Aktuelle Pressemitteilungen

Stampfend und springend zu mehr Lebensqualität

Impact-Training ist beim Multiplen Myelom machbar / neue Studie soll Wirksamkeit auf Knochengesundheit prüfen

Anne Kollikowski und Franziska Jundt stehen auf einer Treppe im ZIM, im Hintergrund ist ein Fahrstuhl mit einem Röntgenbild eines Skeletts.
Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski (links) und Onkologin Franziska Jundt prüften am Uniklinikum Würzburg, ob ein Impact-Training beim Multiplen Myelom sicher und machbar ist. In einer Folgestudie wollen sie die Wirksamkeit des Stampf- und Sprungtrainings auf die Knochengesundheit prüfen. © UKW / Kirstin Linkamp
Von der Seite fotografiert, wie Patienten in die Hocke gehen und zum Sprung ansetzen.
Zwölf Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nahmen in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Stampf- und Sprungtraining teil. © UKW / Daniel Peter
Patienten, Doktoranden und Franziska Jundt springen gemeinsam  im Flur der Physiotherapie in die Höhe.
Die Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten und wurden am Ende mit einer Verbesserung der körperlichen Fitness und Lebensqualität belohnt. © UKW / Daniel Peter

Würzburg. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass körperliche Aktivität in verschiedenen Phasen einer Krebserkrankung positive Effekte haben und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessern kann. Regelmäßiges Training steigert die körperliche Leistungsfähigkeit und reduziert Ängste und Depressivität sowie die krebsassoziierte Müdigkeit, die so genannte Fatigue. Präklinische Studien zeigen zudem, dass sich spezifische Belastungsübungen positiv auf die Knochenfestigkeit auswirken können. Davon könnten vor allem Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom profitieren. Bei dieser Krebserkrankung des Knochenmarks infiltrieren die Tumorzellen das Skelett und zersetzen die Knochen. „80 Prozent der Myelom-Patientinnen und Patienten leiden unter Knochenabbau und teilweise Knochenschmerzen und -frakturen“, berichtet Franziska Jundt. Die Professorin für Hämatologie und Internistische Onkologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) hat gemeinsam mit Freerk T. Baumann, Professor für Onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, der Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski vom Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) und weiteren Kolleginnen und Kollegen untersucht, ob ein Sprung- und Stampftraining, in der Fachsprache Impact-Training genannt, den Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom überhaupt zugemutet werden kann. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Supportive Care in Cancer“ veröffentlicht.

Impact-Training ist für ausgewählte Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom sicher und durchführbar

In der Machbarkeitsstudie wurden insgesamt zwanzig Patientinnen und Patienten in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe absolvierte sechs Monate lang ein zweimal wöchentliches, intensives Sprung- und Stampftraining, die andere Gruppe ein sanftes Dehnprogramm. In der Impact-Gruppe trainierten neun von zwölf Personen während des gesamten Studienzeitraums, in der Dehngruppe sieben von acht. Nach etwa einem Drittel der Belastungseinheiten traten Schmerzen auf, jedoch ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Nach sechs Monaten verbesserten sich in beiden Gruppen sowohl die Gehstrecke im Sechs-Minuten-Gehtest als auch die allgemeine Fitness, wobei die Lebensqualität in der Impact-Gruppe um fast 25 % Prozent stieg.

„Eine kontrollierte Bewegungstherapie ist also auch bei Krebspatientinnen und -patienten machbar, die körperlich stark eingeschränkt sind“, fasst Erstautorin Anne Kollikowski zusammen. Wichtig sei, dass vor einem solchen kontrollierten Training immer die Stabilität der Wirbelsäule und des gesamten Skelettsystems von einer Spezialistin oder einem Spezialisten aus der Orthopädie oder Unfallchirurgie geprüft wird. Bemerkenswert fand Anne Kollikowski vor allem das Engagement und Durchhaltevermögen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Unsere Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten. Umso mehr freut es mich, dass die Teilnahme zu einer erheblichen Verbesserung der körperlichen Fitness und der Lebensqualität führte.“

Die Wirksamkeit von Bewegungstherapien auf die Knochengesundheit bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom soll nun in einer multizentrischen, randomisierten Bewegungstherapiestudie untersucht werden.

Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) vor, während und nach der medizinischen Therapie

Aktuell laufen am Uniklinikum Würzburg unter dem Dach des CCC MF verschiedene Supportiv-Studien vor, während und nach der medizinischen Krebstherapie. In der Studie EMpower wird beispielsweise die Machbarkeit der elektrischen Muskelstimulation nach Stammzelltransplantation untersucht, und in PräViC wird der präventive Einsatz von Vibrationstraining oder Dehnungs- und Entspannungstraining zur Vorbeugung einer Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie erforscht.

Losgelöst von Studien berät das Team der Abteilung „Komplementäre Onkologie Integrativ“ die Patientinnen und Patienten zu körperlicher Aktivität und bietet in den Räumen der Physiotherapie des UKW eine Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) an, die unabhängig von einem stationären Aufenthalt ist.

KL/Wissenschaftskommunikation


Publikation: 
Anne Kollikowski, Marei Schallock, Ruben Ringeisen, Dirk Hasenclever, Lothar Seefried, Jan-Peter Grunz, Damir Zubac, Claudia Löffler, Freerk T- Baumann & Franziska Jundt. Feasibility and safety of impact-loading exercise in patients with multiple myeloma—a pilot study. Support Care Cancer 33, 235 (2025). doi.org/10.1007/s00520-025-09287-y
 

Anne Kollikowski und Franziska Jundt stehen auf einer Treppe im ZIM, im Hintergrund ist ein Fahrstuhl mit einem Röntgenbild eines Skeletts.
Sportwissenschaftlerin Anne Kollikowski (links) und Onkologin Franziska Jundt prüften am Uniklinikum Würzburg, ob ein Impact-Training beim Multiplen Myelom sicher und machbar ist. In einer Folgestudie wollen sie die Wirksamkeit des Stampf- und Sprungtrainings auf die Knochengesundheit prüfen. © UKW / Kirstin Linkamp
Von der Seite fotografiert, wie Patienten in die Hocke gehen und zum Sprung ansetzen.
Zwölf Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nahmen in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Stampf- und Sprungtraining teil. © UKW / Daniel Peter
Patienten, Doktoranden und Franziska Jundt springen gemeinsam  im Flur der Physiotherapie in die Höhe.
Die Patientinnen und Patienten waren hochmotiviert, das Training trotz der hohen und anstrengenden Belastung durchzuhalten und wurden am Ende mit einer Verbesserung der körperlichen Fitness und Lebensqualität belohnt. © UKW / Daniel Peter

Wer hat welches Tumormodell?

WISSENSCHAFTLER IM DIREKTEN AUSTAUSCH: DER BZKF-LEUCHTTURM „PRÄKLINISCHE MODELLE“

Der BZKF-Leuchtturm „Präklinische Modelle“ unter der Leitung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat bereits zwei standortübergreifende Datenbanken aufgebaut: die Organoid-Datenbank und die Datenbank für onkologische Tierversuchsmodelle. Die Plattformen geben einen Überblick über die Verfügbarkeit von Organoid-Modellen verschiedener Tumorentitäten und von Tiermodellen. Insgesamt soll das Projekt eine effizientere Forschung, verbesserte Genehmigungsprozesse und die Optimierung präklinischer Modelle im Sinne des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) ermöglichen.

