Aktuelle Pressemitteilungen

Universitätsmedizin Würzburg beruft Ugur Uslu auf Professur für dermatologische Onkologie

Prof. Dr. med. Ugur Uslu ist seit 1. Oktober 2025 W2-Professor für dermatologische Onkologie an der JMU und Oberarzt in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKW. Der CAR-T-Zell-Experte setzt auf innovative Immuntherapien und klinische Translation.

 

Porträtbild von Ugur Uslu mit Kittel im Flur der Dermatologie
Prof. Dr. Ugur Uslu ist seit 1. Oktober 2025 W2-Professor für dermatologische Onkologie an der JMU und Oberarzt in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKW. © Hermann Mareth / UKW
Ugur Uslu und Paul Pauli posieren in Anzügen nebeneinander vor einer Wand mit Logo der Universität Würzburg
Prof. Dr. Paul Pauli, Präsident der Julius-Maximilians-Universität, begrüßt Prof. Dr. Ugur Uslu (links) als neuen Professor für dermatologische Onkologie. © Robert Emmerich / JMU
Matthias Goebeler und Ugur Uslu posieren in weißen Kitteln im Flur der Dermatologie
Prof. Dr. Matthias Goebeler, Direktor der Hautklinik am Uniklinikum Würzburg, heißt Prof. Dr. Ugur Uslu herzlich willkommen. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Nur für Würzburg hätte Ugur Uslu das Labor des CAR-T-Zell-Pioniers Carl June an der US-amerikanischen University of Pennsylvania (UPenn) verlassen. Und der Dermatologe hat alle überzeugt: Seit dem 1. Oktober 2025 ist er W2-Professor für dermatologische Onkologie an der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und Oberarzt in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Für den 38-Jährigen ist Würzburg der perfekte Ort, um seine translationale Forschung voranzutreiben.

Kliniknahe Forschung liegt dem Dermatologen und CAR-T-Zell-Experten am Herzen

„Ich freue mich sehr darauf, in Würzburg loszulegen, Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewegen - sowohl in der Patientenversorgung als auch in der Forschung“, sagt Ugur Uslu. Seine Expertise liegt auf modifizierten Immunzellen zur Tumortherapie. Hier möchte er weiter forschen und die Ergebnisse idealerweise direkt in die Klinik übertragen, damit Patientinnen und Patienten schnellstmöglich von den Fortschritten profitieren. Kliniknahe Forschung liege ihm am Herzen, und dafür seien die Bedingungen in Würzburg optimal. „Die Hautklinik unter der Leitung von Professor Matthias Goebeler ist sehr erfolgreich und extrem gut strukturiert. Hinzu kommt der Lehrstuhl für zelluläre Immuntherapie, in dem Professor Michael Hudecek mit seinem Team die Forschung rund um CAR-T-Zellen international mitprägt.“ Die CAR-T-Zelltherapie gilt als Meilenstein in der modernen Krebstherapie. Dabei werden patienteneigene T-Zellen gentechnisch so verändert, dass sie einen sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) tragen, der gezielt Krebszellen erkennt und zerstört.

„Professor Uslu ist ein großer Gewinn für unsere Universität. Wir freuen uns sehr auf die weitere Zusammenarbeit“, so Universitätspräsident Paul Pauli. Prof. Dr. Matthias Goebeler ergänzt: „Ugur Uslu ist ein ausgewiesener CAR-T-Zell-Experte und wird diesen Schwerpunkt der Fakultät verstärken.“ Ugur Uslu passe perfekt ins Team und sei ein idealer Nachfolger für Prof. Dr. Bastian Schilling, der im vergangenen Jahr das Amt des Direktors der Hautklinik am Universitätsklinikum Frankfurt übernahm. 

Produktion von Tumorvakzinen auf Basis dendritischer Zellen im GMP-Labor

Ugur Uslu wurde 1987 als Sohn kurdischer Einwanderer in Backnang (Baden-Württemberg) geboren. Er studierte als Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung Humanmedizin an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und promovierte über den Erkrankungsverlauf von Patientinnen und Patienten mit malignem Melanom im Kopf-/Halsbereich. Seine Weiterbildung zum Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten absolvierte er am Uniklinikum Erlangen unter dem damaligen Direktor der Hautklinik, Prof. Dr. Gerold Schuler, der ihn in die zelluläre Immuntherapie einführte. Schuler prägte die Forschung an Tumorvakzinen, indem er dendritische Zellen nutzte, um gezielte Immunantworten gegen Tumoren auszulösen. Damit trug er wesentlich zur Entwicklung innovativer Ansätze in der personalisierten Krebsimmuntherapie bei.

„In Erlangen hatte ich das Glück, im hauseigenen GMP-Labor im Rahmen von prüferinitiierten Studien, sogenannten IITs, bei der Produktion der Tumorvakzinen mitzuarbeiten“, berichtet Ugur Uslu. Dabei werden den Patientinnen und Patienten zunächst sogenannte Monozyten entnommen, die im Labor unter streng kontrollierten Bedingungen nach Good Manufacturing Practice (GMP) zu dendritischen Zellen differenziert und mit Tumorantigenen „beladen“ werden. „Als Wissenschaftler und Arzt war ich genau an der Schnittstelle zwischen Klinik und Forschung tätig. Ich konnte die Produkte, die wir selbst herstellten, den Patientinnen und Patienten verabreichen und den Behandlungsverlauf verfolgen. Das war extrem spannend.“ Uslu freut sich, künftig wieder intensiver mit den Kolleginnen und Kollegen in Erlangen zusammenzuarbeiten. Das UKW kooperiert eng mit dem Uniklinikum Erlangen und weiteren Universitätsstandorten, u. a. über das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) sowie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen NCT WERA.

