Aktuelle Pressemitteilungen

Mit personalisierter Medizin gegen Depressionen

Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. Die aktuelle Standardtherapie mit Psychotherapie und/oder Antidepressiva führt nur bei der Hälfte der Betroffenen zu einer schnellen und erheblichen Besserung der Symptomatik. Mit personalisierter, prädiktiver, präziser und präventiver Medizin sollen mehr Menschen mit Depressionen effektiver behandelt werden können und durch einen schnelleren Rückgewinn an Lebensqualität das Risiko eines chronischen Verlaufs verringert werden. Das Verbundprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 10 Millionen Euro gefördert.

 

Mitarbeiterin im Labor des ZEP
Bestimmung der Medikamentenspiegel mittels Massenspektrometrie zur personalisierten Psychopharmaka-Therapie (copyright Caro Weiß / UKW)
Gebäudeansicht der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. © Thomas Pieruschek / UKW

Mit Biomarkern individuelle Diagnose- und Therapiewege finden. Was in der Onkologie bereits funktioniert, soll auch in der Psychiatrie möglich werden. Ein nationaler Forschungsverbund will die Behandlung von Depressionen stärker als bisher auf den einzelnen Patienten oder die einzelne Patientin zuschneiden. Das Projekt mit dem Titel „Personalisierte, prädiktive, präzise und präventive Medizin zur Verbesserung der Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Prävention depressiver Erkrankungen“ (P4D) hat das Ziel, individualisierte Behandlungsansätze zu entwickeln. Während Patienten und Patientinnen mit Depressionen bislang alle nach dem gleichen Schema behandelt werden, soll im Rahmen von P4D passgenau bestimmt werden, welche Therapie für wen die richtige ist.

Aktuell kann einem Teil der depressiv erkrankten Menschen mit Standardtherapien nicht oder erst nach langfristiger Behandlung geholfen werden

Bislang werden Patienten und Patientinnen mit Depressionen üblicherweise mit Psychotherapie und/oder Antidepressiva behandelt, was jedoch nur bei etwa der Hälfte aller Betroffenen zu einer schnellen und erheblichen Besserung der Symptomatik führt. So wirkt das erste Antidepressivum, das im Rahmen einer Depressionstherapie verabreicht wird, nur bei jedem vierten bis fünften Er-krankten. Ebenfalls führen Antidepressiva teilweise zu starken Nebenwirkungen.

Dies liegt daran, dass sich hinter dem Krankheitsbild ‚Depression‘ auf neurobiologischer Ebene unterschiedliche Hirnfunktionsstörungen verbergen. Im Rahmen der P4D Studie, sollen diese pathologischen Strukturen identifiziert und basierend auf den zugrundeliegenden Mechanismen, maßgeschneiderte Diagnose- und Behandlungsansätze entwickelt werden.
Statt wie bisher verschiedene Behandlungsverfahren auszuprobieren, soll es somit künftig möglich werden, schon zu Beginn der Depressionsbehandlung, für jeden Patienten und jede Patientin einen optimalen Behandlungsansatz festzulegen. Dadurch soll nicht nur erreicht werden, dass mehr Menschen mit Depressionen in Zukunft effektiver behandelt werden können, sondern auch, dass der schnellere Rückgewinn an Lebensqualität das Risiko eines chronischen Verlaufs der Depression verringert.

1.000 Betroffene werden an fünf Standorten in die P4D-Studie aufgenommen

Für P4D werden ab September 2023 rund 1.000 Patienten und Patientinnen an den fünf beteiligten Universitätskliniken in Hannover, Kiel, Greifswald, Würzburg und Frankfurt rekrutiert. Die Studie zeichnet sich dadurch aus, dass die stationären Probanden und Probandinnen umfassend untersucht und ganz unterschiedliche Parameter erfasst werden. Neben einer ausführlichen Untersu-chung und dem klinischen Therapieverlauf werden möglichst viele weitere Parameter, wie verschiedene Fragebögen zur Psychopathologie, Kernspintomografie, Elektroenzephalografie, kognitive Tests, Schlafanalysen und Blutproben erhoben und ausgewertet.

Mit Hilfe der erhobenen Daten soll anschließend durch maschinelle Lernverfahren die Unterteilung der Patienten und Patientinnen in diagnostische Untergruppen ermöglicht werden, die besonders gut auf bestimmte Behandlungsverfahren ansprechen. Die Projektbeteiligten sind davon überzeugt, dass Patienten und Patientinnen schon mittelfristig von den Forschungsergebnissen profitieren werden.

Vom BMBF mit zehn Millionen Euro gefördert 

An der Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit zehn Millionen Euro über fünf Jahre gefördert und von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geleitet wird, sind neben sieben Universitäten (MHH, Leibniz Universität Hannover, TU Braunschweig, Uni-versität Greifswald, Universität Würzburg, Universität Kiel, Universität Frankfurt) auch das Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und das bayerische Unternehmen BioVariance beteiligt. Es ist das in Deutschland bislang größte Forschungsvorhaben zur qualitativen Verbesserung der Depressionsbehandlung.

Weitere Informationen erhalten sie bei der Studienleitung des Würzburger Studienzentrums Prof. Dr. Stefan Unterecker und PD Dr. Heike Weber, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, P4D@ukw.de.
 

Mitarbeiterin im Labor des ZEP
Bestimmung der Medikamentenspiegel mittels Massenspektrometrie zur personalisierten Psychopharmaka-Therapie (copyright Caro Weiß / UKW)
Gebäudeansicht der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Teil der bisher größten deutschen Studie zur Verbesserung der Depressionsbehandlung. © Thomas Pieruschek / UKW

Hermann Einsele hielt renommierte Emil-von-Behring-Vorlesung

Für seine hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten wurde Prof. Hermann Einsele auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung 2023 ausgezeichnet.

v.l.n.r. Axel Seltsam, Hermann Einsele und Rainer Blasczyk
Prof. Hermann Einsele vom Uniklinikum Würzburg (Mitte) wurde beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung ausgezeichnet. Es gratulierten DGTI-Vorstand Prof. Axel Seltsam vom Blutspendedienst Bayer. Rotes Kreuz (links) und Kongresspräsident Prof. Rainer Blasczyk vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering (rechts). © Conventus GmbH

Im Jahr 1901 erhielt der Immunologe und Serologe Emil von Behring für seine Entdeckung der körpereigenen Immunabwehr durch Antikörper und die daraus entwickelte Blutserumtherapie gegen Diphterie und Tetanus den ersten Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Dem Andenken Emil von Behrings stiftet die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) alle zwei Jahre die Emil-von-Behring-Vorlesung. Die mit 10.000 Euro dotierte Vorlesung ist eine der höchsten Auszeichnungen der DGTI. In diesem Jahr wurde Prof. Dr. Hermann Einsele die hohe Ehre zuteil, die Emil-von-Behring-Vorlesung auf der Eröffnungsveranstaltung des DGTI Jahreskongresses am 20. September in Berlin zu halten. 

