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Was Stephanie hilft, hilft Stefan nicht unbedingt

Pressemitteilung des RVZ

Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf Belastungen und Stress. Das zeigt eine Studie aus dem ersten Jahr der Coronapandemie. Verantwortlich dafür ist ein Team der Würzburger Universitätsmedizin.

Auch wenn es auf diesem Bild nicht so aussieht: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf angstauslösende Situationen.
Auch wenn es auf diesem Bild nicht so aussieht: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf angstauslösende Situationen. (Bild: Tomnamon / Colourbox.de)

Erinnert sich noch jemand an die erste Phase der Corona-Pandemie im Jahr 2020? Als Geschäfte, Restaurants, Kinos und Theater geschlossen blieben. Als Treffen mit Freunden und Verwandten untersagt waren. Als der Schulunterricht ins heimische Kinderzimmer verlegt wurde. Als Verreisen undenkbar war.

Aktuell sieht es so aus, als sei diese Zeit von den meisten Menschen längst vergessen. Dabei dürften die verschiedenen Corona-Maßnahmen der Politik bei vielen für enormen Stress gesorgt haben. Die Angst um den Arbeitsplatz, die Sorge um erkrankte Verwandte, die nervliche Belastung, wenn Eltern und Kinder zusammen in einer kleinen Wohnung sitzen und Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut bringen sollen: Das alles ist nicht ohne Auswirkungen geblieben, wie zahlreiche Studien zeigen.

Angst ist der zentrale Faktor
Inwieweit sich diese Erfahrungen auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität von Frauen und Männern im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie ausgewirkt haben: Das hat ein Forschungsteam der Würzburger Universitätsmedizin untersucht. Konkret haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür interessiert, in welchem Verhältnis Sorgen um den Arbeitsplatz und um andere Menschen mit eigenen psychischen Problemen wie Angst und Depression und der Lebensqualität allgemein stehen, welchen Einfluss die Unterstützung im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz darauf hat – und: ob es dabei Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.

Klares Ergebnis: In diesem Netzwerk unterschiedlicher Variablen und Einflussfaktoren steht Angst absolut im Mittelpunkt. Dabei zeigen sich allerdings eindeutige geschlechtsspezifische Unterschiede: „Bei Männern steigt die Angst in zunehmenden Maß mit der Sorge um den Arbeitsplatz, bei Frauen findet sich dieser Effekt nicht. Dafür konnten wir bei Frauen eine Zunahme der Angstwerte parallel mit einer Zunahme der Sorgen um Familie und Freunde registrieren“, sagt Grit Hein. Zusätzlich zeigt die Studie, dass Frauen positiv auf die Unterstützung durch Freunde und Familie in solchen Zeiten reagieren, indem sie ein Plus an Lebensqualität empfinden. Bei Männern zeigte sich dieses Phänomen nicht.

Daten über den Einfluss des Geschlechts fehlten
Grit Hein ist Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Würzburger Universitätsklinikums. Gemeinsam mit ihrem Postdoc Martin Weiß hat sie die Studie geleitet, deren Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurden.

„In der Vergangenheit haben zahlreiche Studien untersucht, welchen Einfluss psychosoziale Faktoren wie beispielsweise die Unterstützung durch Freunde und Kollegen und finanzielle, berufliche oder persönliche Sorgen auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität ausüben. Es fehlten jedoch Daten darüber, ob diese Zusammenhänge bei Männern und Frauen gleich sind“, erklärt Grit Hein den Hintergrund der Studie. In einer Erweiterung früherer Untersuchungen hat das Würzburger Forschungsteam deshalb jetzt den Einfluss dieser Faktoren in Abhängigkeit vom Geschlecht untersucht.

Studie mit rund 2.900 Teilnehmenden
Die entsprechenden Informationen bekam das Team von einer großen Gruppe von Probandinnen und Probanden geliefert: den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der sogenannten STAAB-Studie. Diese umfasst eine Kohorte von rund 5.000 zufällig ausgewählten Freiwilligen aus der Allgemeinbevölkerung Würzburgs und richtet ihren Fokus eigentlich auf die Entwicklung von Herzkreislauferkrankungen. Während der COVID-19-Pandemie wurde das Programm spontan auf die psychosozialen Auswirkungen von Pandemie, Lockdown und anderen Begleiterscheinungen erweitert.

Insgesamt haben sich 2.890 Menschen, 1.520 Frauen und 1.370 Männer, an der Umfrage beteiligt. Ihr Alter lag zwischen 34 und 85 Jahren, das Durchschnittsalter betrug 60 Jahre. Sie mussten zwischen Juni und Oktober 2020 einen umfangreichen Fragebogen zu ihrem psychischen Befinden ausfüllen. Unter anderem sollten sie Auskunft darüber geben, wie stark sie sich von ihrem sozialen Umfeld, ihren Kollegen und Vorgesetzten unterstützt fühlten und ob sie jemanden hatten, mit dem sie ihre Probleme besprechen konnten. Gefragt wurde auch, inwieweit Kontaktverbote zu Eltern und Großeltern sie belasteten und wie groß der Stress am Arbeitsplatz oder in der Schule war. Finanzielle Probleme oder die Sorgen darum waren Gegenstand weiterer Fragen.

Bei der Auswertung der Daten setzten Hein und ihr Team auf eine besondere Methode: die sogenannte Netzwerkanalyse. „Analysen, die auf einem Netzwerkansatz basieren, ermöglichen eine grafische Darstellung aller Variablen als einzelner Knotenpunkte“, erläutert Hein. Auf diese Weise sei es möglich, Variablen zu identifizieren, die in besonderem Maße mit anderen Variablen verbunden sind. Das Netzwerk könne somit beispielsweise komplexe Beziehungen zwischen Symptomen verschiedener psychischer Störungen aufzeigen und damit eventuelle Komorbiditäten erklären.

Ergebnisse passen zu traditionellen Geschlechternormen
Wirklich überrascht von den Ergebnissen waren Grit Hein und Martin Weiß nicht. „Die Beobachtung, dass Männer stärker mit der Arbeit und Frauen stärker mit Familie und Freunden in Verbindung gebracht werden, kann auf traditionelle Geschlechternormen und -rollen zurückgeführt werden“, erklärt Hein. Demnach fühlen sich Männer in der Regel stärker von Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitslosigkeit betroffen, was zu einer höheren psychischen Belastung führt. Frauen empfinden hingegen eine höhere Belastung, wenn sie das Gefühl haben, ihre Familie zu vernachlässigen.