 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW

Würzburg. Präklinische Modelle sind für die medizinische Forschung unverzichtbar: Sie helfen, Krankheitsmechanismen zu verstehen, Therapieansätze zu testen, die Sicherheit zu bewerten und Hinweise für eine mögliche Dosierung neuer Therapeutika zu erhalten. Um die Lücke zwischen Grundlagenforschung und früher klinischer Anwendung zu verkleinern und die translationale Forschung einschließlich Proof-of-Concept-Studien zu beschleunigen, fördert das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) seit dem 1. Januar 2024 für den Leuchtturm „Präklinische Modelle“. 

Prof. Dr. Nicolas Schlegel, Sprecher des Leuchtturms und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg (UKW), zieht mit seinem Team – Prof. Dr. Christoph Otto, Anne Rech und Dr. Mahasen Saati – Zwischenbilanz: „Wir haben inzwischen zwei standortübergreifende Datenbanken als interaktive Informations-, Dokumentations- und Austauschplattform für die präklinische Forschung realisiert. Eine Plattform für die Target-Validierung ist im Aufbau“, informiert Nicolas Schlegel. 

Plattform für Target-Validierungen

Mit der zentralen Einheit für Target-Validierungen sollen Ansatzpunkte für neue Arzneimittel erforscht werden. „Hier etablieren wir gerade mit dem Auxin-System ein präklinisches Modell, das uns hilft, bestimmte, bisher unzugängliche Zielstrukturen in Tumorzellen zu charakterisieren. Dies ist eine Validierungsmöglichkeit für die Entwicklung von PROTACs, eine neue Klasse von Arzneistoffen, die krankmachende Proteine im Körper gezielt abbauen kann“, berichtet Prof. Dr. Gabriele Büchel. Die Molekularbiologin im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist ebenfalls Teil des Leuchtturms. Die Etablierung läuft derzeit im Tiermodell und in humanen Organoiden.

Datenbank mit derzeit 100 humanen Tumor-Organoiden

Die Organoid-Technologie ist ein großer Schwerpunkt der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie am UKW. Aus Gewebespenden von Patientinnen und Patienten baut das Team Organoid-Modelle. „Wir züchten Organoide aus Tumoren, aus entzündlichem Gewebe, aber auch aus gesundem Gewebe“, schildert Anne Rech. Die Wissenschaftlerin ist im Leuchtturm für die Organoid-Datenbank zuständig, welche bereits 100 patientenabgeleitete Organoide (PDO für Patient-Derived Organoids) aus den bayerischen BZKF-Standorten umfasst. Zusätzlich sind Protokolle zur Kultivierung und zum Austausch der PDOs hinterlegt.“ Kooperationen mit anderen BZKF-Translationsgruppen wie CaR-EpiSafe, Pädiatrische Hirntumoren und Omis/Genomics sollen die Implementierung weiterer PDOs ermöglichen. Die Erweiterung der Datenbank um Informationen zu Maus-Organoiden ist ebenfalls geplant.

Datenbank mit aktuell 13 Tiermodellen

Die Datenbank „Onkologische Tiermodelle“ sammelt Informationen über Tiermodelle, die an den BZKF-Standorten durchgeführten werden. Derzeit sind die Beschreibungen von 13 Tiermodellen aus den BZKF-Standorten hinterlegt. Die Eingabe weiterer etablierter Modelle ist in Vorbereitung. Darüber hinaus soll die Datenbank auch um Modelle für tumorfördernde Erkrankungen wie Adipositas oder chronische Entzündungen erweitert werden. „Unsere Datenbank für onkologische Tiermodelle dient dazu, relevante Angaben zum Versuchsvorhaben zu standardisieren und damit den Weg zum Erkenntnisgewinn zu beschleunigen Außerdem sind Schulungsvideos für diese Modelle geplant“, erläutert Dr. Mahasen Saati, die für die onkologischen Tiermodelle zuständig ist. „Insgesamt wollen wir mit unserem Projekt den Informationsaustausch zwischen Genehmigungsbehörde, Tierschutzbeauftragen und Antragstellern informativer und transparenter machen.“ Eine Optimierung und der Austausch, die letztlich die Reduktion solcher Versuche ermöglichen ist hierbei ein wichtiges Ziel.

Verknüpfung der Datenbanken, um mit umfangreichem Repertoire an humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen ein optimales Vorgehen im Sinne des 3R-Prinzips zu ermöglichen

Langfristiges Ziel ist die inhaltliche Verknüpfung beider Datenbanken, die auf der webbasierten Plattform REDCap (Research Electronic Data Capture) entwickelt wurden. Die Kombination von humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen soll eine optimale Strategie für die präklinische Krebsforschung ermöglichen. „Mit diesen Maßnahmen leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung innovativer Krebsforschung und zur Umsetzung des 3R-Prinzips: Vermeiden von Tierversuchen, Replace, Minimieren der Anzahl von Versuchen und Versuchstieren, Reduce, und die Vermeidung der Belastung, Refine“, kommentiert Christoph Otto, stellvertretender Sprecher des Leuchtturms. 

Zur Veranschaulichung führt Nicolas Schlegel ein Beispiel an: In Modell- oder Zellkulturexperimenten wurde eine potenziell interessante Zielstruktur für eine neue oder ergänzende Therapie in einem bestimmten Tumor entdeckt. Diese kann ex vivo in einem Tumor-Organoid auf ihre Wirksamkeit getestet und gegebenenfalls im nächsten Schritt im lebenden Organismus im Tiermodell validiert werden. Damit nicht alles neu etabliert werden muss, informiert die Datenbank, wo welche Modelle vorgehalten werden und wer für die Durchführung der Experimente kontaktiert werden kann.

„Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Die Daten und Modelle kommen bislang von den BZKF-Standorten in Augsburg, Erlangen, München, Regensburg und Würzburg. „In erster Linie ist die Datenbank für alle Kooperationspartner des BZKF gedacht, aber natürlich können sich auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen registrieren, die translational forschen und sich einen standortübergreifenden Überblick über die Verfügbarkeit humaner Organoid-Modelle verschiedener Tumorentitäten und Tiermodelle verschaffen möchten“, sagt Nicolas Schlegel. „Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Ein Kontaktformular für die Registrierung gibt es auf der Webseite des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie.
 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW

In der Dosis liegt die Wirkung

HEISENBERG-PROFESSUR „MULTIMODALE BILDGEBUNG UND THERANOSTIK“ FÜR DEN PHYSIKER JOHANNES TRAN-GIA

Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), ist zum Universitätsprofessor für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ an der Universität Würzburg ernannt worden. Seine Professur wird in den ersten fünf Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Heisenberg-Programms gefördert. Im Heisenberg-Projekt beschäftigt sich der 40-jährige Physiker mit der „Bildgebungsbasierten Individualisierung der Knochenmarkdosimetrie für Radionuklidtherapien“. Mit neuen bildgebenden Verfahren will er die Strahlenexposition im Knochenmark genauer bestimmen und so die Radionuklidtherapie personalisieren - für maximale Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen.

