Aktuelle Pressemitteilungen

„The Brain Makers“ in Würzburg

Die Klinische Neurobiologie, die Neurologie und die Neuropathologie der Universitätsmedizin Würzburg sind Teil einer Dokumentation über den therapeutischen Einsatz der Moleküle, die das Wachstum, das Überleben und die Regeneration von Nervenzellen fördern - angefangen bei Rita Levi-Montalcini, die mit der Entdeckung des Nervenwachstumsfaktors (NGF) den Grundstein für das Verständnis legte, wie Nervenzellen wachsen, sich entwickeln und miteinander kommunizieren, über den ersten klinischen Einsatz von rhNGF bis hin zu neuen Perspektiven in der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.

 

Das Kamerateam posiert mit Michael Sendtner in seinem Büro, Kamera-Equipment steht vor ihnen.
Die Agentur Oneframe drehte für ihre Dokumentation „The Brain Makers“ auch in Würzburg, v.l.n.r.: Ricardo Cesi, Jovica Nonkovic-Jole, Barbara Bernardini, Michael Sendtner © Kirstin Linkamp / UKW
Camelia Monorano steht im weißen Kittel im Hörsaal der Neuropathalogie, vor ihr ein Rollwagen mit drei Tablets voller Gehirnschnitte und einem noch vollständigen Gehirn
Die Neuropathologin Dr. Camelia Maria Monoranu demonstriert, wie ein Gehirn von einem Parkinson-Patienten im Vergleich zu einem gesunden Gehirn aussieht. © Kirstin Linkamp / UKW
Schnitte der Substantia Nigra von gesundem Menschen und Patienten mit Parkinson liegen nebeneinander auf einem Tablett
Bei gesunden Menschen ist die Substantia Nigra durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt (links), bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab (rechts) und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst. © Kirstin Linkamp / UKW
Michael Sendtner wird interviewt, vor ihm steht Assistenz der Arme als Flimklappe benutzt, ganz im Vordergrund ist Rückseite von Kameramann und Regisseurin.
Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW), beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit neurotrophen Faktoren, unter anderem mit ihrer Rolle bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Patienten und Patientinnen mit Parkinson oder Dystonie. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. In den 1950er Jahren entdeckte die italienische Neurobiologin Rita Levi-Montalcini den Nerve Growth Factor (NGF), ein Schlüsselmolekül für die Entwicklung, das Überleben und die Regeneration von Nervenzellen. Für die Isolierung und Charakterisierung des Nervenwachstumsfaktors erhielt Rita Levi-Montalcini 1986 gemeinsam mit Stanley Cohen den Nobelpreis. 

„Eigentlich hätte Viktor Hamburger als Dritter im Bunde den Nobelpreis verdient“, meint Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW). „Denn die bahnbrechenden Arbeiten zur Entwicklung und Funktion des Nervensystems fanden im Labor von Viktor Hamburger in St. Louis, USA, statt. Gemeinsam mit Levi-Montalcini prägte der deutsch-amerikanische Entwicklungsbiologe, der einst bei Nobelpreisträger Hans Spemann promovierte, den Begriff Neurotrophin“. 

NGF ist nur der erste Vertreter der Neurotrophine, die für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems entscheidend sind

Neurotrophine wie NGF sind eine Untergruppe der neurotrophen Faktoren, mit denen sich Michael Sendtner seit mehr als 40 Jahren beschäftigt. Dank seiner wegweisenden Studien gehört die Würzburger Universitätsmedizin zu den weltweit führenden Labors auf diesem Gebiet. Um die Perspektiven von Neutrophinen bei der Behandlung von Störungen des zentralen Nervensystems zu beleuchten, drehte Barbara Bernardini, Biologin, Wissenschaftsredakteurin und Filmproduzentin, Anfang 2025 mit der Crew ihrer Agentur Oneframe einen Teil der Dokumentation „The Brain Makers: The Inside Story of the Discovery and Potential of Neurotrophins" in Würzburg. 

Die erste Episode mit dem Titel ‚War, chickens and snakes‘ schildert den schwierigen Weg von Rita Levi-Montalcini, der zur Entdeckung des NGF führte. Erstmals zum Einsatz kam NGF zur Behandlung einer schweren und seltenen Augenkrankheit, die die Hornhaut betrifft. In den 90er Jahren wurde NGF bei einem Mädchen getestet, das zu erblinden drohte. Mit Erfolg. Viele Jahre und Studien später brachte das biopharmazeutische Unternehmen Dompé den ersten rekombinanten menschlichen NGF (rhNGF) auf den Markt, der 2017 in der EU zugelassen wurde. Dompé ist auch Sponsor der Dokumentation. 

Tiefe Hirnstimulation bescherte neurotrophen Faktoren ein Comeback

Kennengelernt haben sich Barbara Bernardini und Michael Sendtner im Juni 2024 in Rom, als der Würzburger auf einem Symposium von Nature Neuroscience einen Vortrag über seine Arbeiten zur Rolle neurotropher Faktoren bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Parkinson- und Dystonie-Patienten hielt. Michael Sendtner und seine Kolleginnen und Kollegen hatten bereits Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München unter der Leitung von Hans Thoenen herausgefunden, dass neurotrophe Faktoren zwar die bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Motoneuronerkrankungen absterbenden Nervenzellen retten können, nicht aber deren Funktion. Klinische Studien haben dies bestätigt. „Damit gerieten die neurotrophen Faktoren zunächst ins Abseits“, blickt Sendtner zurück. „Doch die Entdeckung, dass der Erfolg der Tiefen Hirnstimulation bei neurodegenerativen Erkrankungen mit der Regulation neurotropher Faktoren zusammenhängt, hat sie wieder ins öffentliche Interesse gerückt“.

Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) spielt zentrale Rolle bei der Reaktivierung von Synapsen

Bei einer neurodegenerativen Erkrankung verlieren Nervenzellen nach und nach ihre synaptische Funktion und gehen zugrunde. Würde man erst in diesem fortgeschrittenen Stadium eingreifen, wäre laut Sendtner nichts gewonnen. Vielmehr müsse man bereits in der ersten Phase ansetzen, in der die synaptische Plastizität und Kommunikation gestört ist. Dies sei mit der Tiefen Hirnstimulation möglich. „Der Hirnschrittmacher kann mit milden elektrischen Impulsen die Nervenzellen stimulieren und entsprechend aktivieren, was zu langfristigen Veränderungen der synaptischen Aktivität führt“, sagt Prof. Dr. Jens Volkmann. Der Direktor der Klinik für Neurologie und enge Forschungspartner von Michael Sendtner beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der THS zur Behandlung von Bewegungsstörungen.

