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TelePeriOP: Virtuelle Operationsvorbereitung

VERMEIDUNG VERZICHTBARER VOR-ORT-BESUCHE UND VERBESSERUNG DES RISIKOMANAGEMENTS DURCH TELEMEDIZIN UND CDS-SYSTEM

In dem vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt TelePeriOP wird unter Leitung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medizin MEVIS untersucht, ob telemedizinische Anamnese- und Aufklärungsgespräche in Kombination mit einem leitlinienbasierten Clinical Decision Support System (CDS) das perioperative Risikomanagement verbessern und unnötige Wartezeiten für Patientinnen und Patienten mit Vor-Ort-Termin vermeiden können.

 

Das Bild zeigt mehrere Chirurginnen und Chirurgen in OP-Kleidung am OP-Tisch.
Im vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt TelePeriOP untersucht das Uniklinikum Würzburg mit Partnern, ob telemedizinische Anamnese- und Aufklärungsgespräche vor Operationen in Kombination mit einem Clinical Decision Support Tool machbar sind und die Gesundheitsversorgung verbessern können. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. Chirurgische Eingriffe verbessern die Lebensqualität und sind oft lebensrettend. Doch jede Operation birgt Risiken. Die so genannte perioperative Sterblichkeit ist in den westlichen Industrienationen mit 0,4 bis 0,8 Prozent immer noch überraschend hoch. Im vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt KI-PeriOP ist es einem interdisziplinären Konsortium unter klinischer Leitung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und technischer Koordination durch das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS bereits gelungen, ein CE-zertifiziertes System zur klinischen Entscheidungsunterstützung (kurz CDS für clinical decision support) zu entwickeln. Das CDS-System erfasst und analysiert individuelle Risiken und Grunderkrankungen von Patientinnen und Patienten sowie operationsspezifische Risiken und gibt entsprechende leitlinienbasierte Handlungsempfehlungen. „Das Clinical Decision Support Tool unterstützt uns bei der anästhesiologischen Risikoeinschätzung, erhöht die Leitlinien-Adhärenz und optimiert die präoperative Vorbereitung“, fasst Prof. Dr. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (Anästhesie) am UKW, zusammen.

Telemedizin reduziert unnötige Wege- und Wartezeiten

Im Nachfolgeprojekt TelePeriOP soll nun das anästhesiologische Arzt-Patienten-Gespräch vor der Operation durch ein digitales Videogespräch ergänzt werden. „Was zunächst unpersönlich klingt, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer effizienteren und patientenfreundlicheren Gesundheitsversorgung“, erläutert Meybohm. „Anästhesiologische Anamnese- und Aufklärungsgespräche vor Ort sind für unsere Patientinnen und Patienten oft mit erheblichem organisatorischem Aufwand und emotionaler Belastung verbunden. Mit Telemedizin reduzieren wir die Wege und unnötige Wartezeiten“. Termine vor Ort müssen nur dann vereinbart werden, wenn weitere Untersuchungen notwendig sind. Das soll die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten erhöhen - ein positiver Nebeneffekt von TelePeriOP. Hauptziel der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie an den Universitätskliniken Aachen, Bonn und Würzburg ist es, zu prüfen, ob telemedizinische Anamnese- und Aufklärungsgespräche in Kombination mit einem CDS-System machbar sind und die Gesundheitsversorgung tatsächlich verbessern können.

Klinische Entscheidungsunterstützung und Risikoabschätzung

Die Patientinnen und Patienten geben ihre Daten mit Hilfe des telemedizinischen Softwaresystems „tara“ der Docs in Clouds TeleCare GmbH von zu Hause aus online ein und laden die notwendigen Dokumente hoch. In einem Videogespräch mit dem Anästhesisten werden weitere Fragen geklärt, der Bogen individualisiert und gemeinsam unterschrieben. Alle erhobenen patienten- und operationsspezifischen Daten werden anschließend mit dem CDS-System „Medimir“ des Börm Bruckmeier Verlags zur klinischen Entscheidungsunterstützung und Risikoeinschätzung automatisiert verarbeitet.

Bundesministerium für Gesundheit fördert das Konsortialprojekt mit über 750.000 Euro

Das Forschungsvorhaben TelePeriOP wird vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit insgesamt 764.555 Euro gefördert. Neben dem UKW und dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS sind die Universitätskliniken Aachen und Bonn sowie die Fakultät für Angewandte Ethik der RWTH Aachen, der Börm Bruckmeier Verlag und die Docs in Clouds TeleCare GmbH an TelePeriOP beteiligt.
 

Das Bild zeigt mehrere Chirurginnen und Chirurgen in OP-Kleidung am OP-Tisch.
Im vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt TelePeriOP untersucht das Uniklinikum Würzburg mit Partnern, ob telemedizinische Anamnese- und Aufklärungsgespräche vor Operationen in Kombination mit einem Clinical Decision Support Tool machbar sind und die Gesundheitsversorgung verbessern können. © Daniel Peter / UKW

Proteine als Biomarker für Vorhofflimmern?

ADOLF UND EDITH SCHIEßER-STIFTUNG UNTERSTÜTZT HERZINSUFFIZIENZ-FORSCHUNG AM UKW / 10.000 EURO FÜR KLINISCHE STUDIE ZU VORHOFFLIMMERN

Prof. Dr. Thomas Fischer und Dr. Moritz Huttelmaier vom Uniklinikum Würzburg (UKW) wollen Vorhofflimmern in Zukunft gezielter diagnostizieren und bestenfalls verhindern. Gemeinsam mit der Universitätsklinik Mainz untersuchen die Kardiologen in einer Herzinsuffizienz-Kohorte Proteine und Signalwege, die bei dieser Risikogruppe Vorhofflimmern ausgelöst haben könnten. Das Forschungsprojekt wird von der neu gegründeten Adolf und Edith Schießer-Stiftung mit 10. 000 Euro unterstützt.

 

Collage von den Porträts der beiden Ärzte in weißen Kitteln vor grauem Hintergrund.
Prof. Dr. Thomas Fischer (rechts) und Dr. Moritz Huttelmaier vom Uniklinikum Würzburg (UKW) wollen Vorhofflimmern in Zukunft gezielter diagnostizieren und bestenfalls verhindern. © UKW

Würzburg. Nicht jeder Mensch spürt es, aber etwa jeder dritte Mensch hat im Laufe seines Lebens damit zu tun: Vorhofflimmern. Diese Herzrhythmusstörung, welche zu chaotischen und unregelmäßigen Kontraktionen der Vorhofmuskulatur führt, ist mit einem erhöhten Risiko sowohl für Schlaganfälle als auch für die Entwicklung einer Herzschwäche verbunden. Vorhofflimmern kann sicher und erfolgreich durch eine Katheterablation, also eine Verödungsbehandlung, therapiert werden. Und das Risiko für einen Schlaganfall lässt sich medikamentös durch eine Blutverdünnung stark reduziert. Problematisch wird es, wenn Vorhofflimmern nicht rechtzeitig erkannt wird, vor allem wenn das Herz ohnehin schon geschwächt ist. 

Vorhofflimmern verschlechtert Herzinsuffizienz 

„Der durch das Vorhofflimmern beschleunigte und unregelmäßige Puls verursacht in der Regel deutliche Symptome. Werden diese nicht wahrgenommen, oder bleiben sie aus, sind die Konsequenzen für Patientinnen und Patienten mit einer zugrundeliegenden Herzschwäche weitaus gravierender. Wird ihr Herz durch Vorhofflimmern zusätzlich gestresst, kann sich zum einen die Herzfunktion weiter dramatisch verschlechtern, zum anderen steigt das Risiko für einen Schlaganfall“, fasst Prof. Dr. Thomas Fischer, Leiter der Interventionellen Elektrophysiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), die Problematik zusammen. Umso wichtiger ist es, auch asymptomatisches Vorhofflimmern in dieser Risikogruppe frühzeitig zu erkennen, um entsprechende Therapien einzuleiten und im besten Fall das Vorhofflimmern in seiner Entstehung zu beeinflussen.

