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Praxisverändernde Studie zur Therapie beim Multiplen Myelom

Eine im New England Journal of Medicine publizierte und praxisverändernde Studie, an deren Konzeption und Durchführung Prof. Hermann Einsele vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) entscheidend beteiligt war, definiert eine neue Erstlinientherapie des Multiplen Myeloms mit dem Wirkstoff Daratumumab. Die Vierfach Therapie Standard + Daratumumab kombiniert mit der Hochdosistherapie und Stammzellentransplantation zeigt eine bisher noch nie bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom gesehene Krankheitskontrolle - so waren mehr als 84 Prozent der behandelten Patientinnen und Patienten nach vier Jahren noch krankheitsfrei.

Porträtfoto von Hermann Einsele
Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und Sprecher des Nationalen Tumorzentrums NCT WERA war als Mitglied des European Myeloma Network maßgeblich an der Konzeption und Durchführung der internationalen Phase-3-Studie PERSEUS beteiligt. © UKW

Würzburg. Daratumumab ist ein spezifischer, künstlich hergestellter Antikörper, der gegen das Protein CD38 wirkt, das auf bestimmten Zellen, insbesondere Tumorzellen, vorkommt. Das bedeutet: Daratumumab bekämpft den Tumor direkt und unterstützt gleichzeitig das Immunsystem dabei, die Krebszellen besser zu erkennen und zu zerstören. Der Wirkstoff ist bereits für die Standardtherapie des Multiplen Myeloms, einer bösartigen Erkrankung des Knochenmarks, zugelassen.

Die internationale Phase-3-Studie PERSEUS untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von subkutan verabreichtem Daratumumab bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom, die für eine Transplantation in Frage kommen. An der Studie nahmen insgesamt 709 Patientinnen und Patienten teil, die nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die eine Gruppe erhielt zusätzlich zur Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (kurz: VRd-Therapie) den Wirkstoff Daratumumab subkutan. Die andere Gruppe erhielt nur die VRd-Therapie.

Subkutane Verabreichung hat weniger Nebenwirkungen als die intravenöse

„Die subkutane Verabreichung von Daratumumab, also die Injektion in das Fettgewebe unter der Haut, ist genauso wirksam wie die intravenöse Verabreichung und hat ähnliche Auswirkungen auf den Körper. Beide Verabreichungsformen sind sicher, aber die subkutane Form hat weniger Nebenwirkungen. Außerdem kann sie schneller verabreicht werden - in nur drei bis fünf Minuten. Das bedeutet, dass unsere Patientinnen und Patienten das Medikament in einer einzigen Dosis erhalten können, was bequem ist und weniger Zeit in Anspruch nimmt“, erklärt Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), Sprecher des Nationalen Tumorzentrums NCT WERA und Mitglied des European Myeloma Network.

Enorme Fortschritte in der Therapie des Multiplen Myeloms

Im Hauptfokus der Studie, die im New England Journal of Medicine publizierte wurde, stand das so genannte progressionsfreien Überleben, also die Zeit, in der die Krankheit ohne Fortschreiten oder Tod kontrolliert werden konnte. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe, die zusätzlich Daratumumab erhielt, einen signifikanten Vorteil beim progressionsfreien Überleben hatte. Generell seien Hermann Einsele zufolge bei der Erkrankung, bei der in den vergangenen zehn Jahren 14 neue Medikamente zugelassen wurden, enorme Fortschritte in der Therapie erreicht. Vor 20 Jahren war die mittlere Überlebenszeit der Betroffenen zwei bis drei Jahre. In der aktuellen Studie waren nach 48 Monaten 84,3 Prozent der Patientinnen und Patienten ohne Fortschreiten der Erkrankung, verglichen mit 67,7 % in der Gruppe ohne Daratumumab. Weitere wichtige Ergebnisse waren, dass in der Daratumumab-Gruppe mehr Studienteilnehmende ein vollständiges oder besseres Ansprechen auf die Behandlung zeigten, und auch der Anteil der Patientinnen und Patienten mit einem negativen Status für eine minimale Resterkrankung höher war als in der Kontrollgruppe. Unerwünschte Ereignisse, insbesondere schwere, traten in beiden Gruppen auf, aber die Zugabe von Daratumumab führte nicht zu einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen.

Neue Erstlinien-Therapie beim Multiplen Myelom definiert

Hermann Einsele zieht folgendes Fazit: „Unsere Studie zeigt, dass die Zugabe von subkutan verabreichtem Daratumumab zu einer 3er-Kombinationstherapie bei Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom, die für eine Transplantation in Frage kommen, einen signifikanten Vorteil im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben bringt. Damit haben wir eine neue Erstlinientherapie für das Multiple Myelom definiert. Die Studie verändert die Praxis.

Die Studie wurde gefördert durch das European Myeloma Network in Zusammenarbeit mit Janssen Research and Development; PERSEUS ClinicalTrials.gov-Nummer, NCT03710603; EudraCT-Nummer, 2018-002992-16. 

Publikation: 
Pieter Sonneveld, M.D., Ph.D., Meletios A. Dimopoulos, M.D., Mario Boccadoro, M.D., Hang Quach, M.B., B.S., M.D., P. Joy Ho, M.B., B.S., D.Phil., Meral Beksac, M.D., Cyrille Hulin, M.D., Elisabetta Antonioli, M.D., Ph.D., Xavier Leleu, M.D., Ph.D., Silvia Mangiacavalli, M.D., Aurore Perrot, M.D., Ph.D., Michele Cavo, M.D., et al., for the PERSEUS Trial Investigators*. Daratumumab, Bortezomib, Lenalidomide, and Dexamethasone for Multiple Myeloma. The New England Journal of Medicine. December 12, 2023. DOI: 10.1056/NEJMoa2312054

Porträtfoto von Hermann Einsele
Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und Sprecher des Nationalen Tumorzentrums NCT WERA war als Mitglied des European Myeloma Network maßgeblich an der Konzeption und Durchführung der internationalen Phase-3-Studie PERSEUS beteiligt. © UKW

Kommunikation zwischen Gehirn und Darm ist keine Einbahnstraße

Forscherinnen und Forscher des Uniklinikums Würzburg zeigen in Nature Communications, wie Zellen vom Gehirn in den Darm wandern und so die Ausbreitung neurologischer Erkrankungen wie Parkinson vermitteln.