Postdoc im renommierten Labor des CAR-T-Zell-Pioniers Carl H. June

2020 habilitierte sich Ugur Uslu zum Thema T-Zell-basierte Immuntherapien und bewarb sich bei Carl H. June, Professor an der University of Pennsylvania in Philadelphia und Direktor des Center for Cellular Immunotherapies (CCI). June gilt als Wegbereiter der CAR-T-Zelltherapie und Entwickler des ersten zugelassenen CAR-T-Zellproduktes. Dieses kam in Zusammenarbeit mit Novartis als Kymriah® auf den Markt und wurde zunächst zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie zugelassen, später auch für aggressive B-Zell-Lymphome. 

„Als die CAR-T-Zelltherapie 2017 in den USA und ein Jahr später in Europa zugelassen wurde, erlebte die Forschungsgemeinschaft einen deutlichen Aufschwung des Interesses an diesem Ansatz“, erinnert sich Ugur Uslu. Er hatte aber bereits zuvor in Erlangen Erfahrungen mit CAR-T-Zellen gesammelt und im Rahmen von intramuralen Förderungen daran geforscht. Als er 2020 seine Postdoc-Stelle im Labor von Carl June antrat, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. „Ich bin sehr dankbar, Carl als Mentor zu haben und freue mich auf unsere weitere enge Zusammenarbeit“, so Ugur Uslu. Im June Laboratory am CCI beeindruckte ihn vor allem die Infrastruktur. „Die Pipeline, in der präklinische Ergebnisse zügig in frühe klinische Studien überführt werden, ist beeindruckend. Da müssen wir auch in Deutschland hin.“

Lokale Verabreichung von CAR-T-Zellen half bei der Beseitigung von Restkrebszellen nach einer unvollständigen Operation 

Auch eine seiner präklinischen Arbeiten zum intraoperativen Einsatz von CAR-T-Zellen, die er 2023 in Science Advances publizierte, wurde in eine klinische Studie überführt. „Bei einigen Tumorentitäten kann der Tumor nicht vollständig chirurgisch entfernt werden. Unsere Idee war es, CAR-T-Zellen mithilfe eines Trägers auf Fibrinkleberbasis bereits während des operativen Eingriffs lokal auf die chirurgische Wunde aufzutragen, um verbliebene Krebszellen zu bekämpfen,“ schildert Uslu. Tatsächlich führte diese Methode im Mausmodell zu einem signifikant längeren Gesamtüberleben im Vergleich zu Mäusen, die nur operiert wurden oder bei denen die CAR-T-Zellen ohne Fibrinkleberlösung aufgetragen wurden. Darüber hinaus arbeitete Uslu in den USA an weiteren innovativen Ansätzen, die in hochrangigen Journalen wie Nature Communications sowie PNAS publizert wurden. An diese Forschungsschwerpunkte möchte er nun in Würzburg gezielt anknüpfen.

Neben der zügigen klinischen Translation begeisterte ihn vor allem der Teamgeist in Junes Labor. „Carl fragte jeden, unabhängig von Rang und Namen, nach dessen Meinung. Er war immer interessiert und absolut kollaborativ“, so Uslu. Er hatte das Angebot, in Philadelphia zu bleiben. Doch nun möchte er sein eigenes Team aufbauen – mit den bereichernden Erfahrungen aus Philadelphia und Erlangen, in der innovativen und interdisziplinären Würzburger Universitätsmedizin. 

Zum Webauftritt der AG Uslu: Universitätsklinikum Würzburg: Hautklinik: Translationale zelluläre Therapien

Porträtbild von Ugur Uslu mit Kittel im Flur der Dermatologie
Prof. Dr. Ugur Uslu ist seit 1. Oktober 2025 W2-Professor für dermatologische Onkologie an der JMU und Oberarzt in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKW. © Hermann Mareth / UKW
Ugur Uslu und Paul Pauli posieren in Anzügen nebeneinander vor einer Wand mit Logo der Universität Würzburg
Prof. Dr. Paul Pauli, Präsident der Julius-Maximilians-Universität, begrüßt Prof. Dr. Ugur Uslu (links) als neuen Professor für dermatologische Onkologie. © Robert Emmerich / JMU
Matthias Goebeler und Ugur Uslu posieren in weißen Kitteln im Flur der Dermatologie
Prof. Dr. Matthias Goebeler, Direktor der Hautklinik am Uniklinikum Würzburg, heißt Prof. Dr. Ugur Uslu herzlich willkommen. © Kirstin Linkamp / UKW

Spezifische Immunmuster in Metastasen entscheiden über den Therapieerfolg

WICHTIGER SCHRITT HIN ZU EINER PRÄZISEREN, BIOMARKER-GESTEUERTEN THERAPIE DES METASTASIERTEN NIERENZELLKARZINOMS

Das metastasierte Nierenzellkarzinom wird heute zunehmend mit Immuntherapien behandelt. Doch welche Patientinnen und Patienten profitieren tatsächlich von dieser Behandlung? Diese Frage ließ sich bislang nicht zuverlässig beantworten. Forschende der Unikliniken Würzburg und Erlangen haben nun mithilfe hochauflösender räumlicher Transkriptomik-Technologien eine entscheidende Erkenntnis gewonnen: Nicht die Eigenschaften des ursprünglichen Nierentumors, sondern spezifische Immunmuster in den Metastasen sind ausschlaggebend für den Therapieerfolg. Die Ergebnisse wurden jetzt im renommierten Journal for ImmunoTherapy of Cancer veröffentlicht.