 

Porträt von Johannes Tran-Gia in der Nuklearmedizin
Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), erhält von der DFG geförderte Heisenberg-Professur für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia hält in der Hand ein 3D-gedrucktes Modell der Lendenwirbelsäule, zeigt mit der anderen Hand darauf und schaut seine Kollegin links im Bild an.
Durch Messungen an 3D-Modellen wie hier der Lendenwirbelsäule, die Johannes Tran-Gia mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt, werden die speziellen multimodalen Bildgebungsverfahren validiert. Dazu wird das so genannte Phantom mit radioaktiver Lösung befüllt. © Daniel Peter / UKW
Arbeitsgruppe von Johannes Tran-Gia posiert im Flur des UKW - alle bis auf Tran-Gia tragen weiße Kittel
AG Tran-Gia, v.l.n.r.: Maikol Salas Ramirez, Amelie Gehring, Samira Kamrani, Junnan Bao, Anna-Lena Theisen, Lenka Vávrová, Johannes Tran-Gia. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia zwischen seinen Kolleginnen vor einem 3D-Druckgerät.
Johannes Tran-Gia mit seinen Mitarbeiterinnen Amelie Gehring (links) und Anna-Lena Theisen im 3D-Drucklabor. © Daniel Peter / UKW
3D-gedruckter Lendenwirbel im Formlabs Cure
In der UV-Kammer härtet der 3D-gedruckte Lendenwirbelkörpers aus. © Daniel Peter / UKW
Hier wird an vier Figuren beschrieben, wie die Radionuklidtherapie funktioniert. Injektion eines Radiopharmakons, Verteilung im Körper, Ausscheidung über Niere und Blase und spezifischer Uptake im Tumor, sowie therapeutische Strahlenexposition (nur der Tumor leuchtet im Körper).

Würzburg. In der Schule fielen ihm vor allem Fächer wie Mathematik und Physik leicht. Auch Journalismus hätte ihn interessiert. Aber da brauche man Ellenbogen, um sich durchzusetzen, wurde er gewarnt. Also studierte Johannes Tran-Gia Physik. „Physiker denken analytisch wie Mathematiker, aber sie sind etwas praktischer und flexibler in der Anwendung. Und in der Physik gehen die Leute insgesamt sehr nett miteinander um“, begründet Johannes Tran-Gia seine Studienwahl. Rund 20 Jahre später hat der Würzburger neben einer eigenen Familie mit zwei Kindern einen Master und ein Diplom in Physik, ist promoviert und Privatdozent und seit kurzem Professor. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für fünf Jahre geförderte Heisenberg-Professur trägt den Titel „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ und soll den Weg zu einer Lebenszeitprofessur ebnen, sehr zur Freude der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Uniklinikum Würzburg (UKW). Denn der Bereich der Theranostik, der durch diese Professur gestärkt wird, hat das Potenzial, die Nuklearmedizin zu revolutionieren und eine präzisere und personalisierte Behandlung von Krebs zu ermöglichen. 

Theranostik – Therapie und Diagnostik: Der Unterschied liegt in der Art der verwendeten Radionuklide und der Dosis 

Unter Theranostik (siehe auch Info-Kasten) versteht man die Kombination diagnostischer und therapeutischer Verfahren. In der Nuklearmedizin werden dazu radioaktiv markierte Arzneimittel sowohl zur Bildgebung als auch zur gezielten Therapie derselben Erkrankung beziehungsweise Pathologie eingesetzt. Der Unterschied liegt in der Art der verwendeten Radionuklide und der Dosis. In der Diagnostik werden kurzlebige Radionuklide genutzt, die eine schwache Strahlung aussenden. Diese Strahlung kann mit speziellen Kameras sichtbar gemacht werden, um damit Stoffwechselvorgänge und Funktionsstörungen im Körper zu visualisieren. In der Therapie hingegen werden langlebigere Radionuklide verwendet, die eine hochenergetische Strahlung aussenden. Diese Strahlung zerstört gezielt erkranktes Gewebe wie Tumorzellen, während das umliegende Gewebe weitgehend geschont wird.

Dosimetrie: Bestimmung und Bewertung der Energiedosis, um Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren

Doch welche Dosierung des radioaktiven Arzneimittels ist die richtige, um eine maximale therapeutische Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen zu erzielen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Dosimetrie, ein wesentlicher Bestandteil bei der Einführung neuer Radionuklidtherapien und ein Forschungsschwerpunkt der Würzburger Nuklearmedizin. „Wie hoch kann ich mit der therapeutischen Aktivität gehen? Nachdem zuvor die Radiochemie die Hauptarbeit in der Entwicklung eines Radiopharmakons hatte, kommt hier die Physik ins Spiel“, so Johannes Tran-Gia, der auch im entsprechenden Ausschuss (Dosimetry Committee) der europäischen Fachgesellschaft für Nuklearmedizin (European Association of Nuclear Medicine, EANM) aktiv ist. Er setzt damit das fort, was Prof. Dr. Michael Laßmann während seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter der Medizinischen Physik der Würzburger Nuklearmedizin begonnen hat. In seinem Heisenberg-Projekt geht es denn auch konkret um die „bildgebungsbasierte Individualisierung der Knochenmarkdosimetrie für Radionuklidtherapien“. Durch den Einsatz bildgebender Verfahren soll die Energiedosis für jede Patientin und jeden Patienten individuell bestimmt werden. Dadurch soll künftig die Therapieaktivität personalisiert und somit die Therapie noch wirksamer und schonender gestaltet werden. 

Mit neuen bildgebenden Verfahren die Energiedosis im roten Knochenmark genauer bestimmen

Das rote Knochenmark ist eines der Hauptrisikoorgane vieler Radionuklidtherapien, da es aufgrund der hohen Zellteilungsrate besonders strahlenempfindlich ist. Seine Schädigung kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, zum Beispiel Blutarmut durch Mangel an roten Blutkörperchen, Immunschwäche durch Mangel an weißen Blutkörperchen und Blutungsneigung durch Mangel an Blutplättchen. Die Messung der Energiedosis auf das rote Knochenmark ist laut Tran-Gia jedoch besonders schwierig, da nicht die Aktivität im gesamten Knochenmark, sondern gezielt im blutbildenden roten Knochenmark bestimmt werden muss. „Deshalb haben wir spezielle multimodale Bildgebungsverfahren wie dedizierte Magnetresonanztomographie- oder CT-Techniken entwickelt, um den Fett-, Wasser und Knochenanteil im Knochenmark zu bestimmen und so die für die Berechnung der Energiedosis relevante Masse des roten Knochenmarks zu quantifizieren“, sagt Tran-Gia. Validiert werden die Verfahren durch Messungen an 3D-Modellen, die er mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt. „Mit unseren neuen bildgebenden Verfahren können wir die Verteilung der radioaktiven Substanzen im Körper genauer verfolgen und so die Dosis auf das rote Knochenmark präziser bestimmen“, ergänzt Tran-Gia. Parallel dazu arbeitet er daran, die Bildgebung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu beschleunigen, um diese in der klinischen Routine effizienter einsetzen zu können. Die Verbesserung dieser Bildgebung war auch das Thema seiner Habilitation. In Zusammenarbeit mit dem National Physics Laboratory in Großbritannien und führenden europäischen Kliniken hat er zudem ein Standardisierungsverfahren für die quantitative Bildgebung in der Dosimetrie entwickelt, um sowohl europaweit als auch weltweit vergleichbare Messergebnisse zu gewährleisten (publiziert in EJNMMI Physics DOI: 10.1186/s40658-021-00397-0).