Adolf und Edith Schießer-Stiftung startet Förderprogramm der Herzinsuffizienz-Forschung 

„Wir wissen, dass Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes mit dem Auftreten von Vorhofflimmern verbunden sind, aber die grundlegenden Mechanismen und Signalwege sind nicht ausreichend verstanden“, erklärt Dr. Moritz Huttelmaier, Facharzt für Kardiologie und Clinician Scientist am UKW mit dem Schwerpunkt Herzrhythmusstörungen. Bestimmte Signalwege stehen im Verdacht, ursächlich mit dem Auftreten der Herzrhythmusstörungen in Verbindung zu stehen. Welche das bei einer bestehenden Herzschwäche sind, das wollen Moritz Huttelmaier und Thomas Fischer in Kooperation mit der Universitätsklinik Mainz an einer großen Herzinsuffizienz-Kohorte untersuchen Unterstützt werden sie dabei von der neu gegründeten Adolf und Edith Schießer Stiftung mit 10. 000 Euro. 

Adolf Schließer starb an den Folgen einer Herzinsuffizienz. Seine Frau Edith hat deshalb noch vor ihrem Tod verfügt, dass ihr Nachlass im Rahmen einer Stiftung der Herzinsuffizienz-Forschung am UKW zugutekommen soll - mit dem Ziel zukünftigen Erkrankten noch besser und erfolgreicher helfen zu können. Die Stiftung wird von der Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung verwaltet und schüttet erstmals die Summe von 10.000 Euro aus. „Wir freuen uns sehr über diese Förderung“, sagt Prof. Dr. Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I. „Dank der finanziellen Unterstützung kann Moritz Huttelmaier seine klinische Tätigkeit für kurze Zeit ruhen lassen, und sich voll und ganz dem Forschungsprojekt widmen.“ 

Protein-Screening in der Herzinsuffizienz-Kohorte 

In der Mainzer MyoVasc-Kohorte wurden 3.300 Patientinnen und Patienten aller Stadien der Herzinsuffizienz über einen Zeitraum von sechs Jahren beobachtet. Es wurden zu verschiedenen Zeitpunkten umfangreiche klinische Daten erhoben und biologische Proben einschließlich Serum, DNA, RNA und Zellen analysiert. „Uns interessiert vor allem, welche der 536 analysierten Proteine bei Vorhofflimmern eine entscheidende Rolle spielen“, sagt Moritz Huttelmaier. Erste Vorarbeiten haben bereits gezeigt, dass bei Herzinsuffizienz-Patienten mit Vorhofflimmern einzelne Proteine in unterschiedlicher Quantität vorliegen als bei Herzinsuffizienz-Patienten ohne Vorhofflimmern. „Anschließend schauen wir uns zusätzlich die Herzinsuffizienz-Patienten, die im Studienzeitraum neu Vorhofflimmern entwickelt haben, genauer an und untersuchen, welche Proteine oder Proteinmuster und welche Signalwege hoch- oder herunterreguliert waren.“ Auf diese Weise wollen die Forscher wichtige Schlüsselwege identifizieren, die perspektivisch einen neuen Ansatz bieten, um Vorhofflimmern noch besser zu behandeln. Darüber hinaus hoffen sie, ein Set von Proteinen zu finden, die als Biomarker die Vorhersage von Vorhofflimmern in Zukunft erleichtern könnten. 

Elektrophysiologisch-rhythmologischer Blick auf die MyoVasc-Kohorte

In einer Folgestudie wollen die Würzburger Forscher die Daten der MyoVasc-Kohorte mit elektroanatomischen 3D-Karten verknüpfen, die im Zuge der Katheterablation von Vorhofflimmern erstellt werden. Ziel ist es, einen Biomarker für stark geschädigte Vorhöfe, eine sogenannte Vorhofkardiomyopathie, zu entwickeln.

Weitere Meldungen zum Thema: Puls Field Ablation bei Vorhofflimmern, Universitätsprofessor Dr. Thomas Fischer, Vorhofflimmern – nur jeder zweite spürt Symptome (Deutsche Herzstiftung)
 

Collage von den Porträts der beiden Ärzte in weißen Kitteln vor grauem Hintergrund.
Prof. Dr. Thomas Fischer (rechts) und Dr. Moritz Huttelmaier vom Uniklinikum Würzburg (UKW) wollen Vorhofflimmern in Zukunft gezielter diagnostizieren und bestenfalls verhindern. © UKW

Dickdarmpolypen intelligent im Blick

KI-BASIERTES POLYPENERKENNUNGSSYSTEM BEI FAMILIÄRER ADENOMATÖSER POLYPOSIS (FAP)

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert ein Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe Interventionelle und Experimentelle Endoskopie (InExEn) am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) mit über 200.000 Euro. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Alexander Hann will in Kooperation mit dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am Universitätsklinikum Bonn die Darmkrebsvorsorge bei Patientinnen und Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) mit Hilfe von Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz verbessern.

 

Das Bild zeigt eine Aufnahme Darm, der übersät ist mit Polypen.
Bei Patientinnen und Patienten mit der Diagnose „familiäre adenomatöse Polyposis“, kurz FAP, bilden sich bis zu tausende von Polypen im Darm, ohne eine entsprechende Behandlung ist bei ihnen Darmkrebs zu 100 Prozent vorprogrammiert. Ein Projekt der Universitätskliniken Würzburg und Bonn, gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung, erforscht nun die Entwicklung und den Einsatz eines KI-Polypenerkennungssystems, um die Darmkrebsvorsorge bei Betroffenen mit FAP zu verbessern. © Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Robert Hüneburg
Porträtbild von Alexander Hann in weißem Kittel
Alexander Hann ist Professor für Digitale Transformation in der Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg (UKW). Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe und dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am Universitätsklinikum Bonn will er die Darmkrebsvorsorge bei Patientinnen und Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) mit Hilfe von Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz verbessern. © Daniel Peter / UKW

Würzburg/Bonn. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, Polypen in der Darmschleimhaut zu entwickeln. In der Regel sind die einzelnen Zellwucherungen harmlos. Manche Polypen wachsen jedoch und können sich mit der Zeit zu Krebs entwickeln, wenn sie nicht rechtzeitig entfernt werden. Deshalb wird ab dem 50. Lebensjahr eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung empfohlen. Bei einer Darmspiegelung, der so genannten Koloskopie, können Polypen zuverlässig erkannt, klassifiziert und entfernt werden. Anders sieht es bei Patientinnen und Patienten mit der Diagnose „familiäre adenomatöse Polyposis“, kurz FAP, aus. Bei dieser Erbkrankheit bilden sich schon in jungen Jahren hunderte bis tausende von Polypen im Darm. Bei ihnen ist ohne eine entsprechende Behandlung Darmkrebs zu 100 Prozent vorprogrammiert. Häufig wird deswegen eine prophylaktische Entfernung des Dickdarms durchgeführt. Die Operation ist jedoch nicht ungefährlich und kann zu Problemen wie Unfruchtbarkeit, Inkontinenz und häufigem Stuhlgang führen. Deshalb versucht man, den Zeitpunkt der Operation so weit wie möglich hinauszuschieben, was allerdings eine engmaschige Überwachung erfordert. Doch wie zählt man Hunderte von Polypen im Dickdarm, misst ihre Größe und registriert Veränderungen?

