Aktuelle Pressemitteilungen

Würzburger in „Champions League der Myelom-Forschenden“

Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist Teil eines großen, internationalen Konsortiums, welches von der amerikanischen Multiple Myeloma Research Foundation MMRF mit insgesamt 21 Millionen Dollar gefördert wird.

Tumorzellen, Immunzellen und stromale Zellen in einer Läsion des Multiplen Myeloms
Immunfluoreszenz Bild von einer extramedullären Läsion des Multiplen Myelom, also eines Tumorherdes außerhalb des Knochenmarks. Die bösartigen Plasmazellen sind blau eingefärbt, die T-Zellen grün und stromale Zellen wie Fibroblasten und Endothelzellen rot. © Angela Riedel / Uniklinikum Würzburg

Würzburg. Das Multiple Myelom ist der zweithäufigste Blutkrebs. Es entwickelt sich im Knochenmark und kann sich im ganzen Körper ausbreiten. Trotz aller medizinischen Fortschritte erleiden die meisten Patientinnen und Patienten einen Rückfall und lassen sich bis heute nicht heilen. Die amerikanische Multiple Myeloma Research Foundation (MMRF) ist die weltweit größte gemeinnützige Stiftung, die sich ausschließlich darauf konzentriert, wissenschaftliche und klinische Fortschritte in der Behandlung des Multiplen Myeloms voranzutreiben. Anfang November gab die Stiftung die Empfänger von drei so genannten MMRF Myeloma Accelerator Challenge (MAC) Program Grants bekannt, die sich auf zwei kritische Bereiche mit noch ungedecktem Bedarf beim Multiplen Myelom konzentrieren. Die drei Programme zielen darauf ab, mehrere Zentren zu vernetzen, ihre Ressourcen und Proben zu bündeln und überzeugende Hypothesen voranzutreiben, die rasch in klinischen Studien getestet werden können. Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist Teil eines dieser auf drei Jahre ausgelegten Projekte, die jeweils 7 Millionen Dollar erhalten. 

Hochrisikopatientinnen und Patienten im Fokus der europäischen Gruppe

„Mit dem Grant wurden wir sozusagen in die Champions-Leage der Myelom-Forschenden aufgenommen“, freut sich Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am UKW und Sprecher des neu gegründeten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT WERA. Neben ihm sind Prof. Dr. Martin Kortüm, Dr. Umair Munawar, Dr. Leo Rasche und Dr. Angela Riedel im Würzburger Team vertreten. Sie erarbeiten in der europäischen Gruppe gemeinsam mit dem Erasmus Medical Center in Rotterdam, dem Universitätsklinikum in Amsterdam sowie den Universitäten in Turin und Salamanca einen systembiologischen Ansatz für die Optimierung der Behandlung für Hochrisikopatientinnen und -patienten mit Multiplem Myelom. Die Betroffenen erleiden häufig sehr früh einen Rückfall und weisen im Vergleich zu Standardrisikopatientinnen und -patienten eine schlechtere Überlebensrate auf. 

„Wir werden untersuchen, was Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko und schlechterem Therapieansprechen von anderen unterscheidet. Durch die Kombination verschiedener Aspekte der Erkrankung werden wir eine integrierte Definition des Multiplen Myeloms mit hohem Risiko erarbeiten und damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu neuen, speziell auf diese Patientinnen und Patienten zugeschnittenen Therapien machen“, beschreibt Hermann Einsele das Projektvorhaben. Dafür stehen allein dem Würzburger Team zwei Millionen Dollar zur Verfügung.

Eine amerikanische Forschungsgruppe wird mit Hilfe modernster Technologien eine große Kohorte von Patientenproben auf genomischer und immunologischer Ebene analysieren, um die entscheidenden Ereignisse zu verstehen, die das Multiple Myelom mit hohem Risiko auslösen. Die Studien haben das Potenzial, neue Schwachstellen zu identifizieren, die mit CRISPR-Gen-Editing im Labor weiter untersucht werden.

Bei der dritten MAC-Förderung arbeitet ein weiteres amerikanisches Team an einer verbesserten Identifizierung des Hochrisiko-Smoldering-Myeloms (HR SMM). Das schwelende Myelom ist ein frühes, asymptomatisches Stadium, das sich zum aktiven Multiplen Myelom entwickeln kann.

Durch Zusammenarbeit und Finanzierung Forschungstempo beschleunigen 

„Die MAC Grants sind ein wichtiger neuer Teil unserer Investitionen, und wir freuen uns, dass die ausgewählten Programme mehrere Zentren zusammenbringen werden, um in hochgradig kooperativen Netzwerken zu arbeiten. Unser strategischer Plan identifiziert spezifische Forschungsbereiche, die mehr Aufmerksamkeit benötigen, und nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Zentren können wir schnell einen großen Satz von Patienten und Proben schaffen, die für neue Forschungsmethoden geeignet sind“, sagt George Mulligan, PhD, Chief Scientific Officer des MMRF. Michael Andreini, Präsident und CEO des MMRF fügt hinzu: „Das Forschungstempo muss beschleunigt werden, wenn wir den erheblichen ungedeckten Bedarf beim Multiplen Myelom decken wollen, und der Weg dorthin führt über Zusammenarbeit und Finanzierung. Die Zusammenführung verschiedener Teams durch unsere MAC-Zuschüsse, die normalerweise viele Hindernisse bei der Zusammenarbeit haben, wird diese Forschungsprioritäten stärker fokussieren und ausweiten, was zu schnelleren und wirkungsvolleren Erkenntnissen für die Patientinnen und Patienten führen wird."