Zellen im Darm und Hirn einer PD Maus
Mikroskopische Aufnahmen von Zellen im Darm (oben) und Gehirn (unten) einer Maus mit Parkinson; aSyn (magenta), CD11c+ Makrophagen (grün), TH+ Neuronen (gelb), und Nuklei (blau). © UKW
Juniorprofessorin Rhonda McFleder am Mikroskop im Labor
Rhonda McFleder forscht in der Neurologie am UKW zu Morbus Parkinson und erhielt im Mai 2023 die Juniorprofessur für Translationale Medizin. © Kirstin Linkamp

Würzburg. Veränderungen im Darm können sich nicht nur auf die Verdauung, sondern auch auf die psychische Gesundheit und das Nervensystem auswirken. So weiß man heute, dass viele neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Depressionen mit Problemen im Darm zusammenhängen. Mehrere Publikationen haben bereits gezeigt, dass Immunzellen aus dem Darm ins Gehirn wandern können. Eine neue Erkenntnis in der ebenso komplexen wie faszinierenden Welt der Darm-Hirn-Achse hat Juniorprofessorin Dr. Rhonda McFleder vom Uniklinikum Würzburg (UKW) jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. „In unserer aktuellen Studie zeigen wir, dass die Kommunikation zwischen Gehirn und Darm keine Einbahnstraße ist. Zellen können auch vom Gehirn in den Darm wandern und so die Ausbreitung von Krankheiten vermitteln“, erklärt die Neurobiologin, die gemeinsam mit Prof. Dr. Chi Wang Ip an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW die Rolle des Immunsystems bei der Parkinson-Erkrankung erforscht. Um Diagnose und Therapie zu verbessern, ist es wichtig, die an der Kommunikation zwischen Gehirn und Darm beteiligten Zellen zu identifizieren und ihre Wege zu verstehen.

Wichtige Informationen über αSyn-Transport zwischen Gehirn und Darm 

Bei der Parkinson-Krankheit spielt eine bestimmte Ansammlung des Proteins α-Synuclein (αSyn) eine Rolle. In einem Mausmodell für Parkinson entdeckten Rhonda McFleder und ihr Team, dass diese Proteine vom Gehirn in den Darm wandern und dort Störungen verursachen. Aber wie bewegen sich diese Proteine zwischen Gehirn und Darm? Interessanterweise fanden die Forscherinnen und Forscher diese Proteinansammlungen nicht in den Neuronen, die im Darm ein autonomes enterisches Nervensystem steuern, sondern in den Makrophagen. Makrophagen, auch Fresszellen genannt, sind Teil des Immunsystems und spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern und der Beseitigung von Schadstoffen im Körper. Die Einzelzellsequenzierung zeigte, dass Gehirn und Darm eine identische Teilmenge wandernder Makrophagen enthalten, die in anderen Immunorganen wie der Milz fehlt.

Einzigartige Kommunikation zwischen Gehirn und Darm fördert Parkinson und andere neurologische Erkrankungen

„Um eindeutig zu testen, ob Makrophagen vom Gehirn in den Darm wandern, haben wir eine Methode entwickelt, mit der wir Zellen im Gehirn markieren und ihre Wanderung in andere Organe verfolgen können“, schildert Rhonda McFleder ihre Untersuchungen. „Unsere Ergebnisse deuten auf eine einzigartige Kommunikation zwischen Gehirn und Darm hin und lassen vermuten, dass diese Kommunikation an der Ausbreitung der Parkinson-Krankheit beteiligt ist.“ Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Klinikdirektor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am UKW und Letztautor der Studie ergänzt eine weitere wichtige Entdeckung: „Wir haben gesehen, dass Makrophagen nicht nur bei Parkinson, sondern auch unter Kontrollbedingungen vom Gehirn in den Darm wandern, was den Befunden eine breitere Relevanz für andere neurologische Erkrankungen verleiht. So wie diese Zellen die Pathologie bei der Parkinson-Krankheit vorantreiben, können sie auch die Ausbreitung der Krankheit bei anderen neurologischen Erkrankungen fördern.“

Identifikation der Zellen bietet potenzielles therapeutisches Ziel

Wie geht es weiter? Der nächste Schritt bestehe Rhonda McFleder zufolge darin, diese wandernden Zellen vollständig zu charakterisieren und die sogenannten Homing-Moleküle zu identifizieren, welche diese Zellen in den Darm leiten. „Sobald wir diese Moleküle identifiziert haben, können wir Therapeutika entwickeln, die auf sie abzielen und hoffentlich den Krankheitsverlauf bei Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen aufhalten.“

Neben der Neurologischen Klinik und Poliklinik waren die Arbeitsgruppen von Janos Groh, Andreas Beilhack, Jörg Vogel, Antoine-Emmanuel Saliba, James Koprich, Jonathan Brotchie und Axel Pagenstecher an der Studie beteiligt. Das Projekt wurde unterstützt durch die Alexander von Humboldt-Stiftung (Stipendium Rhonda McFleder), das Bayerische Wirtschaftsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Universität Würzburg, die Stiftung VERUM und das damalige EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation Horizon 2020.


Publikation:
McFleder, R.L., Makhotkina, A., Groh, J. et al. Brain-to-gut trafficking of alpha-synuclein by CD11c+ cells in a mouse model of Parkinson’s disease. Nat Commun 14, 7529 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-43224-z


Porträt von Rhonda McFleder in der Serie #WomenInScience
 

Zellen im Darm und Hirn einer PD Maus
Mikroskopische Aufnahmen von Zellen im Darm (oben) und Gehirn (unten) einer Maus mit Parkinson; aSyn (magenta), CD11c+ Makrophagen (grün), TH+ Neuronen (gelb), und Nuklei (blau). © UKW
Juniorprofessorin Rhonda McFleder am Mikroskop im Labor
Rhonda McFleder forscht in der Neurologie am UKW zu Morbus Parkinson und erhielt im Mai 2023 die Juniorprofessur für Translationale Medizin. © Kirstin Linkamp

Virtueller Zwilling soll Behandlung mit Krebsimmuntherapien verbessern

Ein internationales Team mit Würzburger Beteiligung hat im Dezember 2023 das Forschungsprojekt CERTAINTY gestartet. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und dem Gesundheitswesen will das Projektteam unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI einen virtuellen Zwilling entwickeln, der zukünftig die Behandlung mit personalisierten Krebsimmuntherapien verbessern soll.