Prätherapeutische Dosimetrie: Der erste Schritt zur personalisierten Radionuklidtherapie

Auch die Nieren spielen eine wichtige Rolle bei der Dosimetrie, da die meisten radioaktiven Arzneimittel über die Niere ausgeschieden werden und diese daher besonders belastet sind. Derzeit werden die meisten Radionuklidtherapien jedoch mit einer Standarddosierung verabreicht, ohne Rücksicht auf individuelle Unterschiede. „Das bedeutet, dass ein 150 Kilo schwerer Holzfäller die gleiche Therapieaktivität erhält wie eine 50 Kilo leichte zierliche ältere Dame, obwohl ihre Stoffwechsel ganz unterschiedlich sind“, erläutert Johannes Tran-Gia. Das habe zur Konsequenz, dass man das Risiko in Kauf nimmt, neun von zehn Patientinnen und Patienten zu unterdosieren, um eine Person mit einem niedrigeren Stoffwechsel zu schützen. Prätherapeutische Dosimetrie könnte hier Abhilfe schaffen: Durch eine Voruntersuchung ließe sich bestimmen, welcher Strahlenexposition die Nieren des einzelnen Patienten tatsächlich ausgesetzt wären. So könnte die therapeutische Aktivität oder die Anzahl der Therapiezyklen individuell angepasst werden. Diese Voruntersuchungen, die ein erster Schritt auf dem Weg zur personalisierten Radionuklidtherapie wären, werden derzeit jedoch nicht von den Krankenkassen finanziert. 

„Es findet gerade ein großer Umbruch statt, den ich mitgestalten kann“

Die individualisierte Radionuklidtherapie gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht zuletzt angesichts der weltweit steigenden Zahl diagnostizierter Krebserkrankungen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen. „Hier werden wir in den nächsten Jahren große Fortschritte sehen“, ist sich Johannes Tran-Gia sicher. Ein besonders relevantes Anwendungsfeld ist das Prostatakarzinom, an dem jeder vierte Mann im Laufe seines Lebens erkrankt. In Deutschland ist es nach Lungenkrebs die zweithäufigste zum Tode führende Krebserkrankung bei Männern. „Das Krankheitsbild hat daher eine enorme Relevanz und einen riesigen Markt“, erklärt Tran-Gia. 

Deutschland nimmt bei der Dosimetrie der Radionuklidtherapie eine führende Rolle ein, da Patientinnen und Patienten aus strahlenschutzrechtlichen Gründen während der Behandlung mindestens zwei Tage stationär bleiben müssen. „In dieser Zeit können wir viele der für die Dosimetrie wichtigen Messungen durchführen. Unser Ziel ist es, die Energiedosis in Risikoorganen wie den Nieren künftig im Arztbrief zu dokumentieren. Dadurch könnten retrospektiv Korrelationen zwischen Energiedosis und Nebenwirkungen hergestellt werden. Im Idealfall kommen dann noch weitere Parameter wie Geschlecht, Lebensstil und klinische Daten hinzu, so dass man eines Tages vielleicht sogar vorhersagen kann, wie empfindlich Menschen mit einer bestimmten Vorgeschichte auf die Strahlung reagieren, beispielsweise ob sie Raucher waren oder übergewichtig,“ erklärt Tran-Gia. Positiv für sein Forschungsfeld bewertet Johannes Tran-Gia auch, dass Deutschland durch das Medizinforschungsbeschleunigungsgesetz die Zulassung von Radionuklidtherapien erleichtern und bürokratische Hürden abbauen will. 

„Es findet gerade ein großer Umbruch statt, den ich mitgestalten kann“, freut sich Tran-Gia. Die Professur in Würzburg sei für ihn wie ein Sechser im Lotto. Er brenne für diese Forschung, die viel Potenzial habe, sehr interdisziplinär sei und zudem sehr nah am Patienten.

Werdegang von Johannes Tran-Gia

Johannes Tran-Gia wurde 1984 in Stuttgart geboren. Nach einer Zwischenstation in Zürich zog seine Familie noch im Kindergartenalter nach Würzburg, wo sein Vater, der 2023 verstorbene Phuoc Tran-Gia, einen Ruf auf den Lehrstuhl für Informatik III „Kommunikationsnetze“ annahm. Phuoc Tran-Gia war ein herausragender, international renommierter Wissenschaftler, der zwei Jahre Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik und drei Jahre Vizepräsident der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gewesen war und 2020 zum Ehrenbürger ernannt wurde. Durch dessen Forschungs- und Lehrtätigkeit und zahlreiche Auslandsaufenthalte lernte Johannes Tran-Gia schon früh den Wissenschaftsbetrieb kennen. Er studierte Physik in Würzburg und Edinburgh, machte seinen Master in Schottland und später sein Diplom in Würzburg. Nach einer zehnmonatigen Weltreise promovierte er am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des UKW mit einem durch die Exzellenzinitiative geförderten Stipendium der Graduate School of Life Sciences (GSLS) zum Thema „Modellbasierte Rekonstruktionsmethoden für die MR-Relaxometrie“. Besonders gefielen ihm die medizinischen und praktischen Aspekte seiner Arbeit. Während seiner Promotionszeit und darüber hinaus baute er am UKW sowie auf zahlreichen Dienstreisen ein breites Netzwerk an Kooperationen auf und forschte unter anderem ein halbes Jahr lang als Postdoc an der Case Western Reserve University in Cleveland, USA. Zurück in Würzburg spezialisierte sich Johannes Tran-Gia als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Nuklearmedizin und schloss die Weiterbildung zum Medizinphysik-Experten (MPE) ab. Anschließend habilitierte er sich in der Arbeitsgruppe „Medizinische Physik“. Mit Wirkung zum 20.12.2024 wurde Johannes Tran-Gia zum W2-Universitätsprofessor für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ an der Universität Würzburg ernannt – zunächst für die Dauer von fünf Jahren.

Was ist Theranostik
Theranostik setzt sich aus den Wörtern Therapie und Diagnostik zusammen. Sie kombiniert die Spezifität der molekularen Zielerkennung mit der therapeutischen Wirksamkeit von Strahlung. Der Unterschied zwischen Diagnostik und Therapie mit radioaktiven Substanzen liegt in der Art der verwendeten Radionuklide. Um festzustellen, wo und wie sich Krebszellen im Körper verteilen, wird ein radioaktives Arzneimittel mit einem Isotop schwach ionisierender Strahlung injiziert. Dieses gibt so genannte Gammastrahlung ab, die den Körper nahezu ungehindert durchdringt und mit bildgebenden Verfahren wie SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) oder PET (Positronen-Emissions-Tomographie) von außen nachgewiesen werden kann. Die radioaktive Substanz wird an ein spezifisches Trägermolekül (Pharmakon) gebunden, das gezielt Krebszellen anhand ihrer charakteristischen Zielstrukturen wie Rezeptoren, Proteinen oder Antigenen erkennt und dort bindet. Nach der Verabreichung des so genannten Tracers verteilt sich das Radiopharmakon im Körper und reichert sich im Tumorgewebe an. Sobald der Tracer zerfällt und ausgeschieden wird, bleibt nur noch der so genannte spezifische Uptake in den Krebszellen sichtbar. Bei der Diagnostik ist die Strahlenexposition sehr gering und laut Johannes Tran-Gia vergleichbar mit der eines Vielfliegers. Bei der Radionuklidtherapie werden die Trägermoleküle mit Radionukliden markiert, die Beta- oder Alphateilchen abgeben. Diese Teilchenstrahlung hat eine sehr geringe Reichweite und induziert lokal Strahlenschäden, wodurch Tumorgewebe gezielt zerstört werden kann, während das umliegende Gewebe weitgehend geschont wird.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation 
 

