Aktuelle Pressemitteilungen

Ausgezeichneter Biomarker zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Dr. Alexander Kollikowski aus dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurde im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) der Kurt-Decker-Preis für den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall verliehen.

 

Alexander Kollikowski steht am Pult, über ihm leuchtet eine Folie seines Vortrags, links auf der Bühne sitzen Musiker mit Streichinstrumenten.
Auf der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) hielt Dr. Alexander Kollikowski vom UKW einen Vortrag über den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall, für den er mit dem Kurt-Decker-Preis ausgezeichnet wurde. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende
DGNR-Präsident gratuliert Alexander Kollikowski auf der Bühne.
Prof. Dr. Peter Schramm, der neue Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), verlieh den Kurt-Decker-Preis an Dr. Alexander Kollikowski vom Würzburger Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie während der Jahrestagung der DGNR. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende

Würzburg. Beim ischämischen Schlaganfall, der vier von fünf Schlaganfällen ausmacht, muss schnell gehandelt werden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und bleibende Hirnschäden zu verhindern. Das Blutgerinnsel, das die Blutzufuhr zu einem Teil des Gehirns unterbrochen hat, kann durch eine katheterbasierte mechanische Thrombektomie, das wirksamste Verfahren in der akuten Gefäßmedizin, entfernt werden, um den physiologischen Blutfluss wiederherzustellen und ein Fortschreiten des Infarkts zu verhindern. Einige Patientinnen und Patienten profitieren jedoch selbst bei schneller und effizienter Behandlung nicht ausreichend von dieser Therapie und haben auch nach einer erfolgreichen Gefäßrekanalisation weiterhin neurologische Defizite. Während die Wirksamkeit der Behandlung stark vom Zeitpunkt der Intervention und dem Ausmaß der bereits eingetretenen Gewebsschädigung abhängt, wurden auch bestimmte Enzyme, insbesondere Matrix-Metalloproteinasen (MMP), vor allem nach der Gefäßrekanalisation mit anhaltenden neurologischen Störungen und Blutungskomplikationen in Verbindung gebracht.

Kurt-Decker-Preis für die Entdeckung eines prätherapeutischen Prädiktors für schwere Verläufe

Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat erstmals die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung im therapeutischen Kontext vor einer Gefäßrekanalisation untersucht. Für die hierbei gewonnen wegweisenden Erkenntnisse erhielt er im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) in Kassel den renommierten Kurt-Decker-Preis.

Zum Projekt, das vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) Würzburg und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Clinician Scientist programms UNION CVD und des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 240 finanziert und im Fachjournal eBioMedicine (The Lancet Discovery Science) veröffentlicht wurde: Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors der Neurologie und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe, hat Alexander Kollikowski 264 Flüssigbiopsien von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit einem Großgefäßverschluss untersucht, die im Rahmen der mechanischen Thrombektomie mittels Mikrokatheterverfahren vor Wiedereröffnung aus dem betroffenen Gefäßsegment des Gehirns gewonnen wurden. Hierbei konnten die Matrixmetallproteinasen in einem Zustand analysiert werden, noch bevor das nach der Gerinnselentfernung wieder einströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte. Die Forschenden fanden einerseits heraus, dass Neutrophile, eine Art intravaskulärer weißer Blutkörperchen, direkt während des Schlaganfalls in das betroffene Gefäßgebiet einwandern und enzymatisch aktive Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) freisetzen, und zeigten andererseits, dass sich dieser Prozess als bedeutend für den Krankheitsverlauf erwies.

MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen ermöglicht präzise Prognoseabschätzung nach Gefäßrekanalisation

„Unsere Analysen haben gezeigt, dass lokale, prätherapeutische Konzentrationen von MMP-9 ein unabhängiger Prädiktor für schwere Hirnblutungen und einen ungünstigen klinischen Verlauf einschließlich schwerer Behinderung oder Tod nach Rekanalisation sind“, sagt Alexander Kollikowski. Die Ergebnisse positionieren MMP-9 in Kollateralgefäßen als ersten lokalen Biomarker zur Identifizierung von Hochrisikogruppen unter Thrombektomie-Kandidatinnen und -Kanditaten und liefern damit den Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker im ischämischen Schlaganfall.

Was bedeutet das konkret für die Therapie? „Die Bestimmung der Freisetzung von MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen vor der Gefäßrekanalisation ermöglicht eine präzise Prognoseabschätzung für verschiedene klinische Endpunkte nach der Gefäßrekanalisation“, so Kollikowski. „Diese Methode könnte den Weg für maßgeschneiderte Behandlungsstrategien für diejenigen Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für einen ungünstigen Verlauf ebnen, die bisher nicht frühzeitig identifiziert und behandelt werden konnten und damit ein erhebliches Potenzial für klinische Verbesserungen aufweisen.“

Validierung, Point-of-Care-Testing und revers-translationale Studien

Wie geht es weiter? Der Fokus liegt zunächst auf der Validierung der Ergebnisse in größeren Kohorten, um die Robustheit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu bestätigen. Parallel dazu werden wir die Möglichkeiten untersuchen, diese Ergebnisse in eine patientennahe Labordiagnostik (engl. Point-of-Care-Testing) direkt in der Angio-OP während einer mechanischen Rekanalisation als Methode zur Echtzeit-Risikoabschätzung zu überführen. Zudem sind revers-translationale Studien geplant, um die im Menschen beobachteten Prozesse in Tiermodellen mechanistisch zu untersuchen. Mit diesem Ansatz soll eine Brücke zwischen klinischen Beobachtungen und experimentell adressierbaren pathophysiologischen Prozessen geschlagen werden, um die Entwicklung spezifischer, zeitlich und pathophysiologisch abgestimmter Therapiekonzepte für die klinische Erprobung voranzutreiben.

Weitere Informationen zur Studie liefert die Pressemitteilung, die am 22. April 2024 anlässlich der Publikation veröffentlicht wurde. 
 

DOG und Augenklinik des UKW feiern Rekorde

Ausgezeichnete Inspirationen aus Würzburg für neue Ansätze im Kampf gegen Augenkrankheiten

Auf dem bisher größten Jahreskongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) wurden von sieben eingereichten Postern der Würzburger Augenklinik fünf als Poster des Tages, zwei mit einem Posterpreis und eine Präsentation mit dem Sicca-Förderpreis ausgezeichnet.

Collage von sechs Porträts des Gewinnerteams.
Das Gewinnerteam der Augenklinik: oben v.l.n.r. Dr. Malik Salman Haider, Dr. Johanna Theuersbacher, Dr. Nikolai Kleefeldt; unten v.l.n.r. Privatdozent Dr. Daniel Kampik, Julian Schwebler und Dr. Raoul Verma-Führing. © UKW
Die Collage zeigt vier Bilder vom DOG-Jahreskongress, Julian Schwebler mit Sicca-Preis und Malik Salman Haider und Johanna Theuersbacher auf der Bühne bei der Verleihung des Posterpreises.
Die Würzburger Augenklinik feierte bei der DOG-Jahrestagung in Berlin Rekorde. Julian Schwebler erhielt den Sicca-Preis, Malik Salman Haider und Johanna Theuersbacher jeweils einen Posterpreis, drei weitere Beiträge wurden zum „Poster des Tages“ gekürt. © UKW

Würzburg. Mit 3.183 Fachteilnehmenden und 5.001 Besucherinnen und Besucher blickt die Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG) auf eine Rekordbeteiligung beim 122. Kongress zurück, der vom 10. bis 13. Oktober in Berlin stattfand. Doch auch die Augenklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) feierte bei der DOG-Jahrestagung Rekorde. Von sieben präsentierten Postern wurden fünf Poster als "Poster des Tages" ausgewählt. Dr. Johanna Theuersbacher und Dr. Malik Salman Haider erhielten zudem den Posterpreis der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Und Julian Schwebler wurde mit dem Sicca Förderpreis ausgezeichnet. 