Wilhelm Sander-Stiftung fördert das Projekt mit über 200.000 Euro

„Mit KI!“, sagt Prof. Dr. Alexander Hann, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) und Professor für Digitale Transformation in der Gastroenterologie. Seine interprofessionelle Arbeitsgruppe Interventionelle und Experimentelle Endoskopie (InExEn) hat gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Dr.Hüneburg / Professor Nattermann aus dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen (NZeT) des Universitätsklinikum Bonn ein Forschungsprojekt zur objektiven Bestimmung der Ausdehnung von Dickdarmpolypen bei Patientinnen und Patienten mit FAP entwickelt. Das Projekt mit dem Titel „Darmkrebsvorsorge bei Patientinnen und Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) mittels Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz“ wird von der Wilhelm Sander-Stiftung über zwei Jahre mit 204.480 Euro gefördert. Die Stiftung ist eine der bedeutendsten unabhängigen Wissenschaftsförderer der medizinischen Forschung, insbesondere im Bereich der innovativen Krebsforschung.

Eye-Tracking und KI: Polypen mit Blick annotieren und Größe diktieren 

Es sei ein gewagtes Projekt, sagt Hann, aber es baue auf früheren Studien, Erfindungen und Erfahrungen auf, die man alle miteinander „verheiraten“ könne. So hat seine Arbeitsgruppe InExEn mit Endomind eine KI zur Polypenerkennung entwickelt (publiziert in Endoscopy). Mit dem Echtzeit-Polypenerkennungssystem können selbst kleine, kaum sichtbare Polypen mit einem blauen Rahmen für den Untersuchenden hervorgehoben werden. Ein gleichzeitig als Referenz eingeführtes Instrument dient zur Größenabschätzung der Polypen. 
Hinzu kommen nun eine Eye-Tracking-Technologie und eine Spracherkennungssoftware. „Betrachte ich als Untersuchender einen Polypen, weiß die Eye-Tracking-Software genau, wohin mein Blick geht. Diktiere ich dann noch die zuvor anhand des Instruments geschätzte Größe des Polypen, werden diese Informationen verknüpft, und wir wissen, dass Polyp Nummer 4 zum Beispiel 4 oder 10 Millimeter groß ist“, erklärt Alexander Hann. 

KI-Polypenerkennungssystem eröffnet neue Möglichkeiten für die Überwachung von Patienten mit FAP

Als erster Meilenstein wird diese Polypenbewertung mit dem aktuellen Goldstandard verglichen. In einem zweiten Schritt soll das KI-basierte Erkennungssystem mit den gesammelten Daten der annotierten Polypen trainiert werden, um die Polypen erneut zu identifizieren und die Polypengröße zu schätzen. Im Projekt konzentrieren sich die Forscher zunächst auf zwei Dickdarmabschnitte von jeweils 30 Zentimetern. Nach einem Jahr soll die Leistungsfähigkeit der KI evaluiert werden. „Eine positive Bewertung der Leistungsfähigkeit unseres KI-Polypenerkennungssystems wird ganz neue Möglichkeiten für die Überwachung von Patientinnen und Patienten mit FAP eröffnen“, ist sich Alexander Hann sicher. 

„Unser Ziel ist es das Ausmaß der Polypenbelastung zu objektivieren und somit zu standardisieren. Dann kann die Notwendigkeit einer risikomindernden Operation bestimmt werden, was bisher immer vom behandelnden Gastroenterologen und Chirurgen abhängig war. Wir hoffen, dass dies zu weniger Über- oder Unterbehandlung dieser seltenen Erkrankung führen kann“, sagt Dr. Robert Hüneburg. Das Bonner Zentrum ist eines der größten Zentren für die FAP weltweit. 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Das Bild zeigt eine Aufnahme Darm, der übersät ist mit Polypen.
Bei Patientinnen und Patienten mit der Diagnose „familiäre adenomatöse Polyposis“, kurz FAP, bilden sich bis zu tausende von Polypen im Darm, ohne eine entsprechende Behandlung ist bei ihnen Darmkrebs zu 100 Prozent vorprogrammiert. Ein Projekt der Universitätskliniken Würzburg und Bonn, gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung, erforscht nun die Entwicklung und den Einsatz eines KI-Polypenerkennungssystems, um die Darmkrebsvorsorge bei Betroffenen mit FAP zu verbessern. © Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Robert Hüneburg
Porträtbild von Alexander Hann in weißem Kittel
Alexander Hann ist Professor für Digitale Transformation in der Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg (UKW). Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe und dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am Universitätsklinikum Bonn will er die Darmkrebsvorsorge bei Patientinnen und Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) mit Hilfe von Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz verbessern. © Daniel Peter / UKW

KI soll OP von sinunasalen Tumoren optimieren

DFG FÖRDERT ENTWICKLUNG DER OPTISCHEN BIOPSIE VON SINUNASALEN TUMOREN MIT 675.216 EURO

Miguel Goncalves von der Würzburger HNO-Klinik und Marc Aubreville von der Hochschule Flensburg wollen in einem gemeinsamen Projekt die Diagnostik und Therapie von seltenen und oft schwer behandelbaren Tumoren im anatomisch komplexen Bereich der Nasennebenhöhlen verbessern. Dazu kombinieren die Forscher und ihre Teams modernste bildgebende Verfahren wie die konfokale Laserendomikroskopie mit KI-gestützter Analyse und chirurgischer Navigation. Das Forschungsprojekt wurde von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren (IAG-KHT) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ausgezeichnet und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 675.216 Euro gefördert.

 

Das Bild zeigt eine Gegenüberstellung von gesundem und tumorösen Gewebe, je mit CLE-Bild und konfokaler Laserendomikroskopie.
Die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) macht die Zellorganisation sichtbar und kann Aufschluss darüber geben, welche Gewebebereiche tumorös und welche gesund sind. Die gesunde Schleimhaut zeigt beispielsweise ein regelmäßiges Zellmuster. Während die histopathologischen Bilder von Christof Bertram von Schnittpräparaten stammen, werden die Bilder der konfokalen Laserendomikroskopie parallel zur Hautoberfläche aufgenommen. © Marc Aubreville

Würzburg. Sinunasale Tumore sind eine besondere Herausforderung für die Kopf- und Halschirurgie. Um sicherzustellen, dass das bösartige Gewebe in den Nasenhöhlen und Nasennebenhöhlen vollständig entfernt wurde, werden bei herkömmlichen Operationsmethoden oft Gefrierschnitte eingesetzt. Das Gewebe wird sofort eingefroren, damit die Zellstrukturen erhalten bleiben und man sie in dünne Schichten schneiden kann. Die Schichten werden dann unmittelbar in der Pathologie unter dem Mikroskop untersucht. Ein Gefrierschnitt kann also schnell zeigen, ob der Rand des entnommenen Gewebes tumorfrei ist oder ob weitere Entfernungen nötig sind. „Doch oft bleibt eine Unsicherheit, denn sensible Strukturen wie der Sehnerv, die innere Halsschlagader oder das Gehirn lassen sich nicht so einfach untersuchen. Eine Biopsie in diesen Bereichen wäre entweder technisch nicht möglich, zu gefährlich oder würde während der Operation zu lange dauern“, erläutert Privatdozent Dr. med. Miguel Goncalves, Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO), Kopf- und Hals-Chirurgie am Universitätsklinikum Würzburg.

Gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Marc Aubreville vom Forschungsinstitut FLAIR (Flensburg Artificial Intelligence Research) der Hochschule Flensburg, arbeitet Miguel Goncalves an einer neuen Methode, mit der die Schleimhaut der Nasen- und Nasennebenhöhlen direkt während der Operation mikroskopisch untersucht werden kann, ohne dass Gewebe entnommen werden muss. KI-gestützte Analysen sollen den Chirurgen navigieren. Das Forschungsprojekt mit dem Titel „Optische Biopsie von sinunasalen Tumoren mittels konfokaler Laserendomikroskopie: Eine klinische und KI-gestützte Auswertung und Visualisierung“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 675.216 Euro gefördert. Auch die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren (IAG-KHT) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) sah in dem Projekt Potenzial: Sie zeichnete es mit dem diesjährigen AG-Preis aus.

Modernste Bildgebungstechnologien, KI-gestützte Analysen und chirurgische Navigation

Die Forscher aus den Bereichen Medizin und Informatik setzen in dem Projekt eine konfokale Laserendomikroskopie ein, mit der die Operierenden in Echtzeit detaillierte und hochauflösende Bilder erhalten, die genau zeigen, wie weit sich der Tumor in der Nasenhöhle und in den Nasennebenhöhlen ausgebreitet hat. Der Laser liefert präzises Licht, die konfokale Technik sorgt für scharfe, schichtweise Bilder, und das Endoskop ermöglicht es, diese Bilder direkt vor Ort, also in der Nase zu machen, ohne dass Gewebe entnommen werden muss. „Diese Technologie könnte helfen, schwer zugängliche Bereiche besser zu beurteilen und die Entfernung von Tumoren sicherer und präziser zu machen“, erklärt Miguel Goncalves.

Im Rahmen des Forschungsprojekts werden auch Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt, die die Bilder analysieren und die Operationsplanung verbessern können. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Verknüpfung dieser endoskopischen Echtzeit-Bildgebung mit dreidimensionalen Daten aus CT- und MRT-Aufnahmen. So entsteht ein umfassendes virtuelles Modell, das die Chirurginnen und Chirurgen während der Operation präzise führen kann. Durch die Kombination modernster Bildgebungstechnologien, KI-gestützter Analysen und chirurgischer Navigation hat das Projekt das Potenzial, die Diagnostik und Therapie von seltenen und oft schwer behandelbaren Tumoren im komplexen anatomischen Gebiet der Nasennebenhöhlen deutlich zu verbessern.

Langfristige Verbesserung der Überlebensraten und Lebensqualität 

„Bösartiges Gewebe kann leichter von gesundem Gewebe unterschieden werden, die chirurgische Präzision wird optimiert und durch die vollständige und gleichzeitige minimalinvasive Tumorentfernung werden die Überlebensraten und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten langfristig verbessert“, fasst Miguel Goncalves die Vorteile der neuen Methode zusammen. Durch die schonende Operationsmethode sinkt zudem das Risiko für Komplikationen und Funktionsverluste von gesunden Strukturen. Und: Eine breitere Anwendung dieser Technologien könnte in Zukunft in vielen klinischen Bereichen zur Standarddiagnostik führen und damit allgemein zugänglicher und kostengünstiger werden.
Umfangreiche Vorarbeiten

Das Projekt baut auf umfangreichen Vorarbeiten der Forschungsgruppe zur konfokalen Laserendomikroskopie im Kopf-Hals-Bereich auf, die bereits ein ähnliches DFG-Projekt im Bereich von Mundhöhle, Rachen (Pharynx) und Kehlkopf (Larynx) erfolgreich abgeschlossen hat (DFG). Die Ergebnisse zeigten bereits eine hohe Genauigkeit bei der Klassifizierung von malignem Geweben.

Text: Kirstin Linkamp / UKW

Das Bild zeigt eine Gegenüberstellung von gesundem und tumorösen Gewebe, je mit CLE-Bild und konfokaler Laserendomikroskopie.
Die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) macht die Zellorganisation sichtbar und kann Aufschluss darüber geben, welche Gewebebereiche tumorös und welche gesund sind. Die gesunde Schleimhaut zeigt beispielsweise ein regelmäßiges Zellmuster. Während die histopathologischen Bilder von Christof Bertram von Schnittpräparaten stammen, werden die Bilder der konfokalen Laserendomikroskopie parallel zur Hautoberfläche aufgenommen. © Marc Aubreville

GDF-15-Blockade: Ein Türöffner für die Immuntherapie

VALIDIERUNG VON GDF-15 ALS THERAPEUTISCHES ZIELMOLEKÜL ZUR VERBESSERUNG DER IMMUNANTWORT GEGEN TUMORE

Erste klinische in Nature publizierte Studie mit dem anti-GDF-15-Antikörper Visugromab in Kombination mit dem Immun-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab bei fortgeschrittenem Krebs bestätigt den Erfolg der Forschung „from bench to bedside“. Wichtige Vorarbeiten leistete die Arbeitsgruppe von Prof. Jörg Wischhusen am Uniklinikum Würzburg (UKW) mit der Erkenntnis, dass der Wachstums- und Differenzierungsfaktor 15 (GDF-15) die Wirkung von Immuntherapien wie anti-PD-1 hemmt, mit dem Konzept zur Verbesserung der Immuninfiltration in Tumore durch GDF-15-Blockade sowie mit der Entwicklung und Patentierung von anti-GDF-15-Antikörpern.

 

Das Bild zeigt wie der pink eingefärbten Antikörper den in vielen soliden Tumoren stark überexprimierte Wachstums- und Differenzierungsfaktor GDF-15 blockiert.
Der Antikörper Visugromab (dargestellt in pink) blockiert gezielt den Wachstums- und Differenzierungsfaktor 15 (GDF-15, dargestellt in orange). Durch die Neutralisierung von GDF-15 kann Visugromab das Immunsystem dabei unterstützen, Tumore effektiver anzugreifen und Resistenzen gegen Immuntherapien zu überwinden. © CatalYm

Würzburg. Eigentlich sollen Immun-Checkpoint-Moleküle die Aktivität des Immunsystems regulieren. Die speziellen Proteine auf der Oberfläche von Immunzellen wirken dabei oft als Bremse, damit das Immunsystem nicht versehentlich gesunde Zellen angreift. Bestimmte Tumorzellen können diese Immun-Checkpoints jedoch ausnutzen, um eine Immunantwort gegen sich selbst zu verhindern. Ein bekanntes Immun-Checkpoint-Molekül ist PD-1, kurz für Programmed Cell Death 1. Bindet der von vielen Tumoren exprimierte Ligand PD-L1 an diesen Rezeptor, wird die Immunzelle regelrecht entwaffnet. Krebsimmuntherapien, die diese Immun-Checkpoint-Moleküle mit Antikörpern blockieren, haben die Behandlung vieler Krebsarten verbessert. Allerdings spricht nur eine Minderheit der Patientinnen und Patienten auf diese Immuntherapie an. Ein Grund dafür sind bestimmte von Tumorzellen produzierte, lösliche und zellgebundene immunsuppressive Faktoren. Ein Beispiel hierfür ist GDF-15.