Dass es Frauen psychisch besser geht, wenn sie Unterstützung durch Freunde und Familie erfahren, liege ebenfalls auf der Hand: „Dies steht im Einklang mit der traditionellen weiblichen Familienrolle, die eine stärkere Tendenz zu engen sozialen Kontakten und zur Suche nach sozialer Unterstützung beinhaltet, um Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern“, sagt Hein.

Auch wenn diese Ergebnisse eindeutig sind, weisen die Verantwortlichen auf eine Reihe von Einschränkungen hin. Die wichtigste darunter: „Da die COVID-19-Pandemie einen sehr spezifischen Kontext darstellte, muss noch geklärt werden, ob unsere Ergebnisse auf allgemeine pandemieunabhängige Situationen übertragbar sind.“ Unbestreitbar sei jedoch ein Befund: „Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, bei therapeutischen Maßnahmen soziale Aspekte zu berücksichtigen, um die psychische Gesundheit von Frauen und Männern zu verbessern.“

Originalpublikation
Weiß, M., Gründahl, M., Deckert, J. et al. Differential network interactions between psychosocial factors, mental health, and health-related quality of life in women and men. Scientific Reports 13, 11642 (2023).

doi.org/10.1038/s41598-023-38525-8

Kontakt
Prof. Grit Hein, PhD, Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften, Universität und Universitätsklinikum Würzburg, T: +49 931 201-77411, hein_g@ukw.de

Von Gunnar Bartsch

Auch wenn es auf diesem Bild nicht so aussieht: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf angstauslösende Situationen.
Auch wenn es auf diesem Bild nicht so aussieht: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf angstauslösende Situationen. (Bild: Tomnamon / Colourbox.de)

Vom Schwimmer im Strömungskanal

Die Universitätsmedizin Würzburg und ihr Spin-Off CatalYm zeigen in der Fachzeitschrift Nature Communications erstmals die Wirkung des Zytokins GDF-15 auf die LFA-1/Zelladhäsionsachse bei Tumor-assoziierten T Zellen. Eine erhöhte GDF-15-Expression beeinträchtigt die Immunantwort auf den Tumor und verhindert den Erfolg einer Immuntherapie.

Prof. Dr. Jörg Wischhusen und Dr. Markus Haake im Porträt
Jörg Wischhusen (links), Professor für Experimentelle Tumorimmunologie an der Universität Würzburg, und Markus Haake, Vice President Pharmacology bei CatalYm, forschen schon seit vielen Jahren am Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF-15. Wie GDF-15 die Immuntherapie bei soliden Tumoren beeinflussen kann, haben sie jetzt im Journal Nature Communications publiziert. © Dominik Gierke / CatalYm

Unser Immunsystem schützt uns vor körperfremden Eindringlingen oder krankhaft veränderten Zellen. Die Evolution hat jedoch Toleranzmechanismen entwickelt, die das Immunsystem zum Stillhalten bewegen. Ohne solche Toleranzsignale würde ein Embryo, der ja zur Hälfte väterliche Gene hat, vom mütterlichen Immunsystem abgestoßen werden. Aus eben diesem Grund ist die tumorimmunologische Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Wischhusen in der Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg angesiedelt. „Wir lernen von der feto-maternalen Toleranz“, erklärt Wischhusen. „Das heißt: Wir suchen nach Toleranzmechanismen, die den Fötus schützen und die sich Tumore zu eigen machen, um sich den gleichen Schutz zu verschaffen wie der Embryo.“

GDF-15 kann als Biomarker Versagen einer Immuntherapie vorhersagen

Schon vor vielen Jahren hat der Biochemiker mit seinem Team den Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF-15 (Growth/Differentiation Factor 15) als wichtige Zielstruktur identifiziert. Das Protein GDF-15 führt dazu, dass Immunzellen gar nicht erst zum Fötus gelangen, sondern einfach im Blutstrom am neuen, väterliche Antigene exprimierenden Gewebe vorbeischwimmen. Ein niedriger GDF-15-Spiegel bedeutet für Schwangere ein erhöhtes Risiko, dass ihr Immunsystem den Fötus abstößt. In der Krebstherapie wiederum geht ein erhöhter GDF-15 Spiegel mit einer schlechteren Prognose einher. In einer Studie im Wissenschaftsjournal Nature Communications konnte die Würzburger Arbeitsgruppe gemeinsam mit CatalYm, einer inzwischen in München beheimateten Ausgründung der Julius-Maximilians-Universität, zeigen, dass GDF-15 ein zentraler Faktor der Resistenz gegen Immuntherapien bei verschiedenen soliden Tumoren ist. Die Studie schlägt dabei den Bogen von molekularen Mechanismen über zelluläre Modelle und Mausmodelle bis hin zu Beobachtungen am Menschen. Untersucht wurden Melanome (Hauttumore) und Kopf-Hals-Tumore sowie im Tiermodell Kolon- und Pankreaskarzinome (Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs).

Hoher GDF-15 Spiegel bedeutet schlechte Prognose bei aktuellen Immuntherapien

Wie stark GDF-15 den Erfolg einer Immuntherapie beeinflusst zeigen Blutproben, die Melanom-Patientinnen und Patienten abgenommen wurden, bevor sie eine Immuntherapie mit anti-PD-1-Antikörpern erhielten. PD-1 steht für Programmed Cell Death 1 und ist der Rezeptor für den von vielen Tumoren exprimierten Liganden PD-L1, der T Zellen regelrecht entwaffnet. PD-1-Antikörper, die aus der heutigen Krebstherapie nicht mehr wegzudenken sind, unterbrechen dieses inhibitorische Signal, sodass die T Zellen wieder ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen und den Tumor bekämpfen können. Immuntherapien mit diesen so genannten Checkpoint-Inhibitoren bieten vielen Krebspatientinnen und -patienten realistische Heilungschancen. Die Ansprechraten liegen aber bei den meisten Tumorarten im unteren zweistelligen Prozentbereich.