Der Oberarzt steht im Labor, er trägt einen weißen Kittel, seine Arme sind verschränkt, im Hintergrund ist eine Mitarbeiterin zu sehen, die an einer Laborbank arbeitet.
Privatdozent Dr. Charis Kalogirou, geschäftsführender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie des UKW) untersuchte mit seinem Team Gewebeproben von zwölf Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom und erstellte detaillierte Landkarten des Tumors und seiner Metastasen. © Andrey Svistunov / UKW
Markus Eckstein steht im Labor, er hat dunkle Haare und eine dunkle Brille, trägt einen weißen Kittel und blaue Handschuhe und schaut in die Kamera.
Privatdozent Dr. Markus Eckstein ist geschäftsführender Oberarzt am Pathologischen Institut des Uniklinikums Erlangen und Letztautor der im Journal for ImmunoTherapy of Cancer veröffentlichten Studie „Spatial transcriptomic profiling of metastatic renal cell carcinoma identifies chemokine-driven macrophage and CD8+ T-cell interactions predictive of immunotherapy response”. © Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen
Die Abbildung besteht aus drei Grafiken. Oben ist ein Oberkörper zu sehen mit Hinweisen, wo die Proben entnommen wurden, in der Mitte sind histologische Schnitte von Tumorproben, unten vier Abbildungen von Immunnischen.
A – Ursprungsorte der Proben von zwölf primären Nierentumoren und sechs gepaarten Metastasten, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. B – Histologische Schnitte der Tumorproben von Primärtumor (links) und gepaarter Metastase (rechts) mit der entsprechenden Auflösung des Tumor-Mikromilieus (unten) durch die räumliche Transkriptomik-Technologie. C – Immunnischen und Ansprechen: Nischen mit vorwiegend dominierenden Tumorzellen ohne Immunzellen (links) sprechen nicht gut auf eine Immuntherapie an. Nischen mit Infiltration von Immunzellen wie Makrophagen und T-Zellen (rechts) sind hingegen mit einem guten Ansprechen auf eine Immun-Checkpoint-Inhibitor-Therapie vergesellschaftet.

Würzburg. Das Nierenzellkarzinom ist die häufigste Form von Nierenkrebs bei Erwachsenen. Es entsteht in den Zellen der Nierenkanälchen und kann in fortgeschrittenen Stadien in andere Organe wie Lunge, Leber oder Knochen streuen. Dank moderner Immuntherapien hat sich die Prognose deutlich verbessert – viele Betroffene können heute mehrere Jahre mit der Erkrankung leben. Allerdings spricht jeder fünfte Patient gar nicht auf die Erstlinienbehandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren an, und bei weiteren 20 Prozent wird der Krebs innerhalb des ersten Jahres wieder aktiv.

„Die Auswahl der Erstlinientherapie erfolgt gegenwärtig hauptsächlich auf Grundlage einer klinischen Risikoeinschätzung, die Krankheitsverlauf, Laborwerte und Allgemeinzustand berücksichtigt“, erklärt Privatdozent Dr. Charis Kalogirou, geschäftsführender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie des Uniklinikums Würzburg (UKW). „Es gibt jedoch zunehmend Hinweise darauf, dass das Ansprechen auf die Behandlung eher von der Beschaffenheit des Tumors sowie der räumlichen und zellulären Komplexität der Tumormikroumgebung abhängt als vom klinischen Risiko.“

Landkarten des Tumors enthüllen versteckte Immunmuster

Um diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, untersuchten Kalogirou und sein Team Gewebeproben von zwölf Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die in der Würzburger Urologie behandelt wurden. Durch den Einsatz hochauflösender räumlicher Transkriptomik gelang es den Forschenden, detaillierte „Landkarten“ des Tumors und seiner Metastasen zu erstellen. Diese zeigen, welche und wie viele Abwehrzellen des Immunsystems sich in der Tumorumgebung befinden, wie aktiv sie sind und wie nah sie an den Krebszellen liegen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt im Journal for ImmunoTherapy of Cancer.

„Wir fanden heraus, dass es nicht nur einen immunen Zustand im Nierentumor gibt, sondern verschiedene lokale Umgebungen mit eigenem Profil“, berichtet Charis Kalogirou, Erstautor der Studie. Selbst Tumoren, die nach herkömmlicher Klassifikation als gleich galten, wiesen erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Patientinnen und Patienten und sogar innerhalb eines Tumors auf. Besonders überraschend: Primärtumor und Metastasen unterschieden sich deutlich in ihrer zellulären Zusammensetzung und räumlichen Anordnung.