Myelom-Zellpräparat eines Patienten mit violetten Plasmazellen
Bei gesunden Menschen sollte höchstens jede zwanzigste Zelle des Knochenmarks eine Plasmazelle sein. In diesem Knochenmarkausstrich eines Myelompatienten sind deutlich mehr violette Plasmazellen zu sehen. © UKW

Mit den Krebsimmuntherapien hat sich in den vergangenen Jahren neben den klassischen Behandlungsoptionen (Chirurgie, Strahlen- & Chemotherapie) eine weitere Säule in der medizinischen Onkologie etabliert. Zu den Vorteilen personalisierter Behandlungsansätze wie der CAR-T-Zelltherapie gehört auch eine präzisere Phänotypisierung der individuellen Patientinnen und Patienten.

Digitales Abbild von molekularen und zellulären Merkmalen und klinischen Verlaufsdaten jedes Betroffenen

Für Diagnose, Therapieentscheidung und Verlaufskontrolle werden zahlreiche klinische, bildgebende, molekulare und zellanalytische Daten pro Patientin und Patient erhoben und verarbeitet. In der Gesamtheit aller Daten innerhalb eines Krankheitsbildes verbirgt sich ein enormes Potenzial, um Diagnose und Therapie für zukünftige Patientinnen und Patienten zu verbessern. Ein Ansatz zur Verwirklichung dieses Potenzials ist das Konzept des virtuellen Zwillings. Dabei werden bestimmte molekulare und zelluläre Merkmale einer Person sowie deren klinische Verlaufsdaten zu einem digitalen Abbild zusammengeführt und dieses anhand einer Reihe von Datenvariablen regelmäßig aktualisiert. Anhand von Vergleichsdaten von Krebskranken mit ähnlichen Merkmalen können durch den virtuellen Zwilling dann Prognosen zum Krankheitsverlauf oder zu verschiedenen Therapieoptionen simuliert werden.

Virtueller Zwilling für Behandlung des Multiplen Myeloms mit CAR-T-Zell-Therapien

Entsprechende Konzepte zum virtuellen Zwilling und erste, vielversprechende Modelle existieren bereits im Bereich der Herz-Kreislauferkrankungen. Im EU-Projekt CERTAINTY sollen nun Module für einen entsprechenden virtuellen Zwilling für die Behandlung von Krebskranken mit CAR-T-Zell-Therapien entwickelt werden. Dieses soll Ärztinnen und Ärzten zukünftig bei der Auswahl der bestmöglichen Therapie unterstützen und zudem das Gesundheitssystem durch den effizienteren Einsatz kostenintensiver Medikamente entlasten.

Der virtuelle Zwilling wird zunächst beispielhaft für das Multiple Myelom (MM), eine bösartige Erkrankung des Knochenmarkes, entwickelt. Vorgesehen ist, dass dieser die individuelle Pathophysiologie von Patientinnen und Patienten, die für zelluläre Immuntherapien in Frage kommen oder sich diesen unterziehen, umfassend wiedergibt und regelmäßig aktualisiert wird. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Integration molekularer Muster in die digitalen Berechnungsmodelle. Weitere Schlüsseltechnologien sind die Erhebung und Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data Processing), maschinelles Lernen, personalisierte in vitro Modelle und softwaregestützte mechanistische Modelle. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von Schnittstellen, die den Datenzugriff bzw. die Interaktion zwischen verschiedenen physischen und digitalen Systemen stets unter Berücksichtigung des Datenschutzes gewährleisten.  Weitere Aspekte, die im Projekt Berücksichtigung erfahren, sind die Einbindung sozioökonomischer Faktoren, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können, sowie zukünftige Anwendungen für Patientinnen und Patienten.

UKW wird das “Virtual Twin” Konzept bei der CAR-T-Zell Therapie beim Multiplen Myelom einsetzen

Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist in Europa als führende Institution in der Entwicklung und klinischen Anwendung innovativer Immuntherapien mit CAR-T-Zellen und T-Zell-aktivierenden Antikörpern anerkannt. Im Projekt CERTAINTY wird das UKW seine fundierte Expertise in der präklinischen, translationalen und klinischen Entwicklung von CAR-T-Zell-Therapien zur Behandlung des Multiplen Myeloms einbringen. Darüber hinaus wird das UKW seine Erfahrungen in der Entwicklung von KI-unterstützten Herstellungs- und Therapie-Modellen beisteuern. Ein zentrales Projektziel für das UKW in CERTAINTY ist es, das “Virtual Twin”-Konzept in präklinischen Modellen der CAR-T-Zell-Therapie zu verfeinern und perspektivisch auch in klinischen Studien zu evaluieren. Das UKW Projektteam in CERTAINTY wird von Dr. Miriam Alb am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie (Professor Michael Hudecek) an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II (Professor Hermann Einsele) geleitet. Das Team des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie koordiniert zahlreiche nationale und internationale Forschungsprojekte im Bereich der CAR-T-Zell-Therapie und des Multiplen Myeloms und verfügt über ein dichtes und lebendiges Netzwerk, das die Projektarbeit in CERTAINTY unterstützen und verstärken wird. 

Projektleitung: Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie

Das Fraunhofer IZI bringt neben der Projektleitung seine Expertise im Bereich der personalisierten Medizin und molekularen Diagnostik ein. Im Rahmen des Projektes wird das Institut digitale Berechnungsmodelle entwickeln, anhand derer individuelle Krankheitsverläufe mittels molekularer bzw. genetischer Muster von Patientinnen und Patienten oder CAR-T-Zellen identifiziert werden können.
Projektkoordinatorin Dr. Kristin Reiche, Leiterin der Arbeitsgruppe Bioinformatik am Fraunhofer IZI, erläutert: "Für CERTAINTY werden wir auf bestehende computergestützte Modelle der menschlichen Biologie aufbauen. Wir möchten diese mit neuartigen Modellen für genetisch modifizierte Immunzellen wie den CAR-T-Zellen kombinieren, um den individuellen Krankheits- bzw. Therapieverlauf für Patientinnen und Patienten zu modellieren."


Das EU Konsortium »CERTAINTY – A cellular immunotherapy virtual twin for personalized cancer treatment« wird von der Europäischen Union mit knapp 10 Millionen EUR über die nächsten 4,5 Jahre gefördert.

