Aktuelle Pressemitteilungen

Hentschel-Preis 2023 für zwei Würzburger Schlaganfallforscherinnen

Im Rahmen des 8. Würzburger Schlaganfallsymposium wurden Dr. Sarah Margaretha Beck und Felicitas Anna Eichner mit dem Hentschel-Preis 2023 geehrt.

Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Felizitas Anna Eichner
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Felizitas Anna Eichner. Bild: Felizitas Anna Eichner
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Dr. Sarah Margaretha Beck, zusammen mit Prof. Dr. Karl Georg Häusler und Günter Hentschel
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Dr. Sarah Margaretha Beck, zusammen mit Prof. Dr. Karl Georg Häusler (Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, links im Bild) und Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: UKW / Dr. Christian Hametner

Würzburg. Das 8. Würzburger Schlaganfallsymposium der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) fand am 26. Oktober 2023 mit Unterstützung der Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp und von Industriepartnern im Vogel Convention Center Würzburg statt. Im Rahmen des Fortbildungsprogramms, das im Zeichen der interdisziplinären Zusammenarbeit im Rahmen des Neurovaskulären Netzwerks Unterfranken und des TRANSIT-Stroke Telemedizinnetzwerks stand, diskutierten die etwa 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über aktuelle Themen der Schlaganfalldiagnostik und -therapie. 

Im Rahmen des Symposiums wurde außerdem der Hentschel-Preis verliehen. Mit dem seit 2011 jährlich vergebenen Preis ehrt die Stiftung „Kampf dem Schlaganfall“ wissenschaftliche Arbeiten zur Grundlagenforschung oder zur Behandlung des Schlaganfalls. Der bundesweit ausgeschriebene und mit 5.000 Euro dotierte Preis ging gemäß der Entscheidung des Vorstands der Hentschel-Stiftung in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Dr. Sarah Margaretha Beck (Institut für Experimentelle Biomedizin – Lehrstuhl I der Universität Würzburg, Direktor: Prof. Dr. Bernhard Nieswandt) und an Felizitas Anna Eichner, MSc (vormals Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg, Vorstand: Prof. Dr. Peter U. Heuschmann). Zusammen mit dem Stiftungsgründer, Dipl.-Ing. Günter Hentschel, gratulierte der Organisator des 8. Würzburger Schlaganfallsymposiums, Prof. Dr. Karl Georg Häusler (Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW; Direktor: Prof. Dr. Jens Volkmann), den Preisträgerinnen.

Um auch in Zukunft Projekte zum Thema Schlaganfall unterstützen zu können, freut sich die Hentschel-Stiftung Würzburg über Spenden auf das folgende Konto: 
Kampf dem Schlaganfall 
HypoVereinsbank Würzburg
BIC: HYVEDEMM455
IBAN: DE45790200760347390402
Die Stiftung ist vom Finanzamt Würzburg unter der Steuernummer 257/147/00343 als gemeinnützig anerkannt. Zustiftungen und Spenden sind daher steuerlich absetzbar.

Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Felizitas Anna Eichner
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Felizitas Anna Eichner. Bild: Felizitas Anna Eichner
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Dr. Sarah Margaretha Beck, zusammen mit Prof. Dr. Karl Georg Häusler und Günter Hentschel
Die Hentschel-Preisträgerin 2023, Dr. Sarah Margaretha Beck, zusammen mit Prof. Dr. Karl Georg Häusler (Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, links im Bild) und Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: UKW / Dr. Christian Hametner

Tiefe Hirnregionen gezielt stimulieren und motorische Lernleistung verbessern

Neue nicht-invasive tiefe Hirnstimulationsmethode erstmals am Menschen eingesetzt

 

In einer aktuellen im Journal Nature Neuroscience publizierten Studie weist Dr. Maximilian Wessel vom Uniklinikum Würzburg (UKW) zusammen mit einem internationalen Forschungskonsortium unter Führung der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) erstmalig die erfolgreiche nicht-invasive elektrische temporale Interferenzstimulation (tTIS) einer tiefen Hirnregion nach.

Mit der tTIS-Hirnstimulationsmethode lassen sich die Rolle und Arbeitsweise von Tiefenhirnnetzwerkknoten für das Verhalten allgemein und konkret bei neurologischen Erkrankungen entschlüsseln.

 

Illustration einer nicht-invasiven tiefen Hirnstimulationsmethode
Illustration der Zielstruktur (Striatum) bei der neuen nicht-invasiven tiefen Hirnstimulationsmethode (tTIS), die das Erlernen einer handgebundenen motorischen Fertigkeit verbessert. © Flyazure / 2023, École Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL (Hummel-Lab)

Unser Gehirn ist ein äußerst komplexes Organ mit rund 86 Milliarden Nervenzellen, die über ein Netzwerk von mehr als einer Trilliarde Synapsen miteinander kommunizieren und so Signale weitergeben, damit wir fühlen, denken, handeln und uns bewegen können. Die Steuerung dieser Funktionen kann jedoch durch neurologische oder psychiatrische Erkrankungen wie der Parkinson-Erkrankung, nach einem Schlaganfall oder bei einer Depression beeinträchtigt werden. Einen vielversprechenden Ansatz in der Erforschung und Behandlung dieser Funktionsstörungen bietet die nicht-invasive Hirnstimulation (NIBS für non-invasive brain stimulation), bei der mit sanften elektrischen oder magnetischen Impulsen bestimmte Bereiche des Gehirns aktiviert oder gehemmt werden können. 

Fokale nicht-invasive Stimulation entscheidender tiefer Hirnregionen 

„Allerdings war es bisher nicht möglich, mittels herkömmlicher NIBS-Techniken tiefe Hirnregionen zielgenau zu stimulieren ohne darüber gelegene Hirnbereiche mit zu erfassen“, berichtet Dr. Maximilian Wessel. Der Clinician Scientist in der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Erstautor einer neuen vielversprechenden Studie zur nicht-invasiven elektrischen temporalen Interferenzstimulation (tTIS für Transcranial electrical temporal interference stimulation (tTIS), welche diese bisherige Einschränkung überwinden kann und damit den bisherigen Anwendungsbereich revolutionieren könnte. Die innovative Technik wurde zunächst durch Computersimulationen und Studien am Mausmodell entwickelt und nun erstmalig am Labor von Prof. Friedhelm Hummel (EPFL) beim Menschen eingesetzt. Im renommierten Journal Nature Neuroscience beschreibt Maximilian Wessel mit einem internationalen Autorenteam, wie die Theta-Burst-Stimulation des so genannten Striatums dessen Aktivität sowie das damit verbundene Erlernen motorischer Fähigkeiten verbessern kann. 