„Vor knapp zwei Jahren konnten wir ähnliche Zusammenhänge bereits für das Urothelkarzinom etablieren – und nun auch für das Nierenzellkarzinom“, ergänzt Privatdozent Dr. Markus Eckstein, geschäftsführender Oberarzt am Pathologischen Institut des Uniklinikums Erlangen und Letztautor der Studie. „Insbesondere die Analyse des Immunmikromilieus der Metastasen ist hoch relevant für das Ansprechen auf Immuntherapien und könnte in Zukunft die Therapieselektion deutlich verbessern.“

Günstige Immun-Nischen sagen Therapieerfolg voraus

Die zentrale Entdeckung: In den Metastasen konnten die Forschenden sogenannte „Immun-Nischen“ identifizieren – Bereiche im Tumorgewebe, in denen Makrophagen und CD8+-T-Zellen durch Chemokin-Signale intensiv miteinander interagieren. „Patienten mit diesen Nischen in ihren Metastasen sprachen deutlich besser auf eine Immuntherapie an", erklärt Kalogirou. „In den ursprünglichen Nierentumoren kam diese günstige Nische dagegen kaum vor.“

Eine aus diesen Erkenntnissen abgeleitete Gen-Signatur konnte das Therapieansprechen auch in unabhängigen internationalen Studien mit mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten zuverlässig vorhersagen. In Bereichen, die resistent gegen die Therapie blieben, dominierten hingegen Gene, die für eine unterdrückte Immunantwort stehen. Neben der Art der Zellen war auch deren räumliche Anordnung entscheidend – also wie nah die Immunzellen an den Tumorzellen sitzen und welche Gene sie aktivieren.

Präzisere Therapieauswahl in Reichweite

„Es reicht also nicht zu wissen, dass sich Immunzellen im Tumor befinden. Entscheidend ist auch, wo sie sind und wie sie arbeiten“, fasst Charis Kalogirou zusammen. Die Analyse von Metastasen-Biopsien könnte Ärztinnen und Ärzten künftig dabei helfen, besser vorherzusagen, ob ihre Patientinnen und Patienten von einer Immuntherapie profitieren werden. Falls nicht, blieben den Betroffenen weniger wirksame oder nebenwirkungsreiche Behandlungen erspart.

„Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer präziseren, biomarker-gesteuerten Krebstherapie“, ist Kalogirou überzeugt. Durch die Integration räumlicher Analysen der Tumormikroumgebung in zukünftige Studien könnte die personalisierte Immuntherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom deutlich vorangebracht werden.

Publikation:
Kalogirou C, Krebs M, Kunz AS, Hahn O, Kübler H, Schwinger M, et al. Spatial transcriptomic profiling of metastatic renal cell carcinoma identifies chemokine-driven macrophage and CD8+ T-cell interactions predictive of immunotherapy response. Journal for ImmunoTherapy of Cancer. 2025;13:e012991. https://doi.org/10.1136/jitc-2025-012991

Text: Wissenschaftskommunikation / KL 

Der Oberarzt steht im Labor, er trägt einen weißen Kittel, seine Arme sind verschränkt, im Hintergrund ist eine Mitarbeiterin zu sehen, die an einer Laborbank arbeitet.
Privatdozent Dr. Charis Kalogirou, geschäftsführender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie des UKW) untersuchte mit seinem Team Gewebeproben von zwölf Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom und erstellte detaillierte Landkarten des Tumors und seiner Metastasen. © Andrey Svistunov / UKW
Markus Eckstein steht im Labor, er hat dunkle Haare und eine dunkle Brille, trägt einen weißen Kittel und blaue Handschuhe und schaut in die Kamera.
Privatdozent Dr. Markus Eckstein ist geschäftsführender Oberarzt am Pathologischen Institut des Uniklinikums Erlangen und Letztautor der im Journal for ImmunoTherapy of Cancer veröffentlichten Studie „Spatial transcriptomic profiling of metastatic renal cell carcinoma identifies chemokine-driven macrophage and CD8+ T-cell interactions predictive of immunotherapy response”. © Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen
Die Abbildung besteht aus drei Grafiken. Oben ist ein Oberkörper zu sehen mit Hinweisen, wo die Proben entnommen wurden, in der Mitte sind histologische Schnitte von Tumorproben, unten vier Abbildungen von Immunnischen.
A – Ursprungsorte der Proben von zwölf primären Nierentumoren und sechs gepaarten Metastasten, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. B – Histologische Schnitte der Tumorproben von Primärtumor (links) und gepaarter Metastase (rechts) mit der entsprechenden Auflösung des Tumor-Mikromilieus (unten) durch die räumliche Transkriptomik-Technologie. C – Immunnischen und Ansprechen: Nischen mit vorwiegend dominierenden Tumorzellen ohne Immunzellen (links) sprechen nicht gut auf eine Immuntherapie an. Nischen mit Infiltration von Immunzellen wie Makrophagen und T-Zellen (rechts) sind hingegen mit einem guten Ansprechen auf eine Immun-Checkpoint-Inhibitor-Therapie vergesellschaftet.