Porträt von Johannes Tran-Gia in der Nuklearmedizin
Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), erhält von der DFG geförderte Heisenberg-Professur für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia hält in der Hand ein 3D-gedrucktes Modell der Lendenwirbelsäule, zeigt mit der anderen Hand darauf und schaut seine Kollegin links im Bild an.
Durch Messungen an 3D-Modellen wie hier der Lendenwirbelsäule, die Johannes Tran-Gia mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt, werden die speziellen multimodalen Bildgebungsverfahren validiert. Dazu wird das so genannte Phantom mit radioaktiver Lösung befüllt. © Daniel Peter / UKW
Arbeitsgruppe von Johannes Tran-Gia posiert im Flur des UKW - alle bis auf Tran-Gia tragen weiße Kittel
AG Tran-Gia, v.l.n.r.: Maikol Salas Ramirez, Amelie Gehring, Samira Kamrani, Junnan Bao, Anna-Lena Theisen, Lenka Vávrová, Johannes Tran-Gia. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia zwischen seinen Kolleginnen vor einem 3D-Druckgerät.
Johannes Tran-Gia mit seinen Mitarbeiterinnen Amelie Gehring (links) und Anna-Lena Theisen im 3D-Drucklabor. © Daniel Peter / UKW
3D-gedruckter Lendenwirbel im Formlabs Cure
In der UV-Kammer härtet der 3D-gedruckte Lendenwirbelkörpers aus. © Daniel Peter / UKW
Hier wird an vier Figuren beschrieben, wie die Radionuklidtherapie funktioniert. Injektion eines Radiopharmakons, Verteilung im Körper, Ausscheidung über Niere und Blase und spezifischer Uptake im Tumor, sowie therapeutische Strahlenexposition (nur der Tumor leuchtet im Körper).

Anerkennung dessen, was war und sein kann

Würzburger Humanbiologe Maik Luu in Junges Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen

Maik Luu mit grauem Jacket, schwarzer Krawatte und violettem Hemd lehnt an einer Spiegelfassade und lächelt in die Kamera.
Der Humanbiologe Dr. Maik Luu vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie es Uniklinikums Würzburg wurde in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. „Die Aufnahme in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ist eine große Ehre und eine Anerkennung dessen, was bisher war und was in Zukunft sein kann“, sagt Maik Luu vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Der promovierte Humanbiologe vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie wurde jetzt zusammen mit vier weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das Junge Kolleg der Gelehrtengemeinschaft mit Sitz in München aufgenommen. Die im Jahr 1759 gegründete Bayerische Akademie der Wissenschaften (BAdW) ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der größten Akademien in Deutschland, die sich als außeruniversitäre Forschungseinrichtung von internationalem Rang versteht. In ihr arbeiten führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an großen, oft langfristig angelegten Forschungsvorhaben. Seit 15 Jahren fördert die BAdW mit ihrem Jungen Kolleg explizit auch den herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern, indem sie Freiräume für die Forschung und ein Forum für den Austausch bietet. Ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme in das Junge Kolleg ist der innovative und kreative Charakter des Forschungsvorhabens.

Mit Stoffwechselprodukten des Mikrobioms das Immunsystem auf Trab bringen

Maik Luu erforscht mit seinem Team in Würzburg, wie sich Stoffwechselprodukte des Mikrobioms nutzen lassen, um gentechnisch veränderte Immunzellen, so genannte CAR-T-Zellen, in der Krebstherapie noch effektiver zu machen. Die mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestatteten T-Zellen haben die Behandlung von Blutkrebs bereits revolutioniert, stoßen aber bei soliden Tumoren noch an ihre Grenzen. Das will Maik Luu ändern, der bereits in seiner Doktorarbeit an der Philipps-Universität Marburg untersuchte, wie das Immunsystem auf verschiedene Bakterien der Darmflora und deren Stoffwechselprodukte reagiert. Das Junge Kolleg, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert wird, unterstützt seine Forschung mit einem frei verwendbaren Stipendium in Höhe von 1.000 Euro monatlich für drei Jahre.

Wissenschaftlicher Dialog und fachübergreifender Austausch

Neben der finanziellen Förderung freut sich Maik Luu auf den wissenschaftlichen Dialog und den interdisziplinären Austausch, sowohl mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten untereinander als auch mit den etablierten Mitgliedern der Akademie. „In meinem Fall geht es zum Beispiel um ethische Fragen, wie weit die Gentherapie gehen kann und darf, aber auch um den Zugang zur Therapie für eine größere Patientengruppe“, berichtet Maik Luu. Gesellschaftliche Themen sollen aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden. Außerdem sei er gespannt, wie es den anderen Kollegiatinnen und Kollegiaten auf ihrem Karriereweg geht. Welche Ängste und Sorgen haben sie? Wie führen sie ihre Teams? Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? Mit Maik Luu wurden eine Chemikerin und ein Chemiker, eine Juristin und ein Theologe in das Junge Kolleg aufgenommen. Sie sind verpflichtet, pro Förderperiode einen Vortrag über ihr Forschungsprojekt zu halten, ein interdisziplinäres Kolloquium zu organisieren und Diskussionsabende zu aktuellen Themen zu veranstalten.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sind für die Dauer der Förderung außerordentliche Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und nehmen an den Sitzungen der Gelehrtengemeinschaft teil. Die Dauer der Mitgliedschaft im Jungen Kolleg beträgt in der Regel drei Jahre, kann aber um bis zu drei Jahre verlängert werden. Bei Berufung auf eine Professur oder Übernahme einer anderen unbefristeten Stelle endet die Mitgliedschaft vorzeitig. 

Maik Luu hat bereits eine Tenure-Track-Professur für Translationale Medizin. Bewährt er sich, wird die Juniorprofessur in eine unbefristete Lebenszeitprofessur umgewandelt. 

Allein die Möglichkeit, sich und seine Forschung in der Akademie vorzustellen, war für ihn eine große Ehre. Maik Luu: „Wer hätte gedacht, dass der kleine Junge aus Eschweiler, dessen Eltern einst als Boatpeople nach Deutschland kamen, vor einer Jury aus arrivierten Gelehrten sprechen darf und dann auch noch aufgenommen wird. Das ist ein großer Erfolg für mich persönlich, aber auch für mein Team. Es zeigt, dass wir mit unserer Forschung auf dem richtigen Weg sind.“

Hier geht es Pressemeldung der BAdW.
Hier geht es zur Pressemeldung anlässlich der Juniorprofessur von Dr. Maik Luu.
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Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Maik Luu mit grauem Jacket, schwarzer Krawatte und violettem Hemd lehnt an einer Spiegelfassade und lächelt in die Kamera.
Der Humanbiologe Dr. Maik Luu vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie es Uniklinikums Würzburg wurde in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. © Daniel Peter / UKW

Hochrisikomerkmale beim Multiplen Myelom

KOMBINATION AUS FISH UND SKY92 VERBESSERT DIAGNOSTIK

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), zeigt, dass eine Kombination von zwei diagnostischen Methoden (FISH und SKY92) hilft, Hochrisikopatientinnen und -patienten mit Multiplem Myelom zu identifizieren. Die in der Fachzeitschrift HemaSpere veröffentlichte Studie ebnet den Weg für gezieltere und wirksamere Behandlungspläne.

 

Die vier Mediziner in weißen Kitteln nebeneinander im Büro von Hermann Einsele.
Vertreter des Studienteams im Würzburger Myelomzentrum v.l.n.r.: Hermann Einsele, Martin Kortüm, Leo Rasche und Erstautor Xiang Zhou. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Das Multiple Myelom ist nach der Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung, bei der verschiedene bösartige Tumorherde im Knochenmark entstehen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 7.000 Menschen an dieser Krebsform, die bislang nicht dauerhaft geheilt werden kann. Durch neue Therapiemöglichkeiten hat sich die Prognose für viele Patientinnen und Patienten verbessert. Bei einem Hochrisiko-MM (HR-MM) schreitet die Erkrankung jedoch schneller voran und die Überlebenschancen sind trotz moderner Behandlungsmethoden deutlich schlechter. Umso wichtiger ist eine frühe und genaue Risikoeinschätzung. Denn klinische Studien konnten zeigen, dass eine risikoadaptierte Therapie die Prognose verbessern kann.