Aktivität der Zielregion mittels tTIS verbesserte motorische Lernleistung

„Das Striatum ist eine wichtige Hirnstruktur und Teil des Basalgangliensystems, welches einen zentralen Knotenpunkt für die Verarbeitung von Bewegung, Emotionen und kognitiven Funktionen darstellt“, erläutert Maximilian Wessel das Zielgebiet. Tatsächlich ergab die Bildanalyse der funktionellen MRT-Daten von 15 jungen gesunden Studienteilnehmenden, dass die Aktivität der Zielregion bei aktiver Hirnstimulation mittels tTIS im Vergleich zur Kontrollstimulation während einer motorischen Lernaufgabe zunahm. Bei einer Gruppe älterer gesunder Probandinnen und Probanden führte die aktive tTIS-Hirnstimulationsmethode zu einer signifikanten Verbesserung der motorischen Lernleistung. 

Verarbeitungsprozesse im Gehirn besser verstehen und neue Behandlungsansätze entwickeln

„Die Studie schafft hiermit die Basis für weitere neurowissenschaftliche Anwendungen, um Verarbeitungsprozesse im Gehirn, die zum Beispiel Lernvorgängen oder Gedächtnisprozessen zugrunde liegen, besser zu verstehen. tTIS ergänzt ideal die bereits am Referenzzentrum in Würzburg unter der Leitung von Prof. Jens Volkmann in der klinischen Routine eingesetzte und etablierte konventionelle invasive tiefe Hirnstimulation (THS), bei der jedoch immer ein neurochirurgischer Eingriff nötig ist. Als neue nicht-invasive neurowissenschaftliche Methode wird tTIS für die Untersuchung von Krankheitsmechanismen bei neurologischen Erkrankung eine entscheidende Rolle spielen“, resümiert Maximilian Wessel. Damit hat er schon sein nächstes Forschungsvorhaben definiert: Mittels der tTIS-Hirnstimulatiosmethode die Mechanismen bei neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel motorische Lernvorgängen nach einem Schlaganfall oder unbalancierte Hirnwellen bei der Parkinson-Erkrankung, näher untersuchen. Der Würzburger Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass sich mit tTIS in Zukunft neurotechnologie-basierte Behandlungsansätze entwickeln lassen, welche die Behandlung und Rehabilitationen nach neurologischen Erkrankungen maßgeblich unterstützen können. 

„Ich freue mich sehr, dass die Forschungsstrukturen in Würzburg im Bereich der Neuromodulation so attraktiv sind, dass herausragende Nachwuchswissenschaftler wie Dr. Maximilian Wessel für den Standort gewonnen werden konnten“, ergänzt Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am UKW.

Publikation: 

Wessel, M.J., Beanato, E., Popa, T. et al. Noninvasive theta-burst stimulation of the human striatum enhances striatal activity and motor skill learning. Nat Neurosci (2023). doi.org/10.1038/s41593-023-01457-7


 
Illustration einer nicht-invasiven tiefen Hirnstimulationsmethode
Illustration der Zielstruktur (Striatum) bei der neuen nicht-invasiven tiefen Hirnstimulationsmethode (tTIS), die das Erlernen einer handgebundenen motorischen Fertigkeit verbessert. © Flyazure / 2023, École Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL (Hummel-Lab)

SGLT2-Hemmer stärken das Herz durch verbesserten Eisenstoffwechsel

Bei der Entschlüsselung der Wirkmechanismen der Wunderdroge SGLT2-Hemmer einen entscheidenden Schritt weiter

 

Eine Post-hoc-Analyse der EMPA-TROPISM-Studie zeigt, dass die positiven Auswirkungen einer Empagliflozin-Behandlung bei Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten mit Effekten des SGLT2-Hemmers auf den Eisenmetabolismus zusammenhängen könnten.

Magnetresonanztomogramm - klassisches CINE-MRT und T2-Mapping
Kurzachsenschnitt durch das Herz. Links: Mit dem klassischen Cine-MRT werden Struktur und Funktion des Herzens quantifiziert. Mitte: Beispiel einer Sequenz mit T2* Information. Eine Abnahme der in Millisekunden gemessenen T2* Zeit entspricht dabei einer Zunahme des Eisengehaltes. Rechts: Beim T2* Mapping wird durch Farbkodierung das Ausmaß der Veränderung von T2* über die Zeit visualisiert.

Jeder zweite Mensch mit einer chronischen Herzinsuffizienz weist einen Eisenmangel auf, auch deshalb, weil sie weniger Eisen aus der Nahrung über den Darm aufnehmen. Bei einer akuten Herzinsuffizienz leiden sogar bis zu 80 Prozent der Erkrankten unter einem Mangel an diesem lebenswichtigen Spurenelement, das für die Energieproduktion der Zellen, für die Blutbildung und die Sauerstoffversorgung von entscheidender Bedeutung ist. Während Eisenmangel schon bei Gesunden die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität mindert, kann er bei Herzinsuffizienz zudem das Risiko für Krankenhauseinweisungen erhöhen und die Prognose verschlechtern. Deshalb empfiehlt die Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC), bei Herzinsuffizienz regelmäßig den Eisenstatus zu überprüfen und gegebenenfalls Eisen intravenös zu supplementieren. 

Allzweckwaffe SGLT-2-Hemmer 

Sodium-Glukose-Transporter 2 (SGLT-2)-Hemmer scheinen auch Effekte auf den Eisenstoffwechsel zu haben. Die als neue Wunderwaffe gehandelten, auch Gliflozine genannten Medikamente wirken bei Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz, reduzieren zudem hoch signifikant das Risiko für eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz, Klinikeinweisungen oder frühzeitigen Tod. Die zugrundeliegenden Wirkmechanismen sind noch unvollständig verstanden.

Wie wirkt sich Empagliflozin auf den Eisengehalt im Myokardgewebe aus?

Prof. Dr. Christiane Angermann vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) am Uniklinikum Würzburg (UKW) ist nun mit einem internationalen Team bei der Entschlüsselung der Wirkmechanismen dieser Substanzklasse einen entscheidenden Schritt weitergekommen. In der am 26. Oktober 2023 im Fachjournal Nature Cardiovascular Research publizierten Studie EMPATROPISM-FE, einer Post-hoc-Analyse der randomisierten und kontrollierten EMPA-TROPISM-Studie, identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Effekte auf den Eisenstoffwechsel als möglichen Mechanismus für Verbesserungen der Struktur und Funktion des Herzens bei nicht-diabetischen Patientinnen und Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz.