PARTNER
Fraunhofer-Gesellschaft, Deutschland
· Fraunhofer IZI (Projektkoordination)
· Fraunhofer SCAI
· Fraunhofer IMW
Universitätsmedizin Leipzig, Deutschland
Singleron Biotechnologies GmbH, Deutschland
Collaborate Project Management, Deutschland
Myeloma Patients Europe AISBL, Belgien
TriNetX Oncology GmbH, Deutschland
Masaryk University, Tschechische Republik
Information Technology for Translational Medicine, Luxemburg
Universitätsklinikum Würzburg, Deutschland
Institut Curie, Frankreich
University of Namur, Belgien
Universitair Medisch Centrum (UMC) Utrecht, Niederlande
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT), Niederlande
HealthTree Foundation, USA
Roche Pharma AG, Schweiz

Myelom-Zellpräparat eines Patienten mit violetten Plasmazellen
Bei gesunden Menschen sollte höchstens jede zwanzigste Zelle des Knochenmarks eine Plasmazelle sein. In diesem Knochenmarkausstrich eines Myelompatienten sind deutlich mehr violette Plasmazellen zu sehen. © UKW

COVID-19-Grundimmunisierung verringert Schweregrad von Durchbruchsinfektionen

Prospektive Kohortenstudie der bayerischen Universitätskliniken zu den klinischen und immunologischen Vorteilen einer vollständigen primären COVID-19-Impfung bei nicht hospitalisierten Personen mit SARS-CoV-2-Durchbruchsinfektionen.

Das Würzburger Team des Corona-Vakzin-Konsortium
Das CoVaKo-Team in Würzurg, v.l.n.r.: Giovanni Almanzar, Kimia Kousha, Lars Ziegler, Tim Vogt, Martina Prelog, Julia Bley, Valeria Schwägerl, Johannes Liese, Tanja Mastorakis, Tatjana Durnev. © Matthias Emmert, Universitäts-Kinderklinik
Szene eines Schnelltests
Das Corona-Vakzin-Konsortium hat untersucht, ob die Hauptsymptome von Corona Fieber, Husten, Geschmacksstörungen, Schwindel sowie Übelkeit und Erbrechen abnehmen, wenn man sich trotz Grundimmunisierung mit einer SARS-CoV-2-Variante, kurz VOC, infiziert. © Angie Wolf / UKW

Würzburg. Fieber, Husten, Geschmacksstörungen, Schwindel sowie Übelkeit und Erbrechen sind die Hauptsymptome von Corona. Nehmen diese ab, wenn man sich trotz Grundimmunisierung mit einer SARS-CoV-2-Variante, kurz VOC, infiziert? Zur Beantwortung dieser Frage hat Prof. Dr. Klaus Überla aus sechs medizinischen Universitätsstandorten in Bayern und weiteren Partnern das Corona-Vakzin-Konsortium CoVaKo gegründet. In einer der größten multizentrischen und prospektiven Studien wurden sowohl die klinischen Daten zu Durchbruchsinfektionen nach Grundimmunisierung gegen SARS-CoV-2 im Vergleich zu Ungeimpften als auch die Immunogenitätsdaten untersucht. Am Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde die Studie von Prof. Dr. Johannes Liese und Prof. Dr. Martina Prelog von der Kinderklinik geleitet. 

Studie stützt Empfehlung einer Grundimmunisierung 

Martina Prelog, Immunologin und Erstautorin der im Journal of Clinical Virology veröffentlichten Studie, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die vollständige Erstimpfung gegen COVID-19 reduzierte die Häufigkeit von Symptomen bei nicht hospitalisierten Erwachsenen mit Durchbruchsinfektionen und führte zu einer schnelleren und länger anhaltenden Neutralisierung gegen die infektiösen Varianten als bei Ungeimpften. Unsere Studie zeigt also, dass Erwachsene immunologisch und klinisch von einer Grundimmunisierung gegen COVID-19 auch in Bezug auf die neuen VOCs profitieren, sowohl in Bezug auf die Schwere der Erkrankung, die Dauer der Symptome, die Viruslast und die Antikörperimmunität.“

Impfung verringert Schweregrad der durch Immun-Escape-Varianten verursachten Erkrankung 

Insgesamt wurden 300 Personen innerhalb von 14 Tagen nach einer durch PCR bestätigten SARS-CoV-2-Infektion prospektiv erfasst. Von diesen waren 88 Personen ungeimpft. 212 Personen wurden zuvor mit zwei Dosen des Wuhan-Typ SARS-CoV-2 mRNA-Impfstoffs grundimmunisiert und hatten eine Durchbruchsinfektion mit Alpha- oder Delta-SARS-CoV-2. Alle 300 nicht-hospitalisierten Probandinnen und Probanden wurden bis zu viermal pro Woche besucht, um medizinische Daten strukturiert zu erfassen und die Viruslast zu bestimmen.

Die vollständige Primärimpfung mit COVID-19 zeigte eine signifikante Wirksamkeit gegen die fünf Hauptsymptome. Das relative Risiko für Schwindel (52%), Übelkeit und Erbrechen (48%) wurde um die Hälfte, für Fieber (33%) um ein Drittel und für Husten und Geschmacksstörungen um 21% bzw. 22% reduziert. Durch die Grundimmunisierung konnten zudem im Vergleich zu Ungeimpften deutlich bessere und in der Bindungsfähigkeit stärkere Antikörperantworten gegen das Spike-Protein generiert werden.

Geimpfte haben schon in der ersten Woche nach Durchbruchsinfektion höhere Werte an neutralisierenden Antikörpern als Ungeimpfte

Die Fähigkeit des Immunsystems, das Coronavirus zu neutralisieren, wurde anhand der Antikörperkonzentration und der Bindungsstärke der Antikörper an das Virus, der sogenannten Avidität, gemessen. So wurde die SARS-CoV-2-spezifische Antikörperantwort durch Anti-Spike (S)- und Anti-Nukleokapsid (N)-Antikörperkonzentrationen, Anti-S-IgG-Avidität und Neutralisationskapazität charakterisiert. Ergebnisse: Vollständig primär geimpfte Probandinnen und Probanden zeigten im Vergleich zu Ungeimpften bereits in der ersten Woche nach PCR-bestätigter SARS-CoV-2 Infektion signifikant höhere Werte der 50%-Hemmkonzentration (IC50) der Neutralisation gegen den infektiösen VOC und eine signifikant höhere relative Anti-S-IgG-Avidität (78% vs. 27% Antikörper-Bindungsfähigkeit in Woche 1).

Aktuell werden Omicron-Durchbruchinfektionen analog zur publizierten Studie erfasst und analysiert. Eine Publikation über die zelluläre Immunantwort und die Rolle der saisonalen humanen Non-SARS-Coronavirus-Erkrankungen befindet sich derzeit in der Begutachtung.