Pionierarbeit auf dem Gebiet der Immuntherapien bei Krebserkrankungen

Prof. Dr. Herrmann Einsele ist Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Uniklinikum Würzburg (UKW) und Sprecher des neu gegründeten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT WERA. Gemeinsam mit seinem Team leistet der Hämatologe und Onkologe Pionierarbeit auf dem Gebiet der Immuntherapien bei Krebserkrankungen. Ein großer Schwerpunkt ist hier das Multiple Myelom, nach Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung. So wird in Würzburg das größte Myelom-Programm in Europa mit vielem klinischen Studien und Begleitforschung zu den neuesten Therapieformen wie CAR T Zellen und verschiedenen T Zell aktivierenden (bispezifischen) Antikörpern angeboten.

Offenes Rennen zwischen CAR-T-Zellen und Stammzellen beim Multiplen Myelom 

In seiner Emil-von-Behring-Vorlesung zeigte er die Entwicklungen auf „Von der Stammzell-Transplantation zur CAR-T-Zelltherapie am Beispiel des Multiplen Myeloms“. Er demonstrierte Vor- und Nachteile der beiden Therapieformen und ging der Frage nach, ob die CAR-T-Zelltherapie eines Tages die Stammzelltransplantation, die immer noch die erste potentiell kurative Immuntherapie ist, ersetzen kann. Das Rennen zwischen CAR-T-Zellen und eigenen (autologen) oder fremden (allogenen) Blutstammzellen sei bei der Behandlung des Multiplen Myeloms noch offen, De facto können die CAR-T-Zelltherapie noch viel von der allogenen Stammzelltransplantation lernen. Wichtig sei eine enge Kooperation zwischen Hämatologie und Transfusionsmedizin.

Hintergrund - Emil-von-Behring Vorlesung

Dem Andenken Emil von Behrings vergibt die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie alle zwei Jahre die Emil-von-Behring-Vorlesung an hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des In- und Auslandes, die auf den an die Transfusionsmedizin angrenzenden Gebieten Immunologie, Biochemie, Pathophysiologie, Virologie, Molekularbiologie und Mikrobiologie tätig sind. Die Firma CSL Behring stellt für die Auszeichnung gemäß Statuten jeweils 10.000 Euro zur Verfügung. Jedes Mitglied der Gesellschaft konnte bis zum 30.04.2023 Vorschläge zur Verleihung der Emil-von-Behring Vorlesung in schriftlicher und begründeter Form bei der Geschäftsstelle einreichen. Die Vergabe der Emil-von-Behring-Vorlesung wird von einer Kommission vorgenommen, die sich aus dem 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie als Vorsitzendem, einem für jede Vergabe vom Vorstand der DGTI neu zu bestellenden Mitglied der Gesellschaft und einem Wissenschaftler der Firma CSL Behring zusammensetzt.

Weitere Informationen zu Immuntherapien beim Multiplen Myelo

Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 7.000 Menschen die Diagnose Multiples Myelom. Dauerhaft geheilt werden kann diese Krebserkrankung, die von veränderten Plasmazellen im Knochenmark ausgeht, noch nicht. Denn auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie müssen die Betroffenen immer mit einem Rezidiv rechnen. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden.

Als große Hoffnungsträger gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Die Wahl der Immuntherapie und ihr Erfolg hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob, wie viele und welche Antigene sich auf der Krebszelle befinden.

Eine der vielversprechendsten Behandlungsmethoden gegen den Knochenmarkkrebs sind CAR-modifizierte Immunzellen. Bei der zellulären Immuntherapie wird den weißen Blutkörperchen unseres Immunsystems, den T-Zellen, auf die Sprünge geholfen. Dazu werden die T-Zellen gentechnologisch verändert und im Labor mit einem künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptor ausgestattet, dem Chimären Antigen Rezeptor, kurz CAR. Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen als lebendes Medikament dem Patienten zurückgegeben. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören.

Bei einer Antikörpertherapie werden den Betroffenen künstliche Proteine infundiert, die mit den körpereigenen Immunzellen reagieren, indem sie an ihr entsprechendes Antigen binden, und so letztlich zu einem besseren Anti-Tumor-Effekt führen. Bispezifische Antikörper können zeitgleich an zwei verschiedene Oberflächenmerkmale binden, mit dem einen Arm an das der Immunzelle, mit dem andern an das der Tumorzelle. Dadurch werden die Immunzellen sozusagen zur Tumorzelle geführt, die es zu vernichten gilt. 

v.l.n.r. Axel Seltsam, Hermann Einsele und Rainer Blasczyk
Prof. Hermann Einsele vom Uniklinikum Würzburg (Mitte) wurde beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mit der Emil-von-Behring-Vorlesung ausgezeichnet. Es gratulierten DGTI-Vorstand Prof. Axel Seltsam vom Blutspendedienst Bayer. Rotes Kreuz (links) und Kongresspräsident Prof. Rainer Blasczyk vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering (rechts). © Conventus GmbH

Ein Maß für die Knochenregeneration beim Multiplen Myelom

Studie vom Uniklinikum Würzburg liefert erstmals ein Maß, um die Knochenregeneration beim Multiplen Myelom zu beurteilen. Die Vermessung der Läsionsgröße ist ein verlässlicher Parameter für die Definition des Endpunktes in geplanter Folgestudie zur Bewegungstherapie.