„In jüngerer Zeit wurden komplexe Proteom-Verschiebungen durch SGLT2-Inhibitoren unter anderem hinsichtlich der Eisenregulation aufgedeckt. Weiter war sehr auffällig, dass sich diese Medikamente auf die Funktion vieler Organe, aber zum Beispiel auch auf die Bildung roter Blutkörperchen positiv auswirkten, und zudem Labormarker des Eisenstoffwechsels im Blut veränderten. Bemerkenswert fanden wir auch, dass Effekte von SGLT2-Inhibitoren schon sehr rasch, nämlich innerhalb von zwei Wochen zu beobachten waren. Unabhängig von der SGLT2-Inhibitor-Forschung deuteten schließlich neue Studien darauf hin, dass ein insuffizienter Herzmuskel vermindert Eisen aufnimmt und nutzt, mit gravierenden Auswirkungen auf seinen Energiehaushalt. Vor diesem Hintergrund wollten wir herausfinden, ob die Therapie mit einem SGLT2-Inhibitor wie Empagliflozin hier möglicherweise gleichsam einen Schalter umlegt, so dass die Zellen plötzlich wieder in der Lage sind, mehr Eisen aufzunehmen und zu nutzen“, erklärt Christiane Angermann die Hintergründe der Substudie EMPATROPISM-FE. 

Sättigung des myokardialen Eisengehalts korreliert mit Herzleistung 

In der EMPA-TROPISM-Studie wurde bereits gezeigt, dass der SGLT2-Inhibitor Empagliflozin den Herzinsuffizienz-bedingten kardialen Umbau teilweise wieder rückgängig machen kann. Die Größe und Masse der erweiterten linken Herzkammer nahm im Vergleich zur Placebo-Gruppe signifikant ab, während die linkventrikuläre Ejektionsfraktion, also die Menge des pro Herzschlag ausgeworfenen Blutes, und die körperliche Leistungsfähigkeit bei Belastung entsprechend zunahmen. 

In der EMPATROPISM-FE Studie hat das DZHI gemeinsam mit Tanja Zeller, Professorin für Genomik und Systembiologie vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Kolleginnen und Kollegen des Cardiovascular Institute, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, an Biomaterialien und kardialen Magnetresonanztomogrammen von 80 der 84 Studienteilnehmenden untersucht, in wieweit diese Behandlungseffekte mit dem Eisenstoffwechsel zusammenhängen. Durchgeführt wurden dazu Analysen des Eisengehaltes im Herzmuskel, der Biomarker des Eisenstoffwechsels im Plasma sowie des roten Blutbildes. 

Dabei stellte sich zunächst heraus, dass die meisten Teilnehmenden bereits bei Studienbeginn erniedrigte Eisenwerte hatten, ein Eisenersatz war aber in keinem Fall erfolgt. Der mittels kardialer Magnetresonanztomographie gemessene Eisengehalt im Herzmuskel stieg trotzdem unter der Behandlung mit Empagliflozin signifikant an, nicht aber unter Placebo. Die Änderungen der sogenannten T2*-Relaxationszeiten innerhalb von sechs Monaten korrelierten dabei signifikant mit den Veränderungen der Volumina, der Muskelmasse und der Auswurffraktion der linken Herzkammer, des maximalen Sauerstoffverbrauchs unter Belastung und der 6-Minuten-Gehstrecke. Und auch die Laborwerte zeigten nach der Empagliflozin-Therapie eine vermehrte Nutzung von Eisen in den Körpergeweben, zum Beispiel im Herzmuskel, und bei der gesteigerten Neubildung von roten Blutkörperchen. 

Alle Befunde sprachen dafür, dass ein höherer Eisengehalt und eine bessere Eisennutzung im Herzmuskel unter einer SGLT2-Inhibitortherapie die günstigen klinischen Effekte von SGLT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz erklären könnten.

Gibt es weitere günstige Effekte der SGLT2-Inhibitoren, die mit Eisenstoffwechsel zusammenhängen?

„Unsere Studienergebnisse legen nahe, dass sogar bei Eisenmangel durch die Therapie mit Empagliflozin fehlendes Eisen im Herzmuskel ergänzt und metabolisch genutzt werden kann, dass die kardiale Struktur und Funktion sich verbessern und dass die Blutbildung zunimmt, wobei sich jedoch die Eisenspeicher weiter entleeren. Das bedeutet, dass es auch eine mögliche Synergie zwischen SGLT2-Inhibitoren und Eisenersatztherapie geben könnte,“ sagt Christiane Angermann. „Ob andere günstige Effekte der SGLT2-Inhibitoren, zum Beispiel auf die Nierenfunktion, ebenfalls zumindest teilweise mit dem Eisenstoffwechsel zusammenhängen, oder ob die Eisenaufnahme über den Darm durch Empagliflozin verbessert wird, bleibt zu klären. EMPATROPISM-FE war keine große Studie, und wurde zudem post-hoc geplant. Sie diente vor allem dazu, Hypothesen zu generieren, die nun durch größere prospektive Studien weiter geprüft und bestätigt werden müssen.“ 

Angermann, C.E., Santos-Gallego, C.G., Requena-Ibanez, J.A. et al. Empagliflozin effects on iron metabolism as a possible mechanism for improved clinical outcomes in non-diabetic patients with systolic heart failure. Nat Cardiovasc Res (2023). https://doi.org/10.1038/s44161-023-00352-5 

Magnetresonanztomogramm - klassisches CINE-MRT und T2-Mapping
Kurzachsenschnitt durch das Herz. Links: Mit dem klassischen Cine-MRT werden Struktur und Funktion des Herzens quantifiziert. Mitte: Beispiel einer Sequenz mit T2* Information. Eine Abnahme der in Millisekunden gemessenen T2* Zeit entspricht dabei einer Zunahme des Eisengehaltes. Rechts: Beim T2* Mapping wird durch Farbkodierung das Ausmaß der Veränderung von T2* über die Zeit visualisiert.

ERC Synergy Grant für Immuntherapie bei Lebermetastasen

Ein internationales Team aus vier renommierten Immunologen erhält eine der hochdotiertesten Forschungsförderungen der EU: den ERC Synergy Grant. Führend in ihren jeweiligen Forschungsgebieten, wollen sie ihre Kräfte bündeln, um neue Möglichkeiten für eine Immuntherapie von Lebermetastasen auszuloten – von diesem bösartigen Befall sind rund die Hälfte aller Krebskranken betroffen.