Über die Multiple Myeloma Research Foundation® (MMRF®):

Die Multiple Myeloma Research Foundation® (MMRF®) aus Norwalk/Connecticut tätigt bedeutende strategische Investitionen, um solide molekulare und klinische Daten zu generieren und translationale Forschung zu betreiben, die zu besseren Behandlungsmöglichkeiten des Multiplen Myeloms führt. Im Mittelpunkt des Stiftungsauftrags steht das Engagement für mehr gesundheitliche Chancengleichheit, damit alle Myelompatientinnen und -patienten von den wissenschaftlichen und klinischen Fortschritten profitieren können, welche die Forschenden verfolgen. Seit der Gründung hat die MMRF über 500 Millionen Dollar für die Forschung aufgebracht, fast 100 klinische Studien eingeleitet und dazu beigetragen, dass mehr als 15 von der FDA zugelassene Therapien auf den Markt kamen, die die Lebenserwartung von Myelompatientinnen und -patienten verdreifacht haben. Weitere Informationen finden Sie unter www.themmrf.org

Über das Multiple Myelom und Würzburgs Beitrag zur Erforschung und Anwendung von Immuntherapien: 

Das Multiple Myelom ist nach der Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung, bei der es zu verschiedenen bösartigen Tumorherden im Knochenmark kommt. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen „multiple“ für vielfach und dem Griechischen „myelos“ für Mark ab. Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 7.000 Menschen die Diagnose. Das Erkrankungsrisiko steigt in höherem Alter deutlich an. Bei den Betroffenen vermehren sich entartete Plasmazellen unkontrolliert und verdrängen die gesunden weißen Blutkörperchen, die für die Produktion von Antikörpern zuständig sind. Aufgrund der veränderten Immunität kommt es vermehrt zu Infektionen, die Knochenstruktur wird zerstört, Nerven und Organe werden geschädigt, die Betroffenen leiden unter Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Dauerhaft geheilt werden kann diese Krebserkrankung noch nicht. Denn auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie müssen die Betroffenen immer mit einem Rezidiv rechnen. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden.
Als große Hoffnungsträger gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) spielt bei der Erforschung, Anwendung und Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende Rolle. So wird in Würzburg das größte Myelom-Programm in Europa mit vielem klinischen Studien und Begleitforschung zu den neuesten Therapieformen wie CAR-T-Zellen und verschiedenen T-Zell-aktivierenden (bispezifischen) Antikörpern angeboten. 
 

Tumorzellen, Immunzellen und stromale Zellen in einer Läsion des Multiplen Myeloms
Immunfluoreszenz Bild von einer extramedullären Läsion des Multiplen Myelom, also eines Tumorherdes außerhalb des Knochenmarks. Die bösartigen Plasmazellen sind blau eingefärbt, die T-Zellen grün und stromale Zellen wie Fibroblasten und Endothelzellen rot. © Angela Riedel / Uniklinikum Würzburg

Prof. Dr. Rudolf Hagen jetzt Präsident des internationalen Netzwerks HEARRING

Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Hagen, der ehemalige Direktor der Würzburger Universitäts-HNO-Klinik, wurde Ende Oktober dieses Jahres zum Präsidenten der HEARRING-Gruppe gewählt. Das unabhängige Netzwerk bringt die Expertise von 36 internationalen Hörimplantat-Zentren zusammen.

Der neue HEARRING-Präsident Prof. Dr. Rudolf Hagen (links) und HNO-Spezialist Prof. Dr. Mario Zernotti
Bei der Jahrestagung diskutierte der neue HEARRING-Präsident Prof. Dr. Rudolf Hagen (links) unter anderem mit dem argentinischen HNO-Spezialisten Prof. Dr. Mario Zernotti. Bild: Michael Bogár
Prof. Dr. Rudolf Hagen mit den Teilnehmenden der HEARRING-Jahrestagung 2023 in der Würzburger Residenz
Prof. Dr. Rudolf Hagen (vorne links) mit den Teilnehmenden der HEARRING-Jahrestagung 2023 in der Würzburger Residenz. Bild: Michael Bogár

Würzburg. Die internationale HEARRING-Gruppe engagiert sich in der Spitzenforschung auf dem Gebiet der Hörimplantate, in der Verbesserung audiologischer Verfahren sowie in der Entwicklung und Perfektionierung chirurgischer Techniken. Das unabhängige Netzwerk ist ein Zusammenschluss von 36 Comprehensive Hearing Centers weltweit – von Antwerpen/Belgien über Perth/Australien bis Würzburg/Deutschland. Ende Oktober dieses Jahres kamen Vertreterinnen und Vertreter der Vereinigung zu ihrem Jahrestreffen in Würzburg zusammen. Dabei wurde Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Hagen für die kommenden fünf Jahre zum HEARRING-Präsidenten gewählt. Der international renommierte Experte leitete bis zu seiner Pensionierung Ende September 2023 18 Jahre lang die Würzburger Universitäts-HNO-Klinik.

Organisation von Tagungen und Hearing-Camps

„Mit der Präsidentschaft ist zum einen die Organisation vieler Tagungen weltweit verbunden“, berichtet Prof. Hagen und fährt fort: „Zum anderen geht es darum, in unterentwickelten Regionen der Erde sogenannte Hearing-Camps zu veranstalten, bei denen Operateurinnen und Operateure sowie Hörspezialistinnen und -spezialisten unabhängige Versorgungseinheiten für Schwerhörige und Taube aufbauen.“
Das dahinterstehende Problem ist immens. Tatsächlich gibt es in vielen Gebieten keine ausreichenden Maßnahmen gegen Schwerhörigkeit, was sich auf die schulischen Leistungen und die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt. So erhalten in Entwicklungsländern Kinder mit Hörverlust und Taubheit selten eine Schulausbildung. Zusätzlich zum persönlichen Leid schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass unbehandelter Hörverlust die Weltwirtschaft jährlich 980 Milliarden US-Dollar kostet.
 