„Als Leiter der Forschungslabore bin ich ungemein stolz auf die Leistungen unseres Teams, Krankheitsmechanismen zu verstehen und gleichzeitig innovative Therapiestrategien zu entwickeln“, kommentiert Dr. Malik Salman Haider. „Die Anerkennung, die wir durch die Posterpreise bei der DOG 2024 erhalten haben, spiegelt das Engagement und die harte Arbeit aller beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider. Unsere Ergebnisse bringen nicht nur die Wissenschaft voran, sondern haben auch das Potenzial, die Versorgung in der Augenheilkunde maßgeblich zu beeinflussen. Ich freue mich darauf zu sehen, wie unsere Forschung auch in Zukunft neue Ansätze zur Bekämpfung von Augenkrankheiten inspirieren wird.“

Mit Mizellen Entzündungshemmer sicher und wirksam direkt ans Ziel bringen

Malik Salman Haider selbst erhielt einen Posterpreis für eine Entwicklung, die auch in vielen anderen preisgekrönten Projekten zum Einsatz kam, nämlich mizellare Formulierungen mit dem hochkonzentrierten, entzündungshemmenden Wirkstoff Dexamethason. Entzündungen sind bei verschiedenen Augenerkrankungen ein entscheidender Faktor, der das Fortschreiten der Erkrankung begünstigt und zu Gewebeschäden, Sehverlust und Beschwerden beiträgt. Malik Haider und seine Arbeitsgruppe haben den bewährten Entzündungshemmer Dexamethason (DEX) mit Hilfe von A-B-A-Triblock-Copolymeren in winzige Trägerstrukturen, so genannte Mizellen, verpackt. Die spezielle Struktur der Mizellen hilft, das Medikament effizienter zum betroffenen Gewebe zu transportieren. Die DEX-Mizellen zeigten eine ausgezeichnete Zytokompatibilität und eine deutlich verbesserte Permeabilität. Laut Haider hat diese neuartige mizellare Formulierung das Potenzial, die Einschränkungen der derzeitigen DEX-Therapien zu überwinden, indem sie das Medikament auf eine sichere und wirksame Weise direkt ans Ziel bringt – sei es durch Augentropfen oder Injektionen. 

Sicca-Förderpreis für die Erforschung der Entzündung und des Hydrogel-Drug-Delivery-Systems an einem in vitro 3D-Modell der Bindehaut

Der mit insgesamt 20.000 Euro dotierte Sicca-Förderpreis wird jährlich von der Arbeitsgemeinschaft Trockenes Auge und Oberflächenerkrankungen im Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) vergeben. Einer der acht Preisträger in diesem Jahr ist Julian Schwebler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Augenheilkunde. Sein mit 2.000 Euro und viel Lob ausgezeichnetes Projekt beschäftigte sich mit Entzündungen bei Bindehauterkrankungen und einer effizienteren Behandlung auf Basis von Hydrogelen. Um die zugrundeliegenden Mechanismen besser zu verstehen, studierte Julian Schwebler die Entzündung mit Hilfe eines 3D-in-vitro-Modells der Bindehaut. Darüber hinaus untersuchte er therapeutische Strategien mit Hydrogel-Wirkstoffträgersystemen, um die Entzündung wirksam zu lindern. Seine Forschungsergebnisse unterstreichen das Potenzial dieser Hydrogel-Formulierungen, therapeutische Wirkstoffe direkt an das betroffene Gewebe zu bringen, und bieten einen gezielten Ansatz, um Entzündungen zu reduzieren und die Ergebnisse bei Bindehauterkrankungen zu verbessern.

Besseres Verständnis der Fusarium-Keratitis und Grundlage für innovative Therapien

Dr. Johanna Theuersbacher wurde für ihre Erkenntnisse zum Verständnis der Fusarium-Keratitis mit einem Posterpreis (dotiert mit 500 Euro) ausgezeichnet. Die Fusarium-Keratitis ist eine schwere Infektion der Hornhaut (Keratitis), die durch Pilze der Gattung Fusarium verursacht wird. Diese Infektion kann das Auge stark schädigen und in schweren Fällen so weit fortschreiten, dass eine Enukleation, also die operative Entfernung des Augapfels, notwendig wird. Johanna Theuersbacher untersuchte den Pathomechanismus und den Prozess der Pilzinvasion. Dazu führte die Fachärztin mit ihrem Team In-vitro-Experimente an Hornhautepithelzelllinien durch. Ein bemerkenswerter Mechanismus der Pilzinfiltration war die Endozytose, also ein Mechanismus, der es Zellen ermöglicht, aktiv und gezielt Substanzen aus ihrer Umgebung aufzunehmen und zu verarbeiten. Ihre Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für innovative Therapien, die darauf abzielen, die Ergebnisse für die Patientinnen und Patienten zu verbessern und diese sehkraftgefährdende Infektion zu verhindern.

Hydrogel als potentielle Ergänzung in der filtrierenden Glaukomchirurgie

Dr. Raoul Verma-Führing, Studienkoordinator und Assistenzarzt für Glaukomchirurgie, überzeugte die Jury mit einem mit Dexamethason beladenen Hydrogel, das speziell als Hilfsmittel in der filtrierenden Glaukomchirurgie eingesetzt werden soll. Ziel der filtrierenden Glaukomchirurgie ist es, den erhöhten Augeninnendruck, der unbehandelt zu einem dauerhaften Sehverlust führen kann, zu senken, indem ein künstlicher Abflussweg für das Kammerwasser aus dem Augeninneren geschaffen wird. Das innovative Hydrogelsystem soll therapeutische Wirkstoffe freisetzen, die auf die Ursachen der postoperativen Narbenbildung abzielen, die eine häufige und schwerwiegende Komplikation bei Glaukomoperationen darstellt. Verma-Führing und sein Team gehen davon aus, dass ihr selbst entwickeltes Hydrogel die chirurgischen Ergebnisse verbessern wird, indem es die Narbenbildung hemmt. Außerdem soll das Hydrogel die Notwendigkeit wiederholter Injektionen direkt in das Auge verringern, die für die Patientinnen und Patienten unangenehm sein und das Risiko von Komplikationen bergen können.

