News aus der Forschung

Sieben hartnäckige Alternativen zur evidenzbasierten Lehre

SATIRISCHER BEITRAG IM BMJ CHRISTMAS ISSUE BELEUCHTET REALITÄT DER MEDIZINISCHEN AUSBILDUNG

Die evidenzbasierte medizinische Ausbildung gilt als Goldstandard, doch der akademische Alltag sieht oft anders aus. In ihrer aktuellen Publikation „Seven alternatives to evidence-based medical education“, erschienen in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal, zeigen Sabine Drossard, Anja Härtl und Johanna Büchel mit einem Augenzwinkern, wie Medizin in der Praxis tatsächlich gelehrt wird. Die Bandbreite reicht dabei von traditionsbasierten Mammutvorlesungen und anekdotenreichen Erzählformaten aus der klinischen Vergangenheit über selbstreferenzielle Forschungspräsentationen bis hin zu Unterhaltungs-, Zufriedenheits-, Immersions- und Selbstständigkeits-basierten Lehransätzen.

 

Collage: Oben links die Illustration von Lehrsituation im Hörsaal (Monitor zeigt einen Chirurgen mit Zebra vor Röntgenbild mit Brustbein und Rippen), rechts ein Bild der Würzburger Autorinnen auf der Alten Mainbrücke mit Weinglas in den Händen.
Sabine Drossard (links) und Johanna Büchel (rechts) werfen gemeinsam mit Anja Härtl vom Uniklinikum Augsburg einen satirischen Blick auf bemerkenswert hartnäckige Lehrstile im Medizinstudium. Ihr Artikel “Seven Alternatives to Evidence-Based Medical Education” ist in der Christmas Issue des British Medical Journals erschienen und wurde illustriert von Rowena Sheehan.

Würzburg. Medizin und Wissenschaft sind zweifellos ernsthafte und verantwortungsvolle Bereiche. In der jährlichen Weihnachtsausgabe des British Medical Journals (BMJ) ist jedoch Humor ausdrücklich erwünscht. „Das BMJ Christmas Issue bewegt sich bewusst an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Reflexion und satirischer Zuspitzung. Die Beiträge werden in der Regel als Meinungsartikel mit klarer inhaltlicher Botschaft verstanden“, sagt Dr. Sabine Drossard. Die Fachärztin für Kinderchirurgie vom Uniklinikum Würzburg (UKW) hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Johanna Büchel von der Frauenklinik sowie Anja Härtl vom Uniklinikum Augsburg mit einem Artikel den Sprung in die beliebte Sonderausgabe des Fachjournals geschafft. „Die Auswahl der Artikel ist sehr kompetitiv, nur ein sehr kleiner Teil der Manuskripte wird zur Publikation angenommen“, so Büchel. Ihr satirischer Blick auf bemerkenswert hartnäckige Lehrstile ist eine augenzwinkernde Liebeserklärung an das Medizinstudium und seine Eigenheiten: “Seven Alternatives to Evidence-Based Medical Education

Idealerweise sollten Lehrmethoden auf solider didaktischer Forschung und bewährten pädagogischen Prinzipien beruhen. Der akademische Alltag sieht jedoch häufig anders aus und begünstigt weniger strukturierte, stärker persönlichkeitsgetriebene Ansätze. Um diese Diskrepanz besser zu verstehen, haben die drei Autorinnen Kolleginnen und Kollegen gefragt, wie sie ihre Lehre gestalten, wenn bildungswissenschaftliche Evidenz oder geschützte Lehrzeit fehlen. Auf Grundlage dieser Einblicke sowie ihrer eigenen Erfahrungen in der akademischen Welt präsentieren sie eine Taxonomie von sieben Lehrmethoden und beleuchten deren Schwächen, Stärken und das gelegentliche Körnchen Weisheit. 

Traditionsbasiert: „So haben wir das schon immer gemacht“

Die traditionsbewusste Lehrperson perfektioniert ihr Handwerk seit Jahrzehnten – kein didaktisches Rahmenwerk kann mit dieser Erfahrung konkurrieren. Ihr bevorzugtes Instrument ist die Vorlesung, ein ununterbrochener Monolog, begleitet von 200 Folien voller dichter Texte, unverständlicher Flussdiagramme und gelegentlich eines Renaissance-Gemäldes. Perfekt für Studierende, die lange Nickerchen lieben. Nachteil: Die Wissenschaft entwickelt sich weiter, Traditionen nicht.

Anekdotenbasiert: „Einmal, während meiner Assistenzzeit …“

Die von erfahrenen Klinikerinnen und Klinikern bevorzugte anekdotenbasierte Methode besteht aus dramatischen Geschichten über mysteriöse Fieber, spektakuläre Reanimationen und seltene „Zebras“, die unerwartet in der Notaufnahme auftauchten. Spontane Abschweifungen mitten in der Vorlesung sorgen für ein fesselndes, wenn auch chaotisches Lernerlebnis. Die Folge: Studierende diagnostizieren zehn Fälle eines seltenen Syndroms, bevor sie Streptokokken erkennen.

Selbstreferenzbasiert: „Lassen Sie uns über meine neueste Publikation sprechen“

Weltklasse-Forscherinnen und -Forscher, die seit den 1990er-Jahren kein Stethoskop mehr benutzt haben, verwandeln jede Vorlesung in einen ausgedehnten Journal Club über ihre eigene Arbeit. Klinisches Wissen tritt hinter Zitationszahlen zurück. Eine einzelne Abbildung aus einem Nature-Artikel rechtfertigt 60 Folien – oder der Fachartikel wird direkt vorgelesen. Der Stoff ist so hochaktuell, dass niemand – inklusive der Lehrperson – weiß, wie er praktisch angewendet werden kann.

Unterhaltungsbasiert: „Bedürfnisse der Studierenden sollten der pädagogischen Kreativität nie im Weg stehen“

Die unterhaltungsorientierten Lehrenden beeindrucken durch ihr Charisma und den exzessiven Einsatz von Medien. Sie erheben die medizinische Lehre zur Performancekunst – mit Requisiten, Rollenspielen und - bei den Fortgeschrittenen unter ihnen - sogar Ausdruckstanz. Das führt zwar dazu, dass die Vorlesung unvergesslich bleibt, der Inhalt wird jedoch umso schneller vergessen. 

Zufriedenheitsbasiert: „Gute Lehre ist das, was Studierenden gefällt“

Bei der zufriedenheitsbasierten Lehre steht die Maximierung des studentischen Glücks im Mittelpunkt. Inhalte werden so angepasst, dass kognitive Überforderung oder wahrgenommene Schwierigkeit vermieden werden. Die Verdaulichkeit des Unterrichts ist wichtiger als die erworbene Kompetenz. Die Qualität eines Kurses bemisst sich in Pizzastücken und überschwänglichen Bewertungen. Alles ist darauf ausgerichtet, das studentische Wohlbefinden zu maximieren – unabhängig vom tatsächlichen Lernerfolg. 

Immersionsbasiert: „In der Praxis werdet ihr es schon lernen“

Der immersionsbasierte Lehrstil beruht auf der Annahme, dass Studierende allein durch die bloße Exposition gegenüber dem klinischen Alltag irgendwann Wissen aufnehmen – ähnlich einem Teebeutel, den man nur lange genug im heißen Wasser ziehen lassen muss. Mit minimaler Anleitung werden sie in klinische Settings „geworfen“, wo sie beobachten und mithelfen sollen, in der Hoffnung, dass Kompetenz auf beinahe magische Weise von selbst entsteht.

Nicht selten wird dieses Vorgehen als „Aufbau von Autonomie“ etikettiert; tatsächlich erinnert es jedoch eher an eine pädagogische Form der natürlichen Selektion. Besonders vorteilhaft ist der Ansatz dort, wo eine dünne Personaldecke, klinische Anforderungen, wissenschaftliche Deadlines und der Studierendenunterricht miteinander um die begrenzte Zeit der Lehrenden konkurrieren.

Unabhängigkeitsbasiert: „Gute Frage. Warum googeln Sie das nicht?“

Beim Selbstständigkeits-basierten Lernen sollen Studierende sich Wissen selbst aneignen - häufig jedoch, ohne über die notwendigen Recherchekompetenzen zu verfügen. So wird das Medizinstudium zu einem Do-it-yourself-Projekt. Peer-Teaching ist die Standardstrategie und „Blended Learning” wird zum Euphemismus für die Auslagerung der Lehre an charismatische TikTok-Ärzte, die mit Hashtags und Tanzchoreografien unterrichten. Soziale Medien und KI-Tools liefern schnellen Zugang zu riesigen Mengen an Informationen – und Desinformationen. Kein Wunder, wenn später unklar ist, ob ein Patient Diabetes oder Tollwut hat. 

Bewusst persiflierende und überspitzte Darstellung 

„Mit unserem Beitrag wollen wir keinesfalls Lehrende bloßstellen oder Inhalte trivialisieren. Vielmehr wollen wir durch humorvolle Zuspitzung auf reale strukturelle und kulturelle Defizite in der medizinischen Lehre aufmerksam machen, zum Nachdenken anregen und einen niedrigschwelligen Zugang zu einer wichtigen fachlichen Diskussion eröffnen“, betonen Büchel und Drossard. Die Autorinnen haben sich über das Mentoring Med Peer-Programm der Universität kennengelernt. Beide haben einen Master of Medical Education und beschäftigen sich wissenschaftlich mit Medizindidaktik. Mit ihrem Artikel wollen sie dazu beitragen, langfristig eine konstruktive Weiterentwicklung der Lehr- und Ausbildungskultur zu fördern. „Und vielleicht können tatsächlich ein paar Vintage-PowerPoint-Folien zugunsten von etwas Ansprechenderem in den Ruhestand geschickt werden“, gibt Sabine Drossard schmunzelnd zu bedenken.

Interessenkonflikt

Die Autorinnen räumen ein, im Laufe ihrer Lehrtätigkeit selbst zeitweise auf eine oder mehrere dieser Methoden zurückgegriffen zu haben.

Publikation
Sabine Drossard, Anja Härtl, Johanna Büchel. Seven alternatives to evidence based medical education: an exploration of how we actually teach. BMJ 2025;391:r2551 http://doi.org/10.1136/bmj.r2551

Collage: Oben links die Illustration von Lehrsituation im Hörsaal (Monitor zeigt einen Chirurgen mit Zebra vor Röntgenbild mit Brustbein und Rippen), rechts ein Bild der Würzburger Autorinnen auf der Alten Mainbrücke mit Weinglas in den Händen.
Sabine Drossard (links) und Johanna Büchel (rechts) werfen gemeinsam mit Anja Härtl vom Uniklinikum Augsburg einen satirischen Blick auf bemerkenswert hartnäckige Lehrstile im Medizinstudium. Ihr Artikel “Seven Alternatives to Evidence-Based Medical Education” ist in der Christmas Issue des British Medical Journals erschienen und wurde illustriert von Rowena Sheehan.

Vom Schmierzettel im Würzburger Steakhaus zur Millionenförderung

Nicolas Schlegel über den neuen Sonderforschungsbereich, der aufdecken will, wie Desmosomen wichtige Epithelfunktionen sowohl bei Gesundheit als auch bei Krankheit regulieren / Würzburger Fokus liegt auf entzündlichen Darmerkrankungen

Porträt von Nicolas Schlegel im weißen Kittel mit verschränkten Armen im Flur des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg und Standortsprecher des SFB/Transregio DEFINE © Ulrich Bender
Collage mit 37 Porträts der Personen, die im SFB/TRR forschen, in der Mitte sind die drei Standortsprecher etwas größer abgebildet.
Der neue SFB/Transregio DEFINE ist eine Kooperation der Universitäten Marburg, LMU München und Würzburg und wird geleitet von Nicolas Schlegel, Michael Hertl und Jens Waschke (größere Porträts in der Mitte von links nach rechts). © SFB/TRR DEFINE
Im Zentrum von DEFINE stehen Erkrankungen, die mit einer Fehlfunktion von Desmosomen in Verbindung stehen. Links sind die blasenbildende Hauterkrankung Pemphigus (oben) und die entzündete Schleimhaut bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (unten) zu sehen. Diese Erkrankungen dienen als Modell, um die Funktionen des Desmosoms in den verschiedenen Geweben zu verstehen. Desmosomen sind generell für die Zell-Zell-Adhäsion, die Barriere-Regulation, die Interaktion mit dem Immunsystem und die Regeneration von Geweben von Bedeutung. Das Fernziel besteht darin, neue Zielstrukturen zur spezifischen Stabilisierung der epithelialen Integrität als neue Therapieansätze zu identifizieren. Das Schema in der Mitte zeigt, wie die Membranproteine Desmoglein und Desmocollin, die hier wie grüne und dunkelrote „Perlenketten“ dargestellt sind, die Zellen außen zusammenhalten. Die in hell- und dunkelgrün abgebildeten „Kügelchen“ stellen die Plakoglobin- und Plakophilin-Koppelung im Innern der Zelle dar. Das blau gefärbte Desmoplakin verankert den Komplex schließlich an den dunkelblau abgebildeten Filamenten des Zellskeletts. © SFB/TRR DEFINE

Die Universitätsmedizin Würzburg darf sich gemeinsam mit der Universität Marburg und der LMU München über die Bewilligung des neuen Sonderforschungsgereich Transregio „Desmosomal dysfunction in epithelial barriers” (DEFINE) freuen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert den SFB TRR von 2026 bis 2029 mit voraussichtlich rund 14 Millionen Euro. Im Mittelpunkt stehen Desmosomen. Diese Proteinstrukturen vernetzen Zellen an den Grenzflächen des Körpers miteinander und tragen so zur Bildung von Barrieren im Körper bei. Funktionierende Barrieren in der Haut und im Darm sind lebenswichtig, sodass bei deren Fehlfunktionen schwerwiegende Erkrankungen wie die lebensgefährliche Autoimmunkrankheit der Haut Pemphigus vulgaris, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sowie Entzündungen der Speiseröhre (eosinophile Ösophagitis) entstehen. Die Forschenden haben mit dem SFB nun die Möglichkeit, das noch sehr begrenzte Wissen über die Regulation von Epithelbarrieren bei Gesundheit und Krankheit deutlich zu erweitern und neuartige therapeutische Strategien gegen die drei genannten Krankheiten zu entwickeln.

Ein Interview mit dem Standortsprecher in Würzburg, Professor Nicolas Schlegel, Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Viszeralchirurgie und Sektionsleiter Endokrine Chirurgie an der Klinik für Chirurgie I des Universitätsklinikums.

Herr Schlegel, herzlichen Glückwunsch zum neuen SFB/TRR DEFINE. Beteiligt sind die Universitätsstandorte Marburg, München und Würzburg. Wer hatte denn die Idee zu diesem Verbundprojekt? 

