreiben. © Bernhard Nieswandt

Internationaler Workshop zu immunbasierten Therapien beim Multiplen Myelom

Hermann Einsele hat zum fünften Mal in Folge den „Immune Effector Cell Therapies in Multiple Myeloma Workshop“ organisiert und geleitet. Neueste Erkenntnisse zur Rolle von CAR-T Zellen und Bispezifischen Antikörpern in der Therapie des Multiplen Myeloms.

Drei Referentenin Boston
Keynote Speaker Stanley Riddell, Michael Hudecek und Hermann Einsele (v.l.n.r.) beim 5th Immune Effector Cell Therapies in Multiple Myeloma Workshop in Boston

Aufbauend auf dem Erfolg früherer Workshops hat die Internationale Myelom-Gesellschaft den 5. Workshop über Immuneffektor-Zelltherapien beim Multiplen Myelom am 23. und 24. März in Boston veranstaltet. Organisiert und geleitet wurde er zum fünften Mal in Folge von Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) gemeinsam mit seinen US-amerikanischen Kollegen Prof. Nikhil Munshi vom Dana Farber Cancer Institut Harvard Medical School in Boston und Prof. Adam Cohen von der University of Pennsylvania UPenn. 

Es wurden die neuesten klinischen Daten zu CAR-T-Zellen und bispezifischen T-Zell-Engagern, kurz BiTEs, vorgestellt, vielversprechende Wirkstoffe und Substanzen  aus präklinischen Studien präsentiert, aktualisierte korrelative Analysen zu Prädiktoren für das Ansprechen von Therapien und möglichen Resistenzmechanismen diskutiert, sowie Ansätze zur Herstellung von CAR-Konstrukten der nächsten Generation, einschließlich allogener auf Natürlichen Killer-Zellen (NK-Zellen) basierenden Strategien "von der Stange". Im Gegensatz zu autologen NK-Zelltherapien, bei denen die Killerzellen von den Patientinnen und Patientinnen selbst stammen, werden bei allogenen Strategien die NK-Zellen von genetischen passenden Spenderinnen und Spendern bezogen.

Vier Beiträge aus Würzburg 

„Das tolle Programm lockte mehr als 500 Teilnehmer nach Boston“, berichtet Hermann Einsele. „Würzburg war mit insgesamt vier Beiträgen hervorragend vertreten.“ Hier ging es vor allem um die Bedeutung der T-Zell Erschöpfung und den Verlust des Ziel-Antigens für den Wirkungsverlust von bispezifischen Antikörpern. Diskutiert wurden zunehmende neue Applikationsmodi von bispezifischen Antikörpern mit verlängerten Intervallen zwischen den Therapiegaben sowie Kombinationstherapien von bispezifischen Antikörpern und immunmodulierenden Substanzen sowie bispezifischen Antikörpern und CAR-T-Zellen. Wir konnten auch neue Erkenntnisse zu Nebenwirkungen und zum Nebenwirkungsmanagement von bispezifischen Antikörpern und CAR-T-Zellen vorstellen. Vor allem wurde der Beitrag von Sophia Danhof zu neuen Zielstrukturen auf den Myelomzellen sehr positiv aufgenommen und intensiv diskutiert.

„Die CAR T-Zellen und bispezifischen Antikörper haben die Therapie der Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom entscheidend verändert und bieten erheblich verbesserte Behandlungsergebnisse auch für weit fortgeschrittene Fälle. Sie werden zunehmend in früheren Therapielinien eingesetzt und könnten dort die Stammzelltransplantation entweder ergänzen oder sogar ersetzen“, resümiert Hermann Einsele. „Das Universitätsklinikum Würzburg hat zu diesem Erfolg der neuen Therapien erheblich beigetragen und hat über neue Strategien der Anwendung dieser Therapien und völlig neue Konstrukte der CAR T-Zellen und T-Zell-aktivierenden Antikörper die Fortschritte dieser Behandlung mitgestalten können.“

Vorträge von Würzburger Forschenden in Boston: 

  • CLINICAL UPDATES ON BISPECIFIC ABS/TCE’S 
    Hermann Einsele: The next bispecifics: Linvoseltamab, Alnuctamab, ABBV-383, Cevostamab 
  • NOVEL THERAPEUTIC APPROACHES AND TARGETS
    Sophia Danhof: Redirecting T cells against SLAMF7 
  • NOVEL APPROACHES TO IMPROVE T CELL THERAPIES
    Michael Hudecek: Novel targets and technologies for CAR-T in MM 
  • CURRENT QUESTIONS IN IMMUNEEFFECT OR CELL THERAPIES FOR MM
    Leo Rasche: Should we profile antigen expression/mutation status prior to T cell-redirecting therapy? 
Drei Referentenin Boston
Keynote Speaker Stanley Riddell, Michael Hudecek und Hermann Einsele (v.l.n.r.) beim 5th Immune Effector Cell Therapies in Multiple Myeloma Workshop in Boston