Klinische und genetische Hochrisikomerkmale beim Multiplen Myelom

Es gibt klinische Hochrisikomerkmale wie die extramedulläre Erkrankung oder die Plasmazellleukämie, wenn sich die Myelomzellen außerhalb des Knochenmarks ausbreiten oder im Blut zirkulieren. Darüber hinaus gibt es genetische Faktoren, die auf ein hohes Risiko hinweisen. Um Veränderungen im Erbgut der Krebszelle zu erkennen, darunter die Chromosomenveränderungen del(17p), t(4;14) und +1q21, wird die zytogenetische Analyse mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) eingesetzt. Zusätzlich kann eine Genexpressionsanalyse tiefere biologische Einblicke in die Erkrankung geben. Der SKY92-Biomarker besteht aus 92 Genen, deren Aktivität in bösartigen Myelom-Plasmazellen die Aggressivität des Myeloms bestimmen. 

FISH und SKY92: Zwei Methoden zur Risikoeinschätzung kombiniert

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung am Uniklinikum Würzburg (UKW), kombinierte in ihrer in der Fachzeitschrift HemaSpere publizierten Studie die diagnostischen Methoden FISH und SKY92 und analysierte, wie effektiv diese Kombination im klinischen Alltag ist, um Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko zu identifizieren. Dazu untersuchten sie das Knochenmark von 258 Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom, davon 109 mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom (NDMM) und 149 mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom (RRMM). 

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von FISH und SKY92 eine genauere Risikoeinschätzung ermöglicht. SKY92 hilft bei der Identifizierung von Hochrisikoerkrankungen, die mit FISH nicht erkannt werden, sowie bei der Identifizierung von Patienten mit Ultra-Hochrisiko-Merkmalen“, sagt Dr. Xiang Zhou, Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik II des UKW unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Einsele und Erstautor der Studie. 

„Unsere Erkenntnisse könnten in Zukunft dazu beitragen, die Behandlung besser auf das individuelle Risiko abzustimmen“, ergänzt Martin Kortüm. „Wenn wir ein erhöhtes Risiko frühzeitig kennen, könnten wir zum Beispiel aggressivere Therapien früher einsetzen oder neue Behandlungsansätze in Studien testen.“

Das Myelomzentrum am UKW ist eines der europaweit führenden Zentren für die Behandlung des Multiplen Myeloms und derzeit der einzige Anbieter des innovativen SKY92-Tests in Deutschland. „Die Anwendung ist allerdings noch experimentell“, erklärt Martin Kortüm. „Wir planen aber weitere Schritte, um unseren Patientinnen und Patienten diesen Test auch in der Regelversorgung anbieten zu können.“

www.ukw.de/myelomzentrum

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Publikation: 
Xiang Zhou, Annika Hofmann, Benedict Engel, Cornelia Vogt, Silvia Nerreter, Yoko Tamamushi, Friederike Schmitt, Maria Leberzammer, Emilia Stanojkovska, Marietta Truger, Xianghui Xiao, Christine Riedhammer, Maximilian J Steinhardt, Mara John, Julia Mersi, Seungbin Han, Umair Munawar, Johannes M Waldschmidt, Claudia Haferlach, Hermann Einsele, Leo Rasche, K Martin Kortüm. Combining SKY92 gene expression profiling and FISH (according to R2-ISS) defines ultra-high-risk Multiple Myeloma. Hemasphere. 2025 Jan 23;9(1):e70078. doi: 10.1002/hem3.70078. PMID: 39850647; PMCID: PMC11754766.
 

Die vier Mediziner in weißen Kitteln nebeneinander im Büro von Hermann Einsele.
Vertreter des Studienteams im Würzburger Myelomzentrum v.l.n.r.: Hermann Einsele, Martin Kortüm, Leo Rasche und Erstautor Xiang Zhou. © Kirstin Linkamp / UKW

3D-Modell zur Untersuchung von Glioblastomen

RESISTENZEN DES HIRNTUMORS GEGEN CHEMOTHERAPIEN BESSER VERSTEHEN

Mit der Etablierung eines 3D-Zellkulturmodells, das die natürliche Umgebung des Hirntumors und die Wechselwirkungen zwischen den Zellen realistisch nachbildet, lieferte Prof. Dr. Carmen Villmann mit ihrer Arbeitsgruppe in der Klinischen Neurobiologie sowie Partnerinnen und Partnern der Universitätsmedizin Würzburg und des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs SFB TRR 225 „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“ einen wichtigen Baustein in der translationalen Forschung, um die Mechanismen des Tumorwachstums und seiner Eindämmung besser zu verstehen.

 

Andrade Mier hält einen Träger mit den Gerüsten hoch, die Forschenden im Kittel sind unscharf im Hintergrund zu sehen.
Mateo S. Andrade Mier und Carmen Villmann betrachten die Gerüste aus Mikrofasern, die den ultraweichen Biotinten und lebenden Zellen Struktur geben. © Daniel Peter / UKW
Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sitzen vor einem Mikroskop, Carmen Villmann gestikuliert mit Händen.
Mateo S. Andrade Mier ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carmen Villmann am Institut für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg. © Daniel Peter / UKW
Hinterköpfe von Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sind vor einem PC-Monitor zu sehen, der eine mikroskopische Aufnahme der eingefärbten Zell-Zell-Kontakte zeigt.
Carmen Villmann und Mateo S. Andrade Mier analysieren nach 3D Rekonstruktion die Zell-Zell-Kontakte der Tumorzellen mit den umgebenden Neuronen. © Daniel Peter / UKW
Collage aus drei Bildern - oben groß das Gerüst, unten der Vergleich mit einem 1 Cent-Geldstück, rechts eine mikroskopische Aufnahme.
Darstellung der Dimensionen des 3D-Modells. Die Mikrofasergerüste sind im Durchmesser kleiner als eine 1-Cent-Münze. In diesen Gerüsten wachsen die Tumoren im Hydrogel zusammen mit Neuronen und Astrozyten. Der Blick ins Mikroskop verrät die tatsächlichen Interaktionen der Zelltypen (gelb: Neuronen, pink: Tumorzellen). © Carmen Villmann und Daniel Peter / UKW

Würzburg. Das Glioblastom ist der aggressivste bösartige Hirntumor bei Erwachsenen und eine der herausforderndsten Krebserkrankungen der Neurologie und Neurochirurgie. Denn Glioblastome wachsen schnell und infiltrieren das umliegende Hirngewebe, was eine vollständige chirurgische Entfernung nahezu unmöglich macht. Zudem sind diese Tumoren sehr resistent gegen Therapeutika. Glioblastome sind bisher nicht heilbar. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt etwa 18 Monate.

Um zu verstehen, warum beispielsweise Chemotherapeutika nicht wirken und wie diese Resistenzen überwunden werden können, entwickelte die Klinische Neurobiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ein translationales 3D-Zellkultursystem, an dem die Interaktionen von Hirntumorzellen (Glioblastom) mit gesunden Gehirnzellen untersucht werden können. Das 3D-Modell basiert auf Neuronen (Nervenzellen), Astrozyten (spezialisierte Gliazellen des zentralen Nervensystems) und Tumorzellen der Maus.