Der neue HEARRING-Präsident Prof. Dr. Rudolf Hagen (links) und HNO-Spezialist Prof. Dr. Mario Zernotti
Bei der Jahrestagung diskutierte der neue HEARRING-Präsident Prof. Dr. Rudolf Hagen (links) unter anderem mit dem argentinischen HNO-Spezialisten Prof. Dr. Mario Zernotti. Bild: Michael Bogár
Prof. Dr. Rudolf Hagen mit den Teilnehmenden der HEARRING-Jahrestagung 2023 in der Würzburger Residenz
Prof. Dr. Rudolf Hagen (vorne links) mit den Teilnehmenden der HEARRING-Jahrestagung 2023 in der Würzburger Residenz. Bild: Michael Bogár

Die Welt der Leitlinienimplementierung vor, während und nach der Pandemie

Eine am DZHI Würzburg durchgeführte Untersuchung beschreibt die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und den Einfluss der neuen europäischen Herzinsuffizienz-Leitlinien auf die Medikamentenverordnung im Versorgungsalltag. Diese Analyse von Apothekendaten deutet darauf hin, dass evidenzbasiertes klinisches Wissen in der realen Herzinsuffizienz-Versorgung in Deutschland zunehmend besser angenommen wird. Dies scheint durch die neuen ESC-Leitlinien gefördert, aber durch die COVID-19-Pandemie gebremst worden zu sein.

Hi-Nurse überreicht Dose mit Medikamenten
Zu Beginn der COVID-19-Pandemie gingen die Konsultationen in kardiologischen und allgemeinmedizinischen Praxen um rund 40 Prozent zurück. Das hat sich auch auf die Herzinsuffizienz-Versorgung ausgewirkt. Die Verschreibungszahlen von wichtigen Arzneimitteln brachen ein. © R. Kochanowski / DZHI

Würzburg. Herzinsuffizienz ist in Deutschland die häufigste Einzeldiagnose bei Klinikaufnahmen und hat eine ernste Prognose: nur jede zweite Person mit Neudiagnose Herzinsuffizienz wird die folgenden fünf Jahre überleben. Eine frühzeitige, medizinische Therapie kann jedoch stationäre Aufenthalte reduzieren, Lebensqualität verbessern und die Überlebenswahrscheinlichkeit nachweislich erhöhen. Vor allem die Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF: heart failure with reduced ejection fraction) lässt sich inzwischen gut medikamentös behandeln. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt mit höchstem Nachdruck in ihren Leitlinien die Therapie mit vier Wirkstoffgruppen inklusive der beiden neuen Substanzklassen ARNI und SGLT2-Hemmer*, deren zusätzlicher Nutzen in mehreren Studien demonstriert wurde. 

Doch wie gut und schnell wird die neue Evidenz für diese neuartigen medikamentösen Therapien gemäß Leitlinien eigentlich in die tägliche Praxis umgesetzt? Und wie hat sich COVID-19-Pandemie auf die Verordnungsraten in der Herzinsuffizienz-Versorgung ausgewirkt? Ein Team namhafter Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Störk vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) am Uniklinikum Würzburg (UKW) hat sich die Verschreibungspraxis im Zeitraum 2016 bis 2023 genauer angeschaut und ihre Analysen jetzt im Fachjournal THE LANCET Regional Health Europe veröffentlicht. Im Fokus standen dabei die beiden neuen Wirkstoffklassen ARNI und SGLT2-Inhibitor. ARNI ist die Kombination aus dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril und dem Angiotensin-Rezeptor-Blocker Valsartan, das die europäischen Arzneimittelbehörde EMA im November 2015 zugelassen hat. SGLT2-Inhibitoren sind seit August 2021 in den Leitlinien empfohlen.** 

Verschreibungszahlen brachen zu Beginn der Covid-19-Pandemie ein

Konkret untersucht wurden Apothekendaten aus der Verschreibungsdatenbank IQVIA. Die Anzahl der Menschen, die mit Sacubitril/Valsartan behandelt wurden, stieg kontinuierlich an, von 5.260 im ersten Quartal 2016 auf 351.262 im zweiten Quartal 2023. Zeitgleich mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie verlangsamte sich das vierteljährliche Wachstum jedoch erheblich, um etwa 50 Prozent von 16.507 im ersten Quartal 2020 auf 8.804 im darauffolgenden Quartal. 

Ähnlich verhielt es sich bei den Neuverschreibungen. Diese stiegen zwar insgesamt von 5.238 im ersten Quartal 2016 auf 53.534 Verordnungen bis zum zweiten Quartal 2023. Zu Beginn der Pandemie, im Übergang vom ersten zum zweiten Quartal 2020 gingen die Verschreibungen von Sacubitril/Valsartan jedoch um 17,5 Prozent zurück (von 26.855 in Q1/2020 auf 22.145 in Q2/2020). Erst ein knappes Jahr später, im ersten Quartal 2021, wurde mit 27.197 Neuverschreibungen das Niveau vor der Pandemie erreicht. „In den klinischen Studien zu diesem Präparat haben wir gelernt, dass selbst stabile Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz von der Therapie mit Sacubitril/Valsartan im ersten Jahr deutlich profitiert haben. Der um ein Jahr verzögerte oder ausgesetzte Beginn dieser wichtigen Arzneimitteltherapie ist also für die Alltagsversorgung sehr relevant“, kommentiert Prof. Dr. Stefan Störk.

50.000 weniger kardiologische Konsultationen in einer Woche

Die vorliegende Analyse bestätigt die Ergebnisse einer umfassenden Übersichtsarbeit, die 81 Studien aus 20 Ländern berücksichtigt und einen pandemiebedingten Rückgang der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems insgesamt um 37 Prozent und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 29 Prozent aufzeigt. Das passt auch zum Trendreport des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Demnach sanken in Deutschland die Behandlungsfälle in kardiologischen Praxen in der letzten Märzwoche 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent, was 50.000 weniger Konsultationen in einer Woche bedeutet, und in allgemeinmedizinischen Praxen um 39 Prozent, was 500.000 weniger Konsultationen entspricht. 