GDF-15-Blockade verstärkt anti-PD-1- Immuntherapie 

Dass und wie der in vielen soliden Tumoren stark überexprimierte Wachstums- und Differenzierungsfaktor GDF-15 (Growth/Differentiation Factor 15) effektive Immunantworten gegen Tumore verhindert, zeigten die Universitätsmedizin Würzburg und ihr Spin-Off CatalYm im vergangenen Jahr erstmals im Wissenschaftsjournal Nature Communications. Die tumorimmunologische Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Wischhusen an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) konnte in präklinischen Modellen demonstrieren, dass eine Blockade von GDF-15 die etablierte Anti-PD-1-vermittelte Immuntherapie verstärkt. Auch die zur GDF-15-Blockade eingesetzten Antikörper wurden in Würzburg entwickelt. Die entsprechenden Patente wurden von der Julius-Maximilians-Universität an die Ausgründung CatalYm GmbH 2016 auslizenziert, die inzwischen ihren Sitz in München hat und seitdem rund 250 Millionen Euro an Venture-Kapital einwerben konnte.

Validierung der präklinischen Untersuchung in klinischer Studie 

Die Erkenntnis, dass GDF-15 die Einwanderung von Immunzellen in das Tumormikromilieu und damit den Erfolg von Immuntherapien verhindert, und das daraus abgeleitete Konzept der GDF-15-Blockade wurden nun in einer klinischen Phase-1/2a-Studie validiert und die Daten in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Die Translation erfolgte durch CatalYm, unterstützt von einem Konsortium klinischer Studienzentren, darunter das von Dr. Maria-Elisabeth Göbeler und Professor Ralf Bargou geleitete Interdisziplinäre Studienzentrum am Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) mit der Early Clinical Trial Unit (ECTU). 

In der sogenannten GDFATHER-1/2a-Studie (NCT04725474) wurden Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen, die auf etablierte Therapien inklusive anti-PD1 Therapien nicht mehr ansprachen, mit dem neutralisierenden Anti-GDF-15-Antikörper Visugromab in Kombination mit dem Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab behandelt. Zwei Krebsarten, bei denen GDF-15 besonders häufig zu einer schwächeren Immunantwort führt, sind nicht-kleinzelliger Lungenkrebs und Blasenkrebs. Das Studienteam beobachtete bei einigen der eigentlich austherapierten Patientinnen und Patienten eine außergewöhnliche Dauer und Tiefe des Ansprechens. In einigen Fällen kam es sogar zu einem vollständigen Tumorrückgang - „komplette Remission“. Zudem erwies sich die Therapie als sehr gut verträglich. 

Hoffnungsvolles Konzept zur Behandlung solider Tumore

In Übereinstimmung mit den präklinischen Daten wurden vermehrt aktivierte, tumorinfiltrierende Immunzellen nachgewiesen. „Die Blockade von GDF-15 ist damit ein vielversprechender neuer Ansatz, um die Resistenz gegen Immun-Checkpoint-Inhibition bei Krebs zu überwinden“, freut sich Jörg Wischhusen. „Da die Studienergebnisse unsere wissenschaftlichen Vorarbeiten voll bestätigen, ist dies ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Translation ‚from bench to bedside‘.“

Entscheidend für den Erfolg der Studie waren laut Wischhusen das exzellente klinische Entwicklungs-Team der CatalYm GmbH um Chief Medical Officer Prof. Dr. Eugen Leo, die Biomarkerspezialistin Dr. Kathrin Klar und die Leiterin Clinical Operations Dr. Petra Fettes sowie die mitwirkenden Studienzentren, die mit großem Engagement die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer rekrutierten. Als Lead Investigator konnte mit Ignacio Melero von der Universidad de Navarra einer der international renommiertesten Spezialisten für Tumorimmuntherapie gewonnen werden, der die klinische Umsetzung „mit höchster Kompetenz und ansteckendem Enthusiasmus begleitet hat“, so Wischhusen. Insgesamt waren 76 Autorinnen und Autoren an der Studie beteiligt, für Würzburg neben Jörg Wischhusen u.a. Maria-Elisabeth Goebeler und Cyrus Sayehli als Principal Investigators der Studie und Ralf Bargou als Mitglied des Advisory Boards.

Wirkmechanismen noch besser verstehen und in früheren Tumorstadien testen

Wie geht es weiter? „Wissenschaftlich wäre es wünschenswert, den Wirkmechanismus noch besser zu verstehen. Bisher wissen wir noch nicht, warum manche Patientinnen und Patienten auf die Kombinationstherapie ansprechen und andere nicht“, so Wischhusen. Klinisch soll die neue Therapie nun in kontrollierten randomisierten Studien bei Patientinnen und Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom in früheren Tumorstadien in Kombination mit einer Immunchemotherapie getestet werden. Dazu die Leiterin der interdisziplinären ECTU Maria-Elisabeth Goebeler: „Der Start für diese Phase II Studie ist für das erste Quartal 2025 zu erwarten. Wir freuen uns, dass die ECTU des UKW diese attraktive Studie für unsere Patientinnen und Patienten anbieten wird.“ Bargou, Direktor des CCC Mainfranken, spricht Visugromab viel Potential für zukünftige Behandlungsansätze zu und meint: „Grundsätzlich könnte Visugromab auch die Wirksamkeit anderer Immuntherapien verbessern, etwa mit CAR-T-Zellen oder bispezifischen Antikörpern, verbessern. Zudem ist davon auszugehen, dass der Antikörper auch bei anderen Tumorentitäten wirksam ist.“

Publikation: Melero, I., de Miguel Luken, M., de Velasco, G. et al. Neutralizing GDF-15 can overcome anti-PD-1 and anti-PD-L1 resistance in solid tumours. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-08305-z

Pressemeldung von CatalYm: CatalYm Highlights Visugromab’s Potential to Treat Cachexia in Cancer Patients at International SCWD Conference

Pressemeldung vom 20. Juli 2023 anlässlich der Publikation in Nature Communications zur Wirkung des Zytokins GDF-15 auf die LFA-1/Zelladhäsionsachse bei Tumor-assoziierten T Zellen.

Text: Kirstin Linkamp / UKW
 

Das Bild zeigt wie der pink eingefärbten Antikörper den in vielen soliden Tumoren stark überexprimierte Wachstums- und Differenzierungsfaktor GDF-15 blockiert.
Der Antikörper Visugromab (dargestellt in pink) blockiert gezielt den Wachstums- und Differenzierungsfaktor 15 (GDF-15, dargestellt in orange). Durch die Neutralisierung von GDF-15 kann Visugromab das Immunsystem dabei unterstützen, Tumore effektiver anzugreifen und Resistenzen gegen Immuntherapien zu überwinden. © CatalYm

Roboter mit Waschanlage für Killerzellen gegen Krebs

Am UKW wird ein Prototyp für automatisierte und digitalisierte CAR-T-Zellherstellung aufgebaut

Alle beim Aufbau beteiligten tragen einen weißen Kittel und posieren vor der Anlage.
Gruppenbild vorne v.l.n.r.: Carmen Sanges, Annika Dressler, Michael Hudecek, Marta Lopez und Miquel Costa Ferrando, zweite Reihe Núria Marí und Katrin Mestermann, hinten Frederik Erkens. © Kirstin Linkamp / UKW
Das Würzburger Team posiert in weißen Kitteln vor der Anlage
Team Würzburg v.l.n.r.: Annika Dressler, Katrin Mestermann, Carmen Sanges und Michael Hudecek. © Kirstin Linkamp / UKW
Katrin Mestermann steht im weißen Kittel vor dem Bioreaktor
Dr. Katrin Mestermann kontrolliert die Schläuche im Bioreaktor. © Kirstin Linkamp / UKW
Frederik Erkens steht im weißen Kittel neben der Anlage und schaut auf den Roboterarm, sein Profil spiegelt sich im schmalen Kühschrank.
Ingenieur Frederik Erkens vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT prüft die Funktionsfähigkeit des Roboterarms. © Kirstin Linkamp / UKW

Im EU-Projekt AIDPATH (AI powered, Decentralized Production for Advanced Therapies in the Hospital) entwickeln Partner aus Industrie und Forschung aus ganz Europa eine Plattform zur Herstellung sogenannter CAR-T-Zellen für die Krebstherapie. Der Prototyp, der derzeit am Uniklinikum Würzburg (UKW) aufgebaut wird, integriert mittels künstlicher Intelligenz (KI) Daten und Biomarker in den Herstellungsprozess und in die Therapie. Die CAR-T-Zellen sollen patientennah direkt in der Klinik hergestellt werden.