Wachstum von Darmkrebszellen ausbremsen

CDK4/6-HEMMUNG ZUR BEHANDLUNG DES DICKDARMKREBSES UND P16 ZUR VORHERSAGE DER THERAPIEEFFEKTIVITÄT

Eine Forschergruppe vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und dem Klinikum der Universität München (LMU) untersuchte die Wirksamkeit von CDK4/6-Hemmern bei Darmkrebs - mit vielversprechenden Ergebnissen. Die einst für Brustkrebs entwickelten Medikamente bremsen auch das Wachstum von Darmkrebszellen wirksam, selbst bei therapieresistenten Tumoren. Entscheidend für den Therapieerfolg ist das Protein p16: Krebszellen mit hoher p16-Expression sprechen schlechter auf die Behandlung an. Das Protein könnte als Biomarker dienen, um Betroffene zu identifizieren, die besonders profitieren. Die von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderte Studie wurde in der Fachzeitschrift „Cellular Oncology" publiziert und könnte den Weg für individualisierte Therapieansätze ebnen.

 

Collage von einem Porträtbild von Florian REiter im weißen Kittel und Julia Schneider, die im weißen Kittel im Labor pipettiert.
Julia Schneider, Assistenzärztin am Klinikum der Universität München, und Priv.-Doz. Dr. Florian Reiter, Oberarzt am Universitätsklinikum Würzburg untersuchten die Wirksamkeit von CDK4/6-Hemmern an verschiedenen Darmkrebs-, Brustkrebs, und Leberkrebszelllinien. © Julia Schneider / UKW

Würzburg. Darmkrebs ist eine der weltweit häufigsten Krebserkrankungen und stellt die Onkologie vor erhebliche Herausforderungen. Trotz Fortschritten in der Chemotherapie entwickeln viele Patientinnen und Patienten Resistenzen gegenüber den bestehenden Therapien, was die Behandlungschancen erheblich mindert. CDK4/6-Hemmer, die ursprünglich zur Behandlung von Brustkrebs entwickelt wurden, zeigten in präklinischen Studien vielversprechende Ergebnisse.

CDK4/6-Hemmer blockieren die Teilung von Krebszellen 

CDK steht für Cyclin-abhängige Kinasen. Das sind Enzyme, die wie Schalter funktionieren und die Zellteilung steuern. Insbesondere die Kinasen CDK4 und CDK6 spielen eine wichtige Rolle dabei, ob eine Zelle in die nächste Phase der Teilung eintritt. Bei vielen Krebsarten, wie beispielsweise dem hormonrezeptorpositiven Brustkrebs, ist dieser Signalweg überaktiv. Die Krebszellen teilen sich dann unkontrolliert. CDK4/6-Hemmer blockieren diese Enzyme und bremsen somit das Zellwachstum. Die Krebszellen werden quasi in der Teilung angehalten.

In einer von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Studie untersuchte ein Team des Uniklinikums Würzburg (UKW) und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) unter der Leitung von Privatdozent Dr. Florian P. Reiter systematisch die Wirksamkeit von CDK4/6-Hemmern an verschiedenen Darmkrebs-, Brustkrebs, und Leberkrebszelllinien – darunter auch solche, die gegen herkömmliche Chemotherapien unempfindlich waren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Cellular Oncology.

CDK4/6-Hemmer sind in Tumorzellen mit hohem p16-Proteingehalt weniger wirksam

In den meisten Fällen konnte die Wirkstoffklasse das Zellwachstum deutlich bremsen. Auffällig war, dass Krebszellen, die resistent gegenüber den CDK4/6-Inhibitoren waren, eine hohe Expression des Proteins p16 aufwiesen und schlechter auf die Behandlung ansprachen. Die Auswertung der Gewebeproben von 185 Darmkrebspatientinnen und -patienten und deren klinischen Verlaufsdaten zeigte außerdem: Eine niedrige p16-Aktivität war mit einer besseren Prognose verbunden, während die p16-Messung in frühen Tumorstadien keinen klaren Vorhersagewert hatte.

Julia Schneider, Assistenzärztin am LMU Klinikum München und Erstautorin der Studie, erklärt: „CDK4/6-Hemmer können das Wachstum von Dickdarmkrebszellen wirksam bremsen, auch bei therapieresistenten Tumoren. Ein wichtiger Hinweisgeber für den Therapieerfolg scheint das Protein p16 zu sein. Der Biomarker könnte dabei helfen, Patientinnen und Patienten zu identifizieren, die besonders von einer Behandlung mit CDK4/6-Hemmern profitieren könnten, sowie jene, bei denen alternative Therapieansätze erforderlich sind.“

Resistenzen verstehen und überwinden

„Unsere Ergebnisse könnten den Grundstein für neue, möglicherweise sogar chemotherapiefreie Behandlungsansätze legen, die die Therapie des Dickdarmkrebses mithilfe einer Medikamentenklasse verbessern, welche bereits die Behandlung von Brustkrebs revolutioniert hat“, sagt Florian P. Reiter, Oberarzt an der Medizinischen Klinik II des UKW und Letztautor der Studie. „Darüber hinaus sind weitere mechanistische Studien notwendig, um die genaue Rolle von p16 in der Entwicklung von Resistenzen zu verstehen und diese zu überwinden.“ Ein vielversprechender Ansatz wäre die Kombination von CDK4/6-Hemmern mit anderen Behandlungsmethoden wie Immuntherapien oder zielgerichteten Therapien. „Langfristig könnte dies zu individuelleren und nebenwirkungsärmeren Behandlungsmöglichkeiten für Darmkrebspatientinnen und -patienten führen“, so Reiter.