Die Idee kam um die Weihnachtszeit 2021 in einem Steak-Restaurant in Würzburg, als ich mich mit Jens Waschke zu unserem regelmäßigen Austausch traf. Jens hatte in Würzburg den Lehrstuhl für Anatomie und Zellbiologie inne, bevor er 2011 den Ruf der LMU München auf den Lehrstuhl für vegetative Anatomie annahm. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen und hatten ein Projekt im von der DFG geförderten Schwerpunktprogramm SPP 1782. Dabei hatten wir uns bereits eingehend damit beschäftigt, wie Zellen in Geweben über Desmosomen miteinander kommunizieren und auf Belastungen reagieren und wie Veränderungen dieser Desmosomen die Stabilität und Barrierefunktion des Gewebes beeinflussen. Wir überlegten, wie wir unsere Forschung nach dem Auslaufen des Programms fortsetzen und einen Schritt weiterkommen könnten.

Und da dachten Sie sich, wenn es jemals einen Sonderforschungsbereich zu diesem Thema geben kann, dann jetzt. Wie kam Michael Hertl, Direktor der Hautklinik des Universitätsklinikums Gießen und Marburg dazu?

Jens Waschke und Michael Hertl leiteten gemeinsam die DFG-Forschungsgruppe Pegasus, in dem sie das Krankheitsbild Pemphigus vulgaris untersuchten. Dabei handelt es sich um eine seltene, potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung von Haut und Schleimhäuten. Bei ihrer Entstehung spielen Desmosomen in der Haut eine entscheidende Rolle. Diese werden nämlich fälschlicherweise von Antikörpern der eigenen Immunzellen angegriffen. 

Sie konzentrieren sich jedoch auf die Desmosomen, die bei entzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle spielen. Sie haben maßgeblich zur Entdeckung beigetragen. Wie passt das zusammen? 

Wir fanden die Idee interessant, die Erkrankung der Haut, über die man bereits viel weiß, den Desmosomenveränderungen im Darm, über die noch nicht so viel bekannt ist, gegenüberzustellen. Was ist im Darm anders als in der Haut? Gibt es gemeinsame Nenner? Was sind gewebespezifische und was sind allgemeine Eigenschaften? Noch im Steakhaus haben wir einen Schmierzettel erstellt, Arbeitsgruppenleiter überlegt und die Idee an Michael Hertl herangetragen. Der war sofort Feuer und Flamme.

Wie ging es mit dem Projektantrag weiter – von der Idee bis zur Umsetzung? 

Wir lernten uns kennen, erstellten ein Konzept und luden im Juli 2022 alle potenziellen Projektleiter zu einem zweitägigen Treffen ein. Im Herbst reichten wir die erste Skizze ein. Nach der Begutachtung fand im Juli 2023 das erste Beratungsgespräch statt, in dem wir positives Feedback zur wissenschaftlichen Fragestellung erhielten. Wir mussten jedoch noch einige strukturelle Aspekte nachschärfen, zum Beispiel die Nachwuchsförderung, sowie wissenschaftliche Details zur Qualitätssicherung. Im Herbst 2023 gaben wir die überarbeitete Skizze ab. Im Juli 2024 fand das zweite Beratungsgespräch statt, bei dem die Gutachter uns mit einem sehr positiven Feedback bedachten. Nachdem unser Projekt im November 2024 durch den Senat gegangen war, wurden wir zur Einreichung des Vollantrags aufgefordert. Das heißt, wir hatten bis Juni 2025 Zeit, einen 400 Seiten starken Projektantrag zu erstellen und einzureichen. Im September 2025 erfolgte in Marburg zunächst die Begutachtung des allgemeinen Konzepts, dann der Zentralprojekte und schließlich der Einzelprojekte. Das war mit großer Anspannung und extrem viel Vorbereitung verbunden. Aber wir sind sehr gut bewertet worden. Im November kam schließlich und zur großen Freude die offizielle Bewilligung durch die DFG.

Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass dieser SFB derzeit der einzige in Deutschland ist, der maßgeblich unter chirurgischer Federführung entstand. 

Das Besondere ist, dass wir nicht nur ein solches grundlagenwissenschaftliches Projekt zu diesem speziellen Thema unter chirurgischer Federführung entwickelt haben, sondern dass auch sechs Projektleiter aus der Würzburger Chirurgie involviert sind. Sie sind alle in der Klinik aktiv und arbeiten als Clinician Scientists.

Die Interdisziplinarität des Projekts wurde besonders betont und gelobt. Es wurden viele unterschiedliche Fächer zusammengebracht. Welche Disziplinen sind denn konkret involviert? 

Das ist es, was aus unserer Sicht den SFB ausmacht. Wir haben Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Fächern zusammengebracht, die sonst nicht so eng miteinander arbeiten. Neben der Chirurgie und Dermatologie sind beispielsweise auch die Pädiatrie, Gastroenterologie und Kardiologie vertreten. Die klinische Expertise wird durch Zellbiologie und Immunologie ergänzt. Auch Biophysiker sind dabei, die uns dabei helfen, grundlegende Aspekte von Epithelzellen zu verstehen. Unser Ziel ist es, diese Riesenbrücke vom Einzelmolekül in die Klinik zu schlagen. Das ist unsere Perspektive für die nächsten zwölf Jahre.

Der SFB kann maximal zweimal um jeweils vier Jahre verlängert werden. Bei jeder Verlängerung soll die Projektleitung wechseln. Sind damit alle drei Standorte gleichberechtigt?

Ja, wir verstehen uns als Team und arbeiten auf Augenhöhe. Die Leitung haben wir nach Alter bestimmt. Michael ist der älteste von uns drei Sprechern und hat deshalb in der ersten Förderperiode den Lead. In der zweiten Phase, die hoffentlich gefördert wird, soll Jens Waschke als Zweitältester die Leitung übernehmen. Ich als Jüngster würde dann in der dritten Periode den Lead haben.

Kommen wir nun zum Würzburger Schwerpunkt, den chronischen Darmentzündungen. Welche klinischen Symptome haben die Betroffenen?

Die Patienten haben schwere Durchfälle, bis zu zehn am Tag, die teilweise blutig sein können. Sie leiden unter Bauchkrämpfen und Gewichtsabnahme, betroffene Kinder zudem unter Gedeihstörungen. Eine langjährige Entzündung kann sich zudem zu Darmkrebs entwickeln. Von der Krankheit sind etwa 10 bis 15 von 100.000 Personen betroffen, wobei chronische Darmentzündungen vor allem in der westlichen Welt stetig zunehmen. Man geht davon aus, dass das Epithel durch Umweltfaktoren und den westlichen Lebensstil, insbesondere das Ernährungsverhalten und die damit einhergehenden Veränderungen des Darmmikrobioms, beeinflusst wird.

Laien stellen sich vor, dass ein Viszeralchirurg den entzündeten Abschnitt des Darms entfernt. Im Projekt geht es jedoch nicht nur um die chirurgische Therapie. Worum geht es konkret?

Eine Störung der Darmepithelbarriere ist ein zentraler Grund dafür, dass Patienten überhaupt erst krank werden. Dies ist ein Problem, das wir bisher nicht therapeutisch adressieren können. Wir können zwar den entzündeten Darmabschnitt herausoperieren und Medikamente geben, die das Immunsystem unterdrücken. Diese Medikamente wirken jedoch nur bei 50 bis 60 Prozent der Betroffenen und haben darüber hinaus starke Nebenwirkungen. Wenn wir aber in der Lage sind, das Darmepithel über das Verständnis der Funktion von Desmosomen und allem, was damit zusammenhängt, zu stabilisieren und die Entzündung einzudämmen, könnten wir diese möglicherweise durch eine zusätzliche Therapie in den Griff bekommen.

Kurz zur Begriffserklärung. Was ist die Darmepithelbarriere?

Die Darmepithelbarriere ist eine Zellschicht, die die Innenseite des Darms auskleidet. Sie verhindert, dass die zahlreichen Bakterien, die normalerweise im Darm leben, in den Körper gelangen. Dieser Vorgang wird als Translokation bezeichnet. Verändert sich die Darmflora oder gewinnen krankheitserregende Keime überhand, kann es zu einer Störung des Darmepithels kommen. Dies kann wiederum dazu führen, dass solche Translokationen stattfinden und schwerwiegende Entzündungen im Darm ausgelöst werden. Die Dichtigkeit des Darmepithels ist also von entscheidender Bedeutung. Sie wird durch zwei Komponenten gewährleistet: die Epithelzelle selbst und die Zell-Zell-Kontakte. Und daran arbeiten wir.

Welche Rolle spielen hier die Desmosomen? 

Die Desmosomen gehören zu den Verbindungen, mit denen sich die Epithelzellen gegenseitig festhalten und somit für eine gewisse Stabilität sorgen. Daneben gibt es noch die Tight Junctions, die vor allem dafür zuständig sind, den schmalen Raum zwischen den Zellen abzudichten, sodass nichts hindurchgelangen kann. 

Den Desmosomen schrieb man viele Jahre lang eine Art Kleberfunktion zu. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass sie neben dieser Funktion viele Prozesse im Epithel regulieren und die Regeneration des Darmepithels sowie die Differenzierung von Zellen beeinflussen. Sie ermöglichen überhaupt erst, dass Tight Junctions das Darmepithel abdichten.

Die Desmosomen scheinen also eine Art Schlüsselfunktion für die Aufrechterhaltung der Darmbarriere zu haben. 

Richtig. Wenn wir diese Schlüsselfunktion genau verstehen, können wir hoffentlich spezifische Therapien entwickeln, die die Darmepithelbarriere stabilisieren. Bislang wissen wir, dass dies über Transmembranproteine, die sogenannten Desmogleine, calciumabhängig im Zwischenzellraum geschieht. Diese Proteine greifen wie kleine Ärmchen zwischen den Zellmembranen ineinander und verbinden die Zellen. Innen in der Zelle sind diese Verbindungen an Plaque-Proteine gekoppelt. Diese leiten einerseits Signale weiter und koppeln andererseits die Verbindung an das innere Zellskelett, wodurch die Zelle besonders stabil wird und das Gewebe widerstandsfähig ist. 

Bei Entzündungen sind diese Desmosomen wesentlich herunterreguliert. Wir wollen herausfinden, aus welchen Gründen sie verschwinden und welchen Krankheitswert es tatsächlich hat, wenn Desmosomen nicht mehr vorhanden sind. Unsere Ergebnisse können wir dann gegebenenfalls auch auf andere Erkrankungen übertragen, bei denen Desmosomen eine Rolle spielen. 

Können Sie Beispiel nennen, wie und mit wem sie das herausfinden wollen? 

Unsere Projektleiter haben sich auf verschiedene Untereinheiten dieser Desmosomen fokussiert und untersuchen zellbiologische Aspekte mit verschiedenen Modellen - an Organoiden, Tiermodellen und Knock-out-Modellen. Mit Benjamin Misselwitz aus München haben wir beispielsweise einen weiteren Darmexperten an Bord. Er ist Professor für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in der Gastroenterologie und unter anderem in einem Zentralprojekt dafür zuständig, Proben aus Patientenmaterial für uns untersuchbar zu machen. Im Gegenzug bringt zum Beispiel Professor Goebeler, Direktor der Würzburger Hautklinik, seine dermatologische Expertise ein. 

Was bedeutet der SFB speziell für Würzburg – abgesehen von den Fördergeldern? 

Für mich geht es nicht nur um Gelder, sondern auch um Strukturen. Wir haben hier in Würzburg einen sehr starken immunologischen Schwerpunkt. Zur Immunologie gehört nicht nur das Immunsystem, sondern auch die Barrieren, die der Körper physiologisch aufrechterhalten muss. Diese müssen wir verstehen, adressieren und in den Kontext setzen. Warum entstehen entzündliche Erkrankungen? Wie beeinflussen sie Tumorerkrankungen, die ja auch hier am Standort intensiv untersucht werden? Unser SFB geht and dieser Stelle noch mehr in die Grundlagenwissenschaft und kann eine wichtige Lücke am Standort schließen.

Sie hatten bereits die Nachwuchsförderung angesprochen. Ein Teil des Zentralprojekts, das sich speziell mit diesem Thema beschäftigt, ist in Würzburg angesiedelt. Die Sprecherin ist Stefanie Hahner. Als langjährige Prodekanin der Medizinischen Fakultät kümmert sich die stellvertretende Leiterin der Endokrinologie um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. 

Die Nachwuchsförderung in Würzburg ist bereits sehr stark und wird durch den SFB sowie die sogenannte „Integrated Research Training Group“ (IRTG) weiter ausgebaut. Dieses Programm ist mir persönlich sehr wichtig. Denn hier bringen wir Mediziner und Naturwissenschaftler bereits auf der frühesten Karrierestufe zusammen. Eine frühe Verbindung der verschiedenen Sichtweisen – Klinik und Naturwissenschaften – kann sehr erfolgreich sein, wurde im Alltag jedoch lange vernachlässigt. 

Die Grundlagenforscher haben oft tolle Tools, ihnen fehlt jedoch der direkte Link in die Klinik und umgekehrt. Das wollen wir mit einer frühen Verknüpfung untereinander ändern. Die IRTG ist aber auch an den anderen Standorten mit aktiven Leitern vertreten, so dass über alle 3 Standorte hinweg die gleichen Ideen gelebt werden. 

Das Interview führte Kirstin Linkamp von der Wissenschaftskommunikation am UKW. 

Porträt von Nicolas Schlegel im weißen Kittel mit verschränkten Armen im Flur des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg und Standortsprecher des SFB/Transregio DEFINE © Ulrich Bender
Collage mit 37 Porträts der Personen, die im SFB/TRR forschen, in der Mitte sind die drei Standortsprecher etwas größer abgebildet.
Der neue SFB/Transregio DEFINE ist eine Kooperation der Universitäten Marburg, LMU München und Würzburg und wird geleitet von Nicolas Schlegel, Michael Hertl und Jens Waschke (größere Porträts in der Mitte von links nach rechts). © SFB/TRR DEFINE
Im Zentrum von DEFINE stehen Erkrankungen, die mit einer Fehlfunktion von Desmosomen in Verbindung stehen. Links sind die blasenbildende Hauterkrankung Pemphigus (oben) und die entzündete Schleimhaut bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (unten) zu sehen. Diese Erkrankungen dienen als Modell, um die Funktionen des Desmosoms in den verschiedenen Geweben zu verstehen. Desmosomen sind generell für die Zell-Zell-Adhäsion, die Barriere-Regulation, die Interaktion mit dem Immunsystem und die Regeneration von Geweben von Bedeutung. Das Fernziel besteht darin, neue Zielstrukturen zur spezifischen Stabilisierung der epithelialen Integrität als neue Therapieansätze zu identifizieren. Das Schema in der Mitte zeigt, wie die Membranproteine Desmoglein und Desmocollin, die hier wie grüne und dunkelrote „Perlenketten“ dargestellt sind, die Zellen außen zusammenhalten. Die in hell- und dunkelgrün abgebildeten „Kügelchen“ stellen die Plakoglobin- und Plakophilin-Koppelung im Innern der Zelle dar. Das blau gefärbte Desmoplakin verankert den Komplex schließlich an den dunkelblau abgebildeten Filamenten des Zellskeletts. © SFB/TRR DEFINE

Wie und warum Bewegungsstörungen entstehen

Ein Interview mit der Autorin Dr. Lisa Harder-Rauschenberger und dem Autor Prof. Dr. Chi Wang Ip aus der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) zur Rolle von peripheren Nerventraumen und Rückenmarksverletzungen als Auslöser einer Dystonie. Publikation im Journal „Movement Disorders“ zur Second Hit-Hypothese bei Dystonie.