Computertomografische Aufnahmen einer Läsion vor und nach Therapie.
Darstellung des Therapieansprechens bei einer 62-jährigen Patientin mit multiplem Myelom (IgG kappa, R-ISS I). Die Baseline-CT zeigt einen Knochendefekt im ersten Lendenwirbel (A/D) mit trabekulärer Remineralisierung nach sechs Zyklen E-KRd (B/E). Eine farbkodierte Subtraktionskarte zeigt das Ausmaß der Remineralisierung in verschiedenen Teilen der Läsion (C/F). Obere Reihe: Standardansicht. Untere Reihe: Vergrößerung. ©Jan-Peter Grunz / MDPI (doi.org/10.3390/cancers15154008)

Das Multiple Myelom zählt zu den häufigsten Tumoren im Knochen und Knochenmark. Dauerhaft geheilt werden kann die Krebserkrankung noch nicht. Und selbst wenn die Tumorzellen mit modernen Therapien abgeräumt wurden, bleiben in der Regel Löcher im Knochen, die zu Schmerzen, Frakturen und im schlimmsten Fall zu einer Querschnittslähmung führen können. Am Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde nun erstmals wissenschaftlich analysiert, ob und in welchem Maß sich die Knochen während einer standardisierten Induktionstherapie, also in der ersten intensiven Behandlungsphase, regenerieren

Nach Induktionstherapie: Läsionen verkleinern sich um 22 Prozent, Trabekel remineralisiert

Nach sechs Zyklen mit dem Anti-SLAM7-Antikörper Elotuzumab in Kombination mit dem Proteasom-Inhibitor Carfilzomib, dem Immunmodulator Lenalidomid und Kortison Dexmethason (kurz E-KRd) hat sich die Größe der Löcher im Schnitt um 22 Prozent verringert. Ferner war auf den Röntgenbildern eine deutliche Remineralisierung des Trabekels, also des Knocheninneren, zu erkennen. 

„Das ist die gute Botschaft: Eine Knochenregeneration findet statt. Es ist möglich, das Innere des Knochens wiederaufzubauen“, freut sich Prof. Dr. Franziska Jundt. Die Oberärztin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am UKW hat selbst nicht mit so einem positiven Ergebnis gerechnet, dass man mit modernen Therapien 22 Prozent Regeneration erreichen kann. Aber die Lücke zu 100 Prozent sei noch zu groß. „Deshalb benötigen wir unbedingt neue Therapieideen, um den Knochenaufbau anzustoßen.“ 

Impact-Training: Springen und stampfen für stärkere Knochen

Einen Ansatzpunkt verfolgt Franziska Jundt derzeit mit einem Impact-Training. Durch gezieltes und regelmäßiges Springen und Stampfen soll das muskuloskelettale System stimuliert werden, sodass sich die Knochendichte erhöhen, die Mobilität verbessern und Frakturen vorgebeugt werden könnte. „Wir streben mindestens das doppelte an Knochenmineralisation an“, so die Hämatoonkologin. In einer Machbarkeitsstudie (MIMM) hat Franziska Jundt gerade geprüft, ob die Bewegungstherapie, die in Zusammenarbeit mit Freerk Baumann, Professor für onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, entwickelt wurde, den Myelom-Patientinnen und Patienten zugemutet werden kann. „Die Daten werden gerade noch ausgewertet, aber wir haben tolle Effekte hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei unseren Probandinnen und Probanden beobachtet, und das Training unter medizinischer Anleitung kann unter Umständen sogar während einer Chemotherapie laufen“, berichtet Franziska Jundt.

Die Wirksamkeit des Impact-Trainings soll nun in einer größer angelegten Studie in Würzburg, aber auch in Essen und Köln getestet werden. Für die Zielgröße galt es einen primären Endpunkt zu formulieren. Mit welchem Parameter kann die Knochenregeneration quantitativ und qualitativ beurteilt werden? 

Vermessung der Läsionsgröße ist verlässlicher Parameter 

Am Uniklinikum Würzburg haben die Radiologen Dr. Jan Peter Grunz und Privatdozent Dr. Andreas Kunz unabhängig voneinander Röntgenbilder beurteilt, die von insgesamt 20 Patientinnen und Patienten mit einem neu diagnostizierten Multiplen Myelom vor und nach der standardisierten E-KRd-Therapie mittels Computertomografie erstellt wurden. „Die erste Herausforderung war das Finden und Messen der Läsionen zu beiden Zeitpunkten“, kommentiert Jan-Peter Grunz, der die Ergebnisse als Erstautor im Fachjournal Cancers publiziert hat. Insgesamt sind den Radiologen 108 Läsionen aufgefallen, wovon 94 von beiden entdeckt wurden, 14 nur von jeweils einem.

„Unterm Strich haben wir in der Studie gezeigt, dass wir die Läsionen mit einer Standardabweichung von 1,2 Millimetern verlässlich erfassen und messen können“, resümiert Jan-Peter Grunz. Gemeinsam mit dem Bioinformatiker Dr. Dirk Hasenclever aus Leipzig haben die Radiologen aber nicht nur ein quantifizierbares Maß geliefert, welches man auf andere Studien übertragen kann, sondern auch den Remineralisierungsprozess qualitativ dargestellt. „Mit einer speziellen Farbkodierung konnten wir die Regeneration im inneren und äußeren Bereich der Knochen sichtbar machen“, erläutert Jan-Peter Grunz. 

Knochenzellen aus der Lethargie holen

Welche Faktoren zusammenkommen müssen, um den knochenzersetzende Prozess umzukehren und einen vollständigen stabilen Knochenaufbau zu erreichen, sei noch unklar. „Die Tumorzellen haben die Knochenzellen so verändert, dass sie in einem lethargischen Zustand sind und keinen Knochenaufbau betreiben können. Diesen Zustand gilt es zu überwinden“, erörtert Franziska Jundt. Vielleicht löst die mechanische Stimulation durch das Sprung- und Stampftraining diese Bremse, vielleicht können neue Immuntherapien weitere Anstöße liefern, vielleicht muss zusätzlich ein Signalweg in den Knochenzellen beeinflusst werden. 