„Diejenigen Melanompatientinnen und -patienten, die eine niedrige GDF-15-Konzentration im Serum aufwiesen, hatten sehr gute Überlebenschancen, wohingegen diejenigen mit einem hohen GDF-15-Wert nicht auf die Immuntherapie angesprochen haben“, schildert Jörg Wischhusen anhand einer Kaplan-Meier-Kurve. „Dass Überlebenskurven basierend auf einem einzigen Marker so weit auseinandergehen ist einer der stärksten Effekte, die bislang beschrieben wurden.“

GDF-15 blockiert die Rekrutierung von LFA-1-abhängigen T-Zellen

Doch warum ist das so? Wie kann GDF-15 die Immunzellen so wirksam hemmen? Hier kommt das Integrin LFA-1 (leukozytenfunktionsassoziiertes Antigen 1) ins Spiel. Seine Bindung an das Adhäsions-Molekül ICAM-1 sorgt für eine entscheidende Zell-Zell-Interaktion, damit aktivierte Immunzellen an ihren Bestimmungsort gelangen. Wischhusen vergleicht die Immunzelle mit einem Schwimmer im Strömungskanal. Nachdem sie im Lymphknoten aktiviert wurde macht sie sich in der Blutbahn auf den Weg zum Tumor, schafft es aber nicht, sich mit ihren Armen, den Integrinen, an den Griffen im Strömungskanal festzuhalten, sich herauszuziehen und zum Tumor ins Gewebe zu gelangen, um diesen zu bekämpfen. Denn GDF15 verhindert die Aktivierung der Zelladhäsionsachse LFA-1/ICAM-1, es schwächt gewissermaßen die Schultermuskulatur des Greifarms der Immunzelle.

Neutralisierung von GDF-15 verbessert Immunantwort

„Tatsächlich ist dies die erste Studie weltweit, die eine Verbindung zwischen GDF-15 und der LFA-1/ICAM-1 Zelladhäsionsachse auf T-Zellen zeigt“, berichtet Dr. Markus Haake, Vice President Pharmcology der CatalYm GmbH und Erstautor der Studie. Somit sei GDF-15 ein interessanter Biomarker, aber auch eine Option in der Therapie, betont Haake, der als ehemaliger Mitarbeiter der AG Wischhusen CatalYm mitbegründet hat. Wenn GDF-15 die Rekrutierung von LFA-1-abhängigen T-Zellen blockiert, so könnte wiederum eine Blockade von GDF-15 die Infiltration der Immunzellen in den Tumor und schlussendlich den Erfolg der Immuntherapie verbessern.

Mit Visugromab verfügt das Biotech-Start-up CatalYm über einen Antikörper, der GDF-15 neutralisiert und mit einer Anti-PD-1-Therapie kombiniert wird. Die aussagekräftigen Daten aus der Phase-1-Studie belegen das erhebliche klinische Potenzial von Visugromab, das inzwischen in einer multizentrischen und internationalen Phase-2-Studie (GDFATHER = GDF-15 Antibody-mediaTed Human Effector Cell Relocation Phase 2) mit Würzburger Beteiligung untersucht wird.

Gelungene Translation und Hoffnung für verschiedene Tumorarten und Therapien

Jörg Wischhusen blickt stolz auf die gelungene Translation, die er mit seiner Arbeitsgruppe geschafft hat: „Wir haben den Mechanismus von der Idee über die ersten Daten, Entwicklung eines Antikörpers, Gewinnung von Investoren, dem Liefern weiterer Evidenz aus Modellen und aus klinischen Korrelationen soweit gebracht, dass dieser GDF-15-neutralisierende Antikörper jetzt klinisch eingesetzt wird.“

„Natürlich müssen wir noch vorsichtig sein, aber es gibt gute Anzeichen, dass die Immunzellen im Tumor landen und wir mit der Kombination aus GDF-15-neutralisierenden Antikörpern und Immuntherapie Menschen mit verschiedenen Tumorarten helfen können, für die es keine therapeutische Option mehr gibt und denen sonst wirklich nicht mehr geholfen werden kann“, blickt Markus Haake hoffnungsvoll in die Zukunft. 

Studie: Haake, M., Haack, B., Schäfer, T. et al. Tumor-derived GDF-15 blocks LFA-1 dependent T cell recruitment and suppresses responses to anti-PD-1 treatment. Nat Commun 14, 4253 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-39817-3

Prof. Dr. Jörg Wischhusen und Dr. Markus Haake im Porträt
Jörg Wischhusen (links), Professor für Experimentelle Tumorimmunologie an der Universität Würzburg, und Markus Haake, Vice President Pharmacology bei CatalYm, forschen schon seit vielen Jahren am Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF-15. Wie GDF-15 die Immuntherapie bei soliden Tumoren beeinflussen kann, haben sie jetzt im Journal Nature Communications publiziert. © Dominik Gierke / CatalYm

Uniklinikum Würzburg sucht Teilnehmende für ADHS-Studie

Eine Studie am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg untersucht die Zusammenhänge zwischen dem Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) und der Herz-Kreislaufregulation. Dafür werden Probandinnen und Probanden mit und ohne ADHS gesucht.

Würzburg. Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) leiden oft nicht nur unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, sondern auch unter körperlichen Krankheiten, wie zum Beispiel Bluthochdruck. „Ob und wie Psyche und Herz-Kreislauffunktion bei ADHS zusammenhängen ist aber noch kaum verstanden“, berichtet Dr. Georg Ziegler, Oberarzt am Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) des Uniklinikums Würzburg. Hier soll nach seinen Worten die jetzt am ZEP durchgeführte Studie „Kardiovaskuläre Regulation bei ADHS“ (KoR-ADHS) für mehr Klarheit sorgen. Dafür werden noch Probandinnen und Probanden mit und ohne ADHS zwischen 18 und 65 Jahren gesucht, die herzgesund sind und keine Blutdruckmedikamente einnehmen.

Mit ihnen führen die Würzburger Forscherinnen und Forscher verschiedene psychologische Tests durch, wobei parallel ein EKG abgeleitet wird, um die Herzaktion in Ruhe und während geistiger Anstrengung zu untersuchen. Darüber hinaus werden Blutdruck und EKG über 24 Stunden gemessen sowie Blut- und Speichelproben abgenommen. 

Die Teilnehmenden erhalten die Ergebnisse der Langzeit-Blutdruckmessung und eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro. Interessierte kontaktieren das Studienteam unter E-Mail: kor_adhs@ ukw.de oder Tel. 0931-201 76999.