Resilienz der Gesundheitssysteme bei Pandemien und anderen Krisen stärken 

„Unsere Daten verdeutlichen die negativen Folgen der Pandemie, einschließlich der Lockdown-Maßnahmen, und legen nahe, dass wir die Resilienz, also die Widerstandskraft unseres Gesundheitssystems stärken müssen, um uns für zukünftige Gesundheitskrisen zu wappnen. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten sowie zur Gesundheitsversorgung insgesamt für Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen sicherzustellen. Das betrifft zukünftige Pandemien, kann aber prinzipiell auch auf andere Krisen der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise Extremwetterereignisse beziehungsweise Überschwemmungen übertragen werden,“ fasst Dr. Fabian Kerwagen zusammen. Der angehende Kardiologe spezialisiert sich im DZHI auf die Versorgungsforschung und ist als Erstautor der Publikation „Impact of the COVID-19 pandemic on implementation of novel guideline-directed medical therapies for heart failure“.

Neue Leitlinien finden relativ schnell den Weg in die Praxis

Als äußerst positiv bewerten die Autoren die schnelle Umsetzung der neuen Leitlinien-Empfehlungen. „Wir haben gesehen, dass sowohl Sacubitril/Valsartan als auch die SGLT2-Hemmer nach Zulassung und Leitlinienempfehlung zunehmend rascher in der Versorgungsrealität ankommen und verschrieben werden“, stellt Fabian Kerwagen zufrieden fest. 

So konnte das Studienteam direkt nach der Zulassung des ersten SGLT2-Inhibitors für HFrEF Ende 2020 einen Anstieg der gemeinsamen Verschreibung von SGLT2-Inhibitor mit Sacubitril/Valsartan nachweisen. Dieser Trend beschleunigte sich mit den neuen ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz. Das vierteljährliche Wachstum für die Kombinationstherapie verdoppelte sich nahezu von 11.929 im dritten Quartal 2021 auf 22.033 im darauffolgenden Quartal und nahm danach weiter kontinuierlich zu. Zuletzt, im zweiten Quartal 2023, wurde die Kombinationstherapie (S/V und SGLT2-Inhibitor) 80.926 mal verordnet. Allerdings: Frauen und Patienten im Alter von über 80 Jahren wurden seltener mit einer Kombinationstherapie behandelt als Männer und jüngere Patienten. 

„Obwohl klinische Leitlinien zu einem immer besser angenommenen Eckpfeiler der klinischen Versorgung geworden sind, bestehen nach wie vor große Lücken zwischen der Evidenz aus den entscheidenden randomisierten Ergebnisstudien und der Akzeptanz der leitliniengerechten medikamentösen Therapie in der täglichen Praxis. Letztendlich sind noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, um zu verstehen, wie evidenzbasiertes klinisches Wissen effektiver in die Praxis umgesetzt und genutzt werden kann“, fasst Stefan Störk zusammen. 

*Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Natrium-Glukose-Co-Transporter-2-Inhibitoren (SGLT2-Hemmer)

** Im Juni 2021 hatte Empagliflozin nach Dapagliflozin als zweiter SGLT-2-Hemmer die Zulassungserweiterung für HFrEF erhalten.


Publikation: 
Fabian Kerwagen, Uwe Riemer, Rolf Wachter, Stephan von Haehling, Amr Abdin, Michael Böhm, Martin Schulz, Stefan Störk. Impact of the COVID-19 pandemic on implementation of novel guideline-directed medical therapies for heart failure in Germany: a nationwide retrospective analysis. The Lancet Regional Health - Europe, Volume 35, 2023, 100778,
ISSN 2666-7762, https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2023.100778.
 

Hi-Nurse überreicht Dose mit Medikamenten
Zu Beginn der COVID-19-Pandemie gingen die Konsultationen in kardiologischen und allgemeinmedizinischen Praxen um rund 40 Prozent zurück. Das hat sich auch auf die Herzinsuffizienz-Versorgung ausgewirkt. Die Verschreibungszahlen von wichtigen Arzneimitteln brachen ein. © R. Kochanowski / DZHI

Ein potenzielles Ziel für neue Wirkstoffe gegen Krebs

Bei vielen Krebsarten spielen MYC-Proteine eine wichtige Rolle. Einem Forschungsteam der Universität Würzburg ist es jetzt gelungen, diese Proteine indirekt zu beeinflussen – mit deutlichen Folgen für den Tumor.

Gene aus der MYC-Familie sind für den menschlichen Organismus essenziell.  Nach derzeitigen Erkenntnissen regulieren sie die Expression der meisten zellulären Gene. Eine Fehlsteuerung von MYC-Proteinen trägt wesentlich zur Entstehung vieler Arten von Krebs bei.  Kein Wunder, dass MYC-Proteine im Fokus der Krebsforschung weltweit stehen. Aus Sicht der Wissenschaft könnten sie das ideale Ziel für neue Wirkstoffe im Kampf gegen Krebs sein.

Tatsächlich ist die Bedeutung von MYC für die Entwicklung von Krebszellen seit Langem bekannt. Die Struktur der MYC-Proteine und ihre molekulare Funktion haben es allerdings bisher verhindert, das Protein direkt pharmakologisch anzugreifen. Bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem ist einem Forschungsteam der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) jetzt möglicherweise ein wichtiger Schritt geglückt: Über einen Kooperationspartner von MYC konnte es im Tierversuch die Entstehung und Entwicklung der Krebstumoren deutlich bremsen.