Notch-Signalweg verantwortet Expression der extrazellulären Matrix 

Ihre neuesten Erkenntnisse zum Notch-Signalweg hat Franziska Jundt gerade im Blood Cancer Journal publiziert. Der Notch-Signalweg sorgt nicht nur dafür, dass die Myelomzellen besser wachsen und weniger über den programmierten Zelltod zu Grunde gehen können, er ist auch dafür zuständig, dass die Tumorzellen die sie umgebende Matrix produzieren. „Das bedeutet, dass sich die Tumorzellen ihr Bett selber formen“, erklärt Franziska Jundt. „Und diese vom Tumor gebildeten Matrix-Faktoren sind relevant für das Überleben der Myelom-Patientinnen und Patienten. Die Expression bestimmter Matrix-Faktoren steht unmittelbar mit einem besseren oder schlechteren Überleben in Verbindung.“ Die Schwierigkeit besteht nun darin, den Notch-Signalweg in den Tumorzellen spezifisch zu blockieren, ohne zu viele negative Nebeneffekte auf gesunde Zellen. 

Über das Multiple Myelom und Immuntherapien: 
Das Multiple Myelom ist nach der Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung, bei der es zu verschiedenen bösartigen Tumorherden im Knochenmark kommt. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen „multiple“ für vielfach und dem Griechischen „myelos“ für Mark ab. Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 7.000 Menschen die Diagnose. Das Erkrankungsrisiko steigt in höherem Alter deutlich an. Bei den Betroffenen vermehren sich entartete Plasmazellen unkontrolliert und verdrängen die gesunden weißen Blutkörperchen, die für die Produktion von Antikörpern zuständig sind. Aufgrund des veränderten Immunität kommt es vermehrt zu Infektionen, die Knochenstruktur wird zerstört, Nerven und Organe werden geschädigt, die Betroffenen leiden unter Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Dauerhaft geheilt werden kann diese Krebserkrankung noch nicht. Denn auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie müssen die Betroffenen immer mit einem Rezidiv rechnen. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden.
Als große Hoffnungsträger gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) spielt bei der Erforschung, Anwendung und Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende Rolle. So wird in Würzburg das größte Myelom-Programm in Europa mit vielem klinischen Studien und Begleitforschung zu den neuesten Therapieformen wie CAR-T-Zellen und verschiedenen T-Zell-aktivierenden (bispezifischen) Antikörpern angeboten. 

Computertomografische Aufnahmen einer Läsion vor und nach Therapie.
Darstellung des Therapieansprechens bei einer 62-jährigen Patientin mit multiplem Myelom (IgG kappa, R-ISS I). Die Baseline-CT zeigt einen Knochendefekt im ersten Lendenwirbel (A/D) mit trabekulärer Remineralisierung nach sechs Zyklen E-KRd (B/E). Eine farbkodierte Subtraktionskarte zeigt das Ausmaß der Remineralisierung in verschiedenen Teilen der Läsion (C/F). Obere Reihe: Standardansicht. Untere Reihe: Vergrößerung. ©Jan-Peter Grunz / MDPI (doi.org/10.3390/cancers15154008)

Auszeichnung für die Erforschung des bakteriellen Immunsystems

Rotem Sorek erhält Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis 2023 / Geld ermöglicht Projekt am Helmholtz-Institut Würzburg und an der LMU

Jörg Vogel (links; Foto: HIRI / Mario Schmitt), Rotem Sorek (Mitte; Foto: Weizmann Institute of Science), Veit Hornung (rechts; Foto: David Ausserhofer / MPG)
Jörg Vogel (links; Foto: HIRI / Mario Schmitt), Rotem Sorek (Mitte; Foto: Weizmann Institute of Science), Veit Hornung (rechts; Foto: David Ausserhofer / MPG)

Würzburg, 12. September 2023 – Der Mikrobiologe Rotem Sorek erhält für die Erforschung bakterieller Verteidigung gegen Viren den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis 2023. Die Summe ermöglicht ein Forschungsprojekt, das der Wissenschaftler vom israelischen Weizmann Institute of Science in Zusammenarbeit mit Jörg Vogel vom Helmholtz-Institut Würzburg (HIRI) und Veit Hornung von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München aufnehmen wird. Gemeinsam wollen die Forscher Schlüsselmechanismen des bakteriellen und des menschlichen Immunsystems untersuchen. Das Geld fließt dabei je zur Hälfte nach Würzburg und München.

HIRI-Direktor Jörg Vogel: „Der Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis soll wissenschaftliche Durchbrüche befördern, und ich freue mich außerordentlich, mit dem Helmholtz-Institut Würzburg Teil davon zu werden. Dass wir als Partnereinrichtung ausgewählt wurden, zeigt, dass unser Institut weltweit ganz vorne mitspielt. Aber nicht nur unsere Forschung an der Schnittstelle von RNA- und Infektionsbiologie wird profitieren. Auch der Wissenschaftsstandort Würzburg erhält neue Impulse für seine internationale Vernetzung und Sichtbarkeit.“


Mehr über den Preis sowie die Medieninformation in voller Länge finden Sie auf unserer Website. 

Jörg Vogel (links; Foto: HIRI / Mario Schmitt), Rotem Sorek (Mitte; Foto: Weizmann Institute of Science), Veit Hornung (rechts; Foto: David Ausserhofer / MPG)
Jörg Vogel (links; Foto: HIRI / Mario Schmitt), Rotem Sorek (Mitte; Foto: Weizmann Institute of Science), Veit Hornung (rechts; Foto: David Ausserhofer / MPG)

Unterschätzt und unterdiagnostiziert: Migräne ist nicht einfach nur ein Kopfschmerz

Am 12. September findet der Europäische Kopfschmerz- und Migränetag statt / UKW sucht Teilnehmer für Migräne-Studie

Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor.
Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor. Foto: Sonja Gommersbach / UKW
QEEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung.
QEEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung. Foto: Sebastian Evers / UKW

Jedes Jahr am 12. September findet der Europäische Kopfschmerz- und Migränetag statt. Mit ihm machen die European Migraine & Headache Alliance (EMHA) sowie zahlreiche nationale Vereinigungen auf Kopfschmerzerkrankungen, Versorgungsdefizite und Prävention aufmerksam. In der Universitätsmedizin Würzburg laufen verschiedene Studien zur verbesserten Diagnostik und Behandlung der Migräne. 