 

Die Wissenschaftlerin Lisa Harder-Rauschenberger steht mit hochgesteckten Haaren, in heller Schleifenbluse und heller Strickjacke neben Chi Wang Ip im hellblauen Hemd vor dem Bücherregal in der Bibliothek der Neurologie.
Dr. Lisa Harder-Rauschenberger und Prof. Chi Wang Ip von der Neurologischen Klinik und Poliklinik haben im Journal „Movement Disorders“ einen Übersichtsartikel über die Rolle peripherer Nerventraumen und Rückenmarksverletzungen als Auslöser einer Dystonie veröffentlicht.

Lisa Harder-Rauschenberger und Chi Wang Ip von der Neurologischen Klinik und Poliklinik haben im Journal „Movement Disorders“ einen Übersichtsartikel über die Rolle peripherer Nerventraumen und Rückenmarksverletzungen als Auslöser einer Dystonie veröffentlicht. Bei dieser Bewegungsstörung ziehen sich die Muskeln unwillkürlich zusammen und der Körper nimmt ungewöhnliche Haltungen ein. Manche Menschen haben eine genetische Veranlagung dafür, aber nicht alle mit diesen Genen entwickeln tatsächlich eine Dystonie. Deshalb vermuten Forschende – allen voran Harder-Rauschenberger und Ip – dass zusätzlich ein „zweiter Auslöser“ nötig ist, damit die Krankheit entsteht. In ihrer Übersicht fassen sie die aktuelle Forschung zusammen, die zeigt, dass Verletzungen von Nerven oder des Rückenmarks ein solcher zweiter Auslöser sein könnten. Solche Schädigungen verändern nicht nur das betroffene Gewebe, sondern auch die Art und Weise, wie Gehirn, Rückenmark und peripheres Nervensystem miteinander kommunizieren. Dabei spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle und es kommt zu Umbauprozessen im Nervensystem. Diese sollen eigentlich dabei helfen, die Verletzung zu kompensieren. Manche dieser Veränderungen können jedoch dazu führen, dass sich Bewegungsabläufe dauerhaft verändern und eine Dystonie ausgelöst oder verschlimmert wird. Harder-Rauschenberger und Ip heben zukünftige Herausforderungen und potenzielle therapeutische Implikationen dystonieauslösender Nerven- und Rückenmarksverletzungen hervor. Ein besseres Verständnis des Zusammenspiels zwischen Nervenverletzung, Rückenmarksverletzung, Neuroinflammation und Dystonie könnte den Weg für neue therapeutische Strategien ebnen.

Wie kam es zu der Übersichtsarbeit im Journal „Movement Disorders“, auf Deutsch Bewegungsstörungen? 

Chi Wang Ip: Wir hielten beide im Juni 2023 auf dem Samuel Belzberg 6th International Dystonia Symposium (IDS6) in Dublin eine Präsentation und wurden vom Chefredakteur eingeladen eine Übersichtsarbeit über die Second-Hit-Hypothese bei dystonen Erkrankungen für das Journal der International Parkinson and Movement Disorder Society zu schreiben. 

Was genau ist eine Dystonie?

Lisa Harder-Rauschenberger: Eine Dystonie ist eine komplexe Bewegungsstörung, bei der es zu abnormen Haltungen und unwillkürlichen Bewegungen kommt. Diese entstehen durch eine gleichzeitige Kontraktion von agonistisch und antagonistischen Muskeln. Normalerweise arbeiten Muskeln abwechselnd: der Agonist zieht sich zusammen und Bewegung entsteht, der Antagonist entspannt und lässt die Bewegung zu. Wenn die Muskeln, die gegensätzliche Bewegungen machen sollten aber zur gleichen Zeit arbeiten, entstehen verkrampfte, unkontrollierte Bewegungen oder Haltungen. 

Chi Wang Ip: Die Bewegungen sehen teilweise ganz bizarr aus, Drehungen, Verschränkungen, Zittern. Patienten, die stark betroffen sind, können sich teilweise gar nicht mehr kontrollieren und ruhig sitzen. Und weil die Gelenke gar nicht auf diese abnormen Bewegungen ausgelegt sind, sind diese oft auch mit starken Schmerzen verbunden. Das sind ganz massive Einschränkungen im Leben. 

Ist Dystonie eine Begleiterkrankung oder kann sie auch allein auftreten? 

Lisa Harder-Rauschenberger: Eine Dystonie kann als Begleiterkrankung auftreten, zum Beispiel bei Parkinson, sie kann aber auch eine eigene Krankheitsentität sein. Es gibt einige Dystonie-Formen, bei denen Patientinnen und Patienten eine Genmutation haben und dann im Laufe des Lebens dystone Symptome entwickeln können. 

In der Übersichtsarbeit sprechen Sie vom Second Hit. Eine genetische Prädisposition ist dann der First Hit? 

Chi Wang Ip: Richtig. Wir arbeiten zum Beispiel mit genetischen Prädispositionen. Wenn wir eine Maus oder eine Ratte haben, die diesen First Hit schon hat, dann können wir den Second Hit dazutun, zum Beispiel eine Nervenschädigung oder eine Überbeanspruchung. Ein First Hit kann aber durch epigenetische Einflüsse verursacht werden, also Mechanismen, die die Aktivität von Genen beeinflussen. Auch Medikamente können ursächlich sein. Viele Personen nehmen Präparate, die verschiedene Neurotransmitter im Gehirn beeinflussen, sodass dann eine Prädisposition entsteht, die mit einem weiteren äußeren Faktor, dem Second Hit, zur Auslösung einer Erkrankung führt. 

Also braucht es einen Second Hit als Auslöser? 

Chi Wang Ip: Wenn man sich monogene Formen anschaut, also Dystonien, die durch eine einzige Genmutation verursacht werden können, dann weiß man, dass nicht jeder Mutationsträger automatisch die Erkrankung entwickelt. Wir sprechen von einer reduzierten Penetranz. Teilweise ist die Penetranz bei 20 Prozent, also nur einer von fünf Mutationsträgern zeigt Symptome, teilweise bei 60 oder 70 Prozent. Und keiner weiß genau, warum das so ist. Warum entwickeln nicht alle mit dem Gendefekt Symptome? Deswegen kam die Idee des Second Hits. Aber wie gesagt, eine Dystonie kann durchaus auch andere Ursachen haben. 

Wie entwickeln sich die Symptome? 

Chi Wang Ip: Wir gehen davon aus, dass Dystonie eine Netzwerkerkrankung des Gehirns ist, gegebenenfalls auch des Rückenmarks, die dazu führt, dass die Kommunikation der Zentren gestört ist. Eine Verletzung am Nerv, zum Beispiel durch einen Sportunfall, könnte eine Dystonie auslösen. Unser Gehirn, das ja plastisch ist und sich anpassen muss, wird forciert, auf diese Verletzung zu reagieren. Es nimmt also Signale wie Schmerz oder Gefühlsstörungen auf und verbarbeitet diese Reize. Ist das Gehirn durch eine Genmutation erkrankt, dann interpretiert es diese Reize falsch und es kommt zu fehlerhaften Rückkopplungen und Co-Kontraktionen. 

Das heißt, bei Personen mit bestimmten Genmutationen kommt das Gehirn mit den Nervenverletzungen nicht klar? 

Chi Wang Ip: Genau. Das Gehirn gibt dann falsche Informationen ab und die Muskulatur spricht falsch darauf an, sodass diese bizarren Bewegungen auftreten. 

Gibt es Belege für die Second-Hit-Hypothese?

Lisa Harder-Rauschenberger: Es gibt tatsächlich genetische Dystonie-Formen, bei denen ein ganz klarer Zusammenhang zwischen Umweltfaktor beziehungsweise äußerem Faktor und der Dystonie-Entwicklung gezeigt werden konnte. Eine Infektion, ein Trauma durch eine Verletzung oder einen Stoß, Stress jeglicher Art aber auch Klimaeinflüsse wie Hitze können von einem Tag auf den anderen, innerhalb von wenigen Stunden zu dieser Dystonie-Entwicklung führen, die dann auch ein Leben lang bleibt. Also für bestimmte Formen gibt es einen ganz klaren Zusammenhang. Für andere Formen weiß man nur, dass es diese reduzierte Penetranz gibt; und wir postulieren, dass auch da ein Stressfaktor, ein Umweltfaktor, eine Rolle spielt. 

Um welche Art von Umweltfaktoren handelt es sich? 

Lisa Harder-Rauschenberger: In der Literatur werden zahlreiche Faktoren beschrieben, zum Teil in Einzelfallbeschreibungen, zum Teil in kleinere Studien. Diskutiert werden wie schon genannt unter anderem Nerventrauma und Infektionen. Ein relativ klarer Zusammenhang zur Dystonie-Entwicklung besteht auch für die Überbeanspruchung, also eine aufgabenspezifische Dystonie. Ein Beispiel hierfür ist die Musiker-Dystonie.  Denn einige professionelle Musiker, die ihr Leben lang ein Instrument intensiv spielen, entwickeln eine Dystonie, wie zum Beispiel Klavierspieler in bestimmten Fingern. 

Wie sieht Ihre aktuelle Forschung zu dem Thema aus? 

Lisa Harder-Rauschenberger: Wir machen primär Untersuchungen an Tiermodellen, Mäusen und Ratten mit einer genetischen Prädisposition. Hier untersuchen wir zum Beispiel, wie sich das Gehirn eines symptomatischen Nagers im Vergleich zu einem asymptomatischen unterscheidet. Dieses Verständnis könnte uns helfen beim Menschen einzugreifen bevor es zur Symptomenentwicklung kommt. 

Und wie lässt sich das auf die Patientinnen und Patienten übertragen? 

Lisa Harder-Rauschenberger: Das ist eine unserer Botschaften im Review. Wir benötigen in Zukunft viel größere klinische Studien, um den Zusammenhang zwischen einer peripheren Nervenschädigung und einer Dystonie-Entwicklung beim Menschen klarer zu zeigen. Die bisherigen Studien haben viel zu geringe Endzahlen. Des Weiteren ist das Nerventrauma in den meisten Fällen nicht genau beschrieben, und der zeitliche Zusammenhang bis zur Dystonie-Entwicklung nicht definiert. 

Würde man ein Nerventrauma bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung zur Dystonie zum Beispiel anders behandeln oder prüfen, ob eine genetische Veranlagung vorliegt? 

Chi Wang Ip: Ich fürchte, so weit sind wir noch nicht, dass wir so etwas machen können. Und tatsächlich sprechen wir ja bei der monogenen Dystonie über eine seltene Erkrankung. Da würde es keinen Sinn machen, jeden, der so eine Verletzung hat, auf eine Genveränderung zu screenen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir diejenigen, von denen wir wissen, dass sie selbst oder in der Familie eine genetische Prädisposition haben aber noch asymptomatisch sind, empfehlen, bestimmte Risikofaktoren wie gewisse Sportarten zu meiden, von denen wir wissen, dass sie Symptome auslösen. Diese müssten wir aber eben noch genauer untersuchen. 

Lisa Harder-Rauschenberger: Wenn es dann doch passiert, könnte man überlegen, dass man die Inflammation, die nach so einer Nervenschädigung auftritt, früh behandelt und vielleicht die abnormalen plastischen Veränderungen über eine Neuromodulation beeinflusst. 

Bei einer hereditären Dystonie, die autosomal-dominant vererbt wird, besteht das Risiko immerhin bei 50 Prozent, die Mutation geerbt zu haben. Wie viele Mutationen sind denn bis jetzt bekannt? 

Chi Wang Ip: Wir entdecken immer mehr Gene, die mit einer Dystonie assoziiert sind. Bei den monogenen Formen kennen wir inzwischen mehr als 50. Diese beinhalten Formen, bei denen die Dystonie das einzige Symptom darstellt und auch Formen, die kombiniert sind, zum Beispiel eine Dystonie mit Parkinson-Syndrom. Es gibt sicherlich auch noch viele Mutationen, von denen wir erst noch nachweisen müssen, ob sie pathogen relevant sind. Die häufigste Form ist die DYT-TOR1A-Dystonie. Bei dieser Form kann es zu sehr starken Symptomen kommen. 

Warum sollten Ärztinnen und Ärzte aus der Neurologie und gegebenenfalls Primärmedizin Ihre Übersichtsarbeit lesen? 

Lisa Harder-Rauschenberger: Zum einen dauert es oft noch sehr lange, bis Patientinnen und Patienten die Diagnose Dystonie erhalten, obwohl ihre Lebensqualität dann schon stark eingeschränkt ist. Wichtig wäre also eine frühe Diagnose und Anamnese, damit die Betroffenen schnell eine geeignete symptomatische Behandlung erhalten. Zum anderen ist Aufklärung sehr wichtig. Wenn jemand aus der Familie eine monogenetische Form wie DYT-TOR1A hat, dann sollten die Familienmitglieder über diese Prädisposition informiert und Auslösefaktoren informiert werden. 

Chi Wang Ip: In der Übersichtsarbeit beschreiben wir auch, was eine Dystonie ist. Da sie nicht jeder kennt, wird sie auch oft verkannt. Früher wurden zum Beispiel Dystonien häufig als psychogen eingestuft, obwohl es klare organische Veränderungen im Gehirn und teilweise auch im Rückenmark gibt. Auch die Muskeln können sich durch die dauerhafte massive Anspannung verändern. 

Noch einige Fragen zur Neurologie am UKW, die ja einen klaren Schwerpunkt auf Bewegungsstörungen hat – in Forschung, Lehre und Behandlung. Was ist das Besondere am Standort Würzburg? 

Chi Wang Ip: Wir betreiben eine spezialisierte Ambulanz für Botulinumtoxin-Behandlungen, die bei fokalen und segmentalen Dystonien zentral sind. Darüber hinaus gehören wir zu den deutschen Zentren, die die Tiefe Hirnstimulation bei Dystonien durchführen. Bei der Diagnostik und Behandlung legen wir besonderen Wert auf den interdisziplinären Ansatz: Wir arbeiten eng mit der Neurochirurgie, Neuroradiologie und Psychiatrie zusammen. Hervorzuheben ist unsere präklinische und klinisch-translationale Forschung zu Bewegungsstörungen, zur Pathophysiologie, Netzwerken der motorischen Kontrolle, Therapieansätzen und Tiermodellen. Wir sind einer der wenigen Standorte, die auf diesem Gebiet an Tiermodellen forschen. Dadurch sind wir international sichtbar und gut vernetzt. 

Frau Harder-Rauschenberger, Sie haben noch vor Ihrer Facharztausbildung angefangen, mit Dystonie-Mausmodellen zu arbeiten. Was machen Sie konkret? 

Lisa Harder-Rauschenberger: Zunächst einmal haben wir mehrere symptomatische Nager-Modelle für verschiedene Dystonie-Formen entwickelt. Die verschiedenen Mäuse mit Dystonie-Mutationen setzen wir unterschiedlichen äußeren Faktoren aus, beobachten die Entwicklung von Symptomen und vergleichen diese mit Symptomen beim Menschen. Dabei hilft mir meine klinische Erfahrung sehr. Wobei sich bei der Bewertung von dystonen Symptomen im Nagermodell auch viel getan hat. Während ich früher noch Videos der Nager manuell untersucht habe, können wir diese heute automatisiert auswerten. 