Würzburg. Am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie der Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW) entsteht derzeit im Rahmen des EU-Projekts AIDPATH eine Plattform, die es in dieser Art kein zweites Mal auf der Welt gibt: eine automatisierte und intelligente Anlage für die Herstellung von CAR-T-Zellen.

CARs sind chimäre Antigenrezeptoren, die bestimmten Immunzellen, unter anderem T-Zellen, dabei helfen, Krebszellen zu erkennen, zu binden und zu zerstören. Für die Herstellung der CAR-T-Zellen müssen zunächst die weißen Blutkörperchen aus dem Blut der Patientin oder des Patienten herausgefiltert werden. Dieser Vorgang wird Leukapherese genannt. Anschließend werden die T-Zellen von den anderen weißen Blutkörperchen getrennt und zur Teilung angeregt. Damit die T-Zellen zu CAR-T-Zellen werden, wird ein künstlich hergestelltes Gen in das Erbgut eingeschleust. Die CAR-T-Zellen werden anschließend vermehrt und danach der Patientin oder dem Patienten über eine Infusion zurückgegeben.

Dieser gesamte Herstellungsprozess soll in wenigen Jahren auf 7,3 Quadratmetern direkt am Behandlungsort möglich sein, damit Krebskranke künftig viel schneller eine speziell auf ihre Bedürfnisse und individuellen Zelleigenschaften zugeschnittene Therapie erhalten. Daran arbeiten Partner aus Industrie und Forschung seit fast vier Jahren im EU-Projekt AIDPATH, das von der Europäischen Kommission im Rahmen von Horizont 2020 für fünf Jahre gefördert wird. Von Anfang an dabei ist Dr. Katrin Mestermann vom UKW.

Die Waschanlage ist das zentrale Gerät im Herstellungsmodul

„Der erste automatisierte Schritt bei der Herstellung der CAR-T-Zellen findet in einer Art Waschanlage für Zellen statt“, erklärt die Biologin. „Im so genannten Cell Washing Device werden die weißen Blutkörperchen gewaschen, in Puffer aufgenommen, die T-Zellen markiert und angereichert. Nachdem die angereicherten T-Zellen zwei bis drei Tage im Bioreaktor aktiviert wurden, kommen sie zurück in die Waschanlage und in einem neuen Puffer in den Elektroporator. Hier wird die Zellmembran durch einen kurzen Elektroschock mit Poren versehen, durch die DNA, die den CAR kodiert in die T-Zellen eingebracht wird. Danach kommen die T-Zellen wieder für einige Tage in den Bioreaktor, um das Erbgut für den CAR aufzunehmen und sich zu teilen, und anschließend ein letztes Mal in die Waschanlage, wo sie in ein spezielles Medium überführt werden, das sich zur Infusion eignet“.

Ein Roboter bildet das Herzstück des Qualitätskontrollmoduls

Nach dem Herstellungsmodul geht es weiter zum Qualitätskontrollmodul, dessen Herzstück ein Roboter ist, der die in kleine Röhrchen abgefüllten CAR-T-Zellen handhabt und sie zum Beispiel vom Durchflusszytometer, wo die Oberflächenmarker analysiert werden, in den Kühlschrank befördert, der von einem langen Roboterarm auf der einen Seite und von Menschenhand auf der anderen Seite geöffnet werden kann.

„Die Plattform ist viel größer und kann mehr, als ich dachte“, sagt Annika Dressler. Sie ist technische Assistentin und unterstützt Katrin Mestermann bei der Protokolloptimierung und Projektvalidierung. „Die Ergebnisse, auf die die großen Geräte trainiert werden, habe ich vorher im Labor im kleinen Maßstab erzeugt“, sagt Annika Dressler und gesteht: „Ich optimiere das Projekt, aber das Projekt optimiert auch mich.“ Im Moment arbeitet sie daran, den Zellverlust in der Waschanlage zu minimieren und das Restvolumen, das im Schlauch von der Waschanlage zum Bioreaktor verbleibt, nicht zu groß werden zu lassen.

Steuerungssoftware ermöglicht zentrale Verwaltung und Prozessüberwachung

Das Würzburger Team kann es kaum erwarten, die Anlage in Betrieb zu nehmen. Bisher wurden die Maschinen am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen aufgebaut, von wo das AIDPATH Projekt koordiniert wird. „Wir haben das Engineering für die Plattform gemacht und sie ohne Zellen getestet“, berichtet Frederik Erkens vom Fraunhofer IPT. Der Ingenieur begleitet den Aufbau in Würzburg seit drei Wochen und überprüft gerade die Steuerungssoftware. Diese ermöglicht die zentrale Verwaltung und Prozessüberwachung. Denn alle Maschinen und Geräte sind über standardisierte Schnittstellen in einem so genannten Integrationsframework miteinander verbunden. Unterstützt wird die Steuerungssoftware durch einen KI-basierten digitalen Zellzwilling, der die initialen Prozessparameter vorgibt, und einen KI-Prozesscontroller, der die Prozessparameter während des Betriebs anpasst.

Gegenüber von Frederik Erkens arbeitet ein Team der spanischen Firma Aglaris Cell am Bioreaktor. Der Bioreaktor übernimmt mehrere Schritte der Zellproduktion und ist Miquel Costa Ferrando zufolge mehr als nur ein Bioreaktor. „Bei uns sind die Zellen das Produkt, nicht das, was die Zellen produzieren. Der Bioreaktor kümmert sich um die Zellen und bietet ihnen optimale Bedingungen in einer angenehmen Umgebung mit ausreichend Sauerstoff, der richtigen Temperatur, genügend Glukose und allem, was sie für ihr Wachstum brauchen“, so der Gründer und Technische Direktor von Aglaris.

Prototyp für ganz Europa – um Produktionsdaten zu harmonisieren

Die Zellen werden während des gesamten Herstellungsprozesses überwacht. „Das heißt, wir müssen sie nicht stören, um Proben zu nehmen und den pH-Wert oder den Sauerstoffgehalt zu bestimmen. Ein KI-Algorithmus sagt uns, wann die gewünschte Zellzahl erreicht ist und der richtige Zeitpunkt für die Ernte gekommen ist“, erklärt Dr. Carmen Sanges. Ebenso wichtig wie die Automatisierung ist für sie die Digitalisierung. Die Plattform kann zum Beispiel in die klinische Datenbank integriert werden, sodass Patientendaten mit Produktionsdaten verknüpft werden. Bei der Einrichtung der Datenbank arbeitet das UKW eng mit dem niederländischen Softwareunternehmen ORTEC und dem europäischen T2EVOLVE-Konsortium zusammen, welches zum Ziel hat, die Entwicklung und den Zugang zur CAR-T-Zelltherapie zu beschleunigen. Als wissenschaftliche Projektleiterin der EU-Projekte des Lehrstuhls ist Carmen Sanges auch für AIDPATH verantwortlich und kümmert sich um die klinische Anwendbarkeit, den Austausch mit Medizinern, Wissenschaftlern und Patienten, und die regulatorische Strategie. Im Bereich Business Development arbeitet sie eng mit dem niederländischen Partner Panaxea zusammen. Denn die Idee ist, eines Tages mehrere solcher Plattformen in Europa zu haben, damit Produktionsdaten harmonisiert und ausgetauscht werden können, um sowohl die Forschung als auch die Behandlung voranzutreiben und zu stärken.