Das Corona-Vakzin-Konsortium CoVaKo 

Das Corona-Vakzin-Konsortium ist ein vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördertes wissenschaftliches Projekt zur Untersuchung und Erfassung der Wirksamkeit und Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen. sowie zum Verlauf möglicher Durchbruchsinfektionen. Die Durchführung erfolgte unter der Koordination von Dr. Philipp Steininger (Universitätsklinikum Erlangen) an den sechs bayerischen Universitätskliniken in Erlangen, München (LMU und TUM), Würzburg, Regensburg und Augsburg sowie dem Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof (iisys), dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF, Partnerstelle München), dem Helmholtz Zentrum München, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und den örtlichen Gesundheitsämtern.

Publikation: 
Martina Prelog et al, Clinical and immunological benefits of full primary COVID-19 vaccination in individuals with SARS-CoV-2 breakthrough infections: a prospective cohort study in non-hospitalized adults, Journal of Clinical Virology, 2023, https://doi.org/10.1016/j.jcv.2023.105622.
Dieser Share Link bietet bis zum 31. Januar 2024 kostenlosen Zugang zum Artikel: https://authors.elsevier.com/a/1iEy94xITSoA5P
 

Das Würzburger Team des Corona-Vakzin-Konsortium
Das CoVaKo-Team in Würzurg, v.l.n.r.: Giovanni Almanzar, Kimia Kousha, Lars Ziegler, Tim Vogt, Martina Prelog, Julia Bley, Valeria Schwägerl, Johannes Liese, Tanja Mastorakis, Tatjana Durnev. © Matthias Emmert, Universitäts-Kinderklinik
Szene eines Schnelltests
Das Corona-Vakzin-Konsortium hat untersucht, ob die Hauptsymptome von Corona Fieber, Husten, Geschmacksstörungen, Schwindel sowie Übelkeit und Erbrechen abnehmen, wenn man sich trotz Grundimmunisierung mit einer SARS-CoV-2-Variante, kurz VOC, infiziert. © Angie Wolf / UKW

Würzburg: Zentrum der Immunkardiologie – „the place to be“

Gustavo Ramos hat seit 1. Dezember 2023 eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Heisenberg-Professur für Immunkardiologie

Porträt von Gustavo Ramos im Labor
Der Biologe Gustavo Ramos ist seit Dezember 2023 Professor für Immunkardiologie am Uniklinikum Würzburg. © Kirstin Linkamp / UKW
Aufnahme eines infarzierten Herzens mit markierten Immunzellen
Bild aus dem diesjährigen wissenschaftlichen Adventskalender (www.ukw.de/advent) – Kläppchen Nummer 2: Massive Infiltration von Immunzellen in das Herz nach einem Infarkt. In Grün ist die Morphologie des Herzens zu sehen, in Gelb leuchten die Antikörper (Anti-CD45), die an das CD45-Antigen der Leukozyten gebunden haben. Die Probe wurde von Murilo Delgobo aus der AG Ramos im DZHI hergestellt und von Lisa Popiolkowski und Anne Auer mit einem Lichtblatt-Fluoreszenz-Mikroskop in der Core Unit Fluorescence Imaging am RVZ aufgenommen. © Anne Auer / DZHI

Die Laufbahn von Gustavo Ramos ist geprägt von Idolen. So war der Biologe aus Brasilien bei der Wahl seines Dissertationsthemas zwischen zwei Professoren - einem kardiologischen Wissenschaftler und einem Immunologen - hin und hergerissen. Er bewunderte beide. Also vereinte er im Jahr 2007 die Themen und forschte zum damals noch unbekannten und namenlosen Fach „Immunkardiologie“. Als er 2012 an der Federal University of Santa Catarina in Florianópolis die Promotion abschloss, veröffentlichten zeitgleich auf der anderen Seite des Ozeans die Professoren Stefan Frantz und Ulrich Hofmann vom Uniklinikum Würzburg (UKW) ihre bahnbrechenden Erkenntnisse zur Rolle von T-Zellen bei der Wundheilung nach einem Herzinfarkt. Gustavo Ramos war klar, er musste nach Würzburg. Er bewarb sich bei Stefan Frantz und arbeitete als Postdoc in dessen Arbeitsgruppe. 2014 folgte er dem Kardiologen nach Halle/Sachsen-Anhalt, etablierte ein eigenes Forschungsteam und sog nebenbei das historische Flair der Umgebung auf. „Als Teenager habe ich in Brasilien die Biografie von Johann Sebastian Bach gelesen. Ich hätte mir nie erträumt, dort zu arbeiten, wo er einst gewirkt hat.“ Ebenso gut erinnert er sich an die Mischung aus Schock und Bewunderung, die er für Werner Karl Heisenberg empfand, als er dessen Unschärferelation studierte. „Und nun habe ich die unbeschreibliche Ehre aber auch große Verantwortung, eine Professur mit seinem Namen inne zu haben“, sagt Ramos, der seit 2018 eine Juniorforschungsgruppe am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) leitet. 

Respekt vor Heisenberg hemmte bei der Bewerbung

Er habe einige Anläufe gebraucht, um sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für das prestigeträchtige Heisenberg-Programm bewerben. Zu groß sei der Respekt vor dem Werk des Physikers gewesen, der mit 31 Jahren für seinen Beitrag zur Quantenmechanik den Nobelpreis erhielt. Schließlich hat er sich Heisenberg über dessen Biografie genähert. Und, ob Zufall oder Wink des Schicksals: Heisenberg wurde in Würzburg geboren. Gustavo Ramos bewarb sich und hatte Erfolg. Seit dem 1. Dezember finanziert ihm die DFG eine Heisenberg-Professur für Immunkardiologie, die, sofern die Evaluation nach fünf Jahren erfolgreich ist, von der Universität in eine permanente Professur überführt wird. 