Selina ist das 100ste MIAI-Baby

Seit dem Start der Geburtskohorte MIAI im Mai 2022 wurden am Uniklinikum Würzburg bereits 100 Babys in die Studie aufgenommen. Anhand ihrer Daten und Bioproben untersucht der Lehrstuhl für Translationale Pädiatrie an der Kinderklinik gemeinsam mit der Frauenklinik bei Kindern im ersten Lebensjahr die Entwicklung des Immunsystems gegen Viruserkrankungen der Atemwege.

Selina ist in einem Handtuch eingewickelt und wird gehalten vom MIAI-Studienarzt.
Selina ist das hundertste Baby in der Geburtskohorte MIAI des Lehrstuhls für Translationale Pädiatrie am Uniklinikum Würzburg. © Markus Hammer / UKW
Hautabstrich bei Selina, dem 100sten MIAI-Baby
Im Rahmen der MIAI-Studie werden in regelmäßigen Abständen verschiedene Bioproben wie etwa Hautabstriche und Stuhlproben abgenommen. © Markus Hammer / UKW
In der MIAI-Studienambulanz werden die Babys untersucht.
Das MIAI-Studienteam analysiert anhand der gesammelten Daten aus Fragebögen und Untersuchungen sowie den Bioproben, wie Babys lernen, sich gegen die Viren zu verteidigen, die Atemwegserkrankungen auslösen. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Selina Brandl gähnt herzhaft als Dr. Jonas Fischer das Stethoskop auf ihre zarte Brust setzt. Und das vier Wochen alte Mädchen schläft seelenruhig weiter, während der Kinderarzt es gemeinsam mit Studienschwester Monika ausgiebig untersucht. Auch der prominente Status kann den Säugling nicht aus der Ruhe bringen. Selina ist das hundertste Baby in der MIAI-Studie und leistet mit allen weiteren MIAI-Kindern einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft. 

Mit ihren gesammelten Daten aus Fragebögen und Untersuchungen sowie den Bioproben erhofft sich das MIAI-Studienteam am Uniklinikum Würzburg ein besseres Verständnis, wie Babys lernen, sich gegen die Viren zu verteidigen, die Atemwegserkrankungen auslösen. Ziel der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie MIAI (englisch für Maturation of Immunity Against Influenza) ist es, wissenschaftlich belegte Empfehlungen zu geben und Maßnahmen zu entwickeln, mit denen Eltern die Entwicklung des Immunsystems frühzeitig fördern können.

Welche Faktoren tragen zur Entwicklung des Immunsystems bei?

Auch Selinas Immunsystem ist noch nicht ausgereift. Das ist ganz normal und hat bei Neugeborenen seinen Sinn. Es wird erst in den nächsten Wochen und Monaten durch verschiedene Einflüsse wie die Darmflora, Ernährung, Infektionen, Impfungen, soziale Kontakte und Lebensbedingungen geformt. Welche Faktoren die Reifung des kindlichen Immunsystems gegen Viruserkrankungen der Atemwege beeinträchtigen oder fördern, das erforscht Prof. Dr. Dorothee Viemann, Leiterin der Translationalen Pädiatrie, mit ihrem Team anhand des Datenschatzes, den die MIAI-Babys produzieren. Dazu werden die Kinder direkt nach der Entbindung in der Frauenklinik sowie nach einem, sechs und zwölf Monaten in der MIAI-Studienambulanz in der benachbarten Kinderklinik untersucht. 

Wie läuft eine typische Untersuchung ab? „Wir fragen zunächst nach dem Gesundheitszustand der Kinder, ob zwischendurch Impfungen erfolgt sind oder ein Urlaub im Ausland verbracht wurde. Wir sammeln verschiedene Bioproben der Kinder, nehmen zum Beispiel Hautabstriche und Stuhlproben. Außerdem werden die Babys gemessen, gewogen und von unserem Studienarzt gründlich untersucht“, berichtet die Studienkoordinatorin Carina Maier. Die Untersuchungen finden natürlich erst dann statt, wenn die Eltern in die Studienteilnahme eingewilligt haben.

Erkenntnisse für die Gesellschaft und ein Extra-Blick aufs Kind

Und das tun sie gern. Das Interesse ist groß. So sind die Eltern der MIAI-Zwillinge Anton und Bruno der Meinung: „Nur Forschung bringt uns voran!“ Eine andere Familie hat das Ziel überzeugt, „unabhängig von Pharmainteressen, Erkenntnisse zu gewinnen, was unseren Kindern Vorteile beim Start ins Leben gibt.“ Eine Mutter macht aus Dankbarkeit ein gesundes Baby zur Welt gebracht zu haben, an der Studie mit. Ihre Zimmerkollegin hatte ein Frühchen, das intensivmedizinisch betreut werden musste. Darüber hinaus schätzen viele neben dem gesellschaftlichen Aspekt den persönlichen Vorteil. Denn zusätzlich zu den U-Untersuchungen erfolgt regelmäßig ein professioneller Blick auf die Kleinen, und das Studienteam nehme sich noch einmal Extra-Zeit. Auch Selinas Mama, Sina Brandl, war von Beginn an überzeugt von der Studie und kommt dafür gern zum Uniklinikum. „Es ist ja für die Kinder“, sagt sie.

Weitere Studienteilnehmende sind herzlich willkommen

Wer in Würzburg und Umgebung demnächst Nachwuchs erwartet, am Uniklinikum Würzburg entbinden und an der Studie teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen, sich vorab mit dem MIAI-Studienteam in Verbindung zu setzen: www.ukw.de/miai.

Das Immunsystem: Balance zwischen Toleranz und Abwehr

Weitere Informationen zum Immunsystem als Brücke zwischen Gesundheit und Krankheit stehen in unserer Pressemitteilung, die wir anlässlich des diesjährigen Tag der Immunologie herausgegeben haben. Die Würzburger Universitätsmedizin hat sich als wichtiger Forschungsstandort im Bereich Immunologie hervorgetan und diese Kompetenzen in den letzten Jahren stark ausgebaut. In zahlreichen Instituten und Lehrstühlen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, das Immunsystem besser zu verstehen, um neue Ansätze zur Therapie und vor allem Prävention von Krankheiten zu entwickeln. Dabei kooperieren sie eng mit Forschungsteams in Deutschland und weltweit.