Auch Prof. Dr. Michael Hudecek, Inhaber des Lehrstuhls für Zelluläre Immunologie, verfolgt den Aufbau der Anlage mit großer Spannung und Vorfreude: „Ich bin unglaublich stolz, dass es uns im Team gelungen ist, diese Anlage zu entwerfen und aufzubauen. Jetzt können wir die Plattform mit Daten füttern und herausfinden, wo uns künstliche Intelligenz (KI) helfen kann. Welche Fragen kann KI beantworten? Welche Daten brauchen wir dafür? Und wenn wir alle Schritte fein aufeinander abgestimmt haben, können wir einen Zwilling dieser Herstellungsplattform im GMP-Bereich, also dem Höchstreinlabor aufbauen und dort CAR-T-Zellprodukte für die Therapie herstellen.“ Denn der Name ist Programm: AIDPATH steht für AI powered, Decentralized Production for Advanced Therapies in the Hospital - KI-gestützte, dezentrale Produktion für moderne Therapien im Krankenhaus.

Partner im AIDPATH-Konsortium 

•    AglarisCell SL, Tres Cantos
•    Foundation for Research and Technology - Hellas, (FORTH), Patras
•    Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
•    Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, Leipzig
•    Fundacio Clinic per a la recerca Biomedica, Barcelona
•    IRIS Technology Solutions, Sociedad Limitada, Madrid
•    Ortec Optimization Technology B.V., Zoetermeer
•    Panaxea BV, Amsterdam
•    Red Alert Labs, Maisons-Alfort
•    Sartorius CellGenix GmbH, Freiburg
•    SZTAKI Institute for Computer Science and Control, Budapest
•    Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg
•    University College London, London

Hier geht es zur Projektseite des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT. Weitere Informationen liefert die Projektwebseite www.aidpath-project.eu 

Text: Kirstin Linkamp / UKW

Alle beim Aufbau beteiligten tragen einen weißen Kittel und posieren vor der Anlage.
Gruppenbild vorne v.l.n.r.: Carmen Sanges, Annika Dressler, Michael Hudecek, Marta Lopez und Miquel Costa Ferrando, zweite Reihe Núria Marí und Katrin Mestermann, hinten Frederik Erkens. © Kirstin Linkamp / UKW
Das Würzburger Team posiert in weißen Kitteln vor der Anlage
Team Würzburg v.l.n.r.: Annika Dressler, Katrin Mestermann, Carmen Sanges und Michael Hudecek. © Kirstin Linkamp / UKW
Katrin Mestermann steht im weißen Kittel vor dem Bioreaktor
Dr. Katrin Mestermann kontrolliert die Schläuche im Bioreaktor. © Kirstin Linkamp / UKW
Frederik Erkens steht im weißen Kittel neben der Anlage und schaut auf den Roboterarm, sein Profil spiegelt sich im schmalen Kühschrank.
Ingenieur Frederik Erkens vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT prüft die Funktionsfähigkeit des Roboterarms. © Kirstin Linkamp / UKW

Mit besserem Geschmack durch die Tumortherapie

MAßGESCHNEIDERTE ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR KREBSPATIENTEN MIT GESCHMACKSSTÖRUNGEN

Bei Krebspatientinnen und Krebspatienten treten während einer Tumortherapie häufig Geschmacksstörungen auf, die den Ernährungszustand beeinträchtigen und im schlimmsten Fall zum Abbruch lebensverlängernder Therapien führen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Hann und Dr. Anna Fleischer vom Uniklinikum Würzburg (UKW) wollen die sechs Universitätsklinika in Bayern mit maßgeschneiderten Ernährungsinterventionen die Geschmackswahrnehmung in der Onkologie optimieren. Das multidisziplinäre Team aus Medizin, Psychoonkologie, Ernährungswissenschaft, Informatik und Social Media entwickelt und evaluiert ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Portal namens Gustabor, das 500.000 Rezepte sowie zahlreiche Lebensmittelinformationen bündelt und Empfehlungen entsprechend dem Geschmacksprofil des Nutzers ausspricht. Das Projekt wird vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) im Rahmen der Ausschreibung zur tertiären Prävention mit 467.480 € über zwei Jahre ab Januar 2025 gefördert.

DAs Bild zeigt das Würzburger Team in Person und auf dem Monitor hinter den Personen die zwei Projektpartnerinnen aus Regensburg und München.
Partnerinnen und Partner im Gustabor-Projekt, hinten links auf dem Monitor Dr. Sophie Scholsser-Hupf (UKR) und rechts Dr. Nicole Erickson (LMU), vorne das Team am UKW v.l.n.r. Constanze Wolz, Dr. Anna Fleischer, Prof. Dr. Alexander Hann, Philipp Sodmann. © UKW
Das mit KI erstellte Titelbild von Gustabor, Aufschrift: Begleiten Sie uns auf einer spannenden Reise durch Geschmack, Ernährung und Medizin
Die Plattform Gustabor gibt passend zum Geschmacksprofil personalisierte Ernährungsempfehlungen, die helfen sollen, spezifische Geschmacksstörungen, die während der Tumortherapie auftreten, zu lindern. Die Bilder für die Webseite hat der Assistenzarzt Philipp Sodmann mit KI von Midjourney erstellt. © Philipp Sodmann / UKW

Würzburg. Erst kürzlich zeigte eine französische Studie, dass 98 Prozent aller Krebspatientinnen und Krebspatienten durch ihre Chemotherapie unter Geschmacksveränderungen leiden. Obwohl Geschmacksveränderungen bei Chemo- und Immuntherapien mit einer Vielzahl negativer Folgen wie Mangelernährung und verminderter Therapietreue verbunden sind, werden sie immer noch unterschätzt. Das muss sich ändern, dachte sich Dr. Anna Fleischer von der Abteilung für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), als ein Patient mit rezidiviertem Multiplem Myelom bekannte: „Hätte ich vorher gewusst, dass ich unter der Antikörpertherapie nichts mehr schmecken kann, hätte ich sie abgelehnt, obwohl sie meine letzte Chance war.“ Für den Patienten war der Geschmack wichtiger als die Lebensverlängerung.

Patientinnen und Patienten haben unterschiedliche Geschmacksstörungen

Weitere Patientinnen und Patienten bestätigten die immense Belastung und Einschränkung der Lebensqualität durch Geschmacksstörungen. Anna Fleischer hat deshalb zunächst gemeinsam mit dem Oberarzt Prof. Dr. Leo Rasche und der Doktorandin Magdalena Roll die Geschmacksstörungen unter der Antikörpertherapie mit Talquetamab systematisch untersucht. Das Ergebnis: Alle Patientinnen und Patienten nehmen den Geschmack unterschiedlich wahr. Bei manchen schmeckt alles bitter oder metallisch, andere können Süßes oder Salziges nicht mehr schmecken. So entstand die Idee für Gustabor - eine Plattform, die Geschmacksprofile erstellt und personalisierte Ernährungsempfehlungen gibt, die helfen sollen, spezifische Geschmacksstörungen, die während der Tumortherapie auftreten, zu lindern. 