Können Sie ein Beispiel Ihrer Untersuchungen nennen.

Lisa Harder-Rauschenberger: In einem aktuellen Projekt untersuchen wir die Dystonie, die durch Überbeanspruchung ausgelöst wird. Wir charakterisieren Ratten, die wiederholt einen Hebel drücken sollen und sehen ganz deutliche, abnormale, Dystonie-ähnliche Bewegungen. In einem translationalen Ansatz vergleichen beziehungsweise belegen wir diese Ergebnisse mit Dystonie-Patienten. Dann untersuchen wir das Gehirn der Nagetiere. Wir machen ein FDG-PET - ein bildgebendes Verfahren aus der Nuklearmedizin, bei dem eine leicht radioaktiv markierte Zuckerform gespritzt wird – und untersuchen, wie unterschiedliche Regionen des Gehirns Glukose aufnehmen und mehr oder weniger aktiv bei der Dystonie sind. Das können wir mit dem FDG-PET beim Menschen vergleichen. Darüber hinaus können wir prüfen, ob Botenstoffe wie Dopamin verändert sind und strukturelle Veränderungen analysieren. 

Kann man das Gehirn eines Nagetiers gut mit dem menschlichen Gehirn vergleichen? 

Chi Wang Ip: Was die Bodenstoffe und Zellbestandteile angeht, ja. Die grobe Struktur ist auch vergleichbar, aber nicht eins zu Eins. Menschen haben ein sehr viel höhere entwickeltes Gehirn als Nager. Aber zur Aufgabe des Hebeldrückens: Der Vorteil ist, dass die Hand oder Vorderpfote der Nagetiere ziemlich gut vergleichbar ist mit der Hand vom Menschen. Nur der Daumen, der ist bei den Nagern viel kleiner.

Was waren Ihre persönlichen Highlights oder bahnbrechenden Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Dystonie? 

Chi Wang Ip: Uns ist über die Jahre immer besser gelungen, Tiermodelle zu entwickeln, an denen wir die Pathophysiologie der Dystonie und unsere Second-Hit-Idee detaillierter untersuchen können und die sehr viel näher an der menschlichen Erkrankung sind als die Modelle, die bislang auf dem Markt existieren. Gerade bei der fokalen Dystonie, die nur einen Bereich des Körpers betrifft, wie den Arm oder die Hand, gibt es meiner Meinung nach kein vergleichbares Modell. Die Veränderungen der Rattenpfote ist zum Beispiel dem Menschen sehr ähnlich. 

Und dann haben wir über die Jahre hinweg herausragende Techniken zur Untersuchung entwickelt. Mit künstlicher Intelligenz können wir zum Beispiel die Bewegungen der Tiere viel besser und objektiv analysieren und auf den Menschen übertragen (Link zum Paper).

Lisa Harder-Rauschenberger: Das ist ein absoluter Gewinn. Durch die computerisierte Auswertung der Videos erhalten wir viel genauere und beobachterunabhängige Informationen über dystonieähnliche Bewegungen. Das hat unsere Forschung in den letzten Jahren noch viel besser gemacht. 

Chi Wang Ip: Und die Glukose-PET-Untersuchungen, die wir beim Menschen schon lange durchführen, konnten wir jetzt auch beim winzigen Gehirn von Nagern etablieren.

Lisa Harder-Rauschenberger:  Herausragend sind sicherlich auch unsere Kooperationen im Rahmen der Dystonieforschung, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt entwickelt haben und unsere Forschung vorantreiben, indem sie sehr viel Neues ermöglichen. Im Sonderforschungsbereich / Transregio 295 RETUNE arbeiten wir eng mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin zusammen, ferner bestehen intensive Kooperationen mit dem Champalimaud-Centre in Lissabon und Professor Antonio Pisani aus Italien.

Tauschen Sie Modelle und Techniken eigentlich aus oder geben Sie Ihre weiter? 

Chi Wang Ip: Das haben wir im Rahmen des EU-Konsortiums „EurDyscover“, das wir koordiniert haben, stark betrieben.

Welche Ziele verfolgen Sie konkret? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Chi Wang Ip: Am Ziel steht immer der Patient, für den wir eine Therapie finden wollen, welche die Symptome lindert oder noch besser kausal etwas verändert. Dazu müssen wir besser verstehen, wie Nerven- und Rückenmarksverletzungen, Entzündungen im Nervensystem und Dystonie zusammenhängen, also Mechanismen von Dystonie auf molekularer, zellulärer und Netzwerk-Ebene untersuchen. 

Lisa Harder-Rauschenberger: Wir haben jetzt diese symptomatischen Mausmodelle etabliert und charakterisiert. Nun möchte ich die Mechanismen im Gehirn, welche zur Dystonie führen, näher verstehen und dazu verschiedene Methoden anwenden. Mit der In-vivo-Kalzium-Bildgebung können wir zum Beispiel prüfen, welche Zellpopulationen aktiv sind. Was passiert auf der zellulären und molekularen Ebene. Unsere Forschung soll am Ende einen Unterschied für den Patienten machen. 

Chi Wang Ip: In den PET-Untersuchungen leuchten zum Beispiel bestimmte Zentren im Gehirn auf, die krankhaft verändert sind. Hier müssten wir genau schauen, welche Zellpopulationen diese Veränderungen verursachen und ob wir da eingreifen können. Mit Multi-omics-Untersuchungen analysieren wir verschiedene Moleküle gleichzeitig und können sehen, wo in der biologischen Kette – von Gendefekt über RNA und Proteine bis zu Symptom – Fehler auftreten. So könnten wir molekulare Angriffspunkte für neue Medikamente finden. 

Lisa Harder-Rauschenberger: Ich etabliere gerade auch zusammen mit Prof. Wessel an unserer Klinik eine neue, nichtinvasive Art der Stimulation in den Tieren. Mit dieser temporalen Interferenzstimulation können wir gegebenenfalls diese abnormalen plastischen Veränderungen die man ja bei der Dystonie vermutet, beeinflussen und gegebenenfalls lindern.

Läuft also auch die Behandlung der Dystonie auf Präzisionsmedizin bzw. personalisierte Medizin hinaus? 

Chi Wang Ip: Ja, durch das Gesamtprofil des Patienten können wir die Therapie besser personalisieren. Das ist natürlich gigantisch, aber das ist tatsächlich das Ziel. Aber schon jetzt können wir durch die KI-gesteuerten Auswertungen der Bewegungsstörungen die Therapien, die es bereits gibt, verbessert einsetzen. Denn nicht jeder Patient ist gleich, die Muskeln bewegen sich frei. Alle Patienten sind unterschiedlich von der krankhaften Ausprägung her. 

Das Interview führte Kirstin Linkamp / Wissenschaftsredaktion 

Publikation: Lisa Harder-Rauschenberger, Chi Wang Ip. The Second Hit Hypothesis in Animal and Human Dystonia: The Role of Peripheral Nerve Trauma and Spinal Cord Injury. Movement Disorders. October 2025. https://doi.org/10.1002/mds.70087

 

Prof. Dr. Chi Wang Ip ist Universitätsprofessor für Translationale Neurologie am UKW und stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik. Er begann bereits in jungen Jahren mit der Erforschung des Einflusses des Immunsystems auf erbliche Neuropathien und erweiterte seine Untersuchungen anschließend auf das zentrale Nervensystem und seine entzündlichen Erkrankungen. Während seiner Facharztausbildung entdeckte er seine Leidenschaft für Bewegungsstörungen, was zu einer Spezialisierung auf Parkinson und Dystonie führte. Der Fokus seiner Forschung liegt nun auf diesen Erkrankungen, einschließlich der Entwicklung präklinischer Modelle und der Untersuchung der Wirkung der Immunmodulation auf die Neurodegeneration in diesen Modellen. Darüber hinaus führt er klinische Studien durch, um Forschungsergebnisse in therapeutische Strategien umzusetzen. Er ist federführend bei der Leitlinie Dystonie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, publiziert bei AWMF, dem Portal der wissenschaftlichen Medizin. 

Dr. Lisa Harder-Rauschenberger studierte in Greifswald Humanmedizin und promovierte zu Prostatakarzinomzelle. Bevor sie mit ihrer Facharztausbildung zur Neurologin begann, nahm sie im Jahr 2016 am UKW die Gelegenheit eines Forschungsjahres wahr. Seitdem arbeitet sie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Chi Wang Ip. Das Clinician Scientist Programm sowie das Habilitationsstipendium des IZKF verschaffte ihr in ihrer klinischen Ausbildung immer wieder Freiräume, in denen sie sich voll und ganz ihrem Forschungsschwerpunkt, der Dystonie, widmen konnte. Ihr Fokus liegt dabei auf der Etablierung von symptomatischen Maus- und Rattenmodellen für die Dystonie, anhand der wir dann versuchen, die Pathophysiologie dieser Erkrankung zu verstehen. 

 

Die Wissenschaftlerin Lisa Harder-Rauschenberger steht mit hochgesteckten Haaren, in heller Schleifenbluse und heller Strickjacke neben Chi Wang Ip im hellblauen Hemd vor dem Bücherregal in der Bibliothek der Neurologie.
Dr. Lisa Harder-Rauschenberger und Prof. Chi Wang Ip von der Neurologischen Klinik und Poliklinik haben im Journal „Movement Disorders“ einen Übersichtsartikel über die Rolle peripherer Nerventraumen und Rückenmarksverletzungen als Auslöser einer Dystonie veröffentlicht.

„Bad Guys“ im Immunsystem entlarven und wieder zu Verbündeten im Kampf gegen Krebs machen

Mit ihrem vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) geförderten Projekt möchte Dr. Julia Krug vom Uniklinikum Würzburg (UKW) die Erfolgsrate von Immuntherapien gegen das maligne Melanom deutlich erhöhen. Bei jedem zweiten Betroffenen versagen zum Beispiel Anti-PD-1-Therapien. Die Naturwissenschaftlerin aus der Arbeitsgruppe Schmieder (Immundermatologie) erforscht, wie sich immunhemmende Makrophagen („Bad Guys“) umprogrammieren lassen, um Resistenzen zu überwinden. Für ihre Arbeit erhält sie ein einjähriges Stipendium über 100.000 Euro.

Die Preisträgerin Julia Krug und Ralf Bargou halten die eingerahmte Urkunde in den Händen, sie stehen vor einem Roll-up des BZKF mit den Worten Exzellenz stärken - Wissen teilen.
Dr. Julia Krug erhält die Urkunde des BZKF von Prof. Dr. Ralf Bargou. © Annette Popp / UKW

Würzburg. Das maligne Melanom, auch „schwarzer Hautkrebs“ genannt, zählt zu den aggressivsten Hauttumoren. Es weist die höchste Metastasierungsrate auf und ist die Ursache für den Tod von jährlich rund 3.000 Betroffenen in Deutschland. Fortschritte in der Behandlung wie zum Beispiel moderne Immuntherapien haben zwar die Überlebenschancen vieler Betroffener verbessert. „Doch bei jedem zweiten Patienten schlagen die Immuncheckpoint-Inhibitoren nicht an“, berichtet Dr. Julia Krug. Die 35-jährige Naturwissenschaftlerin aus der Dermatologie des Uniklinikums Würzburg (UKW) möchte die Erfolgsrate der Immuntherapien erhöhen. Für ihr Projekt „Überwindung der Anti-PD-1-Therapieresistenz durch gezielte Behandlung nicht ansprechender Melanome mit Mifepriston-Biokonjugaten“ hat sie gerade das Young Scientist Fellowship des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) erhalten. 

„Ich hatte mich schon riesig gefreut, dass mein Projekt im lokalen Auswahlprozess Beachtung fand. Dass ich dann auch noch ausgewählt wurde, meine Arbeit vor einem standortübergreifenden Gremium in einer zehnminütigen Präsentation vorzustellen, und schließlich sogar das Stipendium gewonnen habe, ist eine tolle Wertschätzung meiner Arbeit“, so die Preisträgerin. Insgesamt wird an den sechs bayerischen Unikliniken jeweils ein Projekt für die Dauer eines Jahres mit 100.000 Euro gefördert.

Neue Strategien zur Überwindung der Anti-PD-1-Therapieresistenz bei malignen Melanomen 

Um ihr Vorhaben zu schildern, holt Julia Krug etwas aus. Im Jahr 2018 wurde der Nobelpreis an zwei Forscher verliehen, die die Immuntherapien, insbesondere die Checkpoint-Inhibitoren, revolutioniert haben. James P. Allison entdeckte das immunhemmende Molekül CTLA-4 und Tasuku Honjo den Rezeptor PD-1, der ähnlich wie CTLA-4 die T-Zell-Aktivierung hemmt. Wenn Krebszellen den passenden Liganden auf ihrer Oberfläche tragen, können sie sich mit dem entsprechenden Bremsmolekül auf den Immunzellen verbinden und diese stilllegen. Auf Basis dieser grundlegenden Erkenntnisse wurden Checkpoint-Inhibitoren entwickelt, also Medikamente, die verhindern, dass Krebszellen die „Immunbremse“ ziehen. Dadurch wird das patienteneigene Immunsystem reaktiviert und kann seiner eigentlichen Aufgabe nachkommen, den Krebs wirksam zu bekämpfen.

Bremsende Makrophagen umprogrammieren

Damit die Anti-PD-1-Therapie bei mehr als der Hälfte der Patientinnen und Patienten anschlägt, konzentriert sich Julia Krug auf bestimmte Zellen des Immunsystems: die Makrophagen. Der Begriff setzt sich aus den altgriechischen Wörtern makrós für „groß” und phagein für „fressen” zusammen und bedeutet „Riesenfresszellen”. Sie fressen und verdauen alles, was für den Körper potenziell gefährlich oder überflüssig ist. Zudem rekrutieren sie andere Immunzellen zur Unterstützung im Kampf gegen den Krebs. „Es gibt jedoch auch Makrophagen, die im Tumormikromilieu zu ‚Bad Guys‘ geworden sind und das Immunsystem derart bremsen, dass der Tumor weiterwachsen kann. Diese wollen wir finden und wieder zu ‚Guten‘ bekehren“, erläutert Julia Krug. 

Prof. Dr. Astrid Schmieder, die Leiterin der Arbeitsgruppe Immundermatologie am UKW, hatte bereits Vorarbeit geleistet und verschiedene Marker für die immunsuppressiven Makrophagen entdeckt. „Dabei ist uns ein bestimmter Signalweg aufgefallen. Wenn wir diesen unterdrücken können, dann ändern die Makrophagen ihre Funktion und bekämpfen wieder den Tumor“, erklärt Astrid Schmieder, die sichtlich stolz auf ihre erfolgreiche Postdoktorandin ist. Die beiden Wissenschaftlerinnen werden oft als „Power Couple“ bezeichnet. Was sie eint, wie sie den Weg in die Forschung gefunden haben und mit welcher Leidenschaft sie ihren Projekten nachgehen, ist in den Porträts der Serie #WomenInScience nachzulesen.