Mikroskopisches Bild der Leber mit verschiedenen Zellen
Konfokale Mikroskopie der Leber, myeloische Zellen (gelb), angeborene lymphoide Zellen (magenta) und Endothelzellen (cyan). © Ye Ouyang / Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie
Gruppenbild Immunolgin und Immunologen
Ein internationales Team aus vier renommierten Immunologen will eine Immuntherapie bei Lebermetastasen ausloten. Von links nach rechts: Eric Vivier (Aix-Marseille Université, Assistance Publique Hôpitaux de Marseille, Centre d'Immunologie de Marseille-Luminy), Valeria Fumagalli (Krankenhaus San Raffaele, Mailand), Georg Gasteiger (Max-Planck-Forschungsgruppe an der Universität Würzburg), Florent Ginhoux (Gustave Roussy Cancer Campus, Paris) © Eric Vivier

Ein sehr hoher Anteil von Krebspatienten verstirbt nicht am initialen Tumor, sondern an den daraus entstehenden Metastasen. Das Wachstum dieser Absiedelungen lässt sich mit herkömmlichen Therapien häufig kaum mehr bremsen. Tumore des Dickdarms, aber auch viele andere Tumore, metastasieren häufig in die Leber. Neue Therapieansätze werden daher dringend gesucht und kämen einer großen Anzahl an Patienten zugute. 

„Wir wollen unsere Expertise und unsere Techniken bündeln und das lokale Immunsystem der Leber erforschen: Wie kommunizieren und funktionieren verschiedenste Zellen vor Ort im gesunden Organ, und wie verändern sie sich im entarteten Gewebe. Ziel ist es, neue Strategien zu entwickeln, um das Potential der angeborenen Immunzellen in der Leber für die Behandlung von metastatischen Erkrankungen nutzbar zu machen,“ fasst der Immunologe Georg Gasteiger von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie an der Universität Würzburg und Sprecher des Teams den Forschungsansatz zusammen. 

Ein Ansatz, in dem der European Research Council großes Potenzial sieht: Mit Synergy Grants werden ausschließlich hochinnovative, potenziell bahnbrechende Forschungsansätze gefördert, die weltweit neue Maßstäbe setzen könnten. Das Team um den Würzburger Immunologen konnte ein internationales Gutachtergremium mit seinen wissenschaftlichen Vorschlägen überzeugen und wird mit der Höchstsumme von 10 Mio. EUR für 6 Jahre gefördert. 

Neu entwickelte Moleküle als Therapieansatz 

Die vier Wissenschaftler forschen in Italien, Frankreich und Deutschland. Sie gelten jeweils als führend in ihrem Gebiet: Valeria Fumagalli ist Expertin für Leberimmunologie und arbeitet am Krankenhaus San Raffaele in Mailand mit Gewebeproben von Tumorpatienten. Florent Ginhoux vom Gustave Roussy Cancer Campus in Paris ist Experte für die Biologie von myeloiden Zellen, und wie sie im gesunden und kranken Gewebe funktionieren. Georg Gasteigers Arbeit konzentriert sich auf Lymphozyten des angeborenen Immunsystems, darunter sogenannte „Natürliche Killer“ oder NK-Zellen und wie sie sich entwickeln und in den verschiedenen Geweben des Körpers funktionieren. Eric Vivier vom Centre d'Immunologie in Marseille-Luminy hat bereits mehrere Moleküle entwickelt, mit denen diese Zellen für den Kampf gegen Tumorzellen aktiviert werden können – und diese erfolgreich in die klinische Erprobung an Patienten gebracht. Basierend auf diesen Erfahrungen, will das Team neue Ansätze der Immuntherapie entwickeln.

Die Wissenschaftler werden Gewebe- und Tumorproben von Patienten mittels modernster, hochauflösender Einzelzell- und räumlicher Transkriptomik untersuchen. Damit wollen sie die Kommunikation und Wechselwirkung von Immunzellen untereinander und mit den verschiedensten Zellen der Leber aufklären, und wie sich diese während der Erkrankung verändert. Ziel ist es, Schlüsselmoleküle und Schaltstellen in komplexen zellulären Interaktionsnetzwerken zu identifizieren, und diese für die Wiederherstellung der Immunkontrolle in den metastatischen Läsionen zu nutzen. Die Forscher planen, neue Moleküle zu entwickeln, mit denen sich die Interaktion zwischen den Zellen steuern lässt. Diese sollen dann in experimentellen Mausmodellen und an Gewebeproben von Patienten getestet werden, um neue Therapieansätze für diese verheerenden Krankheit zu testen. „Wir hoffen, dass solche Ansätze zur Modulation des lokalen Immunsystems in der Zukunft dann auch für andere Erkrankungen und Gewebe eingesetzt oder weiterentwickelt werden können,“ so Georg Gasteiger.

ERC Synergy Grants für wegweisende Forschung

Der European Research Council (ERC) ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert kreative Forscher aller Fachrichtungen, Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Er wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist Teil des Programms „Horizon Europe“. Sein Gesamtbudget für den Zeitraum 2021 bis 2027 beläuft sich auf mehr als 16 Mrd. EUR.

Synergy Grants werden für Projekte vergeben, die das Know-how verschiedener Experten zusammenbringen und dadurch wesentliche Fortschritte an den Grenzen des Wissens ermöglichen, die beispielsweise auf vielversprechenden neuen Forschungsergebnissen oder Methoden und Techniken aufbauen, einschließlich unkonventioneller Ansätze und Untersuchungen an der Schnittstelle zwischen etablierten Disziplinen. Die durch Synergy Grants geförderte transformative Forschung soll das Potenzial haben, weltweit neue Maßstäbe zu setzen. Synergy Grants können bis zu einem Höchstbetrag von 10 Mio. EUR für einen Zeitraum von 6 Jahren gewährt werden.

Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie

Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine gemeinsame Initiative der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mit dem Ziel exzellente immunologische Forschung zu fördern. Die rund 50 internationalen Forschenden aus 24 Ländern wollen die Grundlagen für eine erfolgreiche Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore verstehen, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.

Dabei untersuchen sie die Entwicklung und Funktion des Immunsystems ganzheitlich auf mehreren Ebenen: von hochauflösenden Analysen einzelner Moleküle und Zellen, über komplexe zelluläre Netzwerke innerhalb von Organen, bis hin zu den systemischen Wechselwirkungen im Körper und mit der Umwelt. Diese Forschungsziele fügen sich hervorragend in das Umfeld der international sichtbaren Forschung zu Infektionskrankheiten und Immuntherapien auf dem Würzburger Life-Science-Campus ein.