Wilhelm Sander-Stiftung – Partnerin der Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit 90.000 € über 2 Jahre unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 280 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Publikation:

Schneider, J.S., Khaled, N.B., Ye, L. et al. Efficacy of CDK4/6 Inhibition in colorectal cancer and the role of p16 expression in predicting drug resistance. Cell Oncol. (2025). https://doi.org/10.1007/s13402-025-01080-7

Collage von einem Porträtbild von Florian REiter im weißen Kittel und Julia Schneider, die im weißen Kittel im Labor pipettiert.
Julia Schneider, Assistenzärztin am Klinikum der Universität München, und Priv.-Doz. Dr. Florian Reiter, Oberarzt am Universitätsklinikum Würzburg untersuchten die Wirksamkeit von CDK4/6-Hemmern an verschiedenen Darmkrebs-, Brustkrebs, und Leberkrebszelllinien. © Julia Schneider / UKW

„Don't eat me”-Signale sind Überlebenstrick schädlicher T-Zellen nach Stammzelltransplantation

BLOCKADE VON CD47 SCHÜTZT VOR TRANSPLANTAT-GEGEN-WIRT-REAKTION (GVHD) NACH ALLOGENER STAMMZELLTRANSPLANTATION

Im Rahmen des SFB TRR 221 wurde in einer Studie das Oberflächenprotein CD47 als Schlüsselfaktor identifiziert, der es alloreaktiven T-Zellen ermöglicht, sich der Beseitigung durch Makrophagen zu entziehen und die Graft-versus-Host-Disease (GvHD) zu verschlimmern. Eine gezielte Bekämpfung von CD47, durch eine Antikörpertherapie könnte die Beseitigung pathogener T-Zellen verbessern und somit die GvHD nach einer allogenen Stammzelltransplantation verhindern.

 

Mikroskopische Aufnahmen von alloreaktiven T-Zellen
Alloreaktive T-Zellen regulieren CD47 hoch und schützen sich so vor der Phagozytose („Aufnahme“) durch Makrophagen. Hier sind alloreaktive T-Zellen aus einer Patientenbiopsie dargestellt, die in den Darmtrakt eindringen und eine akute Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvHD) auslösen. Der Maßstab beträgt 20 μm. Flamann & Shaikh et al., Blood 2025.
Zellkulturexperiment mit Farbstoffmarkierungen, um sichtbar zu machen, wie Immunzellen unter dem Mikroskop miteinander interagieren.
Makrophagen sind in der Lage, Spender-T-Zellen zu phagozytieren (A). Bei einer GvHD vom Grad III hingegen regulieren Spender-T-Zellen CD47 hoch. Dadurch binden sie zwar an Makrophagen, entziehen sich jedoch der Phagozytose (B). In dieser Studie wurden T-Zellen entweder von gesunden Spendern bzw. von GvHD-Patienten mit Makrophagen kokultiviert. Durch die Blockade von CD47 konnte die Fähigkeit der Makrophagen, diese pathogenen T-Zellen zu eliminieren, wiederhergestellt werden (C). Flamann & Shaikh et al., Blood 2025.

Würzburg. Eine allogene Stammzelltransplantation, also die Transplantation von Stammzellen eines fremden Spenders, kann für Patienten, deren eigenes Knochenmark keine gesunden Blutzellen mehr bilden kann, lebensrettend sein. Doch die Therapie birgt auch Risiken: Bestimmte Immunzellen des Spenders, sogenannte T-Zellen, können den Körper des Empfängers als fremd erkennen und eine überschießende Abwehrreaktion auslösen. Diese gefährliche Komplikation wird als Graft-versus-Host-Disease (GvHD) bezeichnet, auf Deutsch auch Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion. 

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs/Transregio SFB/TRR 221 untersuchen die Unikliniken Erlangen, Regensburg und Würzburg gemeinsam innovative Strategien zur Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt-(GvHD)- und Transplantat-Leukämie-(GvL)-Effekte. Ziel ist es, die Sicherheit und Wirksamkeit der allogenen Stammzelltransplantation (allogene hämotopoetische Stammzelltransplantion, allo-HCT) zu verbessern. So wurde beispielsweise untersucht, warum die entzündlichen Spender-T-Zellen, die eine GvHD antreiben, vom Immunsystem, genauer gesagt von den Makrophagen, die auch als Fresszellen oder Reinigungskräfte bekannt sind, nicht wirksam entfernt werden. Dabei enthüllten die Forschenden einen versteckten Überlebenstrick der schädlichen Spender-T-Zellen.

T-Zellen senden mit CD47 ein „Don’t eat me“-Signal an das Immunsystem 

Die schädlichen Spender-T-Zellen exprimieren ungewöhnlich hohe Konzentrationen des Proteins CD47. Dabei handelt es sich um ein Oberflächenprotein, das den Makrophagen signalisiert: „Fresst mich nicht“. Diese Überexpression wurde sowohl bei Patientinnen und Patienten mit GvHD als auch in Mausmodellen beobachtet.

„Damit bringen wir CD47 erstmals eindeutig mit der Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion in Verbindung“, sagt Dr. Haroon Shaikh von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW). Der Immunologe aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andreas Beilhack publizierte die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Blood. Die Erstautorenschaft teilt er sich mit Dr. Cindy Flamann aus der Gruppe von PD Dr. Heiko Bruns vom Uniklinikum Erlangen. 