Ein Kubikmillimeter kleine Quader aus Tumorprobe 

Der Wirkmechanismus, der verhindert, dass der unheilvolle Signalweg in Makrophagen aktiviert wird, hat sich bereits in speziellen Mausmodellen bewährt. Nun möchte Julia Krug ihn an humanen Gewebeproben untersuchen. Hierzu arbeitet sie einerseits mit Melanom-Zelllinien aus den 1970er Jahren, andererseits mit frischem OP-Material. Letzteres wird in ein Kubikmillimeter kleine Quader geschnitten. Das entspricht der Größe eines Staubkorns oder einem Dreißigstel eines Wassertropfens. Diese Quader bringt sie dann mit ihren behandelten Makrophagen in eine Zellkultur, gibt Inhibitoren darauf und sieht innerhalb von drei Tagen, ob das Material auf die Therapie anspricht. „Und da wir ganz viele Quader aus dem Tumor haben, können wir weitere Mechanismen, Methoden und Behandlungsstrategien testen und die Ansprechrate vorhersagen“, schwärmt Julia Krug von diesem „tollen Tool“.

Bis dieser Ansatz jedoch standardisiert ist und man anhand einer winzigen Tumorprobe die optimale Behandlung für jede Patientin und jeden Patienten bestimmen kann, wird noch viel Forschungsarbeit nötig sein. 

Doch Julia Krug, frischgebackene Mutter eines sieben Monate alten Sohnes, ist voller Tatendrang. Im Januar übernimmt ihr Mann die Elternzeit und damit die Care-Arbeit, sodass sie mit dem finanziellen Rückenwind des BZKF wieder voll im Labor durchstarten kann.

BZKF-Young Scientist Fellowship

„Das Programm des BZKF ist für Young Scientist Fellows sehr wichtig. Denn die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten durch die Förderung die notwendigen finanziellen Mittel und als Clinician Scientists oftmals auch die nötigen Freiräume für die Forschung“, betont Prof. Ralf Bargou. Dem Direktor des Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) und Mitglied des BZKF-Direktoriums liegt die Förderung des Nachwuchses sehr am Herzen. Bei der Übergabe der Urkunde gratulierte er Julia Krug zur hochverdienten Auszeichnung. „Die immunonkologische Forschung – sowohl präklinisch als auch klinisch – ist in Würzburg und in WERA stark vertreten. Es gibt viele Ansätze, um Resistenzen zu überwinden, die vor allem beim malignen Melanom hochrelevant sind. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse.“ 

Das Young Scientist Fellowship des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) ist ein Förderprogramm für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die innovative Projekte in der Krebsforschung durchführen möchten. Ziel ist es, vielversprechende Nachwuchstalente in Bayern zu unterstützen und ihnen zu ermöglichen, eigene translational ausgerichtete Forschungsprojekte umzusetzen. Dabei handelt es sich um Vorhaben, die eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung schlagen. Das Stipendium richtet sich an Medical Scientists, Clinician Scientists, Clinical Trialists sowie junge Forschende aus den Bereichen Medizin, Lebens- und Naturwissenschaften. Voraussetzung ist, dass das Projekt an einem der BZKF-Standorte in Bayern angesiedelt ist. Pro Person werden 100.000 Euro für zwölf Monate gefördert, und pro Ausschreibungsrunde werden sechs solcher Fellowships vergeben, jeweils eines am BZKF-Standort. Die Auswahl erfolgt in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst finden lokale Auswahlprozesse an den sechs beteiligten Universitätskliniken statt. Anschließend folgt eine zentrale Finalrunde mit Präsentationen vor einem standortübergreifenden Gremium, in dem auch Patientenvertreterinnen und -vertreter sowie ehemalige Fellows sitzen. Neben der finanziellen Unterstützung bietet das Programm die Einbindung in das wissenschaftliche Netzwerk des BZKF und Fördermaßnahmen für die langfristige Karriereentwicklung.

Text: Kirstin Linkamp / Wissenschaftskommunikation

Link zur Pressemeldung des BZKF

Link zum #WomenInScience-Porträt von Julia Krug 

Die Preisträgerin Julia Krug und Ralf Bargou halten die eingerahmte Urkunde in den Händen, sie stehen vor einem Roll-up des BZKF mit den Worten Exzellenz stärken - Wissen teilen.
Dr. Julia Krug erhält die Urkunde des BZKF von Prof. Dr. Ralf Bargou. © Annette Popp / UKW

Neues Graduiertenkolleg „Thrombo-Inflame“ für die Universitätsmedizin Würzburg

5,48 MILLIONEN EURO FÜR FORSCHUNG ZU ENTZÜNDLICHEN PROZESSEN, DIE VON BLUTPLÄTTCHEN AUSGEHEN

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einem interdisziplinären Team des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), der Julius-Maximilians-Universität (JMU) und des Rudolf-Virchow-Zentrums (RVZ) unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Nieswandt das neue Graduiertenkolleg (GRK) 3190 „Thrombo-Inflame“ bewilligt. Für die Universitätsmedizin Würzburg bedeutet dies eine nachhaltige Stärkung der Forschung zu Entzündungsprozessen, die durch Blutplättchen und ihre Vorläuferzellen, die Megakaryozyten, gesteuert werden. Gleichzeitig wird der wissenschaftliche Nachwuchs im Rahmen eines strukturierten Promotionsprogramms gezielt gefördert.

 

Die Collage zeigt die Forschenden auf einer Treppe, vorne sind vier freigestellte Personen eingefügt und das Logo des Graduiertenkollegs.
Team Thrombo-Inflame, v.l.n.r.: Anna Frey, Zoltan Nagy, Sarah Beck, Markus Bender, Tamara Girbl, Harald Schulze, Katrin Heinze, David Stegner, Bernhard Nieswandt sowie vorne Georg Gasteiger, Michael Schuhmann und Alma Zernecke-Madsen. © Anna Wenzl / UKW (die vier vorderen Personen wurden nachträglich eingefügt)

Würzburg. Die komplexe Entstehung Reifung und vielfältigen Funktionen von Blutplättchen, den so genannten Thrombozyten, stehen am Uniklinikum Würzburg (UKW) seit langem im Zentrum verschiedener Forschungsdisziplinen. Neben ihrer zentralen Rolle in der Blutstillung tragen sie auch zu Thrombosen, Infarkten und Organschäden bei. Ein zunehmend relevantes Forschungsfeld ist die sogenannte „Thrombo-Inflammation“ – entzündliche Prozesse, die durch aktivierte Thrombozyten vermittelt werden. Der Begriff „Thrombo-Inflammation“ wurde maßgeblich in Würzburg geprägt, wo seit Jahren intensiv in interdisziplinären Teams an den zugrundeliegenden Mechanismen und der therapeutischen Relevanz geforscht wird. Mit dem neuen Graduiertenkolleg 3190 erhält das Forschungsgebiet nun zusätzliche Sichtbarkeit und eine strukturierte Nachwuchsförderung.

Bis zu 33 Promotionen in den kommenden neun Jahren, verteilt auf acht Projekte 

Im Mai 2026 werden zunächst elf Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in insgesamt acht Projekten zur Thrombo-Inflammation die Möglichkeit haben, zu promovieren. Drei Jahre später wird eine zweite Kohorte mit wiederum elf Doktorandinnen und Doktoranden folgen. Bei erfolgreicher Verlängerung können innerhalb von neun Jahren insgesamt bis zu 33 Nachwuchstalente im Rahmen des GRK ihre Promotion absolvieren. 

„Wir möchten eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausbilden, die die Mechanismen der Thrombo-Inflammation aufdecken und molekulare Angriffspunkte für therapeutische Eingriffe identifizieren“, erklärt Prof. Dr. Bernhardt Nieswandt, Sprecher des GRK. 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das strukturierte Qualifizierungskonzept im Bereich Thrombo-Inflammation mit zunächst 5,477 Mio Euro. Insgesamt hat die DFG elf neue GRKs zur weiteren Stärkung früher wissenschaftlicher Karrierestufen im Rahmen eines thematisch fokussierten Forschungsprogramms eingerichtet. Neben dem neuen GRK 3190 wird an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) das Graduiertenkolleg GRK 2660 „Neuronale Mechanismen von (mal)adaptiven Annäherungs- und Vermeidungsverhalten“ verlängert (siehe Pressemeldung). 

Ideale Voraussetzungen in Würzburg

Bernhard Nieswandt, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Biomedizin I am UKW und Gruppenleiter am Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) der JMU, wurde für seine Forschung zu einem bislang unbekannten Mechanismus in Thrombozyten im Jahr 2024 mit einem ERC (European Research Council) Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro ausgezeichnet (siehe Pressemeldung). „Mit dem ERC Grant und dem neuen Graduiertenkolleg ist Würzburg weiterhin international ganz vorne dabei“, freut sich Bernhard Nieswandt. „Der Campus Würzburg bietet mit seiner langen Tradition in der kardiovaskulären und zerebrovaskulären Forschung ideale Rahmenbedingungen. Die breite und komplementäre Expertise der beteiligten Gruppen garantiert eine exzellente, multidisziplinäre Ausbildung von Promovierenden in einem wachstumsstarken Forschungsfeld.“ 

Auch der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Matthias Frosch, begrüßt die Förderung: „Die im internationalen Vergleich herausragende Thrombozyten-Forschung in Würzburg wird das Profil der Medizinischen Fakultät noch über Jahre hinaus prägen. Mit dem neuen Graduiertenkolleg erfährt dieser Bereich eine exzellente Verstärkung.“ So spielt die Thrombo-Inflammation bei einer stetig wachsenden Zahl von Krankheitsgeschehen wie Schlaganfall, Blutvergiftung (Sepsis) oder akutem Lungenversagen (ARDS) eine Rolle.

Wissenschaftliches Profil und Ausbildungsstruktur

Zentraler Gedanke des GRK ist, dass die Fähigkeit von Blutplättchen zur Auslösung entzündlicher Prozesse wesentlich von ihren Adhäsionsrezeptoren und zugehörigen Signalwegen abhängt. In acht Projekten – von der molekularen Grundlagenforschung bis zu translationalen Humanstudien – untersucht das GRK diese Mechanismen sowie die Rolle von Thrombozyten. Das Team beinhaltet dabei Gruppen aus Experimenteller Biomedizin, Neurologie, Kardiologie und Intensivmedizin sowie Bildgebung und Datenmanagement. „Wir werden uns mit Krankheiten beschäftigen, die typischerweise mit Thrombo-Inflammation einhergehen. Und wir werden untersuchen, wie die Blutgefäße unter diesen Bedingungen durch Blutplättchen intakt gehalten werden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Reifung und dem Altern von Blutplättchen im Kontext thrombo-inflammatorischer Erkrankungen. Darüber hinaus werden wir analysieren, wie Blutplättchen mit Immunzellen und Zellen der Blutgefäßwände interagieren und so Krankheitsprozesse steuern“, erläutert Bernhard Nieswandt die Schwerpunkte. 

Um neue Ansätze für die Diagnose und Therapie von thrombo-inflammatorischen Erkrankungen zu entwickeln, kommen modernste Methoden, darunter in vivo-Modelle, Einzelzell-Analysen, experimentelle Therapeutika, Mikroskopie sowie KI-gestützte Bild- und Datenanalytik zum Einsatz. 

Strukturiertes Qualifizierungsprogramm mit internationaler Anschlussfähigkeit 

Promovierende entwickeln mit ihrem Thesis-Komitee einen individuellen Forschungs- und Trainingsplan: Das flexible und modulare Ausbildungsprogramm unter dem Dach der Graduate School of Life Sciences (GSLS) der JMU vermittelt neben fachlicher Exzellenz auch Soft Skills und interdisziplinare Kompetenzen. „Unsere Promotionsstudierenden erwerben bei uns eine besondere Qualifikation – sowohl für die akademische Forschung, als auch für Positionen in der pharmazeutischen Industrie“, betont Prof. Dr. Katrin Heinze, Vize-Dekanin der GSLS und Leiterin des Lehrstuhls für Molekulare Mikroskopie. Die Physikerin betreut insgesamt zwei Projekte im neuen GRK.

„Wer mit Leidenschaft zur Rolle von Thrombozyten forscht, dem stehen später viele Türen offen – unsere Absolventinnen und Absolventen sind national wie international gefragt.“, versichert Bernhard Nieswandt. 

Am GRK 3190 beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (alphabetische Reihenfolge)

  • Dr. Sarah Beck, Experimentelle Hämostaseologie (UKW/RVZ)
  • Prof. Dr. Markus Bender, Thrombozytenbiologie und Hämatopoese (Blutbildung) (UKW/RVZ)
  • Prof. Dr. Anna Frey, Immunkardiologie (UKW)
  • Prof. Dr. Georg Gasteiger, Systemimmunologie (JMU)
  • Dr. Tamara Girbl-Huemer, Vaskuläre Immunologie (JMU/RVZ)
  • Prof. Dr. Katrin Heinze, Bio-Imaging und Data Science (JMU/RVZ)
  • Dr. Zoltan Nagy, Zellbiologie und Blutbildung (UKW/RVZ)
  • Prof. Dr. Bernhard Nieswandt, Kardiovaskuläre Zellbiologie (UKW/RVZ)
  • Prof. Dr. Michael Schuhmann, Neuroimmunologie (UKW)
  • Prof. Dr. Harald Schulze, Experimentelle Hämostaseologie (UKW/RVZ)
  • Prof. Dr. David Stegner, Thrombozytenbiologie und Bio-Imaging (JMU/RVZ)
  • Prof. Dr. Alma Zernecke-Madsen, Immunologie und vaskuläre Biologie (UKW) 
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Hintergrund: Graduiertenkollegs der DFG

Graduiertenkollegs (GRKs) sind Einrichtungen der Hochschulen zur Förderung von Forscherinnen und Forschern in frühen Karrierephasen, die von der DFG für maximal neun Jahre gefördert werden. Im Mittelpunkt steht die Qualifizierung von Doktorandinnen und Doktoranden im Rahmen eines thematisch fokussierten Forschungsprogramms sowie eines strukturierten Qualifizierungskonzepts. Das Forschungsprogramm hat den Anspruch einer hohen wissenschaftlichen Qualität und Originalität auf internationalem Niveau; eine interdisziplinäre Ausrichtung der Graduiertenkollegs ist erwünscht. Das Studienprogramm ist unmittelbar auf das Forschungsprogramm bezogen, mit innovativen Lehr- und Betreuungselementen, die über die üblicherweise im Promotionsstudium gebotenen Veranstaltungen deutlich hinausgehen sollten. Ziel ist es, die Promovierenden auf den komplexen Arbeitsmarkt „Wissenschaft“ intensiv vorzubereiten und gleichzeitig ihre frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit zu unterstützen.