SFB 1525 – Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem

Würzburg ist für Ramos „the place in the world to be“. Inzwischen konzentrieren sich in der Würzburger Universitätsmedizin Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen auf die „Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem“. In dem gleichnamigen Sonderforschungsbereich 1525 bündeln insgesamt 14 Einrichtungen in 17 Teilprojekten und zwei Serviceprojekten ihre Expertise. Als wissenschaftlicher Sekretär war Gustavo Ramos gemeinsam mit Ulrich Hofmann maßgeblich beteiligt an dem fast 500 Seiten umfassenden SFB-Antrag bei der DFG. „Ich blättere fast jeden Tag in dem Buch und entdecke Neues“, gesteht Gustavo Ramos. Stefan Frantz, Sprecher des SFB 1525 erklärt: „Durch die Zusammenführung von Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Kardiologie, Immunologie, RNA-Biologie, Bioinformatik und Bildgebung ein einzigartiges Team entstanden. Die intensive und vielschichtige Informationsgewinnung im neuen Verbund verspricht Dynamik im aufstrebenden Forschungsfeld.“

Worauf antworten die Immunzellen? Die Suche nach kardialen Antigenen

Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren, in denen er nun in Deutschland forscht, getan? „Sehr viel“, sagt Ramos, der inzwischen mit seiner Frau und Tochter eingebürgert wurde. „Der Forschungsbereich wächst weltweit, und wir haben Material und Werkzeug etabliert, mit dem wir exakt untersuchen, wie das Immunsystem nach einem Infarkt arbeitet.“ Anders als bei bakteriellen oder viralen Infektionen wie etwa Covid-19, wo schnell klar war, dass man einen Impfstoff gegen das Spike-Protein benötigt, waren die Immunantworten nach einem Herzinfarkt oder einer Herzinsuffizienz noch unklar. 

Tatsächlich hat Gustavo Ramos im Jahr 2019 die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gefunden (Journal of Clinical Investigation). Unter 20.000 Proteinen, die sich im Herzen nachweisen lassen, hat er mit seinem Team den Teil des Proteins identifiziert, der für die Bildung der T-Zellen verantwortlich ist, welche als Helferzellen des Immunsystems eine frühe Heilung nach einem Herzinfarkt unterstützen. Es handelt sich um das Strukturprotein Myosin Heavy Chain Alpha (MYHCA). Gleichzeitig konnte Ramos mit seinem Team zeigen, wo sich die Zellen bilden: in den mediastinalen Lymphknoten, also in den Lymphknoten, die in der Mitte des Brustkorbs zwischen beiden Lungenflügeln liegen. Anschließend wandern diese Zellen ins Herz. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen am Mausmodell konnten in Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg an Herzinfarktpatienten bestätigt werden. Sie fanden zudem folgende Korrelationen heraus: Je schwerer der Infarkt, desto mehr herzreaktive T-Zellen bildet der Körper. Und je größer die Lymphknoten, desto besser die Heilung. Aufbauend auf dieser bahnbrechenden Studie hat seine Arbeitsgruppe im Februar 2023 im Journal Circulation Research veröffentlicht, was genau die Myosin-spezifischen T-Zellen im infarzierten Herz machen. „Sie infiltrieren, nehmen einen regulatorischen Phänotyp an und schwächen die lokale Entzündung ab“, erklärt Ramos. 

T-Zellen: Die guten von den schlechten „Heilern“ unterscheiden

Entscheidend sei, die Entzündung nach dem Infarkt zunächst nicht zu blockieren, da erst durch diese entzündlichen Prozesse das Immunsystem und somit die T-Zellen aktiviert werden und damit der Heilungsprozess angeregt wird. Bei einigen Patienten ist die Wundheilung jedoch beeinträchtigt. Sie bilden nicht so viele und möglicherweise auch schlechte T-Zellen. Denn nicht alle Zellen haben eine positive Wirkung auf die Wundheilung. Daher liegt ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Juniorgruppe Ramos auf der Identifizierung spezifischer T-Zell-Profile, um die guten von den schlechten „Heilern“ zu unterscheiden und zu prüfen, ob und wann sich gute T-Zellen in schlechte entwickeln und mehr schaden als helfen. 

Zwischenzeitlich hat die AG Ramos im Journal of Molecular and Cellular Cardiology ein weiteres kardiales Antigen beschrieben, welches bei einigen Patientinnen und Patienten nach einem Myokardinfarkt T-Zellen aktiviert. 

Biomarker für die Charakterisierung von Risikofaktoren

„Wir untersuchen aber nicht nur die Wundheilung, wir versuchen auch das Immunsystem zu charakterisieren, bevor sich eine Herzkrankheit manifestiert“, fügt Ramos hinzu. Dafür haben wir das Glück und können auf die Proben aus der Kohortenstudie STAAB zurückgreifen. In STAAB werden am DZHI 5000 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 79 Jahren ohne bekannte Herzinsuffizienz über einen längeren Zeitraum mehrfach untersucht. Ziel ist es herauszufinden, wie häufig eine noch unentdeckte Herzschwäche in der Bevölkerung auftritt und welche Faktoren zur Entstehung einer Herzinsuffizienz beitragen. „Anhand der Basis-Charakterisierung des Immunsystems von supergesunden Menschen und Menschen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Übergewicht haben wir immunologische Veränderungen gefunden, die in Verbindung mit den Risikofaktoren zu stehen scheinen. Für den Longitudinal-Aspekt müssen wir diese Studienteilnehmenden jedoch weiterverfolgen, um zu prüfen, ob diese immunologischen Veränderungen auch mit einem höheren Risiko für eine Herzinsuffizienz einhergehen“, bemerkt Ramos. Ein weiterer Aspekt liegt auf den Alterungsprozessen, wie verändert sich das Immunsystem im Alter und wie wirkt es sich auf das alternde Herz aus. Ihre im Cardiovascular Research veröffentlichen Erkenntnisse aus Studien an Mausmodellen will die AG Ramos nun an der STAAB-Kohorte untersuchen. 

„Ich bin 100 Prozent für kollaborative Wissenschaft!“

Ob im Team mit seinen zehn Mitarbeitenden, auf dem Campus, Europa oder der Welt, Gustavo Ramos liebt die Zusammenarbeit. „Ich bin 100 Prozent für kollaborative Wissenschaft. Die Zusammenarbeit ist der beste Teil meiner Arbeit.“ Vor wenigen Tagen hat er erst eine Bewerbung für eine der Marie-Sklodowska-Curie-Maßnahmen, kurz MSCA, eingereicht. Die hochkompetitiven MSCA sind Teil des europäischen Programms „Horizont Europe“. Ramos hat sich federführend mit einem internationalen Training-Netzwerk beworben, an dem zehn Länder beteiligt sind. Ferner steht im Juni 2024 ein europäischer Kongress für Cardio-Immunology im Kloster Banz an, den er mitkoordiniert. Es gibt noch viel zu tun. Und wer weiß, vielleicht wird Gustavo Ramos selbst eines Tages ein Idol, oder er ist es schon längst. 
 