Publikation in „Life Science Alliance”

Beteiligt an der Studie waren zwei Arbeitsgruppen am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie der JMU von Wolf Elmar, Professor für Tumorsystembiologie, und von Dr. Peter Gallant sowie die Gruppe von Thomas Raabe, Professor für Molekulare Genetik. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift „Life Science Alliance“ veröffentlicht.

„Weil es so schwierig ist, MYC-Proteine direkt anzugreifen, haben wir nach Partnern von MYC gesucht und dabei ein Protein namens SPT5 gefunden“, schildert Elmar Wolf die Vorarbeiten zu dieser Studie. SPT5 stellte sich in der Zellkultur als unverzichtbar für die MYC-abhängige Gen-Transkription in menschlichen Krebszellen heraus. Unklar blieb allerdings, wie wichtig die Interaktion von MYC- und SPT5-Proteinen für das Verhalten von normalen Zellen im Körper ist und ob sich über sie die Entwicklung von Krebszellen würde beeinflussen lassen.

Forschung an der Fruchtfliege

Antworten liefert die jetzt veröffentlichte Studie. „Wir haben mit der Fruchtfliege Drosophila melanogaster gearbeitet – einem bekannten und bewährten Modellsystem der tierischen Entwicklung“, erklärt Peter Gallant. Genauso wie Wirbeltiere – und somit auch der Mensch – besitzen Fruchtfliegen ebenfalls MYC- und SPT5-Proteine. 

In ihren Experimenten konnten die Wissenschaftler in einem ersten Schritt nachweisen, dass MYC- und SPT5-Proteine auch im Organismus der Fruchtfliege funktionell zusammenarbeiten. So wurde beispielsweise eine moderate Veränderung der MYC- oder der SPT5-Menge von den Fliegen gut toleriert. Veränderte das Team jedoch sowohl MYC- als auch SPT5-Mengen gleichzeitig, traten bei den Tieren deutliche Defekte auf. „Diese Beobachtungen unterstreichen die Wichtigkeit der MYC-SPT5-Interaktion während der normalen Entwicklung des Organismus“, sagt Thomas Raabe.

Drastische Reduktion des Tumorgewebes

Im nächsten Schritt ging das Forschungsteam der Frage nach, welche Rolle SPT5 bei der Entstehung und Entwicklung von Tumoren einnimmt. Zum Einsatz kamen dafür gentechnisch veränderte Fruchtfliegen, die MYC-abhängige Hirntumoren entwickeln. Im Experiment konnten diese Fliegen zwar schlüpfen, starben aber innerhalb von weniger als zehn Tagen, wohingegen die meisten Kontrolltiere nach zwei Monaten noch am Leben waren. 

„Wenn wir jedoch bei diesen Exemplaren die Menge an SPT5 in den Hirntumoren experimentell reduzierten, verdreifachte sich ihre Lebenszeit“, schildert Peter Gallant das zentrale Ergebnis der Studie. Dies ging einher mit einer dramatischen Abnahme der Tumormasse, die allerdings nur vorübergehend war. Die Lebenszeit verlängerte sich auch dann, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die SPT5-Menge nicht nur im Gewebe der Hirntumoren reduzierten, sondern im gesamten Organismus der Fliege. Analoge Manipulationen der SPT5-Menge in gesunden Kontrolltieren hatten nur vernachlässigbare Auswirkungen auf die Gehirnstruktur und das Überleben der Tiere. 

Nach Aussicht der Würzburger Arbeitsgruppen zeigen diese Resultate, dass SPT5 eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von MYC-abhängigen Tumoren spielt. Ihre Experimente lassen auch den Schluss zu, dass eine moderate Reduktion von SPT5 in gesundem Gewebe gut toleriert wird, aber zu einer deutlichen Rückbildung von Tumoren führen kann. Damit erweise sich SPT5 als ein mögliches Zielprotein für die Entwicklung von pharmakologischen Hemmstoffen für die Krebsbekämpfung.

Originalpublikation

Spt5 interacts genetically with Myc and is limiting for brain tumor growth in Drosophila. Julia Hofstetter, Ayoola Ogunleye, André Kutschke, Lisa Marie Buchholz, Elmar Wolf, Thomas Raabe, Peter Gallant. Life Science Alliance Vol 7, Issue 1; doi: 10.26508/lsa.202302130.

Kontakt

Dr. Peter Gallant, Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie, peter.gallant@uni-wuerzburg.de 

 

Pressemeldung der Universität Würzburg vom 07.11.2023

 

Harmloser Harnwegsinfekt – Wärmflasche oder Antibiotikum?

Die unnötige oder dem Erregerspektrum nicht entsprechende Verordnung von Antibiotika führt zu zunehmenden Resistenzen. Um die Therapie und Medikamentenverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt in den allgemeinmedizinischen Praxen zu optimieren, wurden im Rahmen der RedAres-Studie unter der Leitung des Instituts für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Würzburg die Auswirkungen eines Interventionsprogramm geprüft. Fazit: Multimodale Intervention verbessert Verschreibungsverhalten in allgemeinmedizinischen Praxen.

 

Frau hält Wärmflasche auf Unterbauch
Die Studie RedAres hat gezeigt, dass ein multimodales Interventionsprogramm das Verschreibungsverhalten beim unkomplizierten Harnwegsinfekt verbessern kann. Es wurden häufiger die in der Leitlinie empfohlenen Antibiotika verschrieben und weniger. Bis zu zwei Drittel der unkomplizierten Harnwegsinfekte heilen mit Wärme, Ruhe und viel Trinken aus. © Christoph Müller

Fast jede Frau macht es mindestens einmal im Leben durch: Brennen beim Wasserlassen und ständiger Harndrang. Die typischen Symptome eines Harnwegsinfekts. Sie gehören zu den häufigsten Anlässen für eine hausärztliche Konsultation. Die meisten dieser bakteriellen Blasenentzündungen sind harmlos. Bis zu zwei Drittel der so genannten unkomplizierten Harnwegsinfekte können mit Wärme, Ruhe und viel Trinken nach einer Woche ausheilen. In manchen Fällen muss ein Antibiotikum gegeben werden. Doch hier kommt es auf das richtige Antibiotikum an. 