Der genaue Mechanismus, warum die Tiefe Hirnstimulation (THS) bei Bewegungsstörungen wie Parkinson oder Dystonien so erfolgreich ist, ist noch nicht vollständig verstanden. Eine Erklärung könnte der Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) liefern. Ursprünglich als Überlebensfaktor angesehen, hat sich der aus dem Gehirn stammende neurotrophe Faktor als Regulator der synaptischen Plastizität erwiesen. Die THS stimuliert die Freisetzung von BDNF, der wiederum den synaptischen Schaltkreis reaktiviert.

Substantia Nigra verblasst bei Morbus Parkinson

In der benachbarten Neuropathologie der Universität Würzburg konnte Privatdozentin Dr. Camelia Maria Monoranu Sendtners Untersuchungen an Tiermodellen anhand ihrer großen Hirnsammlung von Patientinnen und Patienten mit Parkinson bestätigen. Bei Morbus Parkinson sind die BDNF-Rezeptoren fehlreguliert. Camelia Maria Monoranu demonstrierte Barbara Bernardini und ihrem Kameramann im Hörsaal der Pathologie eindrucksvoll den Vergleich von gesundem und krankem Hirn. Dazu trennt sie den Hirnstamm vom Großhirn und hält die Substantia nigra, die als wichtiges Zentrum in motorischen Schaltkreisen eine Schlüsselrolle bei der Einleitung von Bewegungen spielt, in die Kamera. Bei gesunden Menschen ist die streifenartige Struktur des Mittelhirns durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt, bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst.

BDNF steuert Anpassungsfähigkeit in neuronalen Netzwerken der Motorik

Erst kürzlich hat Michael Sendner gemeinsam mit Daniel Wolf und Maurilyn Ayon-Olivas in der Fachzeitschrift Biomedicines einen weiteren Baustein veröffentlicht, der dazu beiträgt das Rätsel, wie die THS die motorischen Netzwerke im Gehirn beeinflusst und verbessert, zu lösen. Sie zeigten, wie die Oberflächenexpression des Rezeptors für BDNF in striatalen Nervenzellen stark von Dopamin aus der Substantia nigra abhängt. Auf diese Weise beeinflusst Dopamin, wie empfindlich diese Nervenzellen auf BDNF reagieren, das von kortikalen Neuronen freigesetzt wird. Weitere Studien könnten helfen, die zugrundeliegenden Mechanismen noch besser verstehen und dadurch die Effektivität und Zielgenauigkeit der Behandlung verbessern.

Im Laufe des Jahres wird Michael Sendtner als Seniorprofessor in die Neurologie gehen und dort seine Forschung fortsetzen. Ursprünglich wollte er auch Neurologe werden. Sein damaliger Chef an der Neurologischen Klinik der TU München, Albrecht Struppler, interessierte sich sehr für Bewegungsstörungen und schickte den jungen Assistenzarzt in den 80er Jahren zur Grundlagenforschung zu Hans Thoenen ans Max-Planck-Institut, der übrigens auch mit Rita Levi-Montalcini zusammengearbeitet hatte. Aus drei Jahren wurden zehn, sehr erfolgreiche Jahre, wie Sendtner betont. Unter anderem begann er damals, neurotrophe Factoren wie CNTF und BDNF zu isolieren und zu charakterisieren, was zu zahlreichen hochrangigen Publikationen führte. 1995 holte ihn der damalige Direktor der Neurologie, Klaus Toyka, nach Würzburg. Sendtner kam und blieb, trotz mehrerer Rufe aus Erlangen, München und London. „Unsere Arbeitsgruppe ist zwar klein, aber Würzburg ist ein wunderbarer, sehr kollegialer Standort. Durch die hervorragende Zusammenarbeit mit anderen Instituten und Kliniken konnten wir zudem international punkten“, resümiert Michael Sendtner.

Werdegang von Michael Sendtner 

Michael Sendtner wurde 1959 in München geboren, studierte zunächst vier Jahre klassische Gitarre und Laute am Richard-Strauss-Konservatorium und anschließend sechs Jahre Humanmedizin in Regensburg und München. 1984 wurde er Assistent an der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München. . Ein Stipendium führte ihn 1986 an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie, wo er über den ciliaren neurotrophen Faktor (CNTF) forschte. 1992 habilitierte er sich und wechselte zwei Jahre später nach Würzburg. Hier leitete er von 1994 bis 1999 die Klinische Forschergruppe Neurobiologie und war von 2000 bis 2012 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 581 Molekulare Modelle für Erkrankungen des Nervensystems". Seit der Jahrtausendwende ist Michael Sendtner Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am UKW. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation UKW
 

Das Kamerateam posiert mit Michael Sendtner in seinem Büro, Kamera-Equipment steht vor ihnen.
Die Agentur Oneframe drehte für ihre Dokumentation „The Brain Makers“ auch in Würzburg, v.l.n.r.: Ricardo Cesi, Jovica Nonkovic-Jole, Barbara Bernardini, Michael Sendtner © Kirstin Linkamp / UKW
Camelia Monorano steht im weißen Kittel im Hörsaal der Neuropathalogie, vor ihr ein Rollwagen mit drei Tablets voller Gehirnschnitte und einem noch vollständigen Gehirn
Die Neuropathologin Dr. Camelia Maria Monoranu demonstriert, wie ein Gehirn von einem Parkinson-Patienten im Vergleich zu einem gesunden Gehirn aussieht. © Kirstin Linkamp / UKW
Schnitte der Substantia Nigra von gesundem Menschen und Patienten mit Parkinson liegen nebeneinander auf einem Tablett
Bei gesunden Menschen ist die Substantia Nigra durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt (links), bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab (rechts) und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst. © Kirstin Linkamp / UKW
Michael Sendtner wird interviewt, vor ihm steht Assistenz der Arme als Flimklappe benutzt, ganz im Vordergrund ist Rückseite von Kameramann und Regisseurin.
Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW), beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit neurotrophen Faktoren, unter anderem mit ihrer Rolle bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Patienten und Patientinnen mit Parkinson oder Dystonie. © Kirstin Linkamp / UKW

Regeneration statt Gelenkersatz

KNIEGELENKVERLETZUNGEN MIT LICHTBIOPRINTING BEHANDELN, UM POSTTRAUMATISCHE ARTHROSE ZU VERHINDERN

Das neue EU-Projekt LUMINATE soll den Weg zur in-situ-osteochondralen Regeneration durch Mikroextrusion und filamentiertes Lichtbioprinting ebnen. Mit einem neuartigen Bioprinting-Verfahren namens EndoFLight sollen traumatische Verletzungen direkt im Gelenk behandelt werden, um der Entstehung von Arthrose vorzubeugen sowie teure und invasive endoprothetische Operationen zu vermeiden. Privatdozent Dr. Oliver Pullig und Sebastian Häusner vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) reisten am 13. Januar 2025 zum Kick-off-Meeting nach Pisa.