Die Collage zeigt die Forschenden auf einer Treppe, vorne sind vier freigestellte Personen eingefügt und das Logo des Graduiertenkollegs.
Team Thrombo-Inflame, v.l.n.r.: Anna Frey, Zoltan Nagy, Sarah Beck, Markus Bender, Tamara Girbl, Harald Schulze, Katrin Heinze, David Stegner, Bernhard Nieswandt sowie vorne Georg Gasteiger, Michael Schuhmann und Alma Zernecke-Madsen. © Anna Wenzl / UKW (die vier vorderen Personen wurden nachträglich eingefügt)

235.000 Euro von der Stiftung „Forschung hilft“ für 21 Forschungsgruppen am Uniklinikum Würzburg

Seit acht Jahren trägt „Forschung hilft“, die Stiftung zur Förderung der Krebsforschung am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), erfolgreich Spendengelder zusammen, um damit möglichst viele vielversprechende onkologische Forschungsprojekte zu unterstützen. Am 20. November 2025 wurden bei einem Festakt Preisgelder in Höhe von insgesamt fast 235.000 Euro an 21 Würzburger Forschungsgruppen verteilt. Folgende Arbeitsgruppen dürfen sich über eine Forschungsförderung freuen – Auflistung nach Klinik in alphabetischer Reihenfolge und hier nach Höhe der Forschung:

Das Bild zeigt einen Blick in den Saal aus der hinteren Reihe, die Bühne ist eine Etage höher.
Am 20. November 2025 wurden bei einem Festakt mit rund 200 Gästen in der Veranstaltungs-Location „Maschinenhaus“ auf dem Würzburger Bürgerbräu-Gelände Preisgelder in Höhe von insgesamt fast 235.000 Euro an 21 Würzburger Forscherteams verteilt. © Daniel Peter

Augenklinik und Poliklinik

AG Haider: 15.000 Euro für die Biofabrikation eines neuartigen und skalierbaren 3D In-vitro Modells für Konjunktivales Melanom

Das Bindehautmelanom (konjunktivales Melanom) ist ein seltener und aggressiver Tumor. Trotz Fortschritten in Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie bleiben Rückfälle und Metastasen eine Herausforderung und verdeutlichen den Bedarf an besseren Therapien und Modellen. Dr. Malik Salman Haider möchte mit seinem Team an der von Prof. Dr. Jost Hillenkamp geleiteten Augenklinik am Universitätsklinikum Würzburg ein humanrelevantes 3D-Tumormodell entwickeln, das die Komplexität des Bindehautmelanoms simuliert und fortgeschrittene Arzneimittelstudien ermöglicht. Konkret werden in dem innovativen Ansatz 3D-Gewebekugeln, die sowohl gesundes Bindehautgewebe (Konjunktiva) als auch Melanomzellen der Bindehaut enthalten. Durch diese gemeinsame Kultur entsteht ein realitätsnahes Mini-Modell des Tumors, was die genaue Untersuchung des frühen sowie späten Verlaufs des Melanoms ermöglicht. Dadurch erhalten die Forschenden wichtige Einblicke, wie das Melanom entsteht, wie es wächst, ins umliegende Gewebe eindringt und mit diesem interagiert. Zusätzlich nutzen sie eine spezielle Sammlung von Polymeren, mit deren Hilfe unterschiedliche Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen gezielt in das Modell eingebracht werden können. Durch die Integration des 3D-Modells mit dem neuartigen Arzneimittelabgabesystem können die Forschenden die Tumorbiologie besser verstehen, pathophysiologische Mechanismen erforschen und die Wirksamkeit von Arzneimitteln testen. Dies bietet eine einzigartige, klinisch relevante Plattform für präklinische Arzneimittel-Screenings und die therapeutische Entwicklung.

Details zum Projekt auf der Seite Forschung hilft

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

AG Glutsch: 16.680 Euro für das Projekt „Delta-like protein 3 (DLL3) als therapeutisches Target in kutanen Neoplasien“

Dr. Valerie Glutsch (Funktionsoberärztin im Hauttumorzentrum und Clinician Scientist) erforscht den Liganden DLL3 als neuen Angriffspunkt für die Behandlung von kutanen Neoplasien, also von Hautkrebserkrankungen wie dem Merkelzellkarzinom und dem malignen Melanom. Diese metastasieren häufig und erfordern in fortgeschrittenen Stadien systemische Therapien wie eine Immuntherapie oder zielgerichtete Medikamente. Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, Patientinnen und Patienten, bei denen die etablierten Standardbehandlungen ausgeschöpft sind, eine neue, innovative Therapie zu ermöglichen, bei der das Protein DLL3 auf Tumorzellen gezielt angegriffen wird. DLL3 ist Teil des Notch-Signalwegs und kommt in gesunden Zellen nur in sehr geringer Menge vor, wird aber bei manchen Tumoren stark überaktiviert. In der Studie soll die Expression von DLL3 in verschiedenen Hautkrebs-Subtypen systematisch analysiert werden (z. B. mittels Immunhistochemie, qPCR und Durchflusszytometrie). Zudem soll seine Funktion mittels CRISPR/Cas abgeschaltet werden, um zu verstehen, wie wichtig DLL3 für das Wachstum der Tumorzellen ist. Außerdem wird die Wirksamkeit von Tarlatamab getestet. Tarlatamab ist ein bispezifischer Antikörper, der sowohl an DLL3 auf den Tumorzellen als auch an CD3 auf T-Zellen bindet. DLL3-positive Hautkrebszellen sollen also gezielt mit T-Zellen getötet werden. 

Details zum Projekt auf der Seite Forschung hilft.

AG Schmieder: 10.000 Euro für die „Automatisierte Quantifizierung von Immunzellen im Melanom mittels eines Deep-Learning-Modells“

Das maligne Melanom ist eine der aggressivsten Formen von Hautkrebs und die Hauptursache für an Hautkrebs bedingte Todesfälle. Das Projekt der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Astrid Schmieder zielt darauf ab, die Verteilung verschiedener Immunzelltypen im malignen Melanom systematisch zu erfassen und mit dem Ansprechen auf Immuncheckpoint-Therapien zu korrelieren. Dazu werden Immunfluoreszenzfärbungen mithilfe eines Deep-Learning-Modells automatisiert ausgewertet, um eine objektive Quantifizierung zu ermöglichen. Neben den bereits bekannten CD8+-T-Zellen werden weitere Zelltypen wie NK-Zellen, Makrophagen, dendritische Zellen, B-Zellen und Granulozyten untersucht. Im anschließenden Schritt werden diese KI-basierten Zellzahlen mit den klinischen Daten der Patientinnen und Patienten korreliert, um zu verstehen, wie die Immunzellzusammensetzung das Ansprechen auf eine Immuntherapie beeinflusst. Langfristig soll so ein prädiktiver Biomarker entstehen, der sowohl das Ansprechen auf die Therapie als auch das Risiko immunvermittelter Nebenwirkungen vorhersagen kann und dabei hilft, Therapien individueller auf die Patientinnen und Patienten zuzuschneiden. 

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AG Schmidt: 8.000 Euro für die „Einzelzellanalyse zur Identifikation neuer Therapieziele beim immuntherapieresistenten Melanom“

In dem Projekt von Dr. Simon Goller in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Marc Schmidt wird untersucht, warum nicht alle Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom auf innovative neoadjuvante Immuntherapien ansprechen. Mithilfe vergleichender Einzelzellanalysen (Einzelzell-RNA-Sequenzierung und räumliche Genexpressionsanalyse) von Lymphknotenmetastasen von Therapieansprechern und -resistenten sollen zentrale Resistenzmechanismen aufgedeckt und neue Therapieziele identifiziert werden. Durch die Hemmung dieser Ziele könnte eine Resistenzentwicklung künftig überwunden werden. Dadurch soll auch Patienten, denen aktuell noch nicht geholfen werden kann, eine wirksame Behandlung angeboten werden. 

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Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Kopf- und Hals-Chirurgie

AG Hartmann und Hörner: 8.000 Euro für „Die Rolle desmosomaler Proteine bei Mundhöhlenkarzinomen“

PD Dr. med. Dr. med. dent. Stefan Hartmann und Dr. med. dent. Marius Hörner, M. Sc., untersuchen mit Unterstützung medizinischer und zahnmedizinischer Doktorand/innen sowie der Medizinischen Technologin für Laboratoriumsanalytik, Olga Frank, wie spezialisierte Zell-Kontaktstrukturen (Desmosomen) das Verhalten von Mundhöhlenkarzinomen beeinflussen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Proteine Desmoglein und Plakoglobin, die an der mechanischen Stabilität von Epithelzellen beteiligt sind. Da Mundhöhlenkarzinome häufig Metastasen bilden und Rezidive verursachen, ist das Verständnis dieser molekularen Mechanismen von besonderer Wichtigkeit.

Das Team nutzt einen translationalen Ansatz, der laborbasierte Modelle mit klinischem Gewebe verbindet. Mithilfe dreidimensionaler Tumor-Organoide, welche die komplexe Tumorumgebung nachbilden, sowie pathologischer Analysen von Patientenproben wird untersucht, wie die Expression desmosomaler Proteine von Tumortyp, Lokalisation und Stadium – einschließlich Lymphknoten- und Fernmetastasen – abhängt. Darüber hinaus werden Signalwege entschlüsselt, über die diese Proteine die Tumorentwicklung, das Fortschreiten der Erkrankung und die Therapieresistenz steuern könnten.

Das langfristige Ziel des Projekts ist die Identifizierung neuer therapeutischer Angriffspunkte, um insbesondere bei aggressiven oder fortgeschrittenen Mundhöhlenkarzinomen gezieltere und wirksamere Behandlungsstrategien zu entwickeln.

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Klinik und Poliklinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie und Medizinische Klinik und Poliklinik II

AG Sheta und Beilhack : 10.000 Euro für das Projekt Aktivierung der körpereigenen Immunantwort gegen Lungenkrebs

Das Team um Dr. Dalia Sheta, Prof. Dr. Ivan Aleksic und Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack erprobt neue Therapeutika, die die körpereigene Immunabwehr gegen Lungenkrebs aktivieren sollen. Im Mittelpunkt steht dabei die TNF-Rezeptor-Superfamilie, eine Gruppe von Molekülen, die wichtige Abwehrreaktionen im Körper steuert. Durch das Erkennen tumorspezifischer Zielstrukturen und den lokalen Einsatz neuer Wirkstoffe will das Team die Immunantwort gezielt im Tumor stärken, ohne den gesamten Körper zu belasten, also mit großer Wirkung und wenigen Nebenwirkungen. Zu diesem Zweck wird ein 3D-Lungenkrebsmodell genutzt, das echtes Tumorgewebe realitätsnah nachbildet. So können die neuen Therapieansätze bereits im Labor unter möglichst natürlichen Bedingungen geprüft werden. Langfristig sollen sichere, wirksame und individuell zugeschnittene Behandlungen für Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs ermöglicht werden. Die in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Harald Wajant entwickelten TNFR-Agonisten zeigen jedoch auch Potenzial bei anderen Tumorarten, darunter Melanom, Darm-, Brust-, Blasen- und Leberkrebs.

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Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie

AG Schwinger: 8.000 Euro für „Neue Ansätze zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs durch die gezielte Auslösung von Ferroptose“

Dr. Marcel Schwinger, Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, erforscht einen neuartigen Therapieansatz für das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom, das zu den zehn häufigsten soliden Tumorerkrankungen zählt. Heute werden vor allem Immuntherapien und Tyrosinkinase-Inhibitoren eingesetzt. Doch auch diese wirken nicht bei allen Betroffenen gleich gut und meist nicht dauerhaft. Deshalb untersucht Marcel Schwinger gemeinsam mit Prof. Angeli Friedmann, Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Zellbiologie am Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging, eine neue Strategie: die gezielte Auslösung von Ferroptose, einer speziellen Form des eisenabhängigen Zelltods. Friedmann gilt als einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Ferroptoseforschung. Die Wissenschaftler wollen klären, ob bestimmte Proteine in Nierenkrebszellen als Schalter wirken können, um diesen Zelltod zu aktivieren. 

Im Fokus stehen LRP8 und SLC7A11, zwei Transportproteine in der Zellmembran, die eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Ferroptose spielen. Das langfristige Ziel des Projekts ist es, LRP8 und/oder SLC7A11 als therapeutische Angriffspunkte zu etablieren. Sollte sich herausstellen, dass deren Hemmung Ferroptose bei Nierenkrebs effektiv induziert, könnte dies zu neuen Behandlungsstrategien führen – insbesondere für Patientinnen und Patienten, bei denen aktuelle Therapien nicht ausreichen.

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Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship

AG Kampmeier: 8.000 Euro für „Darmmikrobiom-Untersuchung von onkologischen Patienten mit und ohne VRE-Langzeitbesiedlung“

„VRE” steht für „vancomycin-resistente Enterokokken”. Dabei handelt es sich um Bakterien, die gegen ein wichtiges Antibiotikum resistent sind und bei geschwächten Menschen schwerwiegende Infektionen auslösen können. Ein interprofessionelles Team unter der Leitung von Prof. Dr. med. Stefanie Kampmeier (Leiterin der Zentralen Einrichtung Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship) und mit Helene Demund (Assistenzärztin in der Krankenhaushygiene und Medizindoktorandin in der Arbeitsgruppe) als Betreuerin will in dem geförderten Projekt untersuchen, wie sich die Zusammensetzung der Darmbakterien – das sogenannte Darmmikrobiom – bei Krebspatientinnen und -patienten verhält, die mit VRE besiedelt sind. Ziel ist es, zu verstehen, warum manche Patientinnen und Patienten langfristig mit VRE besiedelt bleiben (mehr als zehn Wochen), während andere die Bakterien schnell wieder verlieren. Dazu analysiert das Team die Bakteriengemeinschaften im Darm der Patientinnen und Patienten mit modernen Methoden wie der 16S-rRNA-Sequenzierung und der PCR und vergleicht die Mikrobiom-Zusammensetzung zwischen „Langzeitbesiedelnden“ und „Kurzzeit-Besiedelnden“.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dabei helfen, Risikofaktoren für eine dauerhafte VRE-Besiedlung zu identifizieren, beispielsweise bestimmte Muster im Mikrobiom, die Patientinnen entweder schützen oder anfälliger machen. Damit könnten künftig gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um gefährdete Patientinnen vor einer VRE-Besiedlung zu schützen, beispielsweise durch eine individuell angepasste Infektionsprävention.

Dies ist besonders relevant für Patientinnen mit hämatologischen Krebserkrankungen wie Leukämie, da ihr Infektionsrisiko besonders hoch ist.

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Medizinische Klinik und Poliklinik II

AG Steinbrunn: 20.000 Euro für die „Untersuchung der RAS-Inhibition als zielgerichtete Behandlungsoption gegen das Multiple Myelom“

Privatdozent Dr. med. Dr. rer. nat. Torsten Steinbrunn möchte gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe neue Therapieansätze gegen das Multiple Myelom entwickeln. Da viele Myelomzellen das onkogen mutierte RAS aufweisen, wird er den Einsatz von RAS-Inhibitoren, also Medikamenten, die das RAS-Protein gezielt hemmen, untersuchen. 