Mechanismen des Tumorwachstums und dessen Eindämmung besser verstehen

„Wir konnten zeigen, dass dieses Glioblastom-Modell die Mikroumgebung des Tumors und die Zell-Zell-Interaktionen, wie wir sie von in vivo Xenograft-Modellen kennen, sehr gut simuliert. Das heißt, unser 3D-Modell bildet die natürliche Umgebung und die Wechselwirkungen zwischen den Zellen realistisch ab, ähnlich wie bei Experimenten mit lebenden Organismen. Mit dem Modell können wir Chemotherapeutika und deren Wirkmechanismus auf das Tumorwachstum untersuchen und manipulieren“, erklärt Mateo S. Andrade Mier. Der Doktorand veröffentlichte sein Forschungsprojekt jetzt als Erstautor in der Fachzeitschrift Advanced Functional Materials.

Prof. Dr. Carmen Villmann, Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Klinische Neurobiologie, erläutert die Relevanz: „Mit der Etablierung eines 3D-Zellkulturmodells, das ähnliche Eigenschaften wie die in vivo Situation aufweist, haben wir einen wichtigen Baustein für die translationale Forschung geliefert, um die Mechanismen des Tumorwachstums und dessen Eindämmung besser zu verstehen.“

Spezielle Gerüste aus Mikrofasern wurden mit verschiedenen Zelltypen besiedelt

Auch wenn 3D hier einfach klingt, war das Druckverfahren aufgrund der Ultraweichheit des natürlichen Hirngewebes eine Herausforderung für sich, so Carmen Villmann. Denn derartige ultraweiche Biotinten oder Hydrogele würden sich wie Wasser an der Oberfläche ausbreiten und ließen sich nur schwer formen (siehe Info-Kasten). Um dieses Problem zu lösen, verwendete das interdisziplinäre Team zur Verstärkung des Modells spezielle Gerüste aus Mikrofasern, die mittels Biofabrikation in verschiedenen Formen gedruckt werden können und biokompatibel sind. Die Gerüste wurden mit verschiedenen Zelltypen besiedelt, was Langzeitstudien über mehrere Wochen ermöglichte.

In einem nächsten Schritt soll das 3D-Modell des Glioblastoms in ein rein humanes Modell unter Verwendung von induzierten pluripotenten Stammzellen, humanen Astrozyten, Mikrogliazellen und humanen Glioblastomzellen überführt werden. Dieses Modell kann dann verwendet werden, um die Resistenz dieser Tumoren gegenüber Therapeutika weiter zu untersuchen.

Sonderforschungsbereich SFB TRR 225: Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen

Das Projekt ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs SFB TRR 225 „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“, in dem Teams aus der Universitätsmedizin in Würzburg, Erlangen und Bayreuth Material-, Grundlagen- und klinische Wissenschaften zusammenführen. Ziel ist es, eigene Hydrogele zu entwickeln und zu charakterisieren sowie mit neuen Methoden Gewebemodelle zu etablieren, die für translationale Ansätze genutzt werden können. Für das 3D-System erstellten PD Dr. Jörg Tessmar und seine Arbeitsgruppe vom Würzburger Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde (FMZ) das Hydrogel, welche auf Hyaluronsäure basiert, einer wesentlichen Komponente der extrazellulären Matrix im Gehirn. Die Physikerin Prof. Dr. Katrin Heinze und ihr Team vom Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) trugen mit ihren exzellenten bildgebenden Möglichkeiten wesentlich zur Charakterisierung der Zell-Matrix und Zell-Zell-Interaktionen bei. Prof. Dr. Silvia Budday von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) übernahm zusammen mit Dr. Gregor Lang vom FMZ die wesentlichen Untersuchungen auf der Seite der Biomaterialien und der Biofabrikation.

Was ist 3D-Bioprinting
3D-Bioprinting ist eine innovative Technologie, bei der lebende Zellen mit Hilfe spezieller Biotinten und Hydrogele in präzise Gewebestrukturen gedruckt werden. So bieten Hydrogele mit ihren wasserreichen Polymeren eine ideale biochemische Umgebung, die das Zellwachstum fördert. Biotinten sind eine Mischung aus lebenden Zellen und Hydrogel-Materialien. Sie müssen flüssig genug sein, um durch die Druckdüse zu fließen, aber nach dem Druck stabil bleiben. In der medizinischen Forschung wird 3D-Bioprinting eingesetzt, um realistische Modelle menschlicher Gewebe und Organe für Medikamententests, Krankheitsstudien und regenerative Therapien herzustellen. Insbesondere in der Krebsforschung ermöglicht 3D-Bioprinting die Nachbildung der Tumormikroumgebung, um personalisierte Therapieansätze zu entwickeln. Die Technologie bietet eine vielversprechende Alternative zu Tierversuchen und klassischen Zellkulturen, da sie biologisch relevantere Ergebnisse liefert.

Publikation
Mateo S. Andrade Mier, Esra Türker, Jessica Faber, Mike Friedrich, Zan Lamberger, Jeannette Weigelt, Panthipa Suwannakot, Benedikt Gantert, Abhinav Singh, Vanessa Moessler, Annemarie Sodmann, Nicoletta Murenu, Joachim Schenk, Natascha Schaefer, Torsten Blunk, Aldo R. Boccaccini, Tessa C. Lühmann, Jörg Tessmar, Jeremy M. Crook, Eva Tomaskovic-Crook, Paul D. Dalton, Gregor Lang, Robert Blum, Reiner Strick, Silvia Budday, Katrin G. Heinze, Carmen Villmann. 3D In Vitro Glioma-Neuron-Astrocyte Biomimetic Composites Recapitulate Key Molecular Mechanisms Linked to Glioblastoma Multiforme Pathophysiology. Advanced Functional Materials. First published: 23 January 2025, doi.org/10.1002/adfm.202419211

Text: KL / Wissenschaftsredaktion
 

Andrade Mier hält einen Träger mit den Gerüsten hoch, die Forschenden im Kittel sind unscharf im Hintergrund zu sehen.
Mateo S. Andrade Mier und Carmen Villmann betrachten die Gerüste aus Mikrofasern, die den ultraweichen Biotinten und lebenden Zellen Struktur geben. © Daniel Peter / UKW
Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sitzen vor einem Mikroskop, Carmen Villmann gestikuliert mit Händen.
Mateo S. Andrade Mier ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carmen Villmann am Institut für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg. © Daniel Peter / UKW
Hinterköpfe von Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sind vor einem PC-Monitor zu sehen, der eine mikroskopische Aufnahme der eingefärbten Zell-Zell-Kontakte zeigt.
Carmen Villmann und Mateo S. Andrade Mier analysieren nach 3D Rekonstruktion die Zell-Zell-Kontakte der Tumorzellen mit den umgebenden Neuronen. © Daniel Peter / UKW
Collage aus drei Bildern - oben groß das Gerüst, unten der Vergleich mit einem 1 Cent-Geldstück, rechts eine mikroskopische Aufnahme.
Darstellung der Dimensionen des 3D-Modells. Die Mikrofasergerüste sind im Durchmesser kleiner als eine 1-Cent-Münze. In diesen Gerüsten wachsen die Tumoren im Hydrogel zusammen mit Neuronen und Astrozyten. Der Blick ins Mikroskop verrät die tatsächlichen Interaktionen der Zelltypen (gelb: Neuronen, pink: Tumorzellen). © Carmen Villmann und Daniel Peter / UKW

Eisenmangel und Blutarmut: Ein Teufelskreis fürs Herz

Eine im European Heart Journal veröffentlichte gemeinsame Studie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz am Universitätsklinikum Würzburg und der Atherothrombosis Research Unit des Mount Sinai Hospitals in New York zeigt, dass bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz eine gestörte Struktur und Funktion des Herzmuskels, Blutarmut (Anämie) und eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit eng mit Eisenmangel verknüpft sind. Anämie erwies sich als Marker für eine signifikante Verringerung des Eisengehaltes in den Herzmuskelzellen. Die Studie legt nahe, dass dem sympathischen Nervensystem eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Gleichgewichts zwischen zellulärem und zirkulierendem Eisen zukommt und dass viele günstige therapeutische Effekte von SGLT2-Hemmern wie Empagliflozin wesentlich auf ihre sympathikolytische Wirkung zurückzuführen sind.