 

Projektkoordinator mit Würzburger Partnern vor grünem Hintergrund.
Gruppenbild anlässlich des Kick-off-Meetings in Pisa im Januar 2025. Von rechts nach links: Projektkoordinator Prof. Giovanni Vozzi (Universität Pisa), Sebastian Häusner (UKW), PD Dr. Oliver Pullig (UKW), Nicola Knetzger (Fraunhofer ISC), Dr. Christian Lotz (Fraunhofer ISC). © Sebastian Häusner
Grafische Darstellung von EndoFLight
Bioprinting Unit: Schematische Darstellung der Endoflight Bioprinting Unit mit zwei Spritzen (links) zur Applikation der Zellen und des Gels, sowie der endoskopischen Einheit mit speziellen optischen Lichtfasern, welche das Gel punktuell aushärten können. © Dr. Parth Chansoria, ETH Zürich
Logo mit Schriftzug Luminate und vereinfachte grafische Darstellung der Lichtfasern

Würzburg. Traumatische Verletzungen des Knochen-Knorpel-Gewebes in hochbeweglichen Gelenken wie dem Knie können zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und langfristig zu Arthrose führen. So entwickelt beispielsweise jede zweite Person mit schwerem Kniegelenktrauma innerhalb von zehn Jahren nach der Verletzung eine posttraumatische Arthrose (PTOA). Gegenwärtige Behandlungen, die auf zellfreien Transplantaten oder zellbasierten Therapien beruhen, sind teuer und oft nur begrenzt verfügbar. Letztendlich bleibt häufig nur der Einsatz einer Totalendoprothese, um Schmerzen zu lindern und die Funktion wiederherzustellen. Das Revisionsrisiko dieser Implantate ist jedoch gerade bei jungen, aktiven Patientinnen und Patienten sehr hoch und macht aufwändige Folgeoperationen notwendig. Aus diesem Grund und angesichts der alternden Gesellschaft besteht ein dringender Bedarf an besseren Therapien.

Osteochondrale Läsionen gezielt behandeln und Arthrose vorbeugen

Das neue EU-Projekt LUMINATE (HORIZON-HLTH-2024-TOOL-11) setzt auf Regeneration. Unter der Leitung der Universität Pisa und mit Beteiligung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Kroatien den Niederlanden und Spanien einen personalisierten, einstufigen regenerativen Ansatz, um große osteochondrale Läsionen gezielt zu behandeln, der Entstehung von PTOA vorzubeugen sowie teure und invasive endoprothetische Operationen zu vermeiden. Dies bedeutet, dass die Verletzungen direkt im Gelenk repariert werden, ohne dass ein künstliches Gelenk nötig ist.

Komplexe und stabile Gewebe werden minimalinvasiv an verletzte Stelle im Körper gedruckt

Dazu entwickeln die Forschenden eine neue Bioprinting-Technologie namens EndoFLight, die drei spezielle Verfahren kombiniert: Mikroextrusion, Filament Light und Jetting. Damit können spezielle Materialien, die patienteneigene Zellen und heilungsfördernde Substanzen enthalten sowie ein Gel, das sich wie echtes Gewebe verhält, direkt an die verletzte Stelle im Körper gedruckt werden. Mit hochenergetischen Lichtstrahlen werden so in Sekundenschnelle präzise Gerüste erzeugt, die das Wachstum und die Ausrichtung der Zellen optimal unterstützen. Das Verfahren kann mit einem kleinen Eingriff, ähnlich einer Gelenkspiegelung, der so genannten Arthroskopie, durchgeführt werden. Dabei wird das geschädigte Gewebe mit einem optischen Sensor analysiert, und das Gerät druckt präzise die benötigte Menge an Material.

Vorteile: minimalinvasiv, maßgeschneidert, Schutz vor Arthrose, Kostenersparnis 

„Das Verfahren wird für jeden Patienten individuell angepasst. Der Eingriff ist weniger belastend, und die Heilungszeit ist kürzer als bei großen Operationen. Die schnelle Regeneration der Verletzung schützt das Gelenk und beugt Verschleiß vor. Langfristig können teure Operationen und Folgebehandlungen vermieden werden“, fasst Privatdozent Dr. Oliver Pullig die Vorteile zusammen. Pullig leitet gemeinsam mit Sebastian Häusner das EU-Projekt LUMINATE am ehemaligen Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin, der kürzlich in den Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde integriert wurde. Beide nahmen am Luminate-Kick-off-Meeting vom 13. bis 15. Januar in Pisa teil. Die EU fördert das Projekt mit insgesamt 7,5 Millionen Euro, das UKW erhält davon rund 190.000 Euro. Auch das Fraunhofer Translationszentrum in Würzburg ist mit nicht-invasiver Bildgebung an LUMINATE beteiligt. 
Das gesamte Verfahren wird in vitro und in vivo an Tiermodellen validiert, um nach Abschluss des Projekts den Weg für die klinische Anwendung zu ebnen. “Sollte das Projekt erfolgreich sein, könnte es Millionen von Menschen mit Gelenkverletzungen helfen und gleichzeitig das Gesundheitssystem entlasten“, ist sich Sebastian Häusner sicher. 

Der Weg vom Forschungslabor in die Klinik

Das Team des UKW um Oliver Pullig und Sebastian Häusner steht allen Projektpartnern vor allem beratend zur Seite, wenn es um die Good Manufacturing Practice (GMP) neuartiger Arzneimittel geht. Aus vergangenen und laufenden Produktionen, die derzeit im GMP-Stammzelllabor des UKW stattfinden, kennen sie die hohen regulatorischen Anforderungen und Qualitätsstandards, die neue Therapieverfahren erfüllen müssen. 