 

Film: Selinas erste Untersuchung in der MIAI-Studienambulanz haben wir gefilmt und ist hier zu sehen. 

Selina ist in einem Handtuch eingewickelt und wird gehalten vom MIAI-Studienarzt.
Selina ist das hundertste Baby in der Geburtskohorte MIAI des Lehrstuhls für Translationale Pädiatrie am Uniklinikum Würzburg. © Markus Hammer / UKW
Hautabstrich bei Selina, dem 100sten MIAI-Baby
Im Rahmen der MIAI-Studie werden in regelmäßigen Abständen verschiedene Bioproben wie etwa Hautabstriche und Stuhlproben abgenommen. © Markus Hammer / UKW
In der MIAI-Studienambulanz werden die Babys untersucht.
Das MIAI-Studienteam analysiert anhand der gesammelten Daten aus Fragebögen und Untersuchungen sowie den Bioproben, wie Babys lernen, sich gegen die Viren zu verteidigen, die Atemwegserkrankungen auslösen. © Kirstin Linkamp / UKW

Schlaganfall: Studie untersucht Rückfallgefahr

Forschungsteams der Universität Würzburg und des Klinikums Ludwigshafen haben in einer großangelegten Studie untersucht, ob sich mit einer strukturierten ambulanten Nachsorge Schlaganfallrezidive vermeiden lassen.

Etwa 70.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland ein sogenanntes Schlaganfallrezidiv – also einen zweiten Schlaganfall nach einem vorherigen
Etwa 70.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland ein sogenanntes Schlaganfallrezidiv – also einen zweiten Schlaganfall nach einem vorherigen. (Bild: peterschreiber.media / istockphoto.com)

Das Risiko, nach einem Schlaganfall einen weiteren Schlaganfall zu erleiden ist hoch: Etwa 70.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland ein sogenanntes Schlaganfallrezidiv, häufig mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. Über die Faktoren, die dieses Risiko erhöhen, herrscht weitgehend Einigkeit: Bluthochdruck, Rauchen und Hypercholesterinämie – also erhöhte Blutfettwerte – sind die wichtigsten darunter.

Eine verbesserte Kontrolle dieser Risikofaktoren könnte etwa die Hälfte dieser Schlaganfallrezidive vermeiden, schätzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Um dies zu erreichen, fehlen jedoch systematische Behandlungsangebote zur langfristigen ambulanten Schlaganfallnachsorge.

Strukturierte ambulante Nachsorge

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat das Klinikum Ludwigshafen daher die Studie „Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall“ (SANO) durchgeführt. Ziel des Projekts war es, die Versorgung von Patientinnen und Patienten nach einem Schlaganfall langfristig zu verbessern und somit das Risiko für Schlaganfallrezidive zu reduzieren sowie eine bessere ambulante Versorgungsqualität zu erreichen.

Zu diesem Zweck wurde in den Interventionsregionen ein strukturiertes Nachsorgeprogramm etabliert, das zum einen regelmäßige ambulante Nachsorgetermine bei einem auf die vielfältigen Aspekte der Schlaganfallnachsorge spezialisierten Behandlungsteam umfasst. Ergänzend wurden die Patientinnen und Patienten in einem umfassenden lokalen Behandlungsnetzwerk bestehend aus Therapeutinnen und Therapeuten sowie Fachärztinnen und Fachärzten verschiedener Disziplinen und anderer gesundheitsnaher Dienstleiter betreut. Die Ergebnisse hat das Forschungsteam jetzt im Fachjournal The Lancet Neurology veröffentlicht.

An dem Projekt, das durch den Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) mit rund 5,8 Millionen Euro gefördert wird, nahmen insgesamt 2.791 Patientinnen und Patienten an 30 Partnerkliniken mit überregionalen Stroke Units in Süd- und Westdeutschland teil. Die Auswertung der dabei gewonnen Daten erfolgte am Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie.

Verbesserte Kontrolle der Risikofaktoren

Dr. Christopher Schwarzbach, Koordinator des SANO-Projekts und Oberarzt der Neurologischen Klinik des Klinikums Ludwigshafen und Professor Armin Grau, früherer Chefarzt der Neurologischen Klinik und Mitinitiator der Studie, kommentieren die Ergebnisse wie folgt: „Im Rahmen von SANO konnte eine verbesserte Kontrolle der Gefäßrisikofaktoren erreicht werden, allerdings zeigte sich im Rahmen der einjährigen Nachbeobachtung noch keine Reduktion des Risikos für Schlaganfallrezidive. Eine Prüfung der langfristigen Effekte der SANO-Studie auf das Schlaganfallrezidivrisiko befindet sich daher bereits in Vorbereitung. Auch weitere Effekte des SANO-Projekts auf das Risiko von Stürzen, Depressionen und anderen Folgeerscheinungen eines Schlaganfalls sowie die Lebensqualität der Betroffenen müssen noch beurteilt werden.“

Professor Peter Heuschmann, Leiter des Institutes für Klinische Epidemiologie und Biometrie, ergänzt: „Durch das große Engagement aller Beteiligten – sowohl in den Zentren als auch aller an der Koordination und Evaluation beteiligten Personen – konnten wir die SANO-Studie trotz der Einschränkungen der Corona-Pandemie erfolgreich durchführen. Die Ergebnisse von SANO zeigen, dass komplexe Interventionsstudien unter Beteiligung zahlreicher unterschiedlicher Einrichtungen im Versorgungsalltag in Deutschland erfolgreich durchgeführt und evaluiert werden können.“

Originalpublikation

“The structured ambulatory post-stroke care program for outpatient aftercare in patients with ischaemic stroke in Germany (SANO): an open-label, cluster-randomised controlled trial”. Christopher J Schwarzbach, MD, Felizitas Anna Eichner, MSc, Viktoria Rücker, PhD, Anna-Lena Hofmann, MSc, Moritz Keller, MD, Prof Heinrich J Audebert, MD, et al. https://doi.org/10.1016/S1474-4422(23)00216-8

Kontakt

Prof. Dr. Peter Heuschmann, Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie,T: +49 (931) 201-47307, peter.heuschmann@ uni-wuerzburg.de   

Das dieser Veröffentlichung zugrundliegende Projekt wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01NVF17032 gefördert.