Würzburg. Obwohl Kopfschmerzerkrankungen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören, werden sie in der Öffentlichkeit nicht als ernsthaft wahrgenommen, da sie meist nur episodisch auftreten, nicht ansteckend sind und in der Regel nicht zum Tod führen. Doch Kopfschmerzen sind nicht nur schmerzhaft, sie können auch das Familien-, Sozial- und Berufsleben beeinträchtigen.* Laut einer Studie des Robert Koch Instituts ist jeder zweite Bundesbürger mindestens einmal im Jahr von Kopfschmerzen betroffen. 14,8 % der Frauen und 6,0 % der Männer erfüllen die kompletten Kriterien für Migräne. 10,3 % der Frauen und 6,5 % der Männer sind von Spannungskopfschmerzen betroffen.

Kopfschmerzen werden in Umfang und Ausmaß der Belastung oft unterschätzt 

Der European Migraine & Headache Alliance (EMHA) zufolge ist die Migräne die dritthäufigste Krankheit der Welt; etwa eine von sieben Personen leidet unter Migräne, die ihren Alltag und ihre Lebensqualität auch über die reine Zeit der Attacken hinaus stark einschränkt**. Doch warum kennen wir so wenige Betroffene? „Weil Kopfschmerzerkrankungen in ganz Europa nach wie vor zu wenig diagnostiziert und behandelt werden. Viele Betroffenen leiden leise, schätzungsweise jeder zweite behandelt sich selbst, statt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“, weiß Prof. Dr. Claudia Sommer, leitende Oberärztin in der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und Leiterin des Projekts „Approach and avoidance behaviour in pain management“ im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkolleg 2660. Mit dem Europäischen Kopfschmerz- und Migränetag will die EMHA das Bewusstsein für diese unterschätzte Krankheit schärfen. Das UKW nimmt diesen Tag zum Anlass, um über seine Migräneforschung zu berichten. 

Claudia Sommer leitet gemeinsam mit Andrea Kübler, Professorin für Psychologie an der Universität Würzburg, derzeit drei ineinandergreifende Studien, um die Diagnose und Therapie von Migräne zu verbessern. Zum einen wollen die beiden Forscherinnen, die im Research.com-Ranking unter den besten 100 Wissenschaftlerinnen in Deutschland und unter den besten 1.000 weltweit gelistet sind, die Pathophysiologie der Migräne besser verstehen, also wie der Körper unter den krankhaften Veränderungen abweichend funktioniert und welche Funktionsmechanismen zur krankhaften Veränderung führen. Zum anderen erproben sie mit ihren Teams neue Ansätze zum Umgang mit Migränetriggern, also Auslösern von Attacken. „Dem adäquaten Triggermanagement kommt großes Potential in der Verbesserung des Lebens von Menschen mit Migräne zu“, betont Claudia Sommer.

Stress, Dehydrierung und der Menstruationszyklus als häufigste Trigger von Migräneattacken

So wurden in einer Fragebogenstudie mit bislang insgesamt 432 Migränepatientinnen und -patienten Stress, Dehydrierung und der Menstruationszyklus als häufigste Trigger von Attacken identifiziert, wovon allerdings nicht alle gut vermieden werden können. Auch zeigten sich Korrelationen von Triggersensitivität mit Markern für schlechtere Lebensqualität. Vorläufige Daten wurden auf dem World Congress on Pain 2022 im kanadischen Toronto veröffentlicht. 

Verbesserte Probenentnahme und Messung des CGRP-Spiegels bei Migränepatienten

In einer weiteren Studie steht das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) im Fokus. „Migräne gilt als eine neuronale Erregbarkeitsstörung, bei der das trigeminovaskuläre System, also das Zusammenspiel von Nerven und Blutgefäßen in den Hirnhäuten, eine Schlüsselrolle zu spielen scheinen“, erläutert Morgane Paternoster, Doktorandin in der Würzburger Neurologie. Bekannt ist, dass der Beginn eines Migräneanfalls mit einem Anstieg entzündungsfördernder Moleküle und Neuropeptide verbunden ist, darunter das CGRP. Das aus 37 Aminosäuren bestehende Neuropeptid zählt zu den stärksten gefäßerweiternden Substanzen, den so genannten Vasodilatatoren. Wenn also die durch äußere und innere Stimuli getriggerten Nerven vermehrt CGRP freisetzen, wird das trigeminovaskuläre System aktiviert. 

Für die neurobiologische Charakterisierung einer Migräne wurden bislang in der Neurologischen Klinik am UKW die CGRP-Spiegel von 136 Patientinnen und Patienten mit und ohne Migräne untersucht und verglichen. Um die zuverlässigste Methode zur Probenentnahme und -messung des CGRP-Spiegels festzulegen wurde von allen Teilnehmenden Blut, Tränenflüssigkeit und Speichel gesammelt. „Eventuell könnten im Zuge einer personalisierten Medizin anhand der CGRP-Spiegel Vorhersagen über das Ansprechen des einzelnen Patienten auf CGRP-Hemmer getroffen werden. Neueste Publikationen zeigen diesbezüglich vielversprechende Ergebnisse“, kommentiert Morgane Paternoster. Erste Ergebnisse der Würzburger CGRP-Kohorte werden im November 2023 auf dem Society for Neuroscience Kongress im US-amerikanischen Washington D.C. präsentiert.

Neurofeedback für bewusstes und ausgeglichenes Verhalten zu Auslösern 

In der dritten Studie untersucht das interdisziplinäre Team den möglichen Einsatz von Neurofeedback zur Unterstützung der Migränebehandlung. „Da viele Betroffene bestimmte Trigger ihrer Migräne identifizieren können, ist der Umgang mit diesen Auslösern ein vielversprechender Ansatz für eine solche Unterstützung“, erklärt Morgane Paternoster. Zu diesem Zweck finden in Kooperation mit der Universität Würzburg hochauflösende EEG-Messungen an je 30 Personen mit und ohne Migräne statt. Während der Messung der Gehirnaktivität mit 128 Elektroden werden die Studienteilnehmenden mit bestimmten Triggern konfrontiert und daraufhin vor Verhaltensentscheidungen gestellt. „Hierdurch möchten wir die Gehirnprozesse identifizieren, die am Vermeidungsverhalten von Menschen mit Migräne beteiligt sind, und das beste Stimulationsziel für eine Neurofeedback-Modulation auswählen. Dadurch sollen die Betroffenen ein ausgeglichenes und bewusstes Verhalten zu den individuellen Auslösern ihrer Migräne erlangen. Zusätzlich soll eine objektive Messmethode zur Ermittlung des Vermeidungsverhaltens von Menschen mit Migräne etabliert werden“, beschreibt Sebastian Evers, ebenfalls Doktorand in der Arbeitsgruppe von Claudia Sommer, die Ziele der Studie. 