Zur Projektseite LUMINATE

Text: KL/Wissenschaftskommunikation UKW

Projektkoordinator mit Würzburger Partnern vor grünem Hintergrund.
Gruppenbild anlässlich des Kick-off-Meetings in Pisa im Januar 2025. Von rechts nach links: Projektkoordinator Prof. Giovanni Vozzi (Universität Pisa), Sebastian Häusner (UKW), PD Dr. Oliver Pullig (UKW), Nicola Knetzger (Fraunhofer ISC), Dr. Christian Lotz (Fraunhofer ISC). © Sebastian Häusner
Grafische Darstellung von EndoFLight
Bioprinting Unit: Schematische Darstellung der Endoflight Bioprinting Unit mit zwei Spritzen (links) zur Applikation der Zellen und des Gels, sowie der endoskopischen Einheit mit speziellen optischen Lichtfasern, welche das Gel punktuell aushärten können. © Dr. Parth Chansoria, ETH Zürich
Logo mit Schriftzug Luminate und vereinfachte grafische Darstellung der Lichtfasern

Fibromyalgie objektiv diagnostizieren

UNTERSCHIEDLICH REGULIERTE KLEINE RNAS AUS BLUT ODER HAUT ALS MÖGLICHE BIOMARKER

Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. Sie fanden heraus, dass bestimmte kleine Ribonukleinsäuren (RNAs) im Blut und in Hautzellen von FMS-Patientinnen erhöht sind und mit der Schwere der Symptome korrelieren. Dieser Nachweis objektiv messbarer Veränderungen im Vergleich zu gesunden Probandinnen und in Abgrenzung zu anderen Erkrankungen kann dazu beitragen, die mit FMS verbundene Stigmatisierung abzubauen, eine schnellere und sicherere Diagnose zu erhalten und neue therapeutische Ansätze zu finden.

 

Collage von freigestellten Porträts von Christoph Erbacher und Nurcan Üceyler in weißem Kittel
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. © UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh hält ein Reagenzglas, mit der anderen Hand wird Blut in das Glas pipettiert.
Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. © Anna Wenzl / UKW

Würzburg. Etwa jeder 25. ist vom Fibromyalgie-Syndrom (FMS) betroffen, einer chronischen Erkrankung, die durch Schmerzen in mehreren Körperregionen gekennzeichnet ist. Begleitsymptome sind Erschöpfung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie psychische Belastungen. Da FMS „von außen“ nicht sichtbar ist und der Weg zur Diagnose oft langwierig ist, leiden Patientinnen und Patienten neben den Symptomen oft auch darunter, in ihrer Krankheit nicht verstanden oder akzeptiert zu werden.

Objektiv messbare Marker helfen, Stigma abzubauen

„Die Ursachen des FMS liegen noch im Unklaren, was die gesicherte Diagnose und effektive Behandlung erschwert. Es gibt nur wenige biologische, objektiv messbare Marker für FMS“, berichtet Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, leitende Oberärztin in der Neurologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). „Bislang können unsere Therapien symptomatisch und durch Austesten verschiedener multimodaler Ansätze eine Linderung, aber keine Heilung bewirken.“ In ihrer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift PAIN zeigen Nurcan Üçeyler und ihr Team jedoch objektiv messbare Marker, die in Zukunft helfen könnten, FMS schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. Auf Basis der neuen Erkenntnisse könnten zudem neue innovative Behandlungsansätze entwickelt werden, um die Beschwerden zu lindern und die sozioökonomische Belastung für die Gesellschaft angesichts der hohen Prävalenz und der hohen Krankheitslast zu reduzieren.

RNA-Analyse bei Patientinnen mit FMS im Vergleich zu gesunden Probandinnen und Frauen mit Depression und chronischen Schmerzen

Auf der Suche nach messbaren Veränderungen haben die Forschenden kleine, nicht-kodierende Ribonukleinsäuren (RNAs) aus dem Blut und den Hautzellen von FMS-Patientinnen gewonnen. RNAs sind wichtige Informations- und Funktionsträgerinnen einer Zelle. Konkret wurden RNA-Moleküle wie microRNAs und tRNA-Fragmente untersucht, die bei der Steuerung der Zellaktivität und der Genexpression eine Rolle spielen. „Wir haben diese kleinen RNAs nicht nur mit denen gesunder Frauen verglichen, sondern auch mit denen von Patientinnen mit ähnlichem Krankheitsbild, aber anderer Ätiologie, nämlich Patientinnen mit Depression und chronischen Schmerzen“, erklärt Dr. Christoph Erbacher. Der wissenschaftliche Mitarbeiter in der Neurologie und Erstautor der Studie geht ins Detail: „Mit Hilfe moderner RNA-Sequenzierungstechniken konnten wir zeigen, dass einige kleine RNAs wie hsa-miR-182-5p und hsa-miR-576-5p bei FMS-Patientinnen vermehrt im Blut vorkommen. Bei Patientinnen mit schwerer Depression und chronischen Schmerzen sind sie sogar noch stärker erhöht. Auch in Hautzellen und innerhalb der bisher wenig erforschten Klasse der tRNA-Fragmente konnten wir Unterschiede nachweisen.“

„Mehrere kleine RNAs waren mit der Schwere der Symptome assoziiert“

Die Möglichkeit, unterschiedlich regulierte kleine RNAs im Blut oder in der Haut zu bestimmen, stellt somit eine minimalinvasive Perspektive zur Verbesserung der Diagnose dar. Mehrere kleine RNAs wurden auch mit dem Schweregrad der Symptome in Verbindung gebracht, beispielsweise mit der Ausdehnung des Schmerzes im Körper und der empfundenen Schmerzstärke, was zur Verlaufskontrolle der Krankheit oder zur Einteilung der Patientinnen und Patienten in diagnostische und eventuell auch therapeutische Subgruppen genutzt werden kann. Schließlich haben die kleinen RNAs bekannte und teilweise unbekannte Funktionen in den Körperzellen.

RNAs in Hautzellen stehen im Zusammenhang mit Schmerzreizen, RNAs im Blut sind an der Regulation von Immunzellen beteiligt

Interessant ist laut Erbacher auch die Erkenntnis, dass die beschriebenen Veränderungen von microRNAs und tRNA-Fragmenten in den Hautzellen mit den bereits beschriebenen Nervenschädigungen an den kleinen Nervenfasern der Haut zusammenhängen könnten. Diese Nervenfasern vermitteln die Wahrnehmung potenziell schmerzhafter äußerer Reize. Die im Blut von FMS-Patientinnen gefundenen kleinen RNAs sind dagegen an der Regulation von Immunzellen beteiligt, was in Übereinstimmung mit anderen aktuellen Studien eine Beteiligung des Immunsystems an den Symptomen des FMS nahelegt.

Validierung in einer größeren Kohorte und Studie an Männern

Wann können Betroffene und Behandelnde von den Erkenntnissen profitieren? „Bevor zum Beispiel ein Bluttest etabliert werden kann, müssen die kleinen RNAs in einer neuen, größeren Kohorte validiert werden“, antwortet Nurcan Üçeyler. Außerdem sollen die gefundenen Unterschiede auch in der bisher unterrepräsentierten Gruppe der Männer mit FMS untersucht werden. Zudem gilt es zu prüfen, in welchen Immunzellen im Blut diese Veränderungen auftreten und wie sie zum Beispiel die Ausschüttung von Botenstoffen und Antikörpern modulieren.