In früheren Arbeiten konnte bereits gezeigt werden, dass solche Inhibitoren das Wachstum von Myelomzellen in Labor- und Tiermodellen bremsen. Im aktuellen Projekt werden primäre Myelomzellen von Patientinnen und Patienten mit und ohne KRAS- oder NRAS-Mutationen getestet, um das Ansprechen auf eine RAS-Inhibition zu bestimmen. Gleichzeitig wird der Einfluss des Knochenmark-Mikromilieus untersucht. Parallel dazu wird Torsten Steinbrunn eine neue Methode der funktionellen Genomik etablieren, die er während seines dreijährigen Forschungsaufenthalts in Boston kennengelernt hat. Mithilfe von CRISPR-Screens kann er erforschen, welche Gene zur Resistenz gegenüber RAS-Inhibitoren beitragen. Dabei sollen Kombinationstherapien gefunden werden, die Resistenzmechanismen überwinden. Das Projekt zielt somit sowohl auf eine neue zielgerichtete Therapie beim Myelom als auch auf ein tiefes Verständnis möglicher Resistenzstrategien ab, um die Wirksamkeit langfristig zu sichern.

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AG Rasche (Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum): 19.000 Euro für das Projekt „Chemotherapie-induzierte Thymusschädigung und ihre Konsequenzen“

Das internationale Team von Professor Dr. Leo Rasche untersucht im geförderten Projekt die Auswirkungen klassischer Chemotherapien auf den Thymus, ein zentrales Organ für die Reifung von T-Zellen. Diese sind wiederum für den Erfolg nachfolgender Immuntherapien wichtig. Der Fokus liegt auf Arzneimitteln, die beim Multiplen Myelom eingesetzt werden, darunter Proteasom-Inhibitoren, Steroide und Alkylanzien. Erste Daten deuten darauf hin, dass Subtypen naiver T-Zellen, die sich besonders gut für CAR-T-Therapien eignen, durch Medikamente wie Melphalan oder Carfilzomib stark geschädigt werden. Deshalb untersucht das Projekt verschiedene T-Zell- und Thymuszellpopulationen nach einer Chemotherapie, um festzustellen, ob es besonders empfindliche Zellgruppen gibt, die sich nicht mehr erholen. Zur Analyse nutzt das Team moderne Methoden: Sie messen Veränderungen mit Durchflusszytometrie, analysieren die Genexpression mittels Bulk-RNA-Sequenzierung und erforschen metabolische Anpassungen der Zellen mithilfe eines Seahorse-Analyzers. Darüber hinaus setzen sie die räumliche Transkriptomik ein, um humane Thymus-Organoide zu untersuchen, die mit Chemotherapeutika behandelt wurden. So können sie gezielte toxische Effekte in verschiedenen Regionen des Thymus nachweisen.

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AG Kunzmann: 15.000 Euro für die „Prädiktive Immuntherapie-Biomarker Analyse solider Tumore (Solid Flow)“

Die Immuntherapie hat die medikamentöse Tumortherapie revolutioniert. Allerdings haben bislang nicht alle Krebspatienten zeitnah Zugang zu dieser neuen Therapieform. Das Hauptziel des Projekts der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Volker Kunzmann besteht daher darin, eine neue patientennahe Sofortdiagnostik (POCT) für immuntherapie-relevante prädiktive Biomarker zu etabliere, also eine Diagnostik, die direkt im klinischen Alltag genutzt werden kann und schnell vor Therapiebeginn Ergebnisse liefert.

Bei vielen soliden Tumoren (z. B. Lungenkrebs, Darm-, Magen-, Blasen- und Kopf-Hals-Karzinome sowie triple-negativer Brustkrebs) wird heute vor einer Immuntherapie geprüft, ob bestimmte „Biomarker” vorhanden sind. Diese Biomarker – meist Proteine auf Tumorzellen oder immunaktiven Zellen im Tumor – zeigen an, ob eine Immuncheckpoint-Blockade (ICB) voraussichtlich wirken kann. Bisher wird diese Analyse meist als Immunhistochemie mit klassischen Gewebeschnitten durchgeführt: Das dauert mehrere Tage und ist relativ aufwendig.

Das Projekt „Solid Flow“ will stattdessen eine neue Methode einführen, die auf Durchflusszytometrie (Flow-Zytometrie) basiert, um diese prädiktiven Immun-Biomarker direkt aus frisch entnommenen Tumorproben zu messen – und das innerhalb von ein bis zwei Stunden nach der Biopsie. Mit dem Verfahren können bis zu zwölf verschiedene Biomarker gleichzeitig analysiert werden. Auch tumorinfiltrierende Immunzellen können bestimmt werden. Selbst sehr kleine Biopsien können untersucht werden.

Langfristig erhofft sich das Projekt, durch diese neue Methode neue prädiktive Biomarker zu identifizieren, die heute noch nicht standardmäßig untersucht werden, und somit die Auswahl der Patientinnen und Patienten für eine Immuntherapie deutlich zu verbessern. So könnten mehr Patientinnen und Patienten von der Immuntherapie profitieren, während anderen, bei denen eine Wirkung unwahrscheinlich ist, unnötige Nebenwirkungen erspart bleiben.

Das Projekt soll insgesamt dazu beitragen, die Krebstherapie individueller, effizienter und zielgerichteter zu machen – und zwar für viele verschiedene Arten solider Tumoren.

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AG Kraus: 15.000 Euro für die „Analyse der RSV-Impfantwort bei Krebspatienten zur gezielten Verbesserung der Schutzwirkung“

Die Arbeitsgruppe von Priv.-Doz. Dr. med. Sabrina Kraus beschäftigt sich mit dem spannenden und hochaktuellen Thema der Immunantwort auf Impfungen bei hämatologischen Patientinnen und Patienten. 

In dem geförderten Forschungsprojekt wird untersucht, wie gut Krebspatientinnen und -patienten, insbesondere nach einer allogenen Stammzelltransplantation (alloSZT) oder bestimmten Immuntherapien, auf eine Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) reagieren. Diese Patientinnen und Patienten haben häufig ein geschwächtes Immunsystem, wodurch sie besonders anfällig für schwere RSV-Infektionen sind, die bei ihnen lebensgefährlich verlaufen können. 

Trotz inzwischen zugelassener RSV-Impfstoffe fehlen verlässliche Daten zur Wirksamkeit bei Hochrisikopatienten. Ziel der Arbeit ist es, die Immunantwort auf eine RSV-Impfung bei Krebspatienten mit eingeschränktem Immunsystem im Vergleich zu gesunden Personen zu analysieren. Das Team analysiert sowohl die humorale (also die Antikörper-) als auch die zelluläre Immunantwort im Blut – und zwar vor der Impfung, sechs Wochen später, nach sechs Monaten und nach zwei Jahren. Dabei werden unterschiedliche Einflussfaktoren berücksichtigt. Zusätzlich sollen Biomarker identifiziert werden, mit denen sich Patientinnen und Patienten, deren Immunantwort auf die Impfung schwach ist, schon frühzeitig erkennen lassen. Daraus sollen Maßnahmen abgeleitet werden, wie sich der Impfschutz bei diesen besonders gefährdeten Personen verbessern lässt – etwa durch angepasste Impfpläne oder Nachimpfungen. Insgesamt soll das Projekt dazu beitragen, das Infektionsrisiko durch RSV bei dieser besonders gefährdeten Patientengruppe nachhaltig zu senken.

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AG Maatouk und Teschner: 10.000 Euro für das Projekt „TransplantVR – VR-gestützte Intervention zur Reduktion von Belastungen bei Stammzelltransplantation“

Prof. Dr. Imad Maatouk, Inhaber des Lehrstuhls für Integrierte Psychosomatische Medizin, und PD Dr. Daniel Teschner, Leiter des Zentrums für allogene Stammzelltherapien, wollen mit ihrem Projekt „TransplantVR” eine digitale, niederschwellige Unterstützung für Patientinnen und Patienten schaffen, die eine allogene Stammzelltransplantation erhalten. Das Ziel besteht darin, diese besonders belastende und oft angstbesetzte Phase der Krebstherapie erträglicher zu machen. 

Zu diesem Zweck wird erstmals eine Virtual-Reality-(VR)-Anwendung entwickelt, die psychoedukative Inhalte mit Entspannungs- und Angstreduktion kombiniert. Über eine VR-Brille erhalten die Betroffenen beispielsweise Informationen über den Ablauf der Behandlung, mögliche Nebenwirkungen und deren Behandlung sowie Strategien zur Stressbewältigung. Außerdem gibt es entspannende virtuelle Umgebungen, zum Beispiel Naturerlebnisse, sowie Übungen zur emotionalen Stabilisierung und Selbstwirksamkeit. 

Das Ziel besteht darin, mithilfe dieser VR-gestützten Intervention Ängste und psychische Belastungen im Zusammenhang mit der Stammzelltransplantation zu verringern und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Die Inhalte werden gemeinsam mit Betroffenen, Pflegekräften sowie psychosozialen Expertinnen und Experten entwickelt, um sicherzustellen, dass sie eine realistische Unterstützung bieten. In einer Pilotstudie soll geprüft werden, ob die Anwendung praktikabel ist und erste Hinweise auf ihre Wirksamkeit liefert. 

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AG Lang: 8.000 Euro für das Projekt „Der Rezeptor ROR2 – Angriffsziel für therapeutische Antikörper“

Die Arbeitsgruppe von Dr. Isabell Lang ist der Abteilung für Molekulare Innere Medizin unter der Leitung von Prof. Dr. Wajant zugeordnet und befasst sich mit der Entwicklung von „therapeutischen Fusionsproteinen und Antikörpern“. Das Ziel besteht darin, spezielle Signalmoleküle, sogenannte Rezeptoren, zu nutzen, um Tumorzellen gezielt zu bekämpfen. In dem geförderten Forschungsprojekt geht es um den Zelloberflächenrezeptor ROR2, der bei verschiedenen Krebsarten, wie etwa Multiples Myelom, Brust- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, stark übermäßig produziert wird, während er in normalen erwachsenen Geweben kaum vorkommt. Das macht ihn zu einem guten „Marker“, mit dem sich Krebszellen von gesunden unterscheiden lassen.

Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung multispezifischer Antikörper-Fusionsproteine: Diese binden über eine Domäne an ROR2 auf Krebszellen und über eine oder mehrere weitere Domänen an bestimmte Rezeptoren des Immunsystems (z. B. TNF-Rezeptoren). Dadurch soll die Immunantwort genau dort aktiviert werden, wo sie benötigt wird, nämlich im Tumor, und nicht im ganzen Körper. So könnten Nebenwirkungen geringer ausfallen und die Therapie sicherer und effektiver werden. 

Ein alternativer Ansatz sieht vor, ROR2 direkt mit blockierenden Antikörpern zu hemmen. Bei bestimmten Krebsarten kann dies die Verbindung von Tumorzellen mit ihrer „schützenden Umgebung“ stören, beispielsweise im Knochenmark beim Multiplen Myelom, und so das Überleben der Krebszellen gefährden.

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AG Weich: 8.000 Euro für das Projekt „Lebensqualität im Fokus – Prospektive Erfassung bei neuroendokrinen Tumoren“

PD Dr. Alexander Weich ist Leiter des Zentrums für neuroendokrine Tumoren (NET) am UKW (ENETS CoE) und betreut dort Patienten mit neuroendokrinen Tumoren. Ziel seines Projekts ist die systematische und prospektive Erfassung der Lebensqualität dieser Patientinnen und Patienten. Diese seltenen, meist langsam wachsenden Tumoren können im gesamten Körper entstehen, vor allem im Magen-Darm-Trakt, in der Lunge und in der Bauchspeicheldrüse. Mithilfe regelmäßiger digitaler Befragungen werden Symptome, Belastungen und Veränderungen im Befinden erfasst, um Therapien individuell anzupassen. So können Nebenwirkungen früh erkannt und Behandlungen besser vertragen werden. Langfristig sollen die erhobenen Daten helfen, Therapieabläufe evidenzbasiert zu optimieren, um neben der Wirksamkeit der Behandlung auch die Lebensqualität der Betroffenen bestmöglich zu erhalten.

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AG Shaikh: 8.000 Euro für das Projekt „Neue Leukämietherapie durch gezielte Aktivierung von iNKT-Zellen über TNF-Rezeptoren“

Die Nachwuchsgruppe von Dr. Muhammad Haroon Shaikh erforscht, wie Krebszellen mit ihrer Umgebung kommunizieren und wie sich das Immunsystem gezielt gegen den Tumor aktivieren lässt. Im Rahmen dieses Projekts entwickelt das Team eine neue Form der Immuntherapie gegen akute myeloische Leukämie (AML). Dabei stehen invariante natürliche Killer-T-Zellen (iNKT) im Mittelpunkt. Diese Immunzellen erkennen und zerstören Krebszellen. Das Forschungsteam stärkt die iNKT-Zellen, indem es ihre TNF-Rezeptoren gezielt beeinflusst. So sollen die Zellen aktiver werden, Leukämiezellen bekämpfen und die Immunantwort länger aufrechterhalten. Das Ziel besteht darin, die iNKT-Zellen so zu stärken, dass sie das von der Leukämie geschaffene hemmende Umfeld durchbrechen können. Damit wollen die Forschenden den Grundstein für neue, sichere und wirksame Behandlungen legen – nicht nur bei AML, sondern auch bei anderen Krebsarten.

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AG Löffler und Henniger: 8.000 Euro für „SaRKo-GI: Sarkopenie Risikoscreening bei Krebserkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes“

Die Überlebenschancen von Patienten mit gastrointestinalen Tumoren haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Gleichzeitig sind bis zu 80 % von einer erkrankungsbedingten Mangelernährung und Muskelschwund (Sarkopenie) bedroht. Dies kann sich nachteilig auf die Therapieverträglichkeit und die Prognose auswirken. Das interdisziplinäre Team der Arbeitsgruppe unter der Leitung von PD Dr. med. Claudia Löffler und Dr. med. Dorothea Henniger arbeitet im Rahmen des SaRKo-GI-Projekts gemeinsam mit Dr. Henner Huflage, dem Leiter der Computertomografie der Radiologie, und PD Dr. med. Alexander Weich, dem Leiter des ENET-Zentrums, an innovativen Konzepten. Diese sollen es ermöglichen, Patientinnen und Patienten mit einem Höchstrisiko für die Entwicklung einer Sarkopenie frühestmöglich zu identifizieren und im Rahmen des Nutrition-Care-Prozesses leitliniengerecht zu behandeln.

In dieser Studie sollen drei etablierte Methoden  untersucht werden, um zu evaluieren, wie Ernährungsrisiken mit einer hohen Zuverlässigkeit und Genauigkeit möglichst früh erkannt werden können. Das Ziel besteht darin, durch die zeitnahe Einleitung einer ernährungsmedizinischen Intervention die Chancen für einen optimalen Krankheitsverlauf zu verbessern.

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AG Hermanns: 8.000 Euro für „Neue Angriffspunkte im zellulären Energiestoffwechsel zur Therapie von Leberkrebs“

Um gegenüber normalen Zellen einen Wachstumsvorteil zu erlangen, verändern Tumorzellen häufig ihren Stoffwechsel. Dabei können jedoch schädliche Nebenprodukte entstehen, die die Tumorzelle durch die verstärkte Expression von Reparaturenzymen abbaut. Die Hemmung dieser Enzyme könnte daher ein vielversprechender neuer Ansatzpunkt zur Eindämmung des Tumorwachstums sein. In diesem Projekt untersucht die Arbeitsgruppe von PD Dr. rer. nat. Heike Hermanns die Konsequenzen der Hemmung des Enzyms Phosphoglykolat-Phosphatase durch einen neu entwickelten Inhibitor von Kollaborationspartnern (AG Gohla, Pharmakologie) in Leberkrebszellen. Die erhöhte Expression dieses Reparaturenzyms korreliert nämlich nachweislich mit einem geringeren Überleben von betroffenen Patientinnen und Patienten.