Weitere Informationen: www.med.uni-wuerzburg.de/systemimmunologie/


 
Mikroskopisches Bild der Leber mit verschiedenen Zellen
Konfokale Mikroskopie der Leber, myeloische Zellen (gelb), angeborene lymphoide Zellen (magenta) und Endothelzellen (cyan). © Ye Ouyang / Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie
Gruppenbild Immunolgin und Immunologen
Ein internationales Team aus vier renommierten Immunologen will eine Immuntherapie bei Lebermetastasen ausloten. Von links nach rechts: Eric Vivier (Aix-Marseille Université, Assistance Publique Hôpitaux de Marseille, Centre d'Immunologie de Marseille-Luminy), Valeria Fumagalli (Krankenhaus San Raffaele, Mailand), Georg Gasteiger (Max-Planck-Forschungsgruppe an der Universität Würzburg), Florent Ginhoux (Gustave Roussy Cancer Campus, Paris) © Eric Vivier

Rückenwind für Grundlagenforschung zur Immuntherapie bei Lungenkrebs

Prof. Dr. Maik Luu erhielt in Hamburg auf der DGHO-Jahrestagung den mit 20.000 Euro dotierten Innovation in Lung Cancer Research Award von Novartis.

Maik Luu erhält Innovationspreis auf DGHO-Jahrestagung
Martin Sebastian, Universitätsklinikum Frankfurt, Expertenmitglied des Auswahlkomitees und Preisträger Maik Luu (links). © Grit Weinstock, Novartis
Maik Luu am Rednerpult in Riga
Maik Luu stellte beim TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting in Riga das UKW als Koordinator des Konsortiums vor. Copyright: Maria Romero
Gruppenbild der Mitwirkenden aus Projektleitung und Organisation des Transcan JTC2021
Beim TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting in Riga stand das Vernetzen und Diskutieren der Konzepte im Mittelpunkt. Im Joint Translational Call (JTC) 2021 geht es um „Next generation cancer immunotherapy: targeting the tumour microenvironment.” Quelle: Maria Romero

Das Bronchialkarzinom, auch als Lungenkrebs oder Lungenkarzinom bezeichnet, ist in Deutschland mit rund 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr die zweithäufigste Krebsart. Obwohl Immuntherapien mit CAR-T-Zellen herausragende Ergebnisse bei hämatologischen Erkrankungen erzielen, also bei Krebserkrankungen, die das blutbildende System betreffen, ist die Behandlung von soliden Tumoren bisher mit vielen Hürden behaftet. Diese festen und zunächst örtlich begrenzten Tumoren besitzen zum Beispiel ein sehr starkes immunsuppressives Mikromilieu, sodass die genmodifizierten Immunzellen, die fürs Attackieren der Tumorzellen einen chimären Antigen-Rezeptor (CAR) tragen, in dieser feindlichen Umgebung an Effektivität verlieren. Umso größer ist der Bedarf an Strategien, diese Hürden zu überwinden. 

Bekämpfung der Mikroumgebung des Lungenkarzinoms mit Mikrobiom-verstärkten CAR-T-Zellen

An einer davon arbeitet Professor Dr. Maik Luu vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Für sein Konzept namens “Tackling the NSCLC Microenvironment with microbiome-boosted CAR T cells” hat er bei der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie vom 13. bis 16. Oktober 2023 in Hamburg den mit 20.000 Euro dotierten InCA Research Award von Novartis erhalten. InCA steht für Innovation in der Bekämpfung von Lungenkarzinomen. Der Preis soll die Entwicklung von Zellprodukten und Modellen ermöglichen, welche die Bekämpfung von Lungenkarzinomen mit CAR-T-Zellen unter Einfluss von mikrobiellen Metaboliten in den Mittelpunkt stellen. Im Fokus steht das Mikromilieu von nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (kurz NSCLC für Non-small-cell lung cancer). 

SmartCAR-T: Immuntherapien für feindliche Tumorumgebung wappnen

„Wir planen ein Modell zu entwickeln, dass das Mikromilieu konservieren kann, um modifizierte CAR-T-Zellen zu applizieren und ihre Funktionalität darin untersuchen zu können“, erläutert Maik Luu sein Projekt. Der Humanbiologe dankt dem Auswahlkomitee für sein Vertrauen, der Novartis Pharma GmbH für ihre Unterstützung und dem Labor von Emmanuel Donnadieu vom INSERM Institut Cochin in Paris für seine Inspiration. Gemeinsam mit Emmanuel Donnadieu, dessen Spezialgebiet die Tumorumgebung und Immunzellmigration, und mit weiteren internationalen Kooperationspartnern erforscht Maik Luu im TRANSCAN-3-Projekt neue Schlüsselkomponenten im Tumormikromilieu bei schwer behandelbaren Tumorentitäten, so genannten Hard-To-Teat Cancers. Das SmartCAR-T-Konsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Hudecek vom UKW will in dem EU-Projekt die Schlüsselfaktoren identifizieren, welche die physikalischen und immunologischen Barrieren, die den Tumor umgeben und abschirmen, und neue, modifizierte CAR-T-Zelltherapien entwickeln. 

Von Hamburg nach Riga zum TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting

Nach der Preisübergabe in Hamburg flog Maik Luu direkt nach Riga (Lettland), wo er das UKW als Koordinator des Konsortiums vorstellen und vertreten konnte. Beim TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting mit anderen Mitwirkenden aus Projektleitung und Organisation stand das Vernetzen und Diskutieren der Konzepte im Mittelpunkt. Im Joint Translational Call (JTC) 2021 geht es um „Next generation cancer immunotherapy: targeting the tumour microenvironment.” 

Hintergründe und Details zum TRANSCAN-3-Projekt, das 31 Partner aus 20 Ländern zusammenbringt, um Krebsforschungs- und -innovationsprogramme aufeinander abzustimmen und sicherzustellen, dass die kombinierten finanziellen Ressourcen auf die effektivste und effizienteste Art und Weise genutzt werden, bewährte Verfahren ausgetauscht werden und Wissen geschaffen, verbreitet und optimal zum Nutzen aller wichtigen Akteure eingesetzt wird, sind der Transcan-Webseite zu entnehmen.
Weitere Informationen zum SmartCAR-T-Zell-Projekt im Rahmen von TRANSCAN-3 liefern die Pressemitteilung und die Projektwebseite, einen Einblick in die Karriere von Maik Luu gibt ein Porträt, dass anlässlich seiner Juniorprofessur entstand. 