Dank an Kooperationspartner, Förderer sowie Patientinnen und Probandinnen

Die Studie wurde interdisziplinär gemeinsam mit Grundlagenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Hebrew University of Jerusalem (HUJI) und intersektoral mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des UKW durchgeführt.

Das Projekt wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Israel Science Foundation, Keter Holdings und der Ken Stein Familienstiftung. Ein besonderer Dank gilt den zahlreichen Patientinnen und gesunden Probanden, durch deren Teilnahme die der Studie zugrundeliegenden Untersuchungen erst möglich wurden.

Publikation:
Erbacher C, Vaknine-Treidel S, Madrer N, Weinbender S, Evdokimov D, Unterecker S, Moshitzky G, Sommer C, Greenberg DS, Soreq H, Üçeyler N. Altered blood and keratinocyte microRNA/transfer RNA fragment profiles related to fibromyalgia syndrome and its severity. Pain. 2024 Dec 6. doi: 10.1097/j.pain.0000000000003499. Epub ahead of print. PMID: 39679614.

 

Collage von freigestellten Porträts von Christoph Erbacher und Nurcan Üceyler in weißem Kittel
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. © UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh hält ein Reagenzglas, mit der anderen Hand wird Blut in das Glas pipettiert.
Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. © Anna Wenzl / UKW

Arachnophobie aus Gehirn löschen

WER HAT ANGST VOR SPINNEN UND MÖCHTE DIESE ANGST DURCH TRANSKRANIELLE MAGNETSTIMULATION ÜBERWINDEN?

Das Zentrum für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Würzburg untersucht in der neuen Studie SpiderMEM, ob die transkranielle Magnetstimulation (TMS) das Angstgedächtnis von Menschen mit Spinnenphobie und Spinnenangst direkt verändern kann. Dafür findet bei allen Teilnehmenden eine TMS statt, bei einem Teil erfolgt diese nach einer kurzen, kontrollierten Konfrontation mit einer echten Spinne. Zusätzlich wird mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht, wie sich das Angstgedächtnis auf neuronaler Ebene während der Studie verändert.

 

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW
Frau hat eine Spule am Kopf, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Im Hintergrund ein Monitor mit Bildern vom Gehirn.
Die Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. © Martin Herrmann / UKW

Würzburg. Die Angst vor Spinnen, auch Arachnophobie genannt, ist weit verbreitet und kann bei manchen Menschen so stark ausgeprägt sein, dass sie den Alltag erheblich einschränkt. Selbst wenn keine Gefahr besteht, geraten die Betroffenen in Panik, wenn sie mit dem achtbeinigen Tier konfrontiert werden. Allein das Wort kann Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern oder sogar Atemnot auslösen. 

Das Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) möchte Betroffenen helfen und entwickelt symptomorientierte Therapien, die mit innovativen Methoden die bewährten Expositionstherapien für verschiedene Ängste erweitern und deren Wirksamkeit verbessern. So wurden in der Studie Spider VR 174 Personen mit Spinnenphobie in einer virtuellen Welt mit den angstauslösenden Tieren konfrontiert, mit dem Ziel, die Spinngenangst langfristig zu reduzieren. In einer anderen Studie wurde das Angstgedächtnis zunächst kurz aktiviert, um dann mit dem Verfahren der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) die Wiederabspeicherung zu unterbrechen. Auf diese Weise können emotionale Gedächtnisinhalte langfristig aus dem Gedächtnis entfernt werden. 

Mit Transkranieller Magnetstimulation das Angstgedächtnis beeinflussen

Die TMS ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. Dabei wird eine Spule am Kopf angebracht, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Die transkranielle Hirnstimulation ist relativ sicher, gut verträglich und bietet vielversprechende Anwendungen in den Neurowissenschaften und der Psychiatrie, insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ansprechen.
Aber kann der moderne Ansatz der TMS das Angstgedächtnis direkt beeinflussen? Und wenn ja, wie? Die Forschung geht weiter. In einer Folgestudie wollen Professor Dr. Martin Herrmann, leitender Psychologe am ZEP, und sein Team bei allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer die TMS anwenden, bei einem Teil nach einer kurzen, kontrollierten Konfrontation mit einer echten Spinne. Zusätzlich wird mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) analysiert, wie sich das Angstgedächtnis auf neuronaler Ebene während der Studie verändert.

Informationen zur SpiderMEM-Studie

„Wer unter Spinnenangst leidet und diese überwinden möchte, ist herzlich eingeladen, mit uns den nächsten Schritt zu gehen und Teil unseres spannenden Forschungsprojektes zu werden“, lädt Lisa Cybinski, Psychologin und Studienleiterin, alle Interessierten ein. Der Zeitaufwand beträgt insgesamt etwa dreieinhalb Stunden ohne MRT bzw. viereinhalb Stunden mit MRT, verteilt auf vier bis sechs Sitzungen innerhalb von drei Wochen und eine weitere Sitzung nach drei Monaten, um den Langzeiterfolg zu beurteilen. 

Interessierte wenden sich bitte unverbindlich an das Studienteam „SpiderMem“ am Zentrum für Psychische Gesundheit, vorzugsweise per E-Mail an Spider_VR@ukw.de oder telefonisch unter 0931/201-77430. Sollte das Team nicht direkt erreichbar sein, hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, Sie werden zeitnah zurückgerufen.
 

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW
Frau hat eine Spule am Kopf, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Im Hintergrund ein Monitor mit Bildern vom Gehirn.
Die Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. © Martin Herrmann / UKW

Hochmoderne, gleichberechtigte Krebsversorgung in ganz Europa

Die "Joint Action on Networks of Expertise" (JANE) ist eine von der EU initiierte Maßnahme zur Verbesserung der Krebsversorgung durch die Etablierung von sieben Kompetenznetzwerken (NoEs). Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist an zwei der insgesamt sieben definierten Kompetenznetzwerke direkt beteiligt: Prof. Anke K. Bergmann arbeitet mit ihrem Team im Netzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben.