Blockierung des CD47-Signals hilft, schädliche Zellen zu entfernen, Entzündungen zu reduzieren und Überlebenschancen zu verbessern

„Spannend wurde es, als wir CD47 mit Antikörpern blockiert haben“, berichtet Haroon Shaikh. „Denn durch die Blockierung wurde die Fähigkeit der Makrophagen wiederhergestellt, die alloreaktiven T-Zellen zu phagozytieren und somit zu eliminieren. Bei unseren Mäusen konnten wir beobachten, dass die schädlichen Zellen effektiver beseitigt wurden, die Entzündung im Darm zurückging und sich ihre Überlebenschancen verbesserten. Darüber hinaus verursachten Spender-T-Zellen ohne CD47 deutlich weniger Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankungen und führten zu besseren Ergebnissen.“ 

„Die Studie zeigt die besondere Stärke unserer Zusammenarbeit im SFB/TRR 221 GvH-GvL und ihren klar translationalen Anspruch“, betont Andreas Beilhack. „Unsere Ergebnisse eröffnen ein vielversprechendes klinisches Potenzial für die Blockade von CD47 zur Behandlung von GvHD“, unterstreicht Heiko Bruns. Auf dieser Basis bereitet das Team bereits erste klinische Studien vor.

Publikation:
Flamann C*, Shaikh H*, Matos C, Kreutz M, Ali H, Kern MAG, Büttner-Herold M, Jacobs B, Völkl S, Lischer C, Kellner C, Berges J, Bitterer K, Saul D, Goel M, Link-Rachner CS, Zernecke A, Weber D, Mougiakakos D, Mackensen A, Beilhack A, Bruns H. Augmented CD47 expression impairs alloreactive T-cell clearance after allo-HCT. Blood. 2025 Sep 11;146(11):1359-1373. doi: 10.1182/blood.2023023056. PMID: 40332470.

Mikroskopische Aufnahmen von alloreaktiven T-Zellen
Alloreaktive T-Zellen regulieren CD47 hoch und schützen sich so vor der Phagozytose („Aufnahme“) durch Makrophagen. Hier sind alloreaktive T-Zellen aus einer Patientenbiopsie dargestellt, die in den Darmtrakt eindringen und eine akute Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (GvHD) auslösen. Der Maßstab beträgt 20 μm. Flamann & Shaikh et al., Blood 2025.
Zellkulturexperiment mit Farbstoffmarkierungen, um sichtbar zu machen, wie Immunzellen unter dem Mikroskop miteinander interagieren.
Makrophagen sind in der Lage, Spender-T-Zellen zu phagozytieren (A). Bei einer GvHD vom Grad III hingegen regulieren Spender-T-Zellen CD47 hoch. Dadurch binden sie zwar an Makrophagen, entziehen sich jedoch der Phagozytose (B). In dieser Studie wurden T-Zellen entweder von gesunden Spendern bzw. von GvHD-Patienten mit Makrophagen kokultiviert. Durch die Blockade von CD47 konnte die Fähigkeit der Makrophagen, diese pathogenen T-Zellen zu eliminieren, wiederhergestellt werden (C). Flamann & Shaikh et al., Blood 2025.

Schnelltest auf Grippeviren: Infektion einfach selbst erschmecken

Grippeviren mit einem Kaugummi oder Lutscher schnell und einfach nachweisen: Wie das funktionieren kann, zeigen Forschende aus Würzburg, Braunschweig und Köln mit einem neuen Diagnostik-Tool.

So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. (Bild: Christoph Mett)
So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. (Bild: Christoph Mett)

Die Grippe (Influenza) ist weit mehr als eine lästige Erkältung – sie zählt zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten weltweit und fordert jedes Jahr rund eine halbe Million Todesopfer.

Besonders heimtückisch: Grippeviren sind schon ansteckend, bevor überhaupt erste Symptome auftreten. Trotz dieser Bedrohung sind die bisherigen Diagnosemöglichkeiten alles andere als ideal. Sie sind oft teuer, in der Anwendung kompliziert und in vielen ärmeren Regionen der Welt schlicht nicht verfügbar.

Ein Team um Pharmazieprofessor Lorenz Meinel von der Universität Würzburg stellt nun im Fachjournal ACS Central Science die technologische Grundlage für eine neuartige Selbstdiagnostik bei Influenza vor.

Grippeinfektionen schnell und einfach erkennen

Das neue Prinzip könnte die Grippediagnostik künftig einfach, kostengünstig und schnell machen. Jedermann könnte es jederzeit und überall nutzen, etwa in Form eines Kaugummis oder Lutschers, der im Speichel infizierter Personen auf Grippeviren reagiert und einen Geschmacksstoff freisetzt. Im Mund nicht-infizierter Personen dagegen würde nichts passieren. So könnten Betroffene innerhalb weniger Minuten eine Infektion erkennen – ganz ohne Labor, Strom oder medizinisches Personal.

„Diese Strategie eröffnet neue Möglichkeiten für die weltweite Früherkennung und Bekämpfung der Influenza“, sagt Lorenz Meinel, der den Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Uni Würzburg leitet.