Veränderungen der sMNV bei CSCR unter Anti-VEGF-Therapie

Dr. Nikolai Kleefeldt beeindruckte mit seiner Arbeit über funktionelle und morphologische Veränderungen der sekundären makulären Neovaskularisation (sMNV) bei Patienten mit zentraler seröser Chorioretinopathie (ZSCR) unter Anti-VEGF-Therapie. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der Flüssigkeit unter die Netzhaut des Auges gelangt, was das Sehvermögen beeinträchtigen kann. Die Anti-VEGF-Therapie hemmt die Bildung der krankhaften Blutgefäße. Der Funktionsoberarzt führte eine retrospektive Analyse von insgesamt 20 Augen von 16 Patientinnen und Patienten durch, die zwischen Juli 2021 und Dezember 2022 am UKW behandelt wurden. Seine Ergebnisse zeigen, dass die Anti-VEGF-Therapie bei sMNV im Zusammenhang mit CSCR wirksam ist und zu einer signifikanten Verbesserung der Sehschärfe und einer deutlichen Reduktion der zentralen Netzhautdicke führt. Zwei Formen der sMNV konnten mit OCT-A, einer optischen Kohärenztomographie-Angiographie, sichtbar gemacht werden. Die Fläche der sMNV verringerte sich, aber nicht signifikant. Die Erkrankung selbst bleibt hochaktiv und erfordert weiterhin viel Aufmerksamkeit und eine hochfrequente IVOM-Therapie (Injektionen direkt in den Glaskörper des Auges). In vielen Fällen muss das Medikament innerhalb des ersten Jahres gewechselt werden.

Schädigungen der Hornhaut durch das Protein BCMA im Tränenfilm 

Privatdozent Dr. Daniel Kampik, Leiter der Hornhautbank der Augenklinik, untersuchte das Vorkommen des löslichen B-Zell-Reifungsantigens (BCMA) im Tränenfilm und seine mögliche Rolle bei den kornealen Nebenwirkungen des Medikaments Belantamab. Belantamab ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das zur Behandlung des Multiplen Myeloms, einer Form von Blutkrebs, eingesetzt wird. Es greift das Protein BCMA an, das auf den Krebszellen vorkommt. Es wurde jedoch beobachtet, dass Belantamab auch Augenprobleme verursachen kann, insbesondere eine Schädigung der Hornhaut (Hornhauttoxizität). Durch eine Kombination von in vitro- und in vivo-Experimenten konnten Kampik und sein Team einen Zusammenhang zwischen der Menge an löslichem BCMA im Tränenfilm und dem Auftreten von Hornhauttoxizität nachweisen. Seine Forschung konzentrierte sich auf die Aufklärung der Mechanismen, durch die lösliches BCMA im Tränenfilm zu diesen schädigenden Wirkungen auf die Hornhaut beitragen kann.

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Collage von sechs Porträts des Gewinnerteams.
Das Gewinnerteam der Augenklinik: oben v.l.n.r. Dr. Malik Salman Haider, Dr. Johanna Theuersbacher, Dr. Nikolai Kleefeldt; unten v.l.n.r. Privatdozent Dr. Daniel Kampik, Julian Schwebler und Dr. Raoul Verma-Führing. © UKW
Die Collage zeigt vier Bilder vom DOG-Jahreskongress, Julian Schwebler mit Sicca-Preis und Malik Salman Haider und Johanna Theuersbacher auf der Bühne bei der Verleihung des Posterpreises.
Die Würzburger Augenklinik feierte bei der DOG-Jahrestagung in Berlin Rekorde. Julian Schwebler erhielt den Sicca-Preis, Malik Salman Haider und Johanna Theuersbacher jeweils einen Posterpreis, drei weitere Beiträge wurden zum „Poster des Tages“ gekürt. © UKW

Weitere Sprosse auf der Karriereleiter für Barbara Altieri

Würzburger Endokrinologin erhält renommierten Nachwuchspreis von der Italienischen Gesellschaft für Endokrinologie

Ein Interview mit Dr. Barbra Altieri über die Auszeichnung der Italienischen Gesellschaft für Endokrinologie, ihre Arbeit am UKW und ihre Zukunftspläne.

 

Barbara Altieri am Rednerpult auf dem Kongress der Italienischen Gesellschaft für Endokrinologie in Genua
Dr. Barbara Altieri vom Uniklinikum Würzburg wurde am 28. September 2024 auf dem Kongress der Italienischen Gesellschaft für Endokrinologie in Genua mit dem prestigeträchtigen Preis „Premio SIE Under 40“ ausgezeichnet. ©Segreteria Organizzativa delle IIEM 2024 – Congress Planning
Porträt von Barbara Altieri im weißen Kittel
Dr. Barbara Altieri forscht in der Endokrinologie des Uniklinikums Würzburg hauptsächlich zum Nebennierenkarzinom. Für ihre Arbeiten wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. © Daniel Peter / UKW

Dr. Barbara Altieri wurde am 28. September 2024 auf dem Kongress der Italienischen Gesellschaft für Endokrinologie in Genua mit dem „Premio SIE Under 40“ ausgezeichnet. Der Preis der Società Italiana di Endocrinologia (SIE) ist mit 5.000 Euro dotiert und wird an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter 40 Jahren vergeben, die herausragende Beiträge auf dem Gebiet der Endokrinologie geleistet haben.

Barbara Altieri forscht seit dem Jahr 2019 in der Endokrinologie und Diabetologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Ihr wissenschaftliches Interesse gilt neben endokrinen Tumoren, also Tumoren, die von hormonbildenden Zellen an verschiedenen Stellen im Körper ausgehen können, vor allem Nebennierentumoren und deren Pathogenese. Die 39-jährige Medizinerin hat bereits knapp 100 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und wurde für ihre Forschungsarbeiten mehrfach ausgezeichnet.

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung. Was bedeutet der "Premio SIE Under 40" für Sie? 

Der Preis ist eine große Ehre für mich. Er ist zwar nicht hoch dotiert aber mit viel Prestige verbunden. Für meinen Lebenslauf ist der Preis sehr wichtig und eine weitere Sprosse auf der Karriereleiter. Außerdem helfen solche Auszeichnungen dabei, Fördergelder einzuwerben und weitere Projekte zu finanzieren. 

Die Auszeichnung selbst baut stark auf meinem Lebenslauf auf und würdigt mein bisheriges Schaffen: Wie viele Preise habe ich erhalten, wie viele Publikationen habe ich veröffentlicht, wie hoch ist der Impact Factor der Fachzeitschriften, wie oft wurden die Publikationen zitiert, wo war ich Erstautorin oder Letztautorin, wie oft war ich als invited speaker auf Kongressen. 
Die Società Italiana di Endocrinologia hatte mich sogar als Sprecherin nach Genua eingeladen. Kurz danach kam die Nachricht über die Auszeichnung. Also durfte ich im Rahmen der Preisverleihung noch einmal zehn Minuten über mich und meine bisherigen Leistungen sprechen. 

Erst vor wenigen Monaten, im Mai 2024, erhielten Sie in Stockholm einen der begehrten Rising Star Awards des European Journal of Endocrinology (EJE). Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) verlieh Ihnen den Schoeller-Junkmann-Preis und den Anke-Mey-Preis. Die European Society of Endocrinology (ESE) ehrte Sie mit dem ESE Young Investigator. Zahlreiche weitere Preise schmücken Ihre Vita. Was zeichnet Sie und Ihre Arbeit aus? 

Zum einen liebe ich meine Forschung, ich arbeite leidenschaftlich an meinen Themen und investiere sehr viel Zeit in meine Projekte, um stets das Beste zu geben. Zum anderen verdanke ich einen Teil jeder Auszeichnung dem großartigen Team am UKW. Wir ergänzen uns hervorragend und pushen uns immer wieder aufs Neue. Ein besonderer Dank gilt Cristina Ronchi, die mich in meinen ersten Jahren in Würzburg betreut hat und inzwischen in Birmingham arbeitet, und Martin Fassnacht, dem Leiter der Endokrinologie. Er ist einer der größten Experten auf dem Gebiet des Nebennierenkarzinoms und ein großartiger Mentor, sowohl fachlich als auch menschlich. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. 

Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Nebennierenkarzinom, eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von etwa 1 bis 2 Fällen pro einer Million Menschen pro Jahr. Wie entstand Ihre Leidenschaft für dieses Randgebiet? 

Während meines Studiums in Rom hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Patientinnen und Patienten mit einem Nebennierenkarzinom, ein hochgradig bösartiger Tumor an einer der paarig an den Nieren gelegenen Hormondrüsen. Entsprechend hoch ist der Leidensdruck der Betroffenen. Sie brauchen viel Zuwendung. Das hat mich sehr bewegt. Deshalb habe ich schon damals alles getan, um die Prognose und die Lebensqualität zumindest ein kleines bisschen zu verbessern. 

Der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten ist in Würzburg allerdings weniger geworden, da Sie noch nicht klinisch tätig sind. Vermissen Sie das? 

Ja, schon. Aber ich arbeite daran und lerne fleißig Deutsch. Für die Approbation, also die Zulassung als Ärztin zu praktizieren, brauche ich einen Sprachnachweis auf dem Niveau C1. 
Und die Patientinnen und Patienten stehen nach wie vor über allem und sind Sinn und Zweck meines Tuns. Meine Forschung ist immer auf Translation ausgerichtet, damit die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zügig in die klinische Forschung und schließlich in die Behandlung einfließen. 

Was ist das Besondere an der Endokrinologie und speziell am Nebennierenkarzinom? 

Beim Nebennierenkarzinom haben wir mit verschiedenen Facetten der Medizin zu tun und arbeiten eng mit Kolleginnen und Kollegen aus der Onkologie, Radiologie, Chirurgie und Psychologie zusammen. Diese Interdisziplinarität gefällt mir sehr. Und man lernt ständig dazu. Aber auch im Team besprechen wir jede einzelne Patientin und jeden einzelnen Patienten. Die Diagnose ist sehr schwierig, weil das Nebennierenkarzinom oft erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Außerdem ist die Pathogenese des Nebennierenkarzinoms noch nicht vollständig verstanden. Warum und wie entsteht das Nebennierenkarzinom? Der Mensch hat nicht nur den Krebs, sondern auch viele andere Symptome, die mit der Hormonausschüttung zusammenhängen. Es gibt also noch viel zu entdecken. 

Durch die Kombination von Einzelzelltechnologien, dem so genannten Single Cell RNA Sequencing, und Transkriptomanalysen, also der Analyse aller Gene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle abgelesen werden, haben Sie bereits einen umfassenden Zellatlas der gesunden Nebenniere erstellt.

Wir hatten bereits ein recht gutes Bild von der Histologie und Pathologie der Nebenniere, also den spezifischen Funktionen des Gewebes und den krankhaften Veränderungen. Aber wir hatten noch keinen Überblick über die einzelnen Zellen, und die komplizierten molekularen Mechanismen, die der Selbsterneuerung der Nebenniere beim Erwachsenen zugrunde liegen, waren noch kaum aufgeklärt. 
Bei unserer Arbeit, die übrigens ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Max Delbrück Center for Molecular Medicine in Berlin war, haben wir unter anderem zwei neue bisher unbekannte Zelltypen identifiziert. Die eine ist eine Subpopulation von vaskulären endothelialen Zellen, die andere ist ein potenzieller Vorläufer hormonproduzierender Zellen in der Nebennierenrinde. Der Zellatlas gibt auch Einblicke in die molekularen Mechanismen der Tumorentstehung in der Nebennierenrinde und hilft bei der Charakterisierung von Tumorzellen, um neue Targets für eine effiziente Therapie zu finden. 

Sie forschen auch an Medikamenten. Was gibt es da Neues? 

Mitotane ist derzeit das einzige zugelassene Medikament zur Behandlung des Nebennierenkarzinoms. Nach der erfolgreichen ADIUVO-Studie, die das UKW gemeinsam mit der Universität Turin durchgeführt hat, etablierte sich Mitotane weltweit als Standardtherapie zur Rezidivprophylaxe nach operativer Entfernung des Nebennierenkarzinoms. Inzwischen wissen wir, dass bei einem Tumor, der vollständig entfernt werden konnte, der niedriggradig und lokal begrenzt ist und nicht gestreut hat, und bei dem der Zellteilungsmarker Ki-67 unter 10 Prozent liegt, das Rückfallrisiko also gering ist, Mitotane die Rückfallrate nicht signifikant verbessert, dafür aber mit Nebenwirkungen verbunden ist. In meiner Forschung konzentriere ich mich auf die Nebenwirkungen des Medikamentes. Dazu wird es demnächst ein größeres Projekt mit mehr als 600 Patientinnen und Patienten aus 25 Zentren in Europa und den USA geben. 

Wie setzen sie das Preisgeld von 5.000 Euro ein? 

Normalerweise verwende ich Preisgelder für Reisekosten zu Kongressen. Demnächst steht aber ein dreimonatiger Aufenthalt in den USA an. Wir planen mit der University of Michigan ein Projekt zur Pathogenese des Nebennierenkarzinoms. Anders als beim Dickdarmkrebs, wo sich aus einem Polypen ein Adenom und im Laufe der Zeit ein Karzinom entwickeln kann, sieht beim Nebennierentumor ein Adenom, also ein gutartiger Tumor, wie ein Adenom aus und ein Karzinom, ein bösartiger Tumor, wie ein Karzinom. Das sind zwei verschiedene Entitäten. 

Als Vorstandsmitglied des Komitees EYES (ESE Young Endocrinologists & Scientists) sind Sie in der Ausbildung junger Endokrinologinnen und Endokrinologen aktiv. Zudem sind Sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Arbeitsgruppe ACC des European Network for the Study of Adrenal Tumours (ENS@T). Wie wichtig sind Nachwuchsförderung und Vernetzung?

Beides ist enorm wichtig. Nur gemeinsam und im Austausch können wir besser werden. Wir pflegen intensive Kontakte zu verschiedenen Zentren weltweit. Junge Doktorandinnen und Doktoranden kommen aus anderen Ländern zu uns, wir hospitieren bei ihnen. Wir lernen voneinander und arbeiten zusammen. Das schafft gute und fruchtbare Verbindungen. 
Ich selbst bin 2014 als junge Studentin nach Würzburg gekommen. Für mich der ‚place to be‘. Die Endokrinologie, damals noch unter der Leitung von Professor Bruno Allolio, forscht seit über 20 Jahren zum Nebennierenkarzinom und gilt als internationales Referenzzentrum. Später war ich noch für meine europäische Promotion ein Jahr in Würzburg. Und als 2019 eine Stelle frei wurde, habe ich mich als Postdoc beworben.

Wie lebt es sich als Italienerin in Würzburg? 