Freigstellte Porträts von Hermann Einsele und Anke K. Bergmann vor halb transparenter EU-Flagge
Prof. Anke K. Bergmann arbeitet in der Joint Action on Networks of Expertise (JANE) mit ihrem Team im Kompetenznetzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben. © UKW (Daniel Peter / Anke K-Bergmann) / Canva (Evgenii Illarionov’s Image)

Würzburg. Krebs kennt keine Grenzen. Das Projekt JANE soll sicherstellen, dass Krebspatientinnen und Krebspatienten in ganz Europa Zugang zu den modernsten Krebstherapien haben. Ziel ist es, Innovationen zu fördern, die Überlebensraten und die Lebensqualität von Menschen mit Krebs zu verbessern und gleichzeitig die sozioökonomischen Auswirkungen der Krankheit zu verringern. 
JANE steht für "Joint Action on Networks of Expertise" - eine gemeinsame Aktion für Kompetenznetzwerke in Schlüsselbereichen der Onkologie. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren in JANE-1 eine Vision entwickelt und Missionen definiert wurden, sollen in den kommenden vier Jahren in JANE-2 sieben Netzwerke in die Praxis umgesetzt werden. Die Schwerpunkte liegen auf personalisierter Prävention, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Krebs, Nachsorge, Palliativmedizin, hochtechnologischen medizinischen Ressourcen sowie zwei Netzwerken, an denen die Universitätsmedizin Würzburg maßgeblich beteiligt ist: Omics-Technologien und komplexe Krebserkrankungen sowie Krebserkrankungen mit schlechter Prognose, so genannte Poor Prognosis Cancers (PPCs). 

Schnelle Integration neuartiger Genomtechnologien in die Routine 

Professorin Anke K. Bergmann wird mit ihrem Team zum Kompetenznetz Omics-Technologien beitragen. Omics-Technologien spielen mit ihren fortschrittlichen molekularen Ansätzen eine Schlüsselrolle in der Krebstherapie. Die systematische Analyse biologischer Moleküle wie Gene, Proteine und Stoffwechselprodukte hilft, die Mechanismen von Krebserkrankungen besser zu verstehen und personalisierte Therapien voranzutreiben. Anke K. Bergmann, die seit September 2024 die Professur für Klinische Genetik und Genommedizin am UKW innehat, ist führend im Bereich der Genomtechnologien. „Genomische Profile helfen, die Aggressivität eines Tumors und die Überlebenswahrscheinlichkeit besser einzuschätzen und zielgerichtete Therapien zu entwickeln“, sagt Prof. Dr. Bergmann. "Gemeinsam wollen wir die Integration neuer Genomtechnologien in die Routineversorgung beschleunigen, Herausforderungen bei der Umsetzung meistern und die Präzisionsonkologie durch Spitzenforschung und Ausbildungsinitiativen vorantreiben", nennt die Medizinerin die Ziele des koordinierten EU-Netzwerks.

Poor-Prognosis Cancers (PPCs)

Das Team von Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II am UKW, wird sich auf komplexe Krebserkrankungen und solche mit schlechter Prognose konzentrieren. Im Rahmen des Forschungsschwerpunkts sollen insbesondere Roadmaps für PPC-Netzwerke wie Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs entwickelt werden, wobei der Fokus auf der Früherkennung, umfassenden Behandlungspfaden und translationaler Forschung zur Verbesserung der Überlebensraten liegt.
„Der Beitrag der Universitätsmedizin Würzburg zu dieser Initiative bietet eine hervorragende Möglichkeit, im Rahmen einer europäischen Kooperation neue Behandlungsmöglichkeiten voranzutreiben und innovative Standards in der Diagnostik von bisher schwer behandelbaren Tumorerkrankungen zu setzen“, kommentiert Prof. Dr. Hermann Einsele. 

Gemeinsame Anstrengungen in JANE-2 

Die Gemeinsame Aktion der EU zur Schaffung von Expertennetzwerken zur Krebsbekämpfung (JANE-2), die am 1. November offiziell gestartet wurde, ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Krebs in ganz Europa. JANE-2 wird von der Fondazione IRCCS Istituto Nazionale dei Tumori in Mailand koordiniert und bringt 121 Partner aus 25 EU-Mitgliedstaaten und vier assoziierten Ländern im Rahmen des EU4Health-Programms zusammen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Vorgängerinitiative JANE zielt diese auf vier Jahre (2024-2028) angelegte Initiative darauf ab, sieben bahnbrechende Kompetenznetze (Networks of Expertise, NoEs) in Schlüsselbereichen der Onkologie zu etablieren. Um eine effektive Verbreitung, Nachhaltigkeit und Steuerung der Kompetenznetze zu gewährleisten, setzt JANE-2 auf Synergien mit anderen EU-Initiativen, wissenschaftlichen Gesellschaften und Interessengruppen.

„Krebs ist nach wie vor die zweithäufigste Todesursache in Europa, und es wird erwartet, dass die Zahl der Krebsfälle bis 2050 erheblich ansteigen wird“, sagt Projektkoordinator Paolo Giovanni Casali. „Durch die Bündelung des europäischen Fachwissens in der Onkologie schafft JANE-2 einen Präzedenzfall für eine innovative und koordinierte Krebsbehandlung. Die Initiative zeigt, wie wichtig die EU-Finanzierung ist, wenn es darum geht, die Herausforderungen in der Krebsbehandlung anzugehen, eine qualitativ hochwertige, multidisziplinäre Behandlung bereitzustellen und wirksame Forschung und Ausbildung zu fördern. Webseite: https://jane-project.eu

Wissenschaftskommunikation / UKW
 

Freigstellte Porträts von Hermann Einsele und Anke K. Bergmann vor halb transparenter EU-Flagge
Prof. Anke K. Bergmann arbeitet in der Joint Action on Networks of Expertise (JANE) mit ihrem Team im Kompetenznetzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben. © UKW (Daniel Peter / Anke K-Bergmann) / Canva (Evgenii Illarionov’s Image)

Immuntherapie gegen Krebs: So tun therapeutische Antikörper ihre Arbeit

Dank einer innovativen Methode der superauflösenden Mikroskopie hat ein Forschungsteam der Universität Würzburg erstmals mit molekularer Auflösung in 3D beobachtet, wie therapeutische Antikörper B-Zellen angreifen, verändern und dadurch deren Zerstörung einleiten. Das Journal „Science“ stellt die neue Art der Visualisierung vor. Diese öffnet neue Wege zu verbesserten Immuntherapien gegen Krebs.

Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT.
Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT. Rechts oben wurde der Antikörper RTX auf einer Raij-B-Zelle sichtbar gemacht: Man erkennt gut, wie er die CD20-Moleküle in der Membran verkettet. Rechts unten das igelförmige Erscheinungsbild einer lebenden Raji-B-Zelle, nachdem der Antikörper gebunden hat. Zusätzlich in grün markiert ist das Oberflächenprotein CD45, das homogen auf der Zelloberfläche verteilt ist. (Bild: Arindam Ghosh / Universität Würzburg)

Bei Blutkrebserkrankungen wie der chronischen lymphatischen Leukämie sind es B-Zellen des Immunsystems, die sich unkontrolliert vermehren. Eine Therapieform besteht darin, das Protein CD20 auf der Oberfläche der B-Zellen mit maßgeschneiderten Antikörpern zu markieren. Das löst eine Kette immunologischer Reaktionen aus und führt am Ende zur Zerstörung der Krebszellen.