Die ersten Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet, auf deren Grundlage die ersten Neurofeedback-Sitzungen in der Mitte nächsten Jahres gestartet werden sollen.

Weitere Studienteilnehmende werden gesucht 

Das Team von Prof. Dr. Sommer ist immer auf der Suche nach neuen Studienteilnehmenden, die an Migräne leiden und die Diagnostik und Behandlung verbessern möchten. Betroffene können sich bei Interesse und für weitere Informationen gerne bei Morgane Paternoster und Sebastian Evers melden: Paternoste_M@ ukw.de oder Evers_S@ ukw.de. Weitere Informationen: https://ls1.psychologie.uni-wuerzburg.de/so/mig/

Typische Kopfschmerzerkrankungen

Kopfschmerzen können durch eine lebensbedrohliche Erkrankung wie etwa ein Hirntumor verursacht werden. In den meisten Fällen handelt es sich bei Kopfschmerzerkrankungen jedoch um eine gutartige, nicht lebensbedrohliche Erkrankung, die allerdings mit einem hohen Leidensdruck einhergeht. 
Die häufigsten Kopfschmerzerkrankungen sind Migräne und Spannungskopfschmerz. Während der dumpf, ziehende und beidseitig vorkommende Spannungskopfschmerz oft als normaler Kopfschmerz wahrgenommen wird, ist die Migräne mit Übelkeit und/oder Erbrechen sowie einer Überempfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen verbunden. Charakteristisch für die Migräne ist ein pulsierender oder pochender, einseitiger Schmerz, der durch körperliche Aktivität verstärkt wird. Bei einer Migräne mit einer so genannten Aura kommen noch Flimmern oder Blitzen vor den Augen sowie Schwäche, Lähmung oder Taubheitsgefühl eines Armes oder Beines oder Sprachstörungen hinzu. Ferner gibt es das Syndrom des chronischen täglichen Kopfschmerzes sowie die eher seltenen Erkrankungen Clusterkopfschmerz und Trigeminusneuralgie.

Gelegentliche Kopfschmerzen sind in der Regel harmlos und verschwinden oft schon mit einem Spaziergang an der frischen Luft, ausreichend Schlaf und Flüssigkeitszufuhr oder einer einzelnen Tablette. Treten starke Kopfschmerzen jedoch gehäuft auf, sollte ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden, bei plötzlichen und extrem starken Kopfschmerzen ist der Notarzt zu rufen. 

 

* Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört allein die Migräne zu den zehn häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit und betrifft 12-15 % der Bevölkerung. Die verlorenen Arbeitstage und Produktivitätseinbußen kosten die europäische Wirtschaft jährlich 27 Milliarden Euro (Cost of Brain Disorders in Europe, 2006) 

** Stovner, L. J., Nichols, E., Steiner, T. J., Abd-Allah, F., Abdelalim, A., Al-Raddadi, R. M., Ansha, M. G., Barac, A., Bensenor, I. M., Doan, L. P., Edessa, D., Endres, M., Foreman, K. J., Gankpe, F. G., Gopalkrishna, G., Goulart, A. C., Gupta, R., Hankey, G. J., Hay, S. I., . . . Murray, C. J. L. (2018). Global, regional, and national burden of migraine and tension-type headache, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology, 17(11), 954-976. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/S1474-4422(18)30322-3 
 

Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor.
Salomea Löffl (links) und Morgane Paternoster bei der Probenanalyse im Labor. Foto: Sonja Gommersbach / UKW
QEEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung.
QEEG-Messung eines Probanden während einer Verhaltensentscheidung. Foto: Sebastian Evers / UKW

Leidenschaft für Labor und Lehre

Florian Kleefeldt ist neuer Juniorprofessor an der Universität Würzburg. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems bilden einen Schwerpunkt seiner Forschung, für die er bereits viele Preise erhalten hat.

Während seiner Doktorarbeit in der Anatomie hat Florian Kleefeldt seine Begeisterung für die Forschung und das Fach entwickelt.
Während seiner Doktorarbeit in der Anatomie hat Florian Kleefeldt seine Begeisterung für die Forschung und das Fach entwickelt. (Bild: privat)

Erst den Young Investigator Award, dann den Promotionspreis der Anatomischen Gesellschaft, anschließend eines der seltenen Graduiertenstipendien der Novartis-Stiftung und den Forschungsförderpreis der Vogel Stiftung und zuletzt den Orlovic Nachwuchsfonds Innovative Kardiologie: Dafür, dass Florian Kleefeldt erst seit kurzem Juniorprofessor für Anatomie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ist, hat er schon erstaunlich viele Preise und Auszeichnungen erhalten.

Stammzellen für geschwächte Herzen

Auf der anderen Seite helfen ihm diese Preise dabei, seine Forschungsprojekte voranzutreiben. So nutzt er beispielsweise aktuell die 10.000 Euro aus dem Orlovic Nachwuchsfonds dafür, einen Aufenthalt in Boston zu finanzieren. Seit April 2023 ist er zu Gast am renommierten Harvard Stem Cell Institute der Harvard Universität. Dort bleibt er zwar seinem Forschungsschwerpunkt treu: kardiovaskuläre Erkrankungen wie beispielsweise Herzinsuffizienz, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Gleichzeitig erweitert er seinen Horizont von der Prävention hin zur Therapie.