Zur CAR-T-Zelltherapie: 
Bei der zellulären Immuntherapie wird den weißen Blutkörperchen unseres Immunsystems, den T-Zellen, auf die Sprünge geholfen. Dazu werden die T-Zellen gentechnologisch verändert und im Labor mit einem künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptor ausgestattet, dem Chimären Antigen Rezeptor, kurz CAR. Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen als lebendes Medikament der Patientin oder dem Patienten zurückgegeben. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören.
 

Maik Luu erhält Innovationspreis auf DGHO-Jahrestagung
Martin Sebastian, Universitätsklinikum Frankfurt, Expertenmitglied des Auswahlkomitees und Preisträger Maik Luu (links). © Grit Weinstock, Novartis
Maik Luu am Rednerpult in Riga
Maik Luu stellte beim TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting in Riga das UKW als Koordinator des Konsortiums vor. Copyright: Maria Romero
Gruppenbild der Mitwirkenden aus Projektleitung und Organisation des Transcan JTC2021
Beim TRANSCAN JTC2021 Kick-Off Meeting in Riga stand das Vernetzen und Diskutieren der Konzepte im Mittelpunkt. Im Joint Translational Call (JTC) 2021 geht es um „Next generation cancer immunotherapy: targeting the tumour microenvironment.” Quelle: Maria Romero

Kehlkopfschrittmacher macht das Leben stimmiger

Zehn Jahre nach der Machbarkeitsstudie, in der neun Personen mit beidseitiger Stimmlippenlähmung ein Kehlkopfschrittmacher implantiert wurde, finden jetzt am Uniklinikum Würzburg (UKW) sowie in Berlin, Gera, Innsbruck, Stuttgart und Wien Folgestudien mit einem weiterentwickelten Implantat der Firma MED-EL statt.

Fabian Kraus mit medizinischem Instrument
Stimm- und Schluckdiagnostik: Das IZSS bietet unter der Leitung von Fabian Kraus eine differenzierte Diagnostik an. © Daniel Peter / UKW
Arzt erläutert am Monitor Aufbau und Funktionen des Kehlkopfes
Endoskopie des Kehlkopfes: Erläuterungen am eigenen Bild machen die Zusammenhänge für die Patientin verständlich. © Daniel Peter / UKW
Arzt erläutert Parese am Kehlkopfmodell
Kehlkopfmuskulatur im Modell: Der Stimmlippenöffner, der bei Paresen nicht mehr angesteuert wird. © Daniel Peter / UKW

Sie konnte weder Amsterdam noch Adam sagen, das Schlucken fiel ihr schwer, und bei der kleinsten körperlichen Anstrengung blieb ihr die Luft weg. Der Tumor in der Schilddrüse war zwar erfolgreich entfernt worden, doch mit ihm hatte Carola Mayer (Name von der Redaktion geändert) auch ihre Leistungsfähigkeit und Stimme verloren - für die damals 41-jährige, die in der Kommunikationsbranche arbeitet, ein schwerer Schlag. 14 Jahre später plaudert sie im Podcast Phon-O-Ton des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) mit Dr. Fabian Kraus, Oberarzt in der HNO-Klinik und Leiter des Interdisziplinäres Zentrums für Stimme und Schlucken (IZSS) am UKW laut und deutlich über ihr neues Lebensglück. Dieses verdankt sie vor allem dem Kehlkopfschrittmacher, der ihr vor zehn Jahren im Rahmen der Machbarkeitsstudie „Laryngeal Pacemaker" als eine der ersten Patientinnen weltweit in Würzburg implantiert wurde. 

Nach einigen Weiterentwicklungen des Implantats, welches durch einen elektrischen Impuls die gelähmten Stimmlippen öffnet, sind jetzt Folgestudien gestartet. Neben den Unikliniken Würzburg und Innsbruck sowie dem SRH Wald-Klinikum Gera, in denen damals die Pilotstudie mit insgesamt neun Studienteilnehmenden durchgeführt wurde, nehmen heute auch die Charité Berlin, das Klinikum Stuttgart und das AKH Wien an den Studien teil. Insgesamt werden pro Zentrum sechs Personen in die Studien aufgenommen. Ziel ist eine weltweite Zulassung für den von der österreichischen Firma MED-EL Elektromedizinische Geräte GmbH entwickelten Kehlkopfschrittmacher.

Schrittmacher hilft dem Kehlkopfmuskel auf die Sprünge 

Mit einem von den Studienzentren und MED-EL gemeinsam entwickelten minimal-invasiven Verfahren werden die Elektroden endoskopisch an den feinen Nervenast platziert, welcher zuvor durch eine Infektion, ein Trauma oder, wie im Fall von Carola Mayer, durch eine vorhergehende Operation beschädigt wurde. Durch die Nervenschädigung ist die Verbindung zum Muskel gestört. Der Nerv kann die Botschaft vom Gehirn, nämlich den Kehlkopf beim Atmen oder Sprechen zu bewegen, nicht mehr umsetzen. Mit dem Schrittmacher wird dem Kehlkopfmuskel gewissermaßen auf die Sprünge geholfen. Die Impulse kommen vom Implantat, das direkt unter der Haut auf dem Brustbein eingesetzt und von einem Prozessor gesteuert wird. Der Prozessor ist von außen auf der Haut per Magnet mit dem Implantat verbunden. 

Man spüre weder das Implantat noch störe der magnetische Knopf auf der Haut, sagt Carola Mayer. „Wenn ich eine Bluse mit Ausschnitt tragen möchte und im Theater sitze, also mich weder bewegen noch sprechen muss, kann ich den Prozessor auch abnehmen“, berichtet sie und fügt schnell hinzu: „Der Prozessor ist aber immer griffbereit in meiner Handtasche.“ 

Jeder Millimeter zählt: Aussicht auf eine Stimme und mehr Luft über jeden Zweifel erhaben 

Mit jedem Millimeter, den sich die Stimmlippe mehr öffnet, bekommt sie mehr Luft. Ein Hauch könne manchmal den entscheidenden Schritt ausmachen. Ein Jahr nach der Schilddrüsenoperation wurde bei Carola Mayer bereits ein Teil der rechten Stimmlippe entfernt, um im Kehlkopf mehr Platz zu schaffen und so die Atmung zu erleichtern. „Das war schon sehr befreiend“, sagt sie. Sie konnte endlich wieder aufatmen, zwar weiterhin eingeschränkt, aber sie war froh, dass sie keinen Luftröhrenschnitt benötigte. Doch die Stimme besserte sich auch durch logopädisches Training nur minimal. „Das war schlimm“, blickt sie zurück. „Das wollte ich nicht akzeptieren.“ Und so machte sie bei der Studie mit. Die Aussicht auf eine Stimme und mehr Luft sei über jeden Zweifel erhaben gewesen. 