Solche immuntherapeutischen Antikörper werden seit 30 Jahren gegen Tumorerkrankungen eingesetzt. „Obwohl es für den Therapieerfolg von entscheidender Bedeutung ist, wissen wir bis heute nur sehr wenige Details darüber, wie die Antikörper an CD20 binden und wie die folgenden Reaktionen ablaufen“, sagt Professor Markus Sauer vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

Der Effektivität der Antikörper auf der Spur

Das dürfte sich nun ändern: Ein Team um den JMU-Biophysiker hat eine neue superauflösende mikroskopische Methode entwickelt. Sie macht es erstmals möglich, die Wechselwirkungen der therapeutischen Antikörper mit Zielmolekülen auf Tumorzellen in 3D mit molekularer Auflösung zu untersuchen.

„Wir können nun beobachten, wie effektiv die Antikörper arbeiten und damit zur Entwicklung verbesserter Therapien beitragen“, so Markus Sauer.

Die neue mikroskopische Methode heißt LLS-TDI-DNA-PAINT. Im Wissenschaftsjournal Science beschreiben Erstautor Dr. Arindam Ghosh und ein Team aus dem Lehrstuhl von Markus Sauer, wie die neu entwickelte Technologie funktioniert und welche Erkenntnisse damit bereits gewonnen wurden. An der Studie waren auch Dr. Thomas Nerreter und Professor Martin Kortüm von der Medizinischen Klinik II des Würzburger Universitätsklinikums beteiligt.

B-Zellen nehmen die Gestalt eines Igels an

Das Würzburger Forschungsteam hat die ersten Studien mit der neuen Mikroskopie-Methode an fixierten und lebenden Raji-B-Zellen durchgeführt. Diese Zelllinie stammt aus dem Burkitt-Lymphom eines Patienten und wird in der Krebsforschung oft eingesetzt. Die Forscher brachten sie mit jeweils einem der vier therapeutischen Antikörper RTX, OFA, OBZ und 2H7 in Kontakt.

Alle vier Antikörper verketten die CD20-Moleküle in der Zellmembran, so dass lokal starke Anhäufungen entstehen. Das aktiviert das sogenannte Komplementsystem und leitet das Abtöten der Zellen durch das Immunsystem ein. Im Gegensatz zur derzeitigen Klassifizierung therapeutischer Antikörper zeigen die Ergebnisse, dass die Verkettung der CD20-Moleküle unabhängig davon eintritt, ob die Antikörper dem Typ I oder II angehören.

Die Experimente zeigen auch, dass alle vier Antikörper verstärkt CD20-Moleküle verketten, die sich an speziellen Orten der Membran befinden – und zwar auf mikrometerlangen Ausstülpungen der Membran, „Mikrovilli“ genannt. Gleichzeitig polarisiert das Binden der therapeutischen Antikörper die B-Zelle und die ausgestreckten Mikrovilli werden stabilisiert. Dadurch nehmen die B-Zellen eine Art Igelgestalt an, weil sich die Membranausstülpungen nur auf einer Seite der Zelle befinden.

Was als nächstes passiert

Was sich daraus ergibt? „Die bisherige Klassifizierung der therapeutischen Antikörper in die Typen I und II kann nicht weiter aufrechterhalten werden“, sagt Dr. Arindam Ghosh. Bislang ging die Forschung davon aus, dass therapeutische Antikörper vom Typ I einen anderen Wirkungsmechanismus haben als die vom Typ II. Die Würzburger Studien aber widerlegen das.

„Durch die Igelgestalt erscheinen die B-Zellen, als ob sie eine immunologische Synapse mit einer anderen Zelle bilden wollten“, so der JMU-Forscher. Es sei vorstellbar, dass die behandelten B-Zellen auf diese Weise die Makrophagen und natürlichen Killerzellen des Immunsystems aktivieren. Ob diese Vermutung stimmt, will das Forschungsteam nun in weiteren Studien klären.

Publikation

Arindam Ghosh, Mara Meub, Dominic A. Helmerich, Julia Weingart, Patrick Eiring, Thomas Nerreter, K. Martin Kortüm, Sören Doose, and Markus Sauer. Decoding the molecular interplay of CD20 and therapeutic antibodies with fast volumetric nanoscopy.Science387,eadq4510(2025).DOI:10.1126/science.adq4510, https://doi.org/10.1126/science.adq4510 

Kontakt

Prof. Dr. Markus Sauer, Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik, Biozentrum der Universität Würzburg, und Rudolf Virchow Center, Research Center for Integrative and Translational Bioimaging, Universität Würzburg, markus.sauer@ uni-wuerzburg.de   

Förderer

Diese Arbeiten wurden gefördert vom European Research Council, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 10. Januar 2025
 

Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT.
Wirkungsweise der neuen Mikroskopie-Methode LLS-TDI-DNA-PAINT. Rechts oben wurde der Antikörper RTX auf einer Raij-B-Zelle sichtbar gemacht: Man erkennt gut, wie er die CD20-Moleküle in der Membran verkettet. Rechts unten das igelförmige Erscheinungsbild einer lebenden Raji-B-Zelle, nachdem der Antikörper gebunden hat. Zusätzlich in grün markiert ist das Oberflächenprotein CD45, das homogen auf der Zelloberfläche verteilt ist. (Bild: Arindam Ghosh / Universität Würzburg)

COVIDOM+: Millionenförderung für die molekulare Erforschung der Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung

4,9 Millionen Euro Förderung für bundesweiten Forschungsverbund zur Aufklärung des Post-COVID-Syndroms im Vergleich zu anderen infektiösen Atemwegserkrankungen