„Nach einem Infarkt regeneriert das menschliche Herz nur sehr schlecht. Es ist nicht dazu in der Lage, von sich aus ausreichend neues Muskelgewebe zu bilden“, schildert Kleefeldt das Problem. Stammzellen könnten dafür die Lösung sein. Aus dem Körper des Patienten gewonnen, lassen sie sich dazu anregen, sich zu Herzmuskelzellen zu entwickeln und eine Art Miniaturgewebe zu bilden. Dieses könnte dann dem geschwächten Herz unterstützend zur Seite stehen. Ein anderer Ansatz, mit diesen Zellen ein neues Herz zu „drucken“, ist zwar ebenfalls denkbar; bis tatsächlich Kranke davon profitieren, ist es jedoch noch ein weiter Weg.

Ein Protein schiebt den Alterungsprozess an

Schon seit seiner Doktorarbeit forscht Florian Kleefeldt an den Ursachen für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems. Bereits damals ist ein spezieller Akteur ins Fadenkreuz des jungen Wissenschaftlers geraten: das Protein CEACAM1, das die Alterung der Gefäße maßgeblich beeinflusst. Kleefeldt und das Forschungsteam am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg konnten damals zeigen, dass die Menge an CEACAM1-Molekülen mit steigendem Alter kontinuierlich wächst, und damit auch altersbedingte Schädigungen zunehmen.

Ohne dieses Protein zeigten sich deutlich geringere altersabhängige Veränderungen in den Gefäßen. „Das Gefäßsystem eines 80-Jährigen könnte ohne CEACAM1 so gut sein wie das eines 30-Jährigen“, sagt Kleefeldt überspitzt. Wäre das nicht der ideale Angriffspunkt für eine vorbeugende Therapie gegen Schlaganfall und Herzinfarkt? „Im Prinzip ja“, so der Wissenschaftler. Entsprechende Studien würden dazu bereits in den Startlöchern stehen. Die Frage ist nur, wann man mit solch einer Therapie beginnen sollte. Schließlich bauen sich die Schädigungen im Blutgefäß über einen langen Zeitraum auf.

Forschung an Krebs und Diabetes

Mit CEACAM1 hat sich Kleefeldt auch in anderen Forschungsprojekten beschäftigt. So spielt das Protein auch bei Krebserkrankungen der Haut, des Dickdarms, der Lunge und anderer Organe eine Rolle: Dort kommt es in metastasierenden Tumoren wesentlich häufiger vor als in örtlich begrenzten Tumoren. Und es sorgt dafür, dass metastasierte Tumorzellen auf ihrem Weg durch den Körper besser überleben. Wie das möglich ist, untersucht Kleefeldt gemeinsam mit seinem Team. „Wir wollen auch prüfen, ob sich CEACAM1 als therapeutisches Ziel zur Prävention und Behandlung metastasierender Tumoren eignet“, sagt er.

Und mit dem Forschungsförderpreis 2021 der Vogel Stiftung, der mit 25.000 Euro dotiert ist, untersucht Kleefeldt den Einfluss von CEACAM1 auf die diabetische Mikroangiopathie. Dabei geht es um die Grundlagen neuartiger Therapien bei Diabetes-Folgeerkrankungen mit dem Schwerpunkt, die bei Diabetikern häufig vorkommenden Sehbeeinträchtigungen oder gar eine Erblindung zu vermeiden.

Werdegang des Preisträgers

Florian Kleefeldt, Jahrgang 1991, ist in Niederstetten im Main-Tauber-Kreis aufgewachsen und hat an der Universität Würzburg Medizin studiert und parallel das Begleitstudium „Experimentelle Medizin“ absolviert, das für die biomedizinische Forschung qualifiziert.

Zur Doktorarbeit kam Kleefeldt in die Anatomie zu Professor Süleyman Ergün. Dessen Team gewann ihn final für die Wissenschaft: „Ich war und bin begeistert von der Forschung und der guten Betreuung hier.“ Die Begeisterung für dieses Fach spürt man auch beim transatlantischen Zoom-Call; sie hat dazu geführt, dass er mittlerweile Facharzt und seit Mai 2023 Juniorprofessor für Translationale Medizin ist.

Ein exzellentes Forschungsumfeld

Würzburg biete ihm ein exzellentes Forschungsumfeld und passe gut zu seinem translationalen Ansatz – also dem Ziel, Forschungsergebnisse möglichst schnell zum Patienten zu bringen. Die Universitätsklinik und das Rudolf-Virchow-Zentrum, die Biodatenbank und das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz, das Comprehensive Cancer Centre mit seiner Early Clincal Trials Unit in direkter Nachbarschaft bieten ihm „unglaublich viele Chancen“ für seine Forschung.

„Am Anfang meines Medizinstudiums hatte ich natürlich auch die Vorstellung, dass ich später mit dem Stethoskop um den Hals in der Klinik am Krankenbett stehe“, schildert Kleefeldt seinen Werdegang. Während seiner Praktika habe er jedoch gemerkt, dass ihm das nicht reicht. Zwar sei die moderne Medizin in der Lage, viele Krankheiten zu heilen. In etlichen Fällen gelingt dies allerdings nicht. Dort sei die Forschung gefragt, um neue Antworten auf bislang ungelöste Fragen zu geben. Eine Aufgabe, die den Mediziner mehr gereizt hat als die Arbeit in der Klinik.

Enger Kontakt zu den Studierenden

Was ihn neben der Arbeit in den gut ausgestatteten Labors der Würzburger Anatomie an diesem Fach begeistert, ist der enge Kontakt zu Studierenden. Kleefeldt ist Dozent in fast allen Lehrveranstaltungen des Instituts – angefangen bei den mikroskopischen Übungen, die sich mit Zellstrukturen, Geweben und Organen befassen, bis zu den makroskopischen Übungen am menschlichen Körper, dem sogenannten „Präp-Kurs“.

„Dieser Kurs ist sehr intensiv“, sagt Kleefeldt. Zum einen, weil er mit einem hohen Lernaufwand verbunden ist. Zum anderen natürlich, weil der Kontakt mit einem Verstorbenen und die Arbeit daran prinzipiell eine besondere Erfahrung ist. „Hier hat man die Möglichkeit, den menschlichen Körper in einem wortwörtlichen Sinne zu ‚begreifen‘. Dafür sind wir den Menschen, die sich für die medizinische Ausbildung vermachen, sehr dankbar“, sagt der Anatom.