Heute kann sie sogar wieder walken und ihre Einkäufe tragen, sie kann problemlos sprechen und wird verstanden. Die Stimme hat sich entsprechend auf ihre Stimmung ausgewirkt. Daher rät sie allen Patientinnen und Patienten: „Setzen Sie sich mit neuen Studien auseinander, wägen Sie ab, ob es für Sie ein gangbarer Weg ist und wenn ja, probieren Sie ihn aus!“

Beleidigter Nerv bei beidseitiger Stimmlippenparese 

Fabian Kraus, erklärt: „Es kann manchmal ein bis zwei Jahre dauern, bis sich ein durch eine Operation oder eine Infektion geschädigter Nervenstrang zwischen Gehirn und Kehlkopf regeneriert.“ Der Nerv sei „beleidigt“ und müsse sich erholen. Manchmal tut er es aber nie und die Kontrolle über die Stimmlippen geht dauerhaft verloren. „Da die beidseitige Stimmlippenlähmung zu einer lebensbedrohlichen Beeinträchtigung der Atmung führen kann, muss chirurgisch interveniert und die Stimmritze vergrößert werden. Die Verbesserung der Atmung geht aber oft zulasten der Stimmqualität.“ 
In Deutschland und Österreich erleiden jedes Jahr etwa 1.000 Personen eine beidseitige Stimmlippenlähmung, auch Stimmlippenparese genannt. Die Betroffenen werden oft berufsunfähig und ziehen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. „Ich war den Tumor zwar los, fühlte mich jedoch um 30 Jahre gealtert“, schildert Carola Mayer die Zeit nach der Schilddrüsenoperation. Der Kehlkopfschrittmacher hat ihr ein großes Stück Lebensqualität zurückgeben, mehr Luft und Stimme. 

„Die Entwicklung des weltweit ersten Kehlkopfschrittmachers spiegelt unser Engagement für medizinische Innovation durch globale Zusammenarbeit wider. Umfassende klinische Studien mit renommierten Kliniken in Österreich und Deutschland bringen uns dem Ziel näher, diese lebensverändernde Technologie zugänglich zu machen. Durch diese gemeinsamen Initiativen verbessern wir nicht nur die Lebensqualität von betroffenen Menschen, sondern erweitern auch die Grenzen dessen, was moderne Gesundheitsversorgung leisten kann.“

Dr. Ingeborg Hochmair, CEO von MED-EL

Systematische und multiprofessionelle Diagnostik und Behandlung im Interdisziplinären Zentrum für Stimm- und Schluckstörungen IZSS

Die Diagnostik, Therapie und Erforschung von Stimm- und Schluckstörungen sind schon seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen des UKW. Da es je nach Ursache der Störung viele Berührungspunkte zu anderen Fachrichtungen wie etwa zur Neurologie, Inneren Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde oder Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit gibt, wird das Fachwissen der jeweiligen Expertinnen und Experten seit Februar 2020 im IZSS gebündelt. Inzwischen erreichen das an der HNO-Klinik angesiedelte interdisziplinäre Zentrum Anfragen aus ganz Deutschland. Auch die von Fabian Kraus ins Leben gerufene Fortbildungsreihe „Im Focus“ stößt auf große Resonanz. „Am Webinar nehmen regelmäßig rund 100 Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, Pflegende und Interessierte aus Deutschland, Schweiz und Österreich“, freut sich der geschäftsführende Leiter des IZSS. 

Der Kehlkopf im Fokus beim Sprechen, Schlucken und Atmen

Gemeinsamer Dreh- und Angelpunkt der Stimme und des Schluckens ist der Kehlkopf. Er sorgt dafür, dass beim Schlucken keine Speise in die Luftröhre gelangt. Mit seinen mittig gelegenen Stimmlippen ist er zudem für die Lautbildung zuständig. Die Stimmlippen öffnen sich beim Einatmen und spannen sich zur Stimmbildung beim Ausatmen, sodass der durchströmende Luftstrom die nun eng aneinander liegenden Stimmlippen zum Schwingen bringt. Es entstehen Schallwellen, die wir als Stimme wahrnehmen. Je höher die Töne desto intensiver schwingen die Stimmlippen. Beim hohen C schließen sie sich zum Beispiel mehr als 1.000 Mal in der Sekunde. Männerstimmen klingen übrigens tiefer als Frauenstimmen, weil die Stimmlippen der Männer in der Regel länger sind und langsamer schwingen. Sind die Stimmlippen entzündet, vernarbt oder verschleimt, können die Stimmlippen nicht mehr schwingen und wir klingen heiser. Doch auch unsere Stimmung macht sich am Kehlkopf bemerkbar. Wenn uns etwas bedrückt, können wir nicht richtig einatmen und bringen bisweilen keinen Ton mehr heraus. 


Interdisziplinäres Zentrum für Stimm- und Schluckstörungen IZSS
Telefon: +49 931 – 201 21888, E-Mail: izss@ukw.de, www.ukw.de/izss.
 

Fabian Kraus mit medizinischem Instrument
Stimm- und Schluckdiagnostik: Das IZSS bietet unter der Leitung von Fabian Kraus eine differenzierte Diagnostik an. © Daniel Peter / UKW
Arzt erläutert am Monitor Aufbau und Funktionen des Kehlkopfes
Endoskopie des Kehlkopfes: Erläuterungen am eigenen Bild machen die Zusammenhänge für die Patientin verständlich. © Daniel Peter / UKW
Arzt erläutert Parese am Kehlkopfmodell
Kehlkopfmuskulatur im Modell: Der Stimmlippenöffner, der bei Paresen nicht mehr angesteuert wird. © Daniel Peter / UKW

Der Faktor Mensch

Überraschende Erkenntnisse zur Frage, wie sich SARS-CoV-2 im Wirt vermehrt

Würzburg, 4. Oktober 2023 – Wie es dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei einer Infektion gelingt, seinen Vermehrungsmechanismus in Gang zu setzen, ist bislang noch nicht voll verstanden. Forschende vom Helmholtz-Institut Würzburg (HIRI) weisen jetzt im Fachmagazin „Cell“ erstmals nach, dass es das menschliche Protein SND1 ist, das im Zusammenspiel mit dem viralen Protein NSP9 die genetische Replikation des Virus stimuliert. Ebenfalls überraschte die Wissenschaftler:innen, dass NSP9 den Vermehrungsprozess antreibt, indem es als erster Baustein bei der Herstellung neuen viralen Erbguts fungiert. Die Erkenntnisse sind nicht nur bedeutend für die weitere Grundlagenforschung. Sie könnten auch neue Ansätze für die Behandlung von COVID-19 und anderen durch Coronaviren verursachten Infektionskrankheiten hervorbringen.