Porträt von Gustavo Ramos im Labor
Der Biologe Gustavo Ramos ist seit Dezember 2023 Professor für Immunkardiologie am Uniklinikum Würzburg. © Kirstin Linkamp / UKW
Aufnahme eines infarzierten Herzens mit markierten Immunzellen
Bild aus dem diesjährigen wissenschaftlichen Adventskalender (www.ukw.de/advent) – Kläppchen Nummer 2: Massive Infiltration von Immunzellen in das Herz nach einem Infarkt. In Grün ist die Morphologie des Herzens zu sehen, in Gelb leuchten die Antikörper (Anti-CD45), die an das CD45-Antigen der Leukozyten gebunden haben. Die Probe wurde von Murilo Delgobo aus der AG Ramos im DZHI hergestellt und von Lisa Popiolkowski und Anne Auer mit einem Lichtblatt-Fluoreszenz-Mikroskop in der Core Unit Fluorescence Imaging am RVZ aufgenommen. © Anne Auer / DZHI

Wie lassen sich die zuckrigen Tarnkappen von Tumorzellen durchbrechen?

Andoni Garitano vom Uniklinikum Würzburg (UKW) hat den Gilead Cell Therapy Grant in Höhe von 53.000 Euro für seine Forschung zum Einfluss der Tumorglykolisierung auf die Antitumorreaktion von CAR-T-Zellen bei hämatologischen Krebserkrankungen erhalten.

Die Preisträger des Gilead Grant Förderprogramms auf der Bühne.
Bei der Verleihung der Gilead Research Grants am 22. November in Frankfurt am Main freuten sich neben Andoni Garitano-Trojaola (erste Reihe, zweiter von links) Forschende von 18 weiteren Projekten über die finanzielle Förderung. © Gilead Sciences GmbH
Porträtbild von Andoni Garitano-Trojaola
Nach seiner Promotion in Navarra setzt der Biochemiker und translationale Krebsforscher Andoni Garitano-Trojaola seit 2016 seine Karriere in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II fort und ist seit 2022 in der Translationalen CAR-T-Zellforschung tätig. Für seine Forschung zum Einfluss der Tumorglykolisierung auf die Antitumorreaktion von CAR-T-Zellen bei hämatologischen Krebserkrankungen erhielt er gerade den Gilead Cell Therapy Grant in Höhe von 53.000 Euro. © Frankfurt School of Finance & Management
Teamfoto im Labor
Andoni Garitano-Trojaola zusammen mit Professor Michael Hudecek, Leiter des CAR-T-Zell-Translationsforschungsprogramms, und seinem Team, mit dem der Biochemiker die Zuckermoleküle auf Tumorzellen erforscht. Tumorzellen interagieren mit ihrer Umgebung unter anderem über ihre Oberflächenstruktur. Durch die Zuckerschicht gelingt es ihnen, sich wie mit einer Art Tarnkappe vor Angriffen des Immunsystems zu schützen. © UKW

Würzburg. Krebszellen sind von einer dicken Zuckerschicht umgeben, die es ihnen ermöglicht, sich der Erkennung durch Immunzellen zu entziehen und der Zerstörung zu entgehen. „Die Schicht aus Zucker-Molekülen wirkt wie eine Tarnkappe“, erklärt Dr. Andoni Garitano-Trojaola und bringt seinen Forschungsfokus direkt auf den Punkt: „Das Verständnis dieses Mechanismus ist von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung gezielter Therapien, welche die schützende Zuckerschicht durchbrechen können. Dadurch könnten die Krebszellen anfälliger für die Überwachung durch das Immunsystem werden, was die Effektivität von Immuntherapien gegen Krebs steigern würde.“ Das Gilead Förderprogramm unterstützt sein Forschungsprojekt am Uniklinikum Würzburg (UKW) mit 53.000 Euro. 

Bessere Krebstherapien durch besseres Verständnis der Pathomechanismen

Die Medizinischen Klinik und Poliklinik II hat sich durch starke Kompetenzen in den Bereichen Molekularbiologie und CAR-T-Zelltherapie weltweit einen Namen gemacht hat. Hier befasst sich Andoni Garitano-Trojaola mit seinem Team sowohl mit grundlagenwissenschaftlichen als auch mit translationalen Fragestellungen im Bereich Hämatologie. Übergeordnetes Ziel ist es, die Situation von Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen, die das blutbildende System betreffen, zu verbessern. „Und dies kann im Wesentlichen nur durch ein besseres Verständnis der zu Grunde liegenden Pathomechanismen gelingen“, sagt Andoni Garitano-Trojaola. Der Biochemiker gilt als international ausgewiesener Experte im Bereich der translationalen Krebsforschung.

Zuckerschicht auf Tumorzellen durchbrechen oder entfernen

In den letzten Jahren konnte die Universitätsmedizin Würzburg bereits wegweisende Mechanismen der Resistenzentwicklung gegenüber Immuntherapien bei hämatologischen Erkrankungen veröffentlichen. Andoni Garitano-Trojaola will nun die genaue Zusammensetzung der Zuckerschicht auf den Krebsantigenen definieren und Behandlungen entwickeln, mit denen diese abnorme Zuckerschicht entfernt oder durchbrochen werden kann. Und schließlich gilt es festzustellen, ob die Entfernung der Zuckerschicht auf den Krebszellen zu einer stärkeren Antitumorreaktion von CAR-T-Zelltherapien führt. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung wirksamerer CAR-T-Therapien für Krebspatientinnen und -patienten sein. 

Biochemiker mit MBA

Andoni Garitano-Trojaola stammt aus dem spanischen Baskenland und hat sein Studium der Biochemie an der Universität von Navarra abgeschlossen. Anschließend absolvierte er einen Master in Biomedizinischer Forschung und promovierte in der Krebsforschung an der Cima Universidad de Navarra. Im Jahr 2016 zog er nach Würzburg, um in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II seine Karriere in der Translationalen CAR-T-Zellforschung fortzusetzen. Vor kurzem hat er zudem ein Master of Business Administration-Studium an der Frankfurt School of Finance & Management erfolgreich abgeschlossen.
 

Weitere Informationen zu Immuntherapien in der Hämatologie: 

Als große Hoffnungsträger in Behandlung bösartiger Erkrankungen, die das blutbildende System betreffen, gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Die Wahl der Immuntherapie und ihr Erfolg hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob, wie viele und welche Antigene sich auf der Krebszelle befinden. Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) spielt bei der Erforschung, Anwendung und Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende Rolle. 
Eine der vielversprechendsten Behandlungsmethoden gegen den Knochenmarkkrebs sind CAR-modifizierte Immunzellen. Bei der zellulären Immuntherapie wird den weißen Blutkörperchen unseres Immunsystems, den T-Zellen, auf die Sprünge geholfen. Dazu werden die T-Zellen gentechnologisch verändert und im Labor mit einem künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptor ausgestattet, dem Chimären Antigen Rezeptor, kurz CAR. Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen als lebendes Medikament dem Patienten zurückgegeben. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören. 