Peter Heuschmann in schwarzem Jacket und Stefan Störk in weißem Kittel vor einem Wandgemälde, das ein Herz darstellt, aus dem Blumen wachsen.
Prof. Dr. Peter Heuschmann (links) und Prof. Dr. Stefan Störk leiten am Uniklinikum Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße, in der nun auch die Studie COVIDOM+ durchgeführt wird. © Daniel Peter / UKW
Eine Patientin sitzt in einer Kabine mit Maske vor dem Mund, eine Nurse leitet sie an, kräftig auszuatmen.n.
Zur COVIDOM-Studie gehört auch ein Lungenfunktionstest. Dabei wird die Leistungsfähigkeit der Lunge beim Einatmen und Ausatmen überprüft. © Romana Kochanowski / UKW
Links im Anschnitt ist der Oberkörper eines liegenden Mannes zu sehen, von hinten ein Arzt, der eine Echokardiografie durchführt, in der Mitte des Bildes der Monitor mit Ultraschallbildern und Daten.
Die Echokardiografie, auch Herzecho genannt, ist eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, die wichtige Informationen über die Struktur des Herzens und seine Leistungsfähigkeit liefert. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Die COVIDOM-Studie hat gezeigt, dass dem Entzündungssturm einer akuten COVID-19-Erkrankung häufig das Post-COVID-Syndrom (PCS) folgt. Das PCS umfasst eine Vielzahl von Symptomen, die die Betroffenen im Alltag zum Teil stark einschränken. Typisch sind chronische Erschöpfung bis hin zur Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) sowie Konzentrationsstörungen (Brain Fog), Atemnot und eingeschränkte Leistungsfähigkeit auch nach mildem Verlauf. Diese Beschwerden können Wochen bis Monate anhalten und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Weitere häufige Symptome wie Muskelschmerzen und Schlafstörungen führen in der Folge oft zu einer starken psychischen Belastung. Die Vielzahl und Überlappung der Symptome erschweren die Diagnose und die Abgrenzung zu anderen Syndromen.

Post-COVID verstehen: Ziele der Studie COVIDOM+ 

In der Folgestudie COVIDOM+ wollen die Universitätskliniken Kiel, Berlin und Würzburg nun die langfristigen gesundheitlichen Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere das PCS, untersuchen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fördert COVIDOM+ mit insgesamt 4,9 Millionen Euro für die Projektjahre 2025 und 2026. Damit knüpft COVIDOM+ nahtlos an COVIDOM an, das als populations-basierte Plattform im Rahmen des Nationalen Pandemie-Kohorten-Netzwerks (NAPKON) über das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde.

Die bereits etablierte bevölkerungsbasierte COVIDOM-Kohorte umfasst 3.634 mit SARS-CoV-2 infizierte Personen, die in den Regionen Schleswig-Holstein, Unterfranken und Berlin-Neukölln mit Hilfe der lokalen Gesundheitsämter rekrutiert wurden. 

Score zur Einschätzung des Schweregrads des PCS 

„Das COVIDOM-Projekt lieferte kontinuierlich neue und wichtige Erkenntnisse: Wir kennen jetzt die Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Post-Covidom-Syndroms bestimmen; ein Score zur Einschätzung des Schweregrads des PCS ist in die Routine eingeführt und die Rolle von depressiver Verstimmung und Fatigue ist genau charakterisiert. Diese Forschungsergebnisse helfen uns direkt, die Versorgung dieser wichtigen Patientengruppe zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Stefan Störk, der am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) die Forschungsprofessur Klinische Forschung und Epidemiologie innehat. Gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B), leitet Stefan Störk auf dem Gelände des Uniklinikums Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße am DZHI, in der neben COVIDOM auch andere Studien, wie STAAB und STAAB-COVID durchgeführt werden. 

Würzburger STAAB-Studienteilnehmende sind wertvolle Kontrollgruppe 

„Schon während der Pandemie haben wir in Würzburg bedeutende Strukturen auf- und ausgebaut, die jetzt für die Analyse spezifischer Langzeitfolgen sehr hilfreich sind. So wurden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der STAAB-Studie, einer populationsbasierten Studie zu frühen Stadien der Herzinsuffizienz, zur STAAB-COVID-Studie eingeladen. Viele von ihnen hatten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses noch keine COVID-Infektion, so dass sie als wertvolle Kontrollgruppe für die Unterscheidung zu COVID- und Pandemie-spezifischen Verläufen dienen“, erklärt Peter Heuschmann. 

Neue Erkenntnisse für die Entwicklung klinischer Leitlinien 

„Die Nachfolgestudie COVIDOM+ soll uns helfen, die Häufigkeit, Schwere und Langzeitfolgen des Post-COVID-Syndroms besser zu verstehen. Wir wollen herausfinden, wie Infektionszeitpunkt, Impfstatus und Krankheitsverlauf, aber auch bestehende Vorerkrankungen die Entwicklung von PCS beeinflussen und dabei unterschiedliche Ausprägungen, sogenannte Phänotypen, erkennen und diese von anderen postinfektiösen Erkrankungen wie dem chronischen Erschöpfungssyndrom abgrenzen“, erklärt Prof. Dr. Jan Heyckendorf, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, und Projektleiter von COVIDOM+. „Die gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Entwicklung klinischer Leitlinien beitragen und die Versorgung der Betroffenen durch präzisere Diagnose- und Behandlungskonzepte verbessern“, ergänzt PD Dr. Thomas Bahmer, Co-Studienleiter von COVIDOM+.

Für eine präzise Langzeitbeobachtung umfasst die Studie mehrere Nachuntersuchungen, die im jährlichen Abstand nach dem ersten Untersuchungstermin stattfinden. Hierüber können Veränderungen bezüglich des Verlaufs des Post-COVID-Syndroms (PCS) systematisch dokumentiert werden. Dazu werden umfassende Gesundheitsdaten und biologische Proben wie Blut, Speichel und Stuhl archiviert, die eine detaillierte molekulare und klinische Analyse der Auswirkungen von PCS ermöglichen.

Weitere Informationen zu COVIDOM und Publikationen finden Sie hier
 

Peter Heuschmann in schwarzem Jacket und Stefan Störk in weißem Kittel vor einem Wandgemälde, das ein Herz darstellt, aus dem Blumen wachsen.
Prof. Dr. Peter Heuschmann (links) und Prof. Dr. Stefan Störk leiten am Uniklinikum Würzburg die gemeinsame klinisch epidemiologische Untersuchungsstraße, in der nun auch die Studie COVIDOM+ durchgeführt wird. © Daniel Peter / UKW
Eine Patientin sitzt in einer Kabine mit Maske vor dem Mund, eine Nurse leitet sie an, kräftig auszuatmen.n.
Zur COVIDOM-Studie gehört auch ein Lungenfunktionstest. Dabei wird die Leistungsfähigkeit der Lunge beim Einatmen und Ausatmen überprüft. © Romana Kochanowski / UKW
Links im Anschnitt ist der Oberkörper eines liegenden Mannes zu sehen, von hinten ein Arzt, der eine Echokardiografie durchführt, in der Mitte des Bildes der Monitor mit Ultraschallbildern und Daten.
Die Echokardiografie, auch Herzecho genannt, ist eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, die wichtige Informationen über die Struktur des Herzens und seine Leistungsfähigkeit liefert. © Kirstin Linkamp / UKW