SARS-CoV-2, das Virus, das für die Infektionskrankheit COVID-19 mit weltweit bislang fast sieben Millionen Todesfällen (Statista/Worldometer) verantwortlich ist, hat ein charakteristisches genetisches Profil, das vollständig aus Ribonukleinsäure (RNA) besteht. Diese RNA enthält den Bauplan für die Herstellung neuer Viruskopien. Wenn SARS-CoV-2 eine Zelle infiziert, übernimmt es gewissermaßen den Maschinenraum dieser Wirtszelle, um sich selbst zu kopieren und so zu vermehren. Dabei werden verschiedene Arten von viraler RNA erzeugt, die jeweils eine spezifische Rolle im Replikationszyklus des Virus spielen.

In einer soeben im Fachmagazin „Cell“ veröffentlichten Studie des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, hat ein Team um Forschungsgruppenleiter Mathias Munschauer das Zusammenspiel verschiedener SARS-CoV-2-RNAs mit Proteinen der menschlichen Wirtszelle untersucht.

„Es ist mittlerweile viel über die Funktionen der SARS-CoV-2-Proteine bekannt. Wir wissen jedoch noch zu wenig darüber, wie die Proteine der infizierten menschlichen Zelle die Fähigkeit des Virus beeinflussen, sich zu vermehren“, erläutert Munschauer den Hintergrund der aktuellen Studie, deren leitender Autor er ist.

Nora Schmidt ist Postdoc im Labor von Mathias Munschauer und gehört zu den Erstautor:innen. „Wir haben entdeckt, dass ein Wirtsprotein namens SND1 einen spezifischen RNA-Typ erkennt, nämlich RNA mit negativer Polarität", sagt sie und ergänzt: „Negativ orientierte RNA dient als Vorlage für die Produktion und Vervielfältigung von neuer viraler RNA, ohne selbst in neue Proteine übersetzt zu werden.”

Update für die Corona-Lehrbücher

Es zeigte sich, dass SND1 im Vermehrungsprozess von SARS-CoV-2 eine entscheidende Rolle spielt: Einerseits erkennt es den Anfang der negativ orientierten RNA-Vorlage, die zur Virusreplikation benötigt wird. Andererseits interagiert dieses menschliche Protein auch mit einem viralen Protein namens NSP9.

Ebenfalls im Erstautorenteam ist Yuanjie Wei. „Unsere Forschung hat einen wesentlichen Mechanismus enthüllt“, freut sich die Doktorandin. „Stimuliert durch den menschlichen Faktor SND1, beginnt das Virus seine Replikation, wobei es sein eigenes Protein NSP9 als sogenannten Primer nutzt.“ Das bedeutet, dass NSP9 als erster Baustein eines wachsenden neuen RNA-Strangs fungiert.

Mit SND1 beschreiben die Autor:innen erstmals überhaupt ein Wirtsprotein, das negativ orientierte RNA erkennt. Erstmals konnten sie außerdem zeigen, dass die Bindung eines menschlichen Proteins an SARS-CoV-2-RNA und seine Interaktion mit NSP9 das Startsignal für die Virusreplikation setzt. Fehlt der Wirtsfaktor SND1, so ist dieser Startschuss beeinträchtigt und die Produktion viraler RNA weniger effizient.

Diese Erkenntnisse seien überraschend und Anlass zu einem Update der Lehrbücher, so das Team, zu dem auch Wissenschaftler:innen weiterer Forschungseinrichtungen in Deutschland und den USA zählten, darunter das Forschungsnetzwerk FOR-COVID und das Broad Institute von MIT und Harvard in Boston. Neben der Grundlagenforschung könnte die Medizin in Zukunft von neuen therapeutischen Angriffsmöglichkeiten profitieren. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass seltene Varianten im SND1-Gen mit schweren COVID-19-Infektionen und Krankenhausaufenthalten in Verbindung stehen könnten.

Weitere Forschung ist hier nötig, ebenso zur Funktion von SND1 und NSP9 in anderen Coronaviren oder zum Beispiel zur Frage, ob das menschliche Protein SND1 auch bei der Vermehrung anderer respiratorischer RNA-Viren wie Influenza oder RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) eine Rolle spielt. Darüber hinaus müssen künftige Studien die genauen molekularen Eigenschaften aufklären, die die Bindung von SND1 an negativ orientierte RNA von SARS-CoV-2 oder anderen Coronaviren steuern.

Auf einen Blick

  1. Das virale Protein NSP9 startet als Primer die RNA-Synthese des Coronavirus SARS-CoV-2 in menschlichen Zellen – ein grundlegender Mechanismus, der bisher noch nicht bekannt war.
  2. Das Wirtsprotein SND1 stimuliert dieses Priming durch seine direkte Interaktion mit negativ orientierter viraler RNA und dem viralen Protein NSP9.
  3. SND1 ist für die Produktion neuer viraler RNA zu Beginn der Infektion erforderlich.

Förderung

Die Studie wurde aus Mitteln des Helmholtz Young Investigator Group-Programms, des Europäischen Forschungsrats (ERC) und des Forschungsnetzwerks FOR-COVID unterstützt. Nora Schmidt wurde außerdem über das EMBO Long-term Fellowship-Programm gefördert. 

Originalpublikation

Schmidt N, Ganskih S, Wei Y, Gabel A, Zielinski S, (…) Munschauer M
SND1 binds SARS-CoV-2 negative-sense RNA and promotes viral RNA synthesis through NSP9
Cell, 3.10.2023, DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2023.09.002  

Video

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Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung

Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können.

Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus.

Mehr unter www.helmholtz-hiri.de

 

HIRI-Medieninformation (mit Video) vom 4. Oktober 2023