Dies ermögliche den Studierenden ein Verständnis des menschlichen Körpers, das für ihre spätere medizinische Tätigkeit immens wichtig sei und nicht durch Bücher oder Videos ersetzt werden könne. In dieser Zeit würden viele Studierende in ihrer persönlichen Entwicklung einen großen Schritt machen. Dies mitzuerleben, fasziniert Kleefeldt jedes Jahr aufs Neue.

Kontakt

Prof. Dr. Florian Kleefeldt, Institut für Anatomie und Zellbiologie, Universität Würzburg, T: +49 931 31-80681, florian.kleefeldt@ uni-wuerzburg.de

 

einBlick - Das Onlinemagazin der Universität Würzburg vom 05.09.2023

Während seiner Doktorarbeit in der Anatomie hat Florian Kleefeldt seine Begeisterung für die Forschung und das Fach entwickelt.
Während seiner Doktorarbeit in der Anatomie hat Florian Kleefeldt seine Begeisterung für die Forschung und das Fach entwickelt. (Bild: privat)

Den Geheimnissen der Immunzellen auf der Spur

Anna Lippert ist neue Juniorprofessorin für Systemimmunologie an der Uni Würzburg. Mit ihrer Forschung will sie die Grundlage schaffen für eine gezieltere Behandlung von Krebs- und Immunerkrankungen.

Wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen, darüber ist kaum etwas bekannt. Sie will das ändern: Anna Lippert ist neue Juniorprofessorin für translationale Medizin an der JMU.
Wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen, darüber ist kaum etwas bekannt. Sie will das ändern: Anna Lippert ist neue Juniorprofessorin für translationale Medizin an der JMU. (Bild: Sebastian Hofmann / Uni Würzburg )

Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger haben eine Reihe ausgeklügelter Strategien entwickelt, um vom menschlichen Immunsystem unentdeckt zu bleiben. Sie täuschen, tarnen und töten. Wie es unseren Immunzellen trotzdem gelingt, sie zu identifizieren und auszuschalten, das erforscht Anna Lippert. Seit Mai ist sie neu als Juniorprofessorin für translationale Medizin am Institut für Systemimmunologie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

„Man weiß heute schon eine Menge darüber, wie Immunzellen ihre Umgebung auf chemischer Ebene wahrnehmen“, erklärt die Wissenschaftlerin, „beispielsweise, dass sie infizierte Zellen bzw. deren charakteristische Molekülstruktur mithilfe von Rezeptoren erkennen.“ Neben chemischen spielten aber auch veränderte physische Eigenschaften kranker Zellen eine wichtige Rolle, etwa die charakteristische Steifigkeit virenbefallener Zellen. „Und wie unser Immunsystem diese Merkmale wahrnimmt, das ist kaum erforscht.“

Grundlagenforschung soll zur Entwicklung schonenderer Therapien dienen

Lipperts Ziel: Entschlüsseln, wie unser Immunsystem tickt und Immunzellen genetisch so verändern, dass sie Zellen mit bestimmten Eigenschaften gezielt ausschalten. „Könnten wir einer Immunzelle beispielsweise beibringen, besonders weiche Zellen zu töten, hätten wir einen möglichen Ansatz für die Bekämpfung von Krebs“, so die Forscherin. „Krebsbefallene Zellen verfügen nämlich in der Regel über ein weicheres Zellskelett als gesunde Zellen.“

Perspektivisch könnte die Grundlagenforschung so dazu beitragen, klassische Chemotherapien durch schonendere und gezieltere Behandlungen zu ersetzen – oder auch verhindern, dass Immunzellen gesunde Zellen angreifen, wie es bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. „Auch Neuropathien, also Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose (MS), könnten wir durch unsere Forschung besser verstehen.“

Internationale Forschung

Von der University of California in Berkeley und der Cambridge University, wo Lippert bisher im Rahmen eines Henry-Wellcome-Fellowships forschte, bringt sie mehrere Forschungsprojekte mit nach Würzburg. „Ein Fokus meiner Arbeit ist das Verständnis, wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen“, erzählt Lippert. „Die Zellen in unserem Körper verändern ihre Steifigkeit bei Entzündungen und Krankheiten wie Krebs, und unsere Immunzellen sind diesen Veränderungen ausgesetzt und können sie erkennen. Wenn wir verstehen, wie sie dies tun, können wir gezielte Immuntherapien entwickeln, die die Steifigkeit von Geweben verändern oder Immunzellen weniger oder empfindlicher für diese Steifigkeitsänderungen machen.“ Zudem erforscht die Juniorprofessorin die molekulare Funktion von Antikörpern bei Neuropathien und den Zusammenhang zwischen Zytoskeletten und der Aktivierung von Immunzellen von Patienten mit Immundefekten.

Vor ihrer Zeit in Berkeley und Cambridge schloss Lippert ihre Doktorarbeit an der University of Oxford ab zum Thema „Wie aktivieren Antikörper Immunzellen?“. Ihren Master in „Integrated Life Sciences absolvierte sie am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen, ihren Bachelor in „Integrated Life Sciences“ ebenfalls in Erlangen.

Über das Institut für Systemimmunologie

Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine Initiative der Uni Würzburg und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Ihr Ziel ist exzellente immunologische Forschung: Rund 50 internationalen Forschende untersuchen die Entwicklung und Funktion des Immunsystems. Ihr Fokus liegt auf der Erforschung der Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.

Kontakt

Prof. Dr. Anna Lippert, Juniorprofessorin für translationale Medizin, anna.lippert@ uni-wuerzburg.de

 

einBlick - Das Onlinemagazin der Universität Würzburg vom 05.09.2023

Wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen, darüber ist kaum etwas bekannt. Sie will das ändern: Anna Lippert ist neue Juniorprofessorin für translationale Medizin an der JMU.
Wie Immunzellen ihre mechanische Umgebung wahrnehmen, darüber ist kaum etwas bekannt. Sie will das ändern: Anna Lippert ist neue Juniorprofessorin für translationale Medizin an der JMU. (Bild: Sebastian Hofmann / Uni Würzburg )