Die Lebensqualität ist wirklich gut. Die Stadt ist zwar sehr klein, aber dafür ist alles fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, und es ist sicher. Ich habe keine Angst, wenn ich früh die Wohnung verlassen muss, um den Zug zum nächsten Kongress zu erwischen. Auch das soziale Leben ist toll. Ich habe viele Freunde, die aus verschiedenen Ländern kommen, aber auch aus verschiedenen Fachbereichen, nicht nur aus der Medizin. Hier in Würzburg habe ich auch meinen Mann kennen gelernt, er kommt aus Norditalien und macht etwas ganz anderes als ich: Er ist Ingenieur. Weniger optimal an Würzburg ist sind die Öffnungszeiten der Geschäfte und Supermärkte. 18 Uhr, bestenfalls 20 Uhr. Das ist hart. Und beim Gemüse, da vermisse ich die Qualität meiner Heimat, wo die Tomaten wie richtige Tomaten schmecken. 

Was sind Ihre weiteren Pläne?

Neben meinen laufenden Projekten bereite ich gerade meine Habilitation vor. In Italien habe ich mich bereits vor einem Jahr habilitiert, in Deutschland steht das noch aus. Und dann muss ich neben der Familienplanung sehen, wo es für mich eine entsprechende Stelle als Privatdozentin oder Professorin gibt. 


Das Interview führte Kirstin Linkamp / UKW
 

Herausragende Arbeiten zu herausforderndem Verhalten

Die Diplom-Psychologin Dr. Julia Geissler von der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKW erhielt auf dem XXXVIII. DGKJP-Kongress in Rostock den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis der Steinhausen-Stiftung für ihre Projekte REDUGIA und ProVIA, in denen junge Menschen mit einer Entwicklungsstörung der Intelligenz und Autismus-Spektrum-Störungen im Mittelpunkt stehen.

Laudator Tobias Renner hält auf der Bühne einen Blumenstrauß in den Händen, daneben Hans-Christoph Steinhausen, der Julia Geissler die Urkunde überreicht.
Dr. Julia Geissler von der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKW erhielt beim DGKJP-Kongress in Rostock den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Steinhausen-Stiftung. Prof. Dr. Dr. Hans-Christoph Steinhausen (Mitte) verlieh diesen Preis zum ersten Mal. Prof. Dr. Tobias Renner (links) hielt die Laudatio. © Regina Taurines / UKW
Die Grafik zeigt sechs Screenshots der Smartphone-Applikation ProVIA-Kids
Features der App ProVIA-Kids: A) Homescreen, B) Verhaltensanalyse, C) Graphische Darstellung der Häufigkeit der verschiedenen Ursachen des Problemverhaltens, D) Inhaltsverzeichnis der Wissenskapitel, E) Auszug aus dem Wissenskapitel zu Besonderheiten der Sinneswahrnehmung, E) Stimmungstagebuch. © 2024 Meerson, Buchholz, Kammerer, Göster, Schobel, Ratz, Pryss, Taurines, Romanos, Gamer and Geissler

Würzburg. Auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) wurde erstmals der Steinhausen-Stiftungspreis verliehen. Der von Helene und Prof. Hans-Christoph Steinhausen gestiftete Preis zeichnet Forschende, Einrichtungen und Institutionen für bemerkenswerte wissenschaftliche Leistungen oder praktische Aktivitäten und Projekte aus, die in besonderer Weise geeignet sind, die Lebensqualität von Menschen mit einer Entwicklungsstörung der Intelligenz zu verbessern. 

Als erste Preisträgerin dieser Auszeichnung wurde Dr. Julia Geissler, Diplom-Psychologin der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Uniklinikums Würzburg (UKW) und approbierte Psychologische Psychotherapeutin, für ihre herausragenden Projekte REDUGIA und ProVIA geehrt. REDUGIA steht für „Reduktion von freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung: Grundlagen einer interdisziplinären Allianz“; ProVIA für „Problemverhalten verstehen und vorbeugen bei Intellektueller Entwicklungsstörung und Autismus-Spektrum-Störungen“.

„Herausforderndes Verhalten ist ein dramatisches Hindernis für die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“

„Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen oder Entwicklungsstörungen der Intelligenz sind eine vulnerable Gruppe, die oft Schwierigkeiten hat, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren, und die meist nicht in der Lage ist, um Hilfe zu bitten“, weiß Julia Geißler. „Sie zeigen herausforderndes Verhalten, weil sie sich im Moment nicht helfen können. Sie sind zum Beispiel aggressiv, verletzen sich selbst oder zeigen eine starke Verweigerungshaltung. Dies stellt für die Betroffenen eine erhebliche Erschwernis in Bezug auf Lernen, Selbstständigkeit, Sozialisation und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dar und kann so zusätzlich zu den Hürden, mit denen diese Gruppe aufgrund ihrer Erkrankungen ohnehin konfrontiert ist, ein dramatisches Hindernis für die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft darstellen. Aus diesem Grund ist die Verhaltensprävention, unter anderem durch eine gute Schulung der Betreuungspersonen in der Erkennung der Ursachen, von zentraler Bedeutung“.

Freiheitsentziehende Maßnahmen in Extremfällen

Herausforderndes Verhalten stellt aber auch eine große Belastung für die Betreuungspersonen dar. Im Extremfall kann es sogar freiheitsentziehende Maßnahmen auslösen, die in erster Linie dem Schutz des Kindes oder seiner Umgebung dienen. Wann und unter welchen Voraussetzungen freiheitsentziehende Maßnahmen zulässig sind, regelt § 1631b BGB. Das Gesetz wurde durch eine Novellierung im Jahr 2017 dahingehend verschärft, dass solche Einschränkungen nur in Ausnahmesituationen und unter strengen Voraussetzungen erfolgen dürfen.

Hoher Versorgungsbedarf versus Ressourcenknappheit im Gesundheitssystem

REDUGIA ist die erste Studie, die systematisch den Status quo der Häufigkeit von herausforderndem Verhalten, freiheitsentziehenden Maßnahmen und der Belastung des Personals in stationären Einrichtungen für junge Menschen mit Entwicklungsstörungen der Intelligenz in einem deutschen Bundesland erfasst. In Bayern leben ca. 10 Prozent aller jungen Menschen mit Intelligenzminderung in stationären Wohneinrichtungen. Die repräsentative Befragung bayerischer Heime zeigte, dass herausforderndes Verhalten und freiheitsentziehende Maßnahmen kein flächendeckendes Phänomen sind, sondern sich auf wenige spezialisierte Einrichtungen konzentrieren, in denen die Kinder mit dem höchsten Bedarf und den gravierendsten Verhaltensproblemen betreut werden. Die Studie ergab, dass freiheitsentziehende Maßnahmen nicht häufig angewendet werden und dass die Einrichtungen bereits vor der Gesetzesänderung verantwortungsvoll damit umgegangen sind. Der 2016 in Presseberichten erhobene Vorwurf weitreichender unzulässiger freiheitsentziehender Maßnahmen konnte nicht bestätigt werden. 

„Aber es gibt einen Zusammenhang zwischen herausforderndem Verhalten und der Belastung des Personals, was zeigt, wie hoch der Betreuungsbedarf ist und wie wichtig Präventionsmaßnahmen sind, um solche Situationen zu vermeiden“, sagt Julia Geissler. Sie empfiehlt, den Pflegenden mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um die Ursachen des Verhaltens anzugehen.