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 18.07.2023

Etwa 70.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland ein sogenanntes Schlaganfallrezidiv – also einen zweiten Schlaganfall nach einem vorherigen
Etwa 70.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland ein sogenanntes Schlaganfallrezidiv – also einen zweiten Schlaganfall nach einem vorherigen. (Bild: peterschreiber.media / istockphoto.com)

Immunzellen im Gänsemarsch

Es gibt Neuigkeiten aus dem Immunsystem: Dendritische Zellen wandern im Verbund an der Außenseite von Blutgefäßen entlang. Botenstoffe halten dieses dynamische Netzwerk stabil.

Die Abbildung zeigt die komplexe Organisation von dendritischen Zellen im Lymphknoten.
Die Abbildung zeigt die komplexe Organisation von dendritischen Zellen im Lymphknoten. Blau dargestellt sind Blutgefäße. Die grün dargestellten Zellen sind junge dendritische Zellen, wohingegen die rot dargestellten dendritischen Zellen ein paar Tage älter und bereits weitergewandert sind. Die orange dargestellten dendritischen Zellen liegen im Alter dazwischen. (Bild: Dr. Milas Ugur / Universität Würzburg)

Die Zellen des Immunsystems zirkulieren vor allem im Blut und wandern nach einer Entzündung in die Gewebe des Körpers ein. Einige Typen von Immunzellen befinden sich allerdings dauerhaft in den Geweben, wo sie sich zu dreidimensionalen Netzwerken zusammentun.

Wie entstehen diese Netzwerke und wie werden sie aufrechterhalten? Für die langlebigen Makrophagen (Fresszellen) ist die Antwort schon bekannt: Sie siedeln sich in sogenannten Nischen an. Dabei handelt es sich um eine Umgebung aus bindegewebigen Zellen, die den Makrophagen Nährstoffe liefern und sie am Leben erhalten.

Ein Team um die Professoren Georg Gasteiger, Dominic Grün und Wolfgang Kastenmüller vom Institut für Systemimmunologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) / Max-Planck Forschungsgruppe hat den Blick nun auf einen verwandten Typ von Immunzellen gerichtet, die sogenannten dendritischen Zellen.

Diese Immunzellen sind für die Steuerung von Immunantworten essenziell, weil sie an der ersten Abwehrlinie des Immunsystems stehen: Sie erkennen körperfremde Strukturen, nehmen sie auf und verarbeiten sie zu einer Art Fahndungsfoto. Das Foto präsentieren sie dann anderen Immunzellen und lösen damit eine spezifische Immunreaktion aus, etwa gegen Krankheitserreger oder Krebszellen.

Dendritische Zellen wandern durchs Gewebe

Das Besondere an den dendritischen Zellen: Sie leben nur etwa eine Woche und wandern in dieser Zeit kontinuierlich durch die Gewebe des Körpers. „Insofern war klar, dass das klassische Nischen-Konzept hier nicht trägt“, sagt Wolfgang Kastenmüller.

Das JMU-Team fand dafür ein komplett neuartiges Konzept, nach dem sich dreidimensionale Zell-Netzwerke organisieren können: Dendritische Zellen orientieren sich an den Blutgefäßen und wandern hintereinander an deren Außenwand entlang – ähnlich wie Kinder, die im Gänsemarsch laufen. Die Blutgefäße geben also die dreidimensionale Anordnung der Zellen vor.

Botenstoffe halten die Zellen im Verbund

„Wir wollten verstehen, wie dieser Prozess reguliert wird und wie die Zellen es schaffen, Lücken in ihrem Verbund zu schließen“, erklärt Dr. Milas Ugur, ein Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Professor Kastenmüller. Solche Lücken zu schließen ist wichtig, weil die Immunabwehr sonst nicht mehr optimal funktioniert.

Wie das JMU-Team im Journal Immunity berichtet, liegt es an einem lokal wirkenden Botenstoff, dem FLT3-Liganden, dass die dendritischen Zellen auf ihrer Wanderschaft immer schön beieinanderbleiben.

Die Botenstoffe werden vor Ort kontinuierlich hergestellt und von den dendritischen Zellen verbraucht. Gibt es Lücken im Verbund, stehen für die vereinzelten dendritischen Zellen mehr Botenstoffe zur Verfügung. Dieser Überschuss beschleunigt sie in ihrer Entwicklung und Bewegung und hilft ihnen, den Anschluss an die Gruppe wiederzufinden. Wenn die Zellen aufgerückt sind, haben sie durch die Konkurrenz ihrer Nachbarn wieder etwas weniger Botenstoffe zur Verfügung. Entsprechend drosseln sie ihre Entwicklungsgeschwindigkeit.

Von prognostischem Wert für Tumorerkrankungen

Diese Erkenntnisse sind unter anderem mit Blick auf die Krebstherapie von Bedeutung: Dendritische Zellen haben einen hohen prognostischen Wert für Tumorerkrankungen: Je mehr von ihnen sich in einem Tumor aufhalten, umso besser sind die Aussichten für die Erkrankten. Das gilt vor allem nach einer Immuntherapie.

„Mit möglichst viel Grundlagenwissen über dendritische Zellen können wir besser verstehen, wie wir die Netzwerke dieser Zellen in Tumoren wiederherstellen können und dadurch maßgeschneiderte Therapien in der Zukunft entwickeln“, erklärt Kastenmüller.

Wie die Forschenden weitermachen

Die bisherigen Daten der JMU-Forschungsgruppe beruhen auf der Analyse von Lymphknoten aus Tiermodellen. Das Team will als nächstes testen, ob die gleichen Prinzipien der Netzwerk-Organisation der dendritischen Zellen für alle Gewebe und auch im Menschen gelten.

Die beschriebenen Arbeiten sind in Kooperation mit Forschenden des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und mit Wissenschaftlern aus Frankreich und Japan entstanden. Sie wurden vom Europäischen Forschungsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Publikation

Lymph node medulla regulates the spatiotemporal unfolding of resident dendritic cell networks. Immunity, 17. July 2023, DOI: 10.1016/j.immuni.2023.06.020

Kontakt

Prof. Dr. Wolfgang Kastenmüller, Institut für Systemimmunologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) / Max Planck Forschungsgruppe, wolfgang.kastenmueller@ uni-wuerzburg.de 

Immunologie in Würzburg

Die Würzburger Universitätsmedizin hat sich als wichtiger Forschungsstandort im Bereich Immunologie hervorgetan und diese Kompetenzen in den letzten Jahren stark ausgebaut. In zahlreichen Instituten und Lehrstühlen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, das Immunsystem besser zu verstehen und mit seiner Hilfe Krankheiten zu bekämpfen. Dabei kooperieren sie eng mit Forschungsteams in Deutschland und weltweit.