Das Forschungsprojekt soll dazu beitragen, die Behandlung von metabolisch bedingtem, therapieresistentem Leberkrebs zu verbessern. Diese Tumorart nimmt weltweit leider stark zu und besitzt aktuell nur begrenzte Therapieoptionen.

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AG Tabares und Beilhack: 8.000 Euro für das Projekt „Die Rolle der Glukosetransporter für die Prognose und Therapie des Multiplen Myeloms“

Das Multiple Myelom ist eine aggressive Form von Blutkrebs. Bösartige Plasmazellen dringen ins Knochenmark ein und können Organschäden verursachen. Trotz moderner Immuntherapien wie monoklonalen Antikörpern, BiTEs oder CAR-T-Zellen bleibt das Myelom meist unheilbar und der Krankheitsverlauf unterscheidet sich stark von Patient zu Patient. Insbesondere Menschen mit Hochrisikoformen oder extramedullärer Erkrankung haben oft eine schlechte Prognose, da die Krankheit schnell voranschreitet und gegen aktuelle Therapien resistent sein kann. Deshalb suchen wir dringend nach neuen Prognosemarkern und innovativen Therapieansätzen, um die Behandlungsergebnisse nachhaltig zu verbessern. In diesem Projekt untersuchen Dr. Paula Tabares und Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack mit ihrem Team die Rolle des Glukosetransporters für die Prognose und Therapie des Multiplen Myeloms. 

Der Glukosetransporter 1 (GLUT-1) ermöglicht es Körperzellen, Energie in Form von Glukose aufzunehmen. Je mehr GLUT-1 in einer Zelle vorhanden ist, desto mehr Energie benötigt die Zelle und desto aktiver ist sie. Krebszellen teilen sich schnell und benötigen besonders viel Energie. Deshalb bilden sie in der Regel mehr GLUT-1-Transporter als gesunde Zellen. Beim Multiplen Myelom stehen die bösartigen Plasmazellen im Blut und Knochenmark im Mittelpunkt der Forschung. Die Forschenden vergleichen daher die GLUT-1-Dichte in gesunden und bösartigen Plasmazellen. Sie untersuchen, wie sich diese Dichte im Krankheitsverlauf verändert und welchen Einfluss sie auf die Prognose hat. Zudem wird geprüft, ob sich GLUT-1 als Ansatzpunkt für neue Therapien eignet.

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Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum

AG Riedel: 19.161 Euro für die „Verbesserung der Immuntherapie durch gezielte Manipulation von Lymphknoten-Makrophagen“

Die Arbeitsgruppe von Dr. Angela Riedel am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum für Krebsforschung befasst sich mit der zellulären Kommunikation von Krebszellen innerhalb ihrer Nische, also ihrer unmittelbaren Umgebung. Dazu gehört auch der tumor-drainierende oder Sentinel-Lymphknoten, da er dem Tumor direkt nachgeschaltet ist. Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der Auswirkungen von Tumortherapien auf die Nische und der Frage, wie diese zu Therapieresistenzen beitragen können. Im Rahmen dieses Projekts untersucht die Nachwuchswissenschaftlerin Ana Cetkovic (Doktorandin in der AG Riedel) die Mechanismen, die zur Resistenz gegen Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei Melanom- und Brustkrebspatienten beitragen. Dabei arbeitet das internationale Team eng mit der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Arbeitsgruppe Prof. Dr. Astrid Schmieder, sowie mit der Frauenklinik, Leitung Prof. Dr. Wöckel, zusammen. Die Forschenden gehen davon aus, dass ein zielgerichteter Ansatz – insbesondere die Reprogrammierung der Lymphknoten-Makrophagen durch sogenannte Lipid-Nanopartikel in Kombination mit einer Anti-PD1-Immuntherapie – das Ansprechen der Patientinnen und Patienten verbessern könnte. 

Details zum Projekt auf der Seite Forschung hilft.

Barbara-Stamm-Gedächtnispreis

Neben den 20 regulären Förderpreisen vergab die Stiftung erneut den im Jahr 2023 ins Leben gerufenen. Die ehemalige Bayerische Landtagspräsidentin war bis zu ihrem Tod im Jahr 2022 Ehrenpräsidentin von „Forschung hilft“. Der mit 5.000 Euro dotierte, in diesem Jahr von der Weininger Immobiliengruppe finanzierte Sonderpreis soll gezielt patientenorientierte Forschungsprojekte würdigen, bei denen die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen im Mittelpunkt steht. 

AG Jentschke und Hummel - Medizinische Klinik und Poliklinik II / Comprehensive Cancer Center Mainfranken: CALM (Managing Cancer and Living Meaningfully)

Das interdisziplinäre BULA-Team (Unterstützung von Angehörigen von Lungenkrebspatienten durch eine psychoonkologische Beratung) besteht aus Expertinnen und Experten der Psychoonkologie und der Pneumologie, namentlich Dr. phil. Elisabeth Jentschke, Dr. med. Horst Hummel, Dr. med. Pius Jung, Julia Dusel, Pauline Fassler und Mario Zoll. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, Angehörige von Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs gezielt zu unterstützen. 

Die Angehörigen sind mit enormen psychischen Belastungen konfrontiert, die oft nicht ausreichend beachtet werden. Diese Belastungen können die Lebensqualität erheblich einschränken und sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Trotzdem gibt es bisher nur wenige strukturierte Unterstützungsangebote für diese wichtige Gruppe. Mit der randomisierten Kontrollstudie wird erstmals ein niedrigschwelliges, systematisches Unterstützungsangebot geschaffen, das sich speziell auf die Bedürfnisse der Angehörigen konzentriert. 

Durch eine manualisierte psychoonkologische Beratung auf Basis der CALM-Intervention bietet das Team eine effektive Unterstützung, die den Angehörigen hilft, mit den emotionalen, praktischen und existenziellen Herausforderungen umzugehen. 

CALM steht für Managing Cancer and Living Meaningfully und ist eine psychoonkologische Kurzzeitintervention, die Angehörige dabei unterstützt, besser mit den emotionalen und praktischen Herausforderungen einer schweren Krebserkrankung bei Familienmitgliedern umzugehen. In mehreren Gesprächen werden Themen wie Symptommanagement, Veränderungen im Selbstbild, Beziehungen, Sinnfindung und der Umgang mit Gedanken an die Zukunft – auch bei palliativen Situationen - behandelt. 

Durch CALM sollen Ängste und Depressionen bei Angehörigen reduziert und ihre Lebensqualität verbessert werden. Ferner soll evaluiert werden, ob eine gute Unterstützung der Angehörigen auch das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten positiv beeinflusst. 

Details zum Projekt auf der Seite der Stiftung “Forschung hilft”

 

Das Bild zeigt einen Blick in den Saal aus der hinteren Reihe, die Bühne ist eine Etage höher.
Am 20. November 2025 wurden bei einem Festakt mit rund 200 Gästen in der Veranstaltungs-Location „Maschinenhaus“ auf dem Würzburger Bürgerbräu-Gelände Preisgelder in Höhe von insgesamt fast 235.000 Euro an 21 Würzburger Forscherteams verteilt. © Daniel Peter

Bechterew-Forschungspreis für Würzburger Rheumatologen

Privatdozent Dr. Patrick Pascal-Strunz von der Rheumatologie des Uniklinikums Würzburg (UKW) erhielt am 22. November 2025 in Dresden von der Deutschen Morbus-Bechterew-Stiftung den Forschungspreis für die beste wissenschaftliche Arbeit in deutscher Sprache auf dem Gebiet der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) und verwandter Krankheiten (Spondyloarthritiden).

Der Gewinner und die Spenderin halten einen auf DinA2 ausgedruckten Scheck hoch, dahinter ein Rollup von der App Axia.
PD. Dr. med. Patrick-Pascal Strunz und Lisa-Marie Krause von der Firma AbbVie, die das Preisgeld stiftete © Eckard Bathe, DVMB
Gruppenbild mit Preisträger, Stifterin des Preises und Vorstandsmitglieder der DMB-Stiftung
Preisverleihung des Bechterew Forschungspreises in Dresden, von links nach rechts: Lisa-Marie Krause (AbbVie), Joachim Walzer (stellvertretender Vorsitzender der DMB-Stiftung), Peter Koncet (Vorstandsmitglied der DMB-Stiftung), Andreas Brodbeck (Vorsitzender der DMB-Stiftung), PD. Dr. med. Patrick-Pascal Strunz und PD. Dr. med. Heinrich Böhm (Ehrengast und Überreicher des Preises). © Eckard Bathe, DVMB

Würzburg. Der mit 7.500 Euro dotierte Forschungspreis der Deutschen Morbus-Bechterew-Stiftung (DMB-Stiftung) wird nur alle zwei bis drei Jahre ausgeschrieben, was ihn laut Privatdozent Dr. Patrick-Pascal Strunz noch ein bisschen besonderer macht. Der Rheumatologe des Uniklinikums Würzburg (UKW) ist der diesjährige Preisträger des „Forschungspreises für die beste wissenschaftliche Arbeit in deutscher Sprache auf dem Gebiet der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) und verwandten Krankheiten (Spondyloarthritiden)“.

Axia-App motiviert zu mehr Bewegung – neben Medikamenten ein essentieller Baustein in der Therapie 

Patrick-Pascal Strunz erhielt den Forschungspreis für die „Entwicklung und klinische Erprobung einer Therapie-App für die axiale Spondyloarthritis“. Die axiale Spondyloarthritis (axSpA), auch Morbus Bechterew genannt, ist eine entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule und der Iliosakralgelenke. Sie betrifft häufig junge Erwachsene und führt zu chronischen Rückenschmerzen. Gemeinsam mit dem von Würzburger Medizinstudenten gegründeten Start-up-Unternehmen Applimeda und der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. (DVMB) sowie Betroffenen entwickelte Strunz eine digitale Therapiehilfe für Menschen mit axSpA. Die App „Axia“ ergänzt die medikamentöse Behandlung sinnvoll, indem sie Patientinnen und Patienten aktiv in ihre Therapie einbindet und ihnen hilft, regelmäßige Bewegung – einen zentralen Baustein der Behandlung – leichter in den Alltag zu integrieren. Denn obwohl neben entzündungshemmenden Medikamenten konsequente Bewegung und Physiotherapie als essenziell gelten, werden sie im Alltag oft zu wenig umgesetzt.

„Die Auszeichnung mit dem Bechterew-Forschungspreis ist für mich eine große Ehre“, kommentiert Patrick-Pascal Strunz. „Es erfüllt mich mit Stolz, mich in die Reihe der bedeutenden deutschen Bechterew-Forscherinnen und -Forscher einreihen zu dürfen. Besonders freut mich, dass gerade ein Projekt gewürdigt wurde, an dem Betroffene und die Selbsthilfegruppe aktiv mitgearbeitet haben – und das zugleich einen spürbaren, direkten Nutzen für die Betroffenen bringt.“

Weniger Schmerz, mehr Lebensfreude – Axia App hilft bei axialer Spondyloarthritis

Die App bietet über 250 physiotherapeutisch angeleitete Übungen, darunter alltagsnahe Routinen, sowie ein motivierendes Belohnungssystem. Ergänzend dazu vermittelt sie in interaktiven Modulen medizinisches Wissen und stellt Funktionen wie einen Symptom- und Medikamententracker, eine Schrittzähleranbindung und Entspannungsübungen bereit. Erste Anwendungsstudien zeigten bereits eine deutliche Steigerung der Trainingshäufigkeit und viele Nutzerinnen und Nutzer berichteten über weniger Schmerzen und mehr Beweglichkeit. Diese positiven Eindrücke wurden durch eine deutschlandweite, randomisiert-kontrollierte Studie mit 200 Teilnehmenden bestätigt. Die zusätzlich zur Standardtherapie eingesetzte App führte zu signifikant stärkeren Verbesserungen bei Beschwerden, Beweglichkeit und Wohlbefinden als die alleinige medikamentöse Behandlung. Die Krankheitsaktivität (BASDAI) sank in der App-Gruppe deutlich stärker als in der Kontrollgruppe ohne App. Ebenso nahmen Funktionseinschränkungen (BASFI) und Beeinträchtigungen der Lebensqualität (ASQoL) spürbar ab. Den Betroffenen fielen danach viele Alltagsaktivitäten leichter und typische Symptome wie Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit und Erschöpfung gingen merklich zurück. Auch nach den internationalen ASAS-Kriterien (Assessment of SpondyloArthritis International Society) zeigten sich klare Therapieerfolge: 51 Prozent der App-Nutzenden erreichten eine 20-prozentige Besserung (ASAS20) und 23 Prozent eine 40-prozentige Besserung (ASAS40). Dies sind deutlich mehr Personen als in der Kontrollgruppe. Dabei traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.

Da die App die Anforderungen der europäischen Medizinprodukteverordnung bereits erfüllt, hoffen das Entwicklerteam, die Klinik und alle weiteren Beteiligten und Betroffenen nun auf eine baldige Aufnahme von Axia als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) in die Regelversorgung.

Über den Forschungspreis der Deutschen Morbus-Bechterew-Stiftung

Die Deutsche Morbus-Bechterew-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Erforschung von Morbus Bechterew und verwandten entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen, ihrer Ursachen und ihrer Behandlung zu fördern. Darüber hinaus möchte sie Betroffene und die Öffentlichkeit über die Forschungsergebnisse informieren. Zur Umsetzung dieser Ziele schreibt die DMB-Stiftung regelmäßig einen Forschungspreis aus. Über die Vergabe des Preises entscheidet ein Kuratorium aus kompetenten Wissenschaftlern, die von der DMB-Stiftung berufen werden. Der mit 7.500 Euro dotierte Preis wurde bis zum Jahr 2020 von der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB) ausgeschrieben und wird alle zwei bis drei Jahre verliehen. Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger waren namhafte deutschsprachige Ärztinnen und Ärzte im Bereich der SpA.

Der Gewinner und die Spenderin halten einen auf DinA2 ausgedruckten Scheck hoch, dahinter ein Rollup von der App Axia.
PD. Dr. med. Patrick-Pascal Strunz und Lisa-Marie Krause von der Firma AbbVie, die das Preisgeld stiftete © Eckard Bathe, DVMB
Gruppenbild mit Preisträger, Stifterin des Preises und Vorstandsmitglieder der DMB-Stiftung
Preisverleihung des Bechterew Forschungspreises in Dresden, von links nach rechts: Lisa-Marie Krause (AbbVie), Joachim Walzer (stellvertretender Vorsitzender der DMB-Stiftung), Peter Koncet (Vorstandsmitglied der DMB-Stiftung), Andreas Brodbeck (Vorsitzender der DMB-Stiftung), PD. Dr. med. Patrick-Pascal Strunz und PD. Dr. med. Heinrich Böhm (Ehrengast und Überreicher des Preises). © Eckard Bathe, DVMB