ProVIA-App unterstützt bei der Prävention von herausforderndem Verhalten, indem sie individuelle Gründe für das Verhalten der Kinder findet und passgenaue Handlungsempfehlungen gibt

Um dem Mangel an Beratungs- und Therapieangeboten bei herausforderndem Verhalten zu begegnen, wurde im Projekt ProVIA die Smartphone-App ProVIA-Kids entwickelt. In der App wurde erstmals das Prinzip der Verhaltensanalyse, das auch in der Psychotherapie zur Erforschung der Ursachen von Verhalten eingesetzt wird, in ein digitales Format übersetzt. Betreuungspersonen von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen oder Entwicklungsstörungen der Intelligenz erhalten so niedrigschwellig und kostenfrei Unterstützung im Alltag, ohne auf die personellen Kapazitäten anderer Stellen angewiesen zu sein. Die App bündelt Informationen und bereitet sie so auf, dass Betreuungspersonen Muster im Verhalten des Kindes leichter erkennen und die wichtigsten Probleme des Kindes effektiv angehen können. Darüber hinaus leitet die App die Betreuungspersonen zur Selbstfürsorge und zum Aufbau von Ressourcen an. Ziel von ProVIA ist die Prävention von herausforderndem Verhalten und in der Folge auch von freiheitsentziehenden Maßnahmen. „Natürlich erhebt die ProVIA-Kids-App nicht den Anspruch, eine therapeutische Behandlung zu ersetzen, aber sie kann helfen, Wartezeiten auf Therapieplätze zu überbrücken, Therapieinhalte zu ergänzen und leistet insgesamt einen wertvollen Beitrag zur Entlastung dieser Familien“, sagt Julia Geissler.

Pilotstudie verdeutlicht das Potenzial digitaler Interventionen zur Unterstützung dieser speziellen Gruppe

Eine Pilotstudie mit 23 Familien zeigte eine hohe Akzeptanz und eine sehr positive Bewertung der Lerninhalte. „Erste Verbesserungen in Bezug auf elterliche Belastung, kindliches Problemverhalten und Erziehungskompetenz deuten auf eine gute Eignung dieser niedrigschwelligen digitalen Intervention für die Zielgruppe hin, die perspektivisch in einer randomisiert-kontrollierten Studie auf ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von herausforderndem Verhalten und die Belastung der Betreuungspersonen untersucht werden soll“, fasst Julia Geissler die Ergebnisse der Pilotstudie zusammen, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Digital Health veröffentlicht wurden.

Aktuell wird die App im Folgeprojekt ProVIA-Teams auf Basis des Feedbacks der Pilotnutzer weiterentwickelt und um die Möglichkeit erweitert, die eingegebenen Daten datenschutzkonform mit anderen ausgewählten Betreuungspersonen zu teilen. Ab Winter 2024 haben Einrichtungen, die Kinder mit Autismus oder Intelligenzminderung betreuen, die Möglichkeit, die App zu testen. Darüber hinaus soll in Zusammenarbeit mit Betroffenenorganisationen und Familien eine begleitende App für die Nutzung durch Kinder mit Entwicklungsstörungen der Intelligenz oder Autismus-Spektrum-Störungen selbst entwickelt werden, die den Kindern hilft, ihr eigenes Verhalten besser zu verstehen und neue Fähigkeiten zu erlernen, zum Beispiel Frühwarnzeichen von Anspannung zu erkennen und Strategien, diese Anspannung zu regulieren.

Kooperationen und Förderung

Kooperationspartner sind Prof. Dr. Christoph Ratz vom Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV – Pädagogik bei Geistiger Behinderung (Universität Würzburg) und der Medizininformatiker Prof. Dr. Rüdiger Pryss vom Institut für Medizinische Datenwissenschaften (Universität Würzburg). Finanziell unterstützt werden die Projekte einschließlich des Folgeprojekts ProVIA-Teams durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS).

Publikation der Pilotstudie zur Smartphone-App ProVIA-Kids
Rinat Meerson, Hanna Buchholz, Klaus Kammerer, Manuel Göster, Johannes Schobel, Christoph Ratz, Rüdiger Pryss R, Regina Taurines, Marcel Romanos, Matthias Gamer, Julia Geissler. ProVIA-Kids - outcomes of an uncontrolled study on smartphone-based behaviour analysis for challenging behaviour in children with intellectual and developmental disabilities or autism spectrum disorder. Front Digit Health. 2024 Sep 13;6:1462682. doi: 10.3389/fdgth.2024.1462682. PMID: 39351075; PMCID: PMC11440517. 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Laudator Tobias Renner hält auf der Bühne einen Blumenstrauß in den Händen, daneben Hans-Christoph Steinhausen, der Julia Geissler die Urkunde überreicht.
Dr. Julia Geissler von der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKW erhielt beim DGKJP-Kongress in Rostock den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Steinhausen-Stiftung. Prof. Dr. Dr. Hans-Christoph Steinhausen (Mitte) verlieh diesen Preis zum ersten Mal. Prof. Dr. Tobias Renner (links) hielt die Laudatio. © Regina Taurines / UKW
Die Grafik zeigt sechs Screenshots der Smartphone-Applikation ProVIA-Kids
Features der App ProVIA-Kids: A) Homescreen, B) Verhaltensanalyse, C) Graphische Darstellung der Häufigkeit der verschiedenen Ursachen des Problemverhaltens, D) Inhaltsverzeichnis der Wissenskapitel, E) Auszug aus dem Wissenskapitel zu Besonderheiten der Sinneswahrnehmung, E) Stimmungstagebuch. © 2024 Meerson, Buchholz, Kammerer, Göster, Schobel, Ratz, Pryss, Taurines, Romanos, Gamer and Geissler

Opioide nach Operationen

Große Kassendatenanalyse mit Würzburger Beteiligung zeigt, dass Operationen in Deutschland nur selten Auslöser einer langfristigen Opioideinnahme sind / Geringere Häufigkeit als in den USA.

 

Das Bild zeigt eine Szene aus dem Operationssaal des UKW - Zwei Chirurginnen und ein Chirurg am OP-Tisch.
Eine neue Studie, an der das UKW beteiligt war, zeigt dass Operationen in Deutschland nur selten Auslöser einer langfristigen Opioideinnahme sind. © Daniel Peter / UKW

Jena/Würzburg. Macht eine postoperative Schmerztherapie mit Opioiden süchtig? In den USA und einigen anderen Ländern der Welt, die mit massivem Opioid-Fehlgebrauch zu kämpfen haben, wird dies vermutet und bereits empfohlen, auf dieses Schmerzmittel während und nach Narkosen zu verzichten. Auch in Deutschland ist der Gesamt-Opioidverbrauch seit Jahren relativ hoch – eine Forschungsgruppe unter Leitung des Universitätsklinikums Jena und mit Beteiligung des Uniklinikums Würzburg untersuchte nun, ob Operationen eine längerfristige Opioideinnahme auslösen können und ob bestimmte Eingriffe besonders dazu beitragen.

1,4 Prozent von 200.000 Versicherten haben sechs Monate nach der Operation Opioide verordnet bekommen 

Dazu wurden die Daten aller im Jahr 2018 operierten BARMER-Versicherten daraufhin untersucht, ob in den beiden Quartalen nach der Operation eine Opioidverordnung vorlag. Um den Einfluss von Operation, Narkose und postoperative Schmerztherapie als mögliche Auslöser für eine langfristige Opioideinnahme untersuchen zu können, wurden Personen mit einer Krebserkrankung oder einer bereits bestehenden Opioideinnahme von der Analyse ausgeschlossen. Die gute Nachricht: Von den mehr als 200.000 operierten Patientinnen und Patienten erhielten sechs Monate nach der Operation nur 1,4% derartige Schmerzmittel-Rezepte. „Diese Zahl ist in Nordamerika drei- bis viermal höher“, betont Johannes Dreiling, Erstautor der Studie aus Jena. 