Sechs bayerische Uniklinika und Patientenvertretungen beteiligt

Für das Projekt holte Anna Fleischer zunächst den Würzburger Gastroenterologen und KI-Experten Prof. Dr. Alexander Hann mit ins Boot sowie die Ernährungsberaterin Constanze Wolz vom UKW, die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Nicole Erickson vom LMU Klinikum und weitere Expertinnen und Experten aus dem Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Universitätsklinikum Regensburg. Gemeinsam mit Patientenvertretungen wollen die drei Unikliniken im ersten Projektjahr sämtliche bereits bekannte Maßnahmen und Tipps bei Geschmacksstörungen aus rund 200 nicht-pharmakologischen Studien herausfiltern und die Internetplattform Gustabor mit 500.000 Rezepten und lebensmittelspezifischen Informationen sowie entsprechenden Such- und Filterfunktionen aufbauen.

Im zweiten Projektjahr werden die anderen drei bayerischen Uniklinika in Augsburg und Erlangen sowie das TUM Universitätsklinikum rechts der Isar involviert. Schließlich sollen an allen sechs bayerischen Uniklinik-Standorten in einer randomisierten Studie die Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten entsprechend ihres zuvor erstellen Geschmacks- und Ernährungsprofils angewendet und evaluiert werden. 

BZKF fördert Gustabor mit 467.480 Euro 

Das Projekt wird ab Januar 2025 zwei Jahre lang vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) im Rahmen der Ausschreibung zur sogenannten tertiären Prävention mit 467.480 Euro gefördert. Tertiäre Prävention bezeichnet Maßnahmen, die darauf abzielen, die Folgen einer bereits bestehenden Krankheit zu minimieren, Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. 

Anna Fleischer hat bereits umfassende Literaturrecherchen und Befragungen betrieben sowie einen Patientenratgeber geschrieben. Was wird zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit metallischem Geschmack empfohlen? „Ihnen kann es helfen, vorwiegend kalte Speisen und Limonade zu sich zu nehmen sowie Besteck aus Kunststoff statt aus Metall zu verwenden.“ Und wenn jemand nicht mehr süß schmecken kann? „Dann könnte Gustabor der Person Rezepte vorschlagen, die deftig lecker sind und nicht zwingend süß schmecken müssen, oder bei denen die Süße ganz stark hochdosiert werden kann“, schildert die Medizinerin. 

Kombination von Geschmacksprofil, 500.000 Rezepten, Zutatenfakten und Wirkungsweisen sowie fortschrittlichen Algorithmen 

„Unser Ziel ist es, dass Gustabor mittels verschiedener Algorithmen auf Basis des Geschmacksprofils einen Katalog mit maßgeschneiderten Ernährungsvorschlägen generiert, die der Patientin oder dem Patienten wirklich schmecken und helfen“, erklärt Alexander Hann. Die KI dahinter baut der Mediziner gemeinsam mit Informatikerinnen und Informatikern auf. Neben dem objektiv erstellten Geschmacksproblem werden im anonymisierten Profil Punkte wie Alter, Geschlecht, Gewicht, Tumorart, Behandlung, Ernährungsvorlieben, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -abneigungen berücksichtigt. Ergänzend zu den 500.000 Rezepten, die eine KI mit Wort und Bild überarbeitet hat, fließen Tabellen und Skalen ein, die Auskunft darüber geben, welche Stoffe in welchen Lebensmitteln enthalten sind und wie sie in verschiedenen Zuständen schmecken. Eine frische Aprikose schmeckt zum Beispiel anders als gepresst oder gekocht. 

Appetit wird durch Jazz und orange gefördert, durch Rap und Schwarzlicht gehemmt

Manche Maßnahmen seien auch gar nicht rezeptspezifisch, so Anna Fleischer. Der Geschmack hängt oft auch vom Ambiente ab. So hat es sich bei Krebspatientinnen und Krebspatienten bewährt, während des Essens Ablenkung zu suchen und mit der Familie oder mit Freunden zu essen statt alleine. Erhebungen ergaben, dass Menschen bei Jazzmusik tendenziell mehr und bei Rapmusik weniger essen. Schwarze und violette Farbtöne werden beim Essen mit Schimmel assoziiert und lösen Ekel aus, während orange Farbtöne an frisches Obst erinnern und den Appetit anregen.

Fett als Geschmacksverstärker, Fleisch mit Süßem und zwischendurch ein Kaugummi

„Es ist nicht so, dass es noch keine Ernährungsempfehlungen gibt, aber diese erfordern ein Ausprobieren. Mal hilft das eine, mal das andere. Die Wirkung ist ganz individuell. Und genau das wollen wir identifizieren“, sagt Alexander Hann. Inspiriert hat ihn eine aktuelle Studie aus Toronto, die für Gustabor ein guter Vorgeschmack sein könnte. Eine Informationsbroschüre mit potenziell nützlichen Strategien half krebskranken Kindern, mit ihren spezifischen Geschmacksveränderungen umzugehen. Wer es zum Beispiel mild mag, sollte neutrale Speisen wie Reis, Nudeln, Kartoffeln, Huhn, Ei oder Pudding bevorzugen und die Lebensmittel kochen, das reduziert den Eigengeschmack. Wer es pikant mag, sollte viel Salz, Basilikum, Oregano, Zimt oder Ingwer verwenden und die Speisen mit kräftigen Saucen, Zitronensaft oder Essig verfeinern. Auch Fett dient als Geschmacksverstärker. Speisen mit starkem Eigengeruch sollten gemieden werden, und Fleischgerichte werden oft durch süße Beigaben wie Preiselbeeren, Kompott, Gelee oder Honigmarinaden schmackhafter. Zwischendurch können das Lutschen von Pfefferminzbonbons und das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi, häufiges Zähneputzen und Mundspülungen unangenehme Gerüche reduzieren.

Beteiligte Partnerinnen und Partner im Projekt Gustabor:

UKW: Alexander Hann (Leitung), Anna Fleischer (Stellvertretende Leitung), Philipp Sodmann, Constanze Wolz, Leo Rasche, Imad Maatouk, Hermann Einsele, Patientenvertretungen
 
LMU: Nicole Erickson, Michael von Bergwelt, Volker Heinemann, Patientenvertretungen
 
UKR: Arne Kandulski, Sophie Schlosser-Hupf, Martina Müller-Schilling, Patientenvertretungen
 
UKER: Norbert Meidenbauer, Andreas Mackensen, Patientenvertretungen
 
UKA: Tim Pfeiffer, Martin Trepel, Patientenvertretungen
 
TUM: Sylvie Lorenzen, Alexander Nieto, Florian Bassermann, Patientenvertretungen

 

Text: Kirstin Linkamp / UKW
 

DAs Bild zeigt das Würzburger Team in Person und auf dem Monitor hinter den Personen die zwei Projektpartnerinnen aus Regensburg und München.
Partnerinnen und Partner im Gustabor-Projekt, hinten links auf dem Monitor Dr. Sophie Scholsser-Hupf (UKR) und rechts Dr. Nicole Erickson (LMU), vorne das Team am UKW v.l.n.r. Constanze Wolz, Dr. Anna Fleischer, Prof. Dr. Alexander Hann, Philipp Sodmann. © UKW
Das mit KI erstellte Titelbild von Gustabor, Aufschrift: Begleiten Sie uns auf einer spannenden Reise durch Geschmack, Ernährung und Medizin
Die Plattform Gustabor gibt passend zum Geschmacksprofil personalisierte Ernährungsempfehlungen, die helfen sollen, spezifische Geschmacksstörungen, die während der Tumortherapie auftreten, zu lindern. Die Bilder für die Webseite hat der Assistenzarzt Philipp Sodmann mit KI von Midjourney erstellt. © Philipp Sodmann / UKW