Mit leitliniengerechter Verschreibung Wirksamkeit von Antibiotika erhalten

Es sollte immer erst ein in den Leitlinien* festgelegtes Mittel der ersten Wahl angewendet werden. Dieses geht die Erreger gezielt an und hat weniger Nebenwirkungen als ein sogenanntes Reserveantibiotikum, das zwar eine breite Palette an Bakterien bekämpft, aber entsprechend Resistenzen hervorruft. Dadurch besteht die Gefahr, dass Reservemittel bei schweren Infekten nicht mehr wirksam sind. „Doch trotz ausdrücklicher Empfehlungen für Erstlinien-Antibiotika machen Breitband-Antibiotika wie Fluorchinolone immer noch einen großen Anteil der verordneten Antibiotika für Frauen mit Harnwegsinfektionen in Deutschland aus“, mahnt Alexandra Greser. Die Allgemeinärztin hat unter der Leitung von Prof. Ildikó Gágyor am Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Würzburg das Projekt RedAres - Reduktion von Antibiotikaresistenzen - koordiniert. Mit einem multimodalen Interventionsprogramm sollten Hausärztinnen und Hausärzte bei der Behandlung von Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt unterstützt werden. Die zwölfmonatige Intervention hatte Erfolg: Es wurden häufiger die in der Leitlinie empfohlenen Antibiotika verschrieben. Und: Insgesamt wurden weniger Antibiotika verordnet. Die Ergebnisse hat das Studienteam gerade im renommierten British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht. 

Regionale Resistenzdaten, komprimiertes Informationsmaterial, individuelles Feedback und Benchmarking 

Das Interventionsprogramm bestand aus drei Komponenten. Zunächst erhielten die Interventionspraxen regionale Resistenzdaten von den wichtigsten Keimen. „Darauf sind wir besonders stolz“, sagt Ildikó Gágyor. „Das Robert Koch Institut (RKI) hat als Teilprojekt regionale Resistenzdaten** ermittelt, sodass die teilnehmenden Praxen in den verschiedenen Bundesländern auf einen Blick sehen konnten, welche Antibiotika, die in den Leitlinien empfohlen werden, eine geringe Resistenzrate haben. Das Besondere: In die Resistenzprüfung des RKI wurden ausschließlich Urinproben von unkomplizierten Blasenentzündungen einbezogen. Bisher gab es immer nur Mischbilder, in denen auch komplizierte Harnwegsinfekte bis hin zu Nierenbeckenentzündungen berücksichtig wurden.“ Neben den Resistenzdaten wurde den Interventionspraxen als zweite Komponente komprimiertes Informationsmaterial sowie Flyer für Patientinnen in fünf verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt. Das dritte Modul umfasste individuelles Feedback zur Verordnungspraxis nach jedem Quartal, Telefonberatungen und ein Benchmarking, also der regelmäßige Vergleich der individuellen Verordnungsdaten mit denen anderer Praxen. 

MFA aus 128 Praxen haben insgesamt 10.323 Fälle anonymisiert aggregiert erhoben 

An der durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Studie RedAres beteiligten sich insgesamt 128 Praxen aus fünf Regionen Deutschlands, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg und Thüringen. Neben dem Uniklinikum Würzburg, das mit 43 aufgenommenen Studienpraxen den größten Anteil hatte, rekrutierten die Institute für Allgemeinmedizin der Unikliniken in Freiburg und Jena sowie die Charité in Berlin. Die Universität Bremen war ebenfalls ein wichtiger Projektpartner und zeichnete für die Pilotierung verantwortlich. In die finale Analyse, die vom Institut für klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg durchgeführt wurde, flossen die Daten von 110 Praxen ein. Davon nahmen 57 Praxen an der Intervention teil, 53 Praxen waren in der Kontrollgruppe. Insgesamt konnten 10.323 Fälle in anonymisierter Form aggregiert werden.

„Hier gilt ein großer Dank den Medizinischen Fachangestellten, die für uns per Hand die Daten erhoben haben“, lobt Ildikó Gágyor. „Ohne sie wäre die Studie in diesem Ausmaß gar nicht möglich gewesen, geschweige denn unser Erkenntnisgewinn.“ 

Reduktion von Zweitwahl-Antibiotika um 10%-Punkte absolut in 12 Monaten übertroffen

Die Auswertung hat gezeigt, dass eine komplexe Intervention die Verordnung von Zweitwahl-Antibiotika beim unkomplizierten Harnwegsinfekt um 13 Prozentpunkte reduziert. „Damit haben wir unseren anfangs formulierten Endpunkt um 3 Prozentpunkte übertroffen“, kommentiert Ildikó Gágyor. Zudem haben wir weniger wiederkehrende Harnwegsinfektionen in der Interventionsgruppe verzeichnet als in der Kontrollgruppe, in der möglicherweise aufgrund einer erhöhten Verschreibung von Breitbandantibiotika mehr Resistenzen und entsprechend mehr Rezidive entstanden sind.“ 