Nach Amputationen erhalten 15 bis 20 Prozent der Operierten längerfristig Opioide

Die Studie verglich jedoch auch erstmals detailliert die Unterschiede zwischen einzelnen Operationen – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. So lag die langfristige Opioidverordnung nach Wirbelsäulen-, Schulter- und Sprunggelenksoperationen sowie wiederholten Gelenkersatz-Eingriffen um den Faktor 3 bis 7 über dem Durchschnitt. Absoluter „Spitzenreiter“ waren jedoch Amputationen, nach denen ca. 15-20% der Betroffenen längere Zeit Opioide verschrieben bekamen. Ursula Marschall, Leiterin Versorgungsforschung der BARMER: „Diese Ergebnisse deuten an, dass Opioide nach Operationen nicht generell verdammt werden sollten, zumal sie weniger organschädigende Wirkungen haben als viele andere Schmerzmittel. Aber nach bestimmten Operationen müssen wir Patientinnen und Patienten enger als bisher betreuen und begleiten, um Schmerz- und Medikationsprobleme, sowie eine möglicherweise beginnende Abhängigkeit rechtzeitig zu erkennen und konsequent zu behandeln.“

Krankenkassendaten sind wichtiger Baustein zur Versorgungsforschung 

Neben der Operation konnten in der Studie noch weitere Risikofaktoren für einen längerfristigen Opioidgebrauch identifiziert werden. Dazu gehören die Verschreibung von Antidepressiva und anderen Schmerzmitteln bereits vor der Operation, Alkoholmissbrauch sowie vorbestehende chronische Schmerzen. „Unsere Arbeit belegt erneut, welches Potential, aber auch welche Limitationen Auswertungen von Routine- und Registerdaten haben. So können Krankenkassendaten sehr exakte Angaben zur Medikamentenverschreibung liefern Es ist jedoch schwierig herauszufinden, warum diese Medikamente eingenommen wurden. Daher können wir nicht genau erkennen, bei welchen Menschen die Opioideinnahme gerechtfertigt war“ so Letztautor Daniel Schwarzkopf. Prof. Dr. Heike Rittner, die mit ihrem Zentrum interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS) am Uniklinikum Würzburg die hochkomplexe Datenauswertung unterstützt hat, betont: „Solche Routine-Datenbanken haben die Daten passend zu den Abrechnungscodes und nicht zu wissenschaftlichen Fragestellungen.“ Dennoch: Die Analyse von Krankenkassendaten werde auch in Zukunft ein wichtiger Baustein der Versorgungsforschung sein.

Publikation:
Dreiling J, Rose N, Arnold C, Baumbach P, Fleischmann-Struzek C, Kubulus C, Komann M, Marschall U, Rittner HL, Volk T, Meißner W, Schwarzkopf D: The incidence and risk factors of persistent opioid use after surgery—a retrospective secondary data analysis. Dtsch Arztebl Int 2024; 121: online first. https://www.aerzteblatt.de/int/archive/article/241469 , DOI:10.3238/arztebl.m2024.0200 

Förderhinweis:
Die Studie ist im Rahmen des Projektes LOPSTER entstanden, das vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert wurde. 
 

Das Bild zeigt eine Szene aus dem Operationssaal des UKW - Zwei Chirurginnen und ein Chirurg am OP-Tisch.
Eine neue Studie, an der das UKW beteiligt war, zeigt dass Operationen in Deutschland nur selten Auslöser einer langfristigen Opioideinnahme sind. © Daniel Peter / UKW

Erstmals in Bayern: Prof. Dr. Melanie Messer ist neue Professorin für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg

Institut für Pflegewissenschaft gegründet / Bachelorstudiengang „Pflegewissenschaft“ soll 2025 starten

Prof. Dr. Melanie Messer
Prof. Dr. Melanie Messer hat den neu eingerichteten Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg übernommen. Gleichzeitig leitet sie das neu gegründete Institut für Pflegewissenschaft am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Foto: Foto Braitsch, Trier.

Würzburg. Eine Premiere in Bayern: Prof. Dr. Melanie Messer hat den neu eingerichteten Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg übernommen – die erste Professur dieser Fachdisziplin an einer staatlichen Universität im Freistaat. Gleichzeitig leitet sie das neu gegründete Institut für Pflegewissenschaft am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Zum Wintersemester 2025/26 soll der Bachelorstudiengang „Pflegewissenschaft“ in Würzburg erstmals starten. Damit nimmt Würzburg eine Vorreiterrolle als wichtiger Standort für die universitäre Pflegewissenschaft und in der akademischen Pflegeausbildung ein.

Prof. Messer wechselte Anfang Oktober von der Universität Trier nach Würzburg, wo sie die Professur für Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt „Klinische Pflege über die Lebensspanne“ innehatte und die Abteilung Pflegewissenschaft II leitete.

Forschungsschwerpunkte in evidenzbasierter Pflege- und Versorgungsforschung

Das Institut für Pflegewissenschaft in Würzburg wird sich insbesondere mit den klinischen und strukturellen Herausforderungen der Versorgung bei chronischen Erkrankungen und Multimorbidität befassen. Prof. Messer erklärt: „Meine Forschung zielt darauf ab, bedarfsgerechte, innovative Pflegeansätze zu entwickeln und die Versorgungsqualität nachhaltig zu verbessern.“ Sie forscht zur Sicherung und Förderung von Versorgungsqualität, Patienten- und Nutzerzentrierung, Gesundheits- und digitaler Gesundheitskompetenz, Public Health Nursing und neuen Technologien sowie Pflege in Krisensituationen. „Würzburg bietet hervorragende Voraussetzungen für Forschung und Lehre und ich freue mich sehr auf eine eng vernetzte interprofessionelle Zusammenarbeit“, so die Pflegewissenschaftlerin.

Ab dem Wintersemester 2025/26 soll der Bachelorstudiengang „Pflegewissenschaft“ starten. Die Absolventinnen und Absolventen erwerben sowohl den akademischen Grad Bachelor of Science (B.Sc.) als auch die staatliche Berufszulassung als Pflegefachperson (B.Sc.). Damit wird Würzburg dringend benötigte, akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen ausbilden, die zukünftig auch erweiterte heilkundliche Aufgaben übernehmen können.

Ein zukunftsweisender Studiengang

Durch die enge Kooperation mit dem Universitätsklinikum erhalten Studierende eine praktische und wissenschaftliche Ausbildung in verschiedenen Versorgungsbereichen. Prof. Messer: „Das Studium legt besonderen Wert auf evidenzbasierte klinische Pflege, digitale Technologien, Qualitätsentwicklung und interprofessionelle Zusammenarbeit“. Dieser Studiengang wird als erster an einer staatlichen Universität in Bayern starten. „Akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen sind entscheidend, um in intra- und interprofessioneller Zusammenarbeit die zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bewältigen und eine qualitativ hochwertige Versorgung zu sichern“, so Messer weiter.