Webseite der Würzburger Immunologie 

 

einBlick - Das Online-Magazine der Universität Würzburg vom 18.07.2023

Die Abbildung zeigt die komplexe Organisation von dendritischen Zellen im Lymphknoten.
Die Abbildung zeigt die komplexe Organisation von dendritischen Zellen im Lymphknoten. Blau dargestellt sind Blutgefäße. Die grün dargestellten Zellen sind junge dendritische Zellen, wohingegen die rot dargestellten dendritischen Zellen ein paar Tage älter und bereits weitergewandert sind. Die orange dargestellten dendritischen Zellen liegen im Alter dazwischen. (Bild: Dr. Milas Ugur / Universität Würzburg)

Magenbypass bei Adipositas: Ein Drittel weniger Gewicht, bessere Lebensqualität und Leistungsfähigkeit

In der Würzburger Adipositas Studie (WAS) vergleicht ein interdisziplinäres Team am Universitätsklinikum Würzburg die Effekte einer Magenbypass-Operation gegenüber einer intensiven und psychotherapiegestützten Lebensstil-Intervention. Es ist weltweit die erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie, in der als Endpunkte die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität definiert wurden. Die eindrucksvollen Ergebnisse wurden jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Metabolism“ veröffentlicht.

Studienteilnehmerin und Studienärztin beugen sich über Obstkorb in der Diätküche
In der Diätküche der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg erhielt Heike Reidinger eine umfassende Ernährungsberatung. Studienärztin Ann-Cathrin Koschker erläutert, wie wichtig Proteine beim Abnehmen sind. © Daniel Peter / UKW
Studienteilnehmerin wiegt sich vor Studienärztin auf der Personenwaage
Heike Reidinger nahm im Rahmen der Würzburger Adipositas Studie (WAS) insgesamt 40 Kilogramm ab. Begleitet wurde sie von der Studienärztin Ann-Cathrin Koschker. © Daniel Peter / UKW
Grafik der Studienergebnisse von WAS
In der randomisierten Würzburger Adipositas-Studie WAS wurde gezeigt, wie sich der eklatante Gewichtsverlust nach einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herzfunktion auswirkt. © Kirstin Linkamp / UKW

Der Leidensdruck von Menschen mit starkem Übergewicht ist groß. Neben der Stigmatisierung und eingeschränkten Lebensqualität kommen Begleiterkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzu. Eine so genannte bariatrische Chirurgie kann Erleichterung schaffen und das Gesamtüberleben verbessern. In der Würzburger Adipositas-Studie, kurz WAS, wurden die positiven Effekte einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herz-Lungen-Funktion gegenüber einer intensiven Lebensstil-Intervention nun erstmals randomisiert belegt. Die Ergebnisse hat das interdisziplinäre Studienteam des Uniklinikums Würzburg erwartet, aber spektakulär sei laut WAS-Team, dass diese erstmals formal belegt werden konnten. 

Erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie mit Endpunkten zur kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität 

„Zur Adipositas-Chirurgie gibt es nur eine Handvoll randomisierter Studien, da die Rekrutierung sehr schwierig ist“, berichtet Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie in der Universitätsmedizin Würzburg. „Entweder wollen die Patientinnen und Patienten die Operation unbedingt, oder sie lehnen sie aus Angst vor dem irreversiblen Eingriff und den damit verbundenen Lebensveränderungen ab. Da möchten nur wenige mittels Zufallsmechanismus einer Gruppe zugeordnet werden. Darüber hinaus muss bei jedem Studienteilnehmenden eine Indikation sowie eine Kostenzusage der Krankenkasse für einen bariatrischen Eingriff vorliegen.“ Unter anderem deshalb hat es eine randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie mit den Endpunkten Lebensqualität und kardiopulmonaler Belastungsfähigkeit bisher noch nicht gegeben.

Man muss bereit sein für eine Roux-en-Y-Magenbypass Operation

Dr. Ann-Cathrin Koschker, Oberärztin der Endokrinologie am UKW, hat es geschafft, insgesamt 60 Patientinnen und Patienten mit schwerem Übergewicht für die Studie zu randomisieren und sie über viereinhalb Jahre in der Studie betreut. Die Mehrzahl der Studienteilnehmenden (88 %) war weiblich, der durchschnittliche BMI lag bei 48 (kg/m2). Nach einer sechs- bis zwölfmonatigen Vorlaufphase erhielten 22 Studienteilnehmende einen Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) und 24 eine psychotherapiegestützte Lebensstil-Intervention (PELI). Bei der nach dem Schweizer Chirurgen César Roux benannten Operationsmethode wird der Magen verkleinert und die Nahrung durch eine künstlich angelegte, Y-förmige Verbindung an großen Teilen des Magens und des Dünndarms vorbeigeleitet. Als Folge des Eingriffs kann weniger Nahrung aufgenommen werden und der Darmhormonhaushalt ändert sich massiv. „Bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch und Süßigkeiten werden dann oft nicht mehr gut vertragen“, erklärt Ann-Cathrin Koschker die „Nebenwirkungen“ eines Magenbypasses. „Nach einem Jahr vertragen zwar viele wieder vieles, aber eben nicht alle alles, und man weiß vorher nicht, zu welcher Gruppe man gehört. Man muss wirklich bereit sein für diese Umstellung.“

Von 136 kg auf 89 kg: fast 3 Wasserkästen, die man weniger mit sich herumträgt

WAS hat den beachtlichen Gewichtsverslust nach dem chirurgischen Eingriff noch einmal eindrucksvoll belegt. „Während die Teilnehmenden der PELI-Gruppe durch die Intervention mit ausführlicher Ernährungsberatung und engmaschiger psychotherapeutischer Begleitung immerhin im Schnitt 2 Kilogramm innerhalb eines Jahres abnahmen, verloren die Probandinnen und Probanden mit Magenbypass 34 Prozent ihres Körpergewichts“, schildert Ann-Cathrin Koschker. Im Schnitt waren die Teilnehmenden in der chirurgischen Gruppe 1,67 Meter groß, wogen zu Beginn 136 Kilogramm und brachten ein Jahr nach der Operation 47 Kilogramm weniger auf die Waage. Ihr BMI sank von 49 auf 31 kg/m2. „Das sind fast drei handelsübliche Wasserkästen*, die man weniger mit sich herum trägt“, rechnet Martin Fassnacht vor.