Interventionsmodule nutzbar und in der täglichen Routine anwendbar

Was bedeuten die Ergebnisse für die Routineversorgung? Eine einfache Intervention ließe sich gut in die tägliche Routine integrieren, zum Beispiel indem die regionalen Resistenzdaten bei der Antibiotika-Verordnung einbezogen werden, meint Alexandra Greser. Oder die Behandelnden erhalten jedes Quartal eine automatisierte Auswertung der Verschreibungsdaten. „Wir haben in der Studie gelernt, dass die Ärztinnen und Ärzte es durchaus hilfreich fanden, regelmäßig Rückmeldungen zum Verordnungsverhalten zu erhalten, so Prof. Dr. Jutta Bleidorn vom Uniklinikum Jena. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Feedback zum eigenen Verordnungsverhalten relevant ist, um Verordnungsverhalten zu verändern oder positiv zu bestätigen. Im Rahmen der Prozessevaluation schätzten die beteiligten Hausärztinnen und Hausärzte die Interventionsmodule mehrheitlich als nützlich und in der täglichen Routine anwendbar ein. Schlussendlich gilt es auch die Patientinnen zu informieren und zu sensibilisieren, was symptomatische Behandlungsmöglichkeiten mit ausreichend Trinken und gegebenenfalls mit Schmerzmitteln oder pflanzlichen Mitteln betrifft, aber auch welche Antibiotika der ersten Wahl für sie in Frage kommen. 

Studienwebseite: www.redares.de 


Publikation: 
Schmiemann G, Greser A, Maun A, Bleidorn J, Schuster A, Miljukov O et al. Effects of a multimodal intervention in primary care to reduce second line antibiotic prescriptions for urinary tract infections in women: parallel, cluster randomised, controlled trial BMJ 2023; 383 :e076305 doi:10.1136/bmj-2023-076305


*Für den Harnwegsinfekt gibt es zwei relevante nahezu identische S3-Leitlinien: die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) „Brennen beim Wasserlassen” sowie die „S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten” der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU). 

**Die regionalen Resistenzdaten des Robert Koch-Instituts sind offen für alle Bundesländer und können hier abgerufen werden: 

 

Frau hält Wärmflasche auf Unterbauch
Die Studie RedAres hat gezeigt, dass ein multimodales Interventionsprogramm das Verschreibungsverhalten beim unkomplizierten Harnwegsinfekt verbessern kann. Es wurden häufiger die in der Leitlinie empfohlenen Antibiotika verschrieben und weniger. Bis zu zwei Drittel der unkomplizierten Harnwegsinfekte heilen mit Wärme, Ruhe und viel Trinken aus. © Christoph Müller

Innovationspreis für Kabel-Klammer-Implantate bei Beckenverletzungen

Für die Entwicklung von innovativen Kabel-Klammer-Implantaten zur Behandlung von Verletzungen des vorderen Beckenrings nach Hochrasanztrauma erhielt Privatdozent Dr. Martin Jordan vom Uniklinikum Würzburg den mit 10.000 Euro dotierten Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Zeitgleich wurde der Unfallchirurg in die Exzellenz-Akademie des Konvents der Universitätsprofessuren für Orthopädie und Unfallchirurgie (KUOU) aufgenommen.

Der Preisträger Martin Jordan präsentiert beim DKOU die Urkunde des Innovationspreises auf der Bühne.
Preisverleihung auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie am 27.10.2023; v.l.n.r.: Benjamin Lehnen, Prof. Dr. med. Steffen Ruchholtz (Kongresspräsident), PD Dr. Martin Jordan (UKW) und Prof. Dr. Dietmar Pennig (stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie). © Intercongress
Neuartiges Kabel-Klammer-Implantat bei Open-Book-Verletzungen
Unfallchirurgen des Uniklinikums Würzburg haben mit internen und externen Partnern aus der Region innovative Kabel-Klammer-Implantate zur Behandlung von Verletzungen des vorderen Beckenrings entwickelt. © UKW
Die Titan-Klammern mit einer Führungsstruktur für das geflochtene Stahlseil werden fest am Knochen mit zwei Schrauben fixiert. Da sie fest im Implantat fassen und nicht im Knochen, können sie nicht ausbrechen. © UKW

Vor wenigen Monaten wurde die Proof-of-concept-Studie der neuartigen mittels 3D-Druck entwickelten Kabel-Klammer-Implantate im Fachjournal Nature Communications Medicine publiziert. Mit dem Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) für seine vielversprechende Stabilisations-Alternative bei Verletzungen des vorderen Beckenrings hat Privatdozent Dr. Martin Jordan nun einen neuen Meilenstein erreicht. Der geschäftsführende Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Uniklinikum Würzburg hat die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung Ende Oktober beim Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie 2023 in Berlin stellvertretend für das gesamte interdisziplinäre Team entgegengenommen, die an der Entwicklung der Kabel-Klammer-Implantate beteiligt waren. 
Was ist das Besondere an dem Implantat, das künftig bei so genannten Symphysenrupturen zum Einsatz kommen könnte. Der Autor der Studie erklärt die Problematik dieser Open-Book-Verletzungen, bei denen das Becken wie ein geöffnetes Buch aufklappt, und chirurgisch versorgt werden müssten: „In vielen Fällen kommen Stahlplatten und Schrauben zum Einsatz, die zwar gut geeignet sind zur Knochenbruchbehandlung aber Nachteile bei der Versorgung der Symphyse aufweisen, welche eigentlich eine flexible Faserknorpelverbindung ist. Das heißt: Wir stabilisieren derzeit die eigentlich flexible Symphyse mit einer rigiden Stahlplatte und Schrauben. Da es in diesem knorpeligen Teil des Beckens jedoch keine knöcherne Heilung gibt, sondern nur eine Vernarbung, sind kontinuierliche Mikrobewegungen nicht zu vermeiden. Es kommt zu Lockerungen der Schrauben und bei einer reduzierten Knochenqualität droht ein Implantatversagen.“

Titan-Klammern und Stahlseil stabilisieren flexible Faserknorpelverbindung im vorderen Beckenring