Prof. Messer studierte Pflegewissenschaft und Public Health in Frankfurt am Main und Bremen und promovierte 2017 an der Universität Bielefeld. Sie arbeitete unter anderem am IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) in Köln. Anschließend forschte und lehrte sie an der Universität Bielefeld und am dortigen Institut für Pflegewissenschaft (IPW). Am IQTIG (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen) in Berlin leitete sie den Stabsbereich „Patientenbelange“, bevor sie 2021 den Ruf nach Trier annahm.

Seit 2023 im Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsministeriums

Ihre Expertise ist auch in der Politik gefragt: 2023 berief sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in den Sachverständigenrat „Gesundheit und Pflege“, wo sie stellvertretende Vorsitzende ist. Zudem wurde sie vor Kurzem in den wissenschaftlichen Beirat des IQTIG berufen.

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinische Fakultät in Würzburg, erklärt: „Bereits seit 2022 gibt es bei uns den Studiengang Hebammenwissenschaften, jetzt beginnen wir mit dem Aufbau des Angebotes für die Pflegewissenschaft und werden damit unser Lehrangebot weiter bedarfsgerichtet ergänzen. Damit leisten wir einen zusätzlichen wichtigen Beitrag zur Ausbildung der dringend benötigten Fachkräfte im Gesundheitswesen. Und mit Prof. Messer kann die Würzburger Universitätsmedizin gleichzeitig weitere Schwerpunkte in der Versorgungsforschung setzen. Auf ihre neuen Impulse in Forschung und Lehre freue ich mich sehr.“ Das Forschungsprofil der Medizinischen Fakultät in Würzburg erhalte damit einen neuen zukunftsorientierten Impuls, so Prof. Frosch.

Marcus Huppertz, Pflegedirektor am Würzburger Universitätsklinikum, betont „Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Akademisierung der Pflege und können damit natürlich unser Angebot in Würzburg innovativ ausbauen. Gleichzeitig wird mit dem neuen Institut eine nationale Sichtbarkeit für die Pflegewissenschaft geschaffen. Ein wichtiges Element ist dabei auch die Übertragung neuer Erkenntnisse aus der Pflegewissenschaft in die tägliche Praxis. Zu dieser Translation wird das neue Institut um Prof. Messer einen wichtigen Beitrag leisten. Das UKW gestaltet damit aktiv die Zukunft der Pflege und nimmt bayernweit eine Vorreiterrolle ein.“

Prof. Dr. Melanie Messer
Prof. Dr. Melanie Messer hat den neu eingerichteten Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg übernommen. Gleichzeitig leitet sie das neu gegründete Institut für Pflegewissenschaft am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Foto: Foto Braitsch, Trier.

Medical Valley Award: 2 x eine halbe Million Euro für Gesundheitsinnovationen aus Würzburg

ENDOLEASE-Team überzeugt mit resorbierbaren Gefäßimplantaten zur hochpräzisen Medikamentengabe, das StrokeCap-Team mit mobiler Schlaganfalldiagnostik

Die mit dem Medical Valley Award 2024 ausgezeichnete Plattformtechnologie ENDOLEASE vom Uniklinikum Würzburg (UKW) hat das Potenzial, die Wirksamkeit diverser Therapien zu steigern und gleichzeitig systemische Nebenwirkungen drastisch zu reduzieren. Die StrokeCap ist ein von der Julius-Maximilians-Universität und dem UKW gemeinsam entwickeltes innovatives, tragbares Gerät, das die mobile Schlaganfalldiagnostik revolutionieren und so Leben retten kann.

 

Die Preisträgerin und Erfinderin von ENDOLEASE Anna Fleischer mit Trophäe und Blumenstrauß umringt von ihren Kollegen
Gewinnerteam ENDOLEASE beim Medical Valley Award, vorne v.l.n.r.: Dr. Eric Wittchow, Dr. med. Anna Fleischer M.Sc., Prof. Dr. med. Ulrich Hofmann, hinten links: Michael Bartolf-Kopp M.Sc. und Franz Moser M.Sc.. Es fehlen Prof. Dr. Tomasz Jüngst, Johannes Braig M.Sc. und Dr. Heinz Schwer MBA. © Berthold Fleischer
Team posiert mit Akteuren aus Politik und Medical Valley bei Preisverleihung
Übergabe des Medical Valley Awards. Das StrokeCap-Team v.l.n.r. Dr. Patrick Vogel, Johanna Günther, Dr. Martin Rückert, Teresa Reichl, Prof. Dr. Volker Behr, PD Dr. med. Stefan Herz, der Vertreter des Staatsministeriums Dr. Thomas Krammer sowie die Mitglieder der Jury und des Medical Valley EMN e.V Marina Moskvina, Marco Wendel, Dr. Jörg Stein. © Medical Valley EMN e.V.

Würzburg / Erlangen. Der Medical Valley Award 2024, eine prestigeträchtige Auszeichnung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, ging dieses Jahr gleich zweimal an Teams aus der Universitätsmedizin Würzburg. Bereits zum fünften Mal wurden herausragende Forschungsteams ausgezeichnet, die innovative Ideen für die Gesundheitsbranche entwickeln und ein eigenes Start-up gründen wollen. Jedes der fünf Teams erhält eine Förderung von 500.000 Euro sowie eine individuelle Betreuung und fachliche Unterstützung durch das Medical Valley-Netzwerk, das rund 250 Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheitsversorgung, Netzwerken und Politik umfasst. 

Vom Uniklinikum Würzburg konnte das ENDOLEASE-Team die Jury mit einer innovativen Plattformtechnologie zur präzisen Freisetzung von Medikamenten überzeugen. Die resorbierbaren arteriellen Implantate, mit denen die Wirkstoffe gezielt und lokal in den Blutstrom abgegeben werden, können die Behandlung schwerer Erkrankungen wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krebserkrankungen verbessern. Details zum ENDOLEASE-System gibt es hier

Das StrokeCap-Team von der Universität und dem Uniklinikum Würzburg darf sich ebenfalls über die begehrte Auszeichnung freuen. Die StrokeCap ist ein innovatives, tragbares Gerät für eine präzise mobile Schlaganfalldiagnostik. Mithilfe von injizierbaren magnetischen Nanopartikeln können Notfallteams die Durchblutung des Gehirns strahlenfrei und in Echtzeit darstellen und somit unmittelbar das optimale Krankenhaus auswählen, damit die Zeit bis zur Behandlung des Schlaganfalls drastisch verkürzt und somit schwere Folgeschäden signifikant reduziert werden können. Eine separate Meldung zum StrokeCap-Projekt finden Sie hier

Neben den beiden Teams aus Würzburg wurden von der Technischen Universität München das Team QuLiBi für eine Quantensensorik-basierte Flüssigbiopsie für Krebsmonitoring und das Team MILA für seine MIkrostrahl Linienfokus-Röntgenanlage ausgezeichnet. Das NovaSurgAI-Team des LMU-Klinikums erhielt den Medical Valley Award für eine KI-gestützte Chirurgie, die mit Datenwissenschaften die Bauchchirurgie revolutionieren will. Eine ausführliche Pressemitteilung des Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg e. V. zur Preisverleihung am 2. Oktober in Erlangen mit Informationen zu den fünf Gewinnerteams finden Sie hier