Die Preisträger des Gilead Grant Förderprogramms auf der Bühne.
Bei der Verleihung der Gilead Research Grants am 22. November in Frankfurt am Main freuten sich neben Andoni Garitano-Trojaola (erste Reihe, zweiter von links) Forschende von 18 weiteren Projekten über die finanzielle Förderung. © Gilead Sciences GmbH
Porträtbild von Andoni Garitano-Trojaola
Nach seiner Promotion in Navarra setzt der Biochemiker und translationale Krebsforscher Andoni Garitano-Trojaola seit 2016 seine Karriere in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II fort und ist seit 2022 in der Translationalen CAR-T-Zellforschung tätig. Für seine Forschung zum Einfluss der Tumorglykolisierung auf die Antitumorreaktion von CAR-T-Zellen bei hämatologischen Krebserkrankungen erhielt er gerade den Gilead Cell Therapy Grant in Höhe von 53.000 Euro. © Frankfurt School of Finance & Management
Teamfoto im Labor
Andoni Garitano-Trojaola zusammen mit Professor Michael Hudecek, Leiter des CAR-T-Zell-Translationsforschungsprogramms, und seinem Team, mit dem der Biochemiker die Zuckermoleküle auf Tumorzellen erforscht. Tumorzellen interagieren mit ihrer Umgebung unter anderem über ihre Oberflächenstruktur. Durch die Zuckerschicht gelingt es ihnen, sich wie mit einer Art Tarnkappe vor Angriffen des Immunsystems zu schützen. © UKW

Das BZKF fördert mit dem Leuchtturm "Präklinische Modelle" translationale Forschung und beschleunigt Proof-of-Concept-Studien

Das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) fördert ab 1. Januar 2024 mit rund 900.000 € den Leuchtturm "Präklinische Modelle". Die Leuchtturmstrukturen des BZKF sind Voraussetzung für komplexe Weiterentwicklungen im jeweiligen Bereich und übernehmen Servicefunktionen für das gesamte Zentrum. Ziel des Leuchtturms „Präklinische Modelle“ ist es, durch die Schaffung von (infra-)strukturellen Maßnahmen die translationale Forschung zu fördern, den Umgang mit regulatorischen Behörden zu erleichtern und eine robuste Proof-of-Concept-Plattform mit besonderem Augenmerk auf die Testung neuer Ansätze zur erstellen.

Der Leuchtturm Präklinische Modelle hat für die kommenden zwei Jahre gleich mehrere Ziele. Eines der Hauptziele ist der Aufbau organspezifischer Organoid (sog. 3D Modelle) Units. Diese zentralen Einheiten werden es den Forschenden im BZKF-Netzwerk ermöglichen, präklinische Modelle in einer bisher nicht gekannten Detailtreue zu entwickeln und zu testen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden dazu beitragen, die Lücke zwischen der (präklinischen) Grundlagenwissenschaft und der frühen klinischen Anwendung zu verkleinern. Weiterhin soll im Rahmen der Aufbauphase der Leuchtturmstruktur eine zentrale Anlaufstelle für präklinische Studienprojekte, welche von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im BZKF genutzt werden kann, etabliert werden. Durch die geplante Strukturierung wird sich der aktive Austausch und die Zusammenarbeit im BZKF weiter verbessern, wodurch die Qualität und Effizienz bei der Durchführung von klinischen Studien maßgeblich gesteigert wird. Ein weiteres Ziel des Leuchtturms ist es, eine zentrale Einheit für Target-Validierungen (target: Ansatzpunkte für neue Arzneimittel) - für bislang „undrugable targets“ aufzubauen. Hierbei handelt es sich um Zielstrukturen, gegen die bisher keine Medikamente entwickelt werden konnten. Durch den Aufbau dieser Einheit werden neue Ansätze zur Validierung und möglichen Nutzung dieser bislang unzugänglichen Zielstrukturen erforscht. „Mit dem Leuchtturm „Präklinische Modelle“ gehen wir im BZKF neue Wege in der translationalen Forschung und schaffen optimale Bedingungen für die Durchführung von Proof-of-Concept-Studien für alle Forschenden im BZKF-Netzwerk“, erklärt Prof. Dr. Armin Wiegering, Sprecher des Leuchtturms und Stellvertretender Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß und Kinderchirurgie des Universitätsklinikum Würzburg. „Unser Ziel ist es, die translationale Forschung zu beschleunigen, die aktive Zusammenarbeit weiter zu fördern und innovative Lösungsansätze für bisher ungelöste Probleme in der Krebsforschung zu finden. Aufgrund der aktiven Zusammenarbeit aller sechs BZKF-Standorte in dieser Leuchtturmstruktur sind wir zuversichtlich, die gesteckten Ziele in naher Zukunft erreichen zu können.“

Der Leuchtturm „Präklinische Modelle“ wird einen signifikanten Beitrag zur wissenschaftlichen Gemeinschaft leisten und die Durchführung von Studien und Forschungsprojekten im Bereich der Krebsforschung nachhaltig verbessern.

Über das BZKF

Seit der Gründung des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) im November 2019 wird das große Ziel verfolgt, allen Bürgerinnen und Bürgern in Bayern, ganz unabhängig von ihrem Wohnort, Zugang zu bestmöglichen, neuesten und innovativen Therapien zu ermöglichen. Mit dem Zusammenschluss der sechs bayerischen Uniklinika und Universitäten in Augsburg, Erlangen, den zwei Standorten in München, Regensburg und Würzburg wird nicht nur die Krebsforschung gefördert, sondern auch Kompetenzen und Wissen zu den Themen Früherkennung, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen gebündelt und zugleich Betroffenen eine flächendeckende und interdisziplinäre Versorgung angeboten. Das BürgerTelefonKrebs des BZKF bietet unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 85 100 80 eine unkomplizierte Möglichkeit, sich individuell zu allen Fragen bezüglich einer Krebserkrankung beraten zu lassen. Weiterführende Informationen zum Thema Früherkennung und Prävention finden Sie unter www.bzkf.de

 

Pressemeldung Bayerische Zentrum für Krebsforschung