Forschende stehen in einem Büro vor einem Regal mit Bechern in der Hand.
Bild von links nach rechts: Juan J Badimon, Georg Ertl, Christiane Angermann, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez. © privat
Bild vom mehrstöckigen modernen Gebäude des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz
Das Uniklinikum Würzburg mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz und der Medizinischen Klinik und Poliklinik I war wesentlich beteiligt an den Studien zum Sodium-Glukose-Transporter 2 (SGLT-2)-Hemmer bei Herzinsuffizienz, zur Wirkung der Gliflozine auf den Eisenstoffwechsel und aktuell zu den Effekten auf das sympathische Nervensystem. © Daniel Oppelt / UKW

Würzburg. Herzinsuffizienz ist eine Systemerkrankung. Sie geht mit zahlreichen Symptomen und Begleiterkrankungen wie Muskelschwäche und Blutarmut (Anämie) einher. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) und der Atherothrombosis Research Unit des Mount Sinai Hospitals in New York zeigte nun, dass eine Anämie* bei Herzinsuffizienz ein Marker für einen gestörten Eisenstoffwechsel sein kann. Dabei kann nicht mehr genügend Eisen in Gewebe wie das blutbildende System, die Skelettmuskulatur oder den Herzmuskel aufgenommen werden. Die Forschenden um Prof. Christiane Angermann und Prof. Juan J. Badimon beleuchten in ihrer im European Heart Journal veröffentlichten Untersuchung, dass dieser durch konventionelle Blutuntersuchungen nicht nachweisbare Mangelzustand der Zellen mit einer vermehrten Aktivität des sympathischen Nervensystems zusammenhängen könnte. Das sympathische Nervensystem spielt somit eine Schlüsselrolle im Krankheitsverlauf der Herzinsuffizienz. Die Studie zeigt auch, dass die komplexen Vorteile einer Therapie mit SGLT2-Inhibitoren (Gliflozinen) mit sympathikolytischen Effekten dieser Substanzklasse in Verbindung stehen könnten. Durch Verminderung der sympathischen Aktivität wird die Eisenaufnahme in verschiedene Gewebe zumindest teilweise wieder hergestellt. 

Eisen – Motor des Lebens

Eisen ist essentiell für die Bildung von Enzymen, Fetten und Proteinen sowie für viele Prozesse der Energiegewinnung, des Sauerstofftransports und der Sauerstoffspeicherung. Besonders wichtig ist Eisen für Zellen mit hoher Teilungsaktivität wie zum Beispiel blutbildende und Immunzellen und für Zellen mit hohem Energiebedarf wie Herz- und Skelettmuskelzellen. In der neuen Analyse der EMPATROPISM-FE-Studie konnte mittels Kernspintomographie signifikant weniger Eisen im Herzmuskel von Patientinnen und Patienten mit Anämie im Vergleich zu Patientinnen und Patienten ohne Anämie nachgewiesen werden. Gleichzeitig zeigte sich ein enger Zusammenhang zwischen Eisengehalt, Stresshormonspiegeln, schlechterer Pumpfunktion und maximaler körperlicher Belastbarkeit. Umgekehrt korrelierte ein höherer Eisengehalt im Herzmuskel mit mehr Hämoglobin und besserer Leistungsfähigkeit. Zusammengenommen unterstützen die Ergebnisse das Konzept, dass es ein übergreifendes Regulationsprinzip für die zelluläre Eisenaufnahme/-verfügbarkeit in verschiedenen Geweben wie Herzmuskel, Skelettmuskel und blutbildendem System gibt, das zentral über das sympathische Nervensystem gesteuert wird. 

Neues Wirkprinzip von SGLT2-Hemmern entdeckt: Empagliflozin zeigt positive Effekte auf Stresshormone, Eisenverfügbarkeit in Zellen und Herzfunktion 

In früheren klinischen Studien konnten SGLT2-Hemmer die Morbidität und Mortalität bei Herzinsuffizienz senken und die Lebensqualität verbessern. In der aktuellen Analyse der EMPATROPISM-FE-Studie reduzierte eine sechsmonatige Behandlung mit Empagliflozin im Vergleich zu Placebo bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Anämie das Stresshormon Noradrenalin im Blut, was mit einer verbesserten Eisenaufnahme in die Zellen einherging. Dabei nahmen Herzfunktion, Blutbildung und körperliche Belastbarkeit zu, während sich das im Blut messbare zirkulierende Eisen drastisch verminderte. Die enge Beziehung zwischen Eisen im Herzmuskel und Noradrenalin im Blut deutet darauf hin, dass therapeutische Effekte auf Wechselwirkungen zwischen dem sympathischen Nervensystem und SGLT2-Regulierung viele der günstigen Wirkungen von SGLT2-Hemmer erklären könnten. 

„Unsere Analyse legt nahe, dass Sympathikolyse ein zentraler Wirkmechanismus von SGLT2-Hemmern ist“, sagt Prof. Dr. Christiane Angermann, Seniorprofessorin am DZHI und Leiterin der Studie. „Diese neuen Ergebnisse liefern gute Argumente dafür, SGLT2-Hemmer und Eisenersatztherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und möglichem Eisenmangel zu kombinieren, unabhängig vom Bestehen einer Anämie, um damit den therapeutischen Gewinn zu optimieren.“ 

Die grundsätzliche Bedeutung der Studie unterstreicht auch das Editorial von Samira Lakhal-Littleton im European Heart Journal mit dem Titel „Anaemia, neurohormonal activation, and myocardial iron depletion in heart failure: can this vicious circle be broken?“

*definiert gemäß WHO als ein Hämoglobinwert von < 13 [12] g% bei Männern [Frauen]

Publikationen
Christiane E Angermann, Susanne Sehner, Louisa M S Gerhardt, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez, Tanja Zeller, Christoph Maack, Javier Sanz, Stefan Frantz, Georg Ertl, Juan J Badimon, Anaemia predicts iron homoeostasis dysregulation and modulates the response to empagliflozin in heart failure with reduced ejection fraction: the EMPATROPISM-FE trial, European Heart Journal, 2025; ehae917, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae917
Samira Lakhal-Littleton, Anaemia, neurohormonal activation, and myocardial iron depletion in heart failure: can this vicious circle be broken?, European Heart Journal, 2025; ehae798, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae798
 

Forschende stehen in einem Büro vor einem Regal mit Bechern in der Hand.
Bild von links nach rechts: Juan J Badimon, Georg Ertl, Christiane Angermann, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez. © privat
Bild vom mehrstöckigen modernen Gebäude des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz
Das Uniklinikum Würzburg mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz und der Medizinischen Klinik und Poliklinik I war wesentlich beteiligt an den Studien zum Sodium-Glukose-Transporter 2 (SGLT-2)-Hemmer bei Herzinsuffizienz, zur Wirkung der Gliflozine auf den Eisenstoffwechsel und aktuell zu den Effekten auf das sympathische Nervensystem. © Daniel Oppelt / UKW