Bessere Sauerstoffaufnahme, Fitness und Lebensqualität

Und tatsächlich hat sich der eklatante Gewichtsverlust in der RYGB-Gruppe sichtlich positiv auf die Lebensqualität, Herzfunktion und Begleiterkrankungen ausgewirkt. „Wir haben im Herzultraschall, der so genannten Echokardiografie, gesehen, dass die Masse des Herzmuskels im Verlauf eines Jahres um 32 Gramm zurückging. Das war ein unerwartet starker Effekt“, meint Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZH). Stefan Störk hat gemeinsam mit Martin Fassnacht die Adipositas-Studie geleitet. Die Abnahme der linksventrikulären Herzmuskelmasse hat sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt. Bei der Spiroergometrie auf dem Laufband, einem Belastungs-EKG mit gleichzeitiger Messung der Atemgase, konnten die RYGB-Operierten ihre Sauerstoffaufnahme um 4,3 ml/min/kg steigern. Beim 6-Minuten-Gehtest schafften sie 44 Meter mehr als noch vor der Operation. Die PELI-Gruppe fühlte sich nach der intensivierten Lebensstil-Intervention ebenfalls etwas fitter, legte im Schnitt sechs weitere Meter innerhalb der vorgegebenen sechs Minuten zurück und berichtete eine leicht verbesserte Lebensqualität. Bei den Operierten jedoch fiel diese Verbesserung mit +40 Punkten auf der Physical Functioning Scale (Fragebogen zum Gesundheitszustand SF-36), wesentlich deutlicher aus als in der PELI-Gruppe mit +10 Punkten. „Damit war die Lebensqualität der Operierten praktisch wieder so gut wie die von gesunden Normalpersonen“, konstatiert Dr. Bodo Warrings, der die psychotherapeutische Intervention begleitet hat. „Wichtig ist aber, dass die Operation in einen Gesamt-Therapieplan mit Lebensstil-Interventionen integriert wird“, fügt der Psychiater und Psychotherapeut am Zentrum für Psychische Gesundheit hinzu.

Effekte haben klinische Relevanz

„Die Größe der beobachteten Effekte deutet übereinstimmend darauf hin, dass diese Veränderungen klinisch relevant sind“, betont Martin Fassnacht. Beeindruckend seien zum Beispiel die Auswirkungen auf den Blutdruck nach dem chirurgischen Eingriff und dem damit einhergehenden Gewichtsverlust: obwohl die RYGB-Gruppe nach der OP weniger Blutdruckmedikamente als die PELI-Gruppe einnahm, hatte sie niedrigere Blutdruckwerte.

Viele Belastungen weniger

„15 Patientinnen und Patienten aus der PELI-Gruppe nahmen übrigens das Angebot war und ließen sich nachträglich operieren“, bemerkt Ann-Cathrin Koschker. „Und auch bei ihnen bestätigten sich ganz klar die positiven Effekte der bariatrischen Chirurgie.“ Wie bei Heike Reidinger (42) aus Elfershausen bei Bad Kissingen. Die Mutter von drei Kindern und einem damaligen Ausgangsgewicht von 135 Kilogramm war zunächst in der PELI-Gruppe und fühlte sich dort schon sehr gut aufgehoben mit all ihren Problemen, die ihr Übergewicht, mit sich gebracht hatte – von Bluthochdruck, Herz-Kreislaufbeschwerden und beginnendem Diabetes über Kniegelenks-Schmerzen bis hin zur psychischen Belastung. Jedes Modul sei wertvoll gewesen, sagt sie rückblickend, aber vor allem die psychotherapeutische Betreuung habe ihr gutgetan. Eine Anlaufstelle zu haben, um „aufzuräumen“, sei von immenser Bedeutung. Während der intensiven Lebensstil-Intervention hat sie innerhalb eines Jahres zwölf Kilogramm abgenommen. Das war schon beachtlich, ihr jedoch zu wenig und vor allem zu schwankend. „Der Magenbypass im Anschluss war schließlich die beste Entscheidung“, strahlt sie heute, 40 Kilogramm leichter, topfit und glücklich. Ihr eindrücklichstes Erlebnis nach dem starken Gewichtsverlust: „Ich kann wieder problemlos Treppensteigen und aus der Hocke aufstehen!“ Als das damals nicht mehr ging, habe sie sich an das Adipositaszentrum des Uniklinikums gewandt.

Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die monozentrische Studie wurde mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sie ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Denn an WAS waren neben der Kardiologie, Endokrinologie, Chirurgie und Psychiatrie auch die Hepatologie, Pulmonologie und Radiologie beteiligt. Die Ergebnisse wurden im Journal Metabolism

veröffentlicht: Effect of bariatric surgery on cardio-psycho-metabolic outcomes in severe obesity: A randomized controlled trial; DOI: doi.org/10.1016/j.metabol.2023.155655

*mit zwölf gefüllten 0,7 l Glasflaschen

Studienteilnehmerin und Studienärztin beugen sich über Obstkorb in der Diätküche
In der Diätküche der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg erhielt Heike Reidinger eine umfassende Ernährungsberatung. Studienärztin Ann-Cathrin Koschker erläutert, wie wichtig Proteine beim Abnehmen sind. © Daniel Peter / UKW
Studienteilnehmerin wiegt sich vor Studienärztin auf der Personenwaage
Heike Reidinger nahm im Rahmen der Würzburger Adipositas Studie (WAS) insgesamt 40 Kilogramm ab. Begleitet wurde sie von der Studienärztin Ann-Cathrin Koschker. © Daniel Peter / UKW
Grafik der Studienergebnisse von WAS
In der randomisierten Würzburger Adipositas-Studie WAS wurde gezeigt, wie sich der eklatante Gewichtsverlust nach einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herzfunktion auswirkt. © Kirstin Linkamp / UKW