Gemeinsam mit Headmade Materials, einem regionalem Deep Tech-Unternehmen in den Bereichen 3D-Druck und Pulvermetallurgie, entwickelte Martin Jordan komplexe Kabel-Klammer-Implantate, bei denen ein geflochtenes Stahlseil die Schambeinäste zusammenhält. Damit das Seil nicht einschneidet wird es von fest verankerten Titan-Klammern geführt. Bei der Testung im Biomechanik-Labor der Unfallchirurgie wiesen die Kabel-Klammer-Implantate eine äquivalente Stabilität zu herkömmlichen Verfahren auf. „Sie sind nicht schlechter und bisher nicht wesentlich besser als die Platten, aber wir haben hier nicht das Risiko des frühzeitigen Implantatversagens“, erläutert Martin Jordan. Die Passgenauigkeit der Kabel-Klammer-Implantate hat Prof. Thorsten Bley mit seinem Team im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UKW im neuen hochmodernen Photonenzählenden Computertomografen (CT) ausgewertet. In den nächsten Schritten sollen die Implantate modifiziert und in weiteren Studien getestet werden. 

„Und da die Möglichkeit eines klinischen Nutzens durchaus besteht, was der Innovationspreis noch einmal unterstreicht, haben wir bereits eine internationale Patentanmeldung (PCT) mit Unterstützung des Servicezentrums Forschung und Technologietransfer und der Bayerischen Patentallianz eingeleitet“, erläutert Martin Jordan. 

Aufnahme in Exzellenz-Akademie der KUOU

Seine Leistung haben auch den Konvent der Universitätsprofessuren für Orthopädie und Unfallchirurgie (KUOU) überzeugt. Im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin hat der Konvent Martin Jordan in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Qualifikation und akademischen Eignung in die Exzellenz-Akademie aufgenommen. Ziel der Exzellenz-Akademie ist es, klinisch und wissenschaftlich engagierte Kolleginnen und Kollegen mit hohem Potenzial für die Besetzung von universitätsklinischen Leitungspositionen zu identifizieren und frühzeitig zu fördern.

Link zur Pressemitteilung anlässlich der Publikation inklusive Film zum Kabel-Klammer-Implantat.

 

Der Preisträger Martin Jordan präsentiert beim DKOU die Urkunde des Innovationspreises auf der Bühne.
Preisverleihung auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie am 27.10.2023; v.l.n.r.: Benjamin Lehnen, Prof. Dr. med. Steffen Ruchholtz (Kongresspräsident), PD Dr. Martin Jordan (UKW) und Prof. Dr. Dietmar Pennig (stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie). © Intercongress
Neuartiges Kabel-Klammer-Implantat bei Open-Book-Verletzungen
Unfallchirurgen des Uniklinikums Würzburg haben mit internen und externen Partnern aus der Region innovative Kabel-Klammer-Implantate zur Behandlung von Verletzungen des vorderen Beckenrings entwickelt. © UKW
Die Titan-Klammern mit einer Führungsstruktur für das geflochtene Stahlseil werden fest am Knochen mit zwei Schrauben fixiert. Da sie fest im Implantat fassen und nicht im Knochen, können sie nicht ausbrechen. © UKW

Auszeichnung: Dr. Dr. Benedikt Schmid erhält Forschungsstipendium Dierichs der DGAI

Arbeit im Bereich der Weiterentwicklung von Anästhesieverfahren gewürdigt.

Prof. Dr. Benedikt Pannen, Dr. Dr. Benedikt Schmid und Kongresspräsident Prof. Dr. Bernhard M. Graf bei der Vergabe des Stipendiums
Prof. Dr. Benedikt Pannen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Dr. Dr. Benedikt Schmid, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, UKW, und Kongresspräsident Prof. Dr. Bernhard M. Graf bei der Vergabe des Stipendiums (v.l.) Foto: Mike Auerbach/ DGAI e.V.

Würzburg/Berlin. Dr. Dr. Benedikt Schmid von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Würzburg (Direktor Prof. Dr. Patrick Meybohm) wurde nun das „Forschungsstipendium Dierichs“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) verliehen. Das Forschungsstipendium ist mit 50.000 Euro dotiert.

Die Auszeichnung wurde Im Rahmen des 25. Hauptstadtkongresses der DGAI Mitte Oktober verliehen. Dr. Dr. Schmid erhielt das Forschungsstipendium für seine „herausragende Arbeit“ im Bereich der Weiterentwicklung von Anästhesieverfahren und Anästhetika zur Verbesserung der Patientensicherheit in der Anästhesiologie unter besonderer Berücksichtigung seines Projektes „Conventional vs. Video-Assisted Laryngoscopy in Perioperative Endotracheal Intubation“. Das Stipendium wird von der Förderstiftung Dierichs ermöglicht.

Benedikt Schmid dankt der DGAI und der Förderstiftung Dierichs für die Vergabe des Forschungsstipendiums: „Das Forschungsstipendium ermöglicht meinem Team und mir die bereits geleistete Vorarbeit auf einem hohen Niveau fortzusetzen. Ganz besonders freut mich dabei, dass unsere Fachgesellschaft mit der Vergabe signalisiert, dass ihr das Thema Patientensicherheit im Rahmen der Narkoseeinleitung im OP sehr wichtig ist.“

Hier geht es zur kompletten Pressemeldung der DGAI:

https://www.dgai.de/aktuelles/alle-meldungen-archiv/1261-dr-dr-benedikt-schmid-erhaelt-forschungsstipendium-dierichs-2.html
 

Prof. Dr. Benedikt Pannen, Dr. Dr. Benedikt Schmid und Kongresspräsident Prof. Dr. Bernhard M. Graf bei der Vergabe des Stipendiums
Prof. Dr. Benedikt Pannen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Dr. Dr. Benedikt Schmid, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, UKW, und Kongresspräsident Prof. Dr. Bernhard M. Graf bei der Vergabe des Stipendiums (v.l.) Foto: Mike Auerbach/ DGAI e.V.