Geschmacksstoff plus virusspezifischer Baustein

Das neue Diagnose-Werkzeug besteht aus dem Sensormolekül Thymol – einem Naturstoff, der unter anderem in Thymian vorkommt – und einem virusspezifischen Zuckerbaustein. Kommt es mit aktiven Grippeviren in Kontakt, setzen diese das Thymol frei, und im Mund entsteht ein klar erkennbarer Geschmack.

„Statt auf teure und komplizierte Testverfahren zu setzen, nutzen wir die natürliche Sensorik des Menschen – den Geschmack – als Werkzeug zur Früherkennung von Infektionen“, so Lorenz Meinel.

Das Prinzip ist flexibel: Sowohl der Geschmacksträger als auch der Erkennungsbaustein lassen sich anpassen. So kann das System etwa mit süßen, bitteren oder salzigen Geschmacksrichtungen ausgestattet werden – auch kindgerecht. Ebenso lässt es sich auf unterschiedliche Krankheitserreger übertragen.

„Für andere Infektionen könnte beispielsweise der virusspezifische Zuckerbaustein durch ein bakterienspezifisches Peptid ersetzt werden. Die zugrunde liegende Funktionsweise bleibt dabei erhalten“, erklärt Professor Meinel. So eröffne die Methode neue Möglichkeiten für die niederschwellige Diagnostik viraler und bakterieller Infektionen – von Influenza bis hin zu zukünftigen Erregern, die heute noch gar nicht bekannt sind.

Nächster Schritt: Konkrete Anwendungen entwickeln

Nun arbeitet das Forschungsteam daran, die Sensoren in Kaugummis oder Lutscher einzuarbeiten und das diagnostische System für eine massenhafte Produktion tauglich zu machen. Dabei kooperiert es mit dem 2024 aus der Uni Würzburg heraus entstandenen Start-up FlareOn Biotech GmbH. Der Entwicklungsprozess wird voraussichtlich rund vier Jahre dauern.

Derartige Anwendungen eignen sich besonders für neuralgische Punkte wie Schulen, Kindergärten oder Altersheime, davon ist das Team überzeugt. Gerade in ärmeren Ländern könnten sie bei der Eindämmung von Infektionsherden von entscheidender Bedeutung sein.

Fernziel: Influenza-Verbreitung in Echtzeit verfolgen

Die Forschenden denken auch schon weiter in die Zukunft: Sobald eine Anwendung verfügbar ist, möchten sie alle Nutzerinnen und Nutzer auf freiwilliger Basis bitten, positive Influenza-Testergebnisse mit einer Smartphone-App festzuhalten. Diese Daten könnten ein bislang nicht erreichbares Online-Lagebild ermöglichen, um die Ausbreitung von Influenzaviren in Echtzeit zu verfolgen.

Mit künstlicher Intelligenz wären dann auch Vorhersagen möglich, wo es eventuell zu epidemischen oder pandemischen Entwicklungen kommen könnte. Das würde es der Weltgesundheitsorganisation, Regierungen, Kommunen oder auch Einzelpersonen ermöglichen, frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten.

Förderer und am Projekt Beteiligte

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) hat die Arbeiten im Rahmen des Verbundprojekts „Influ Kau“ (Schnellhinweisgeber für die Influenza (Influenza-Kaugummi)) finanziell unterstützt.

Beteiligt waren:

Dr. Heinrich Jehle vom Start-up FlareOn Biotech GmbH in Frickenhausen (Landkreis Esslingen, Baden-Württemberg) hat zur Finanzierung und regulatorischen Beratung beigetragen.

Die Professoren Christian Linz (Universitätsklinikum Würzburg, jetzt Universitätsklinikum Köln) und Stephan Hackenberg (Universitätsklinikum Würzburg) haben mit ihren Teams die klinischen Proben gesammelt und den Gesundheitszustand der Patienten festgestellt und dokumentiert.

Professor Jürgen Seibel (Institut für Organische Chemie, Uni Würzburg) hat mit seinem Doktoranden Marcel Groß die Synthese des Sensormoleküls mitentwickelt.

Professor Carlos A. Guzmán (Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig HZI) hat mit Teams um Dr. Peggy Riese und Dr. Stephanie Trittel Untersuchungen an Influenza-Viruspartikeln durchgeführt.

Publikation

A Viral Neuraminidase-Specific Sensor for Taste-Based Detection of Influenza. ACS Central Science, 1. Oktober 2025, Open Access, https://doi.org/10.1021/acscentsci.5c01179 
 

Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) vom 2. Oktober 2025
 

So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. (Bild: Christoph Mett)
So funktioniert der Grippe-Sensor: 1. Eine infizierte oder erkrankte Person kaut einen Kaugummi. 2. Enzyme der Viren setzen die darin enthaltenen Geschmacksstoffe frei. 3. Die Person nimmt die Stoffe wahr und erkennt die Infektion. (Bild: Christoph Mett)

Finanzielle Anreize können bewegen, nicht überzeugen

WIE STARK IN- UND OUT-GROUP-BIAS WIRKEN

Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Würzburg verdeutlicht die Grenzen von Belohnungssystemen beim Abbau von Vorurteilen: Finanzielle Anreize mindern zwar das Vermeidungsverhalten gegenüber Fremdgruppen, ändern aber nicht die Meinung.

 

Collage der Porträts von Jasper Bischofberger (braune lange Haare und Bart) und Grit Hein (kurze, blonde Haare)
Doktorand Jasper Bischofberger und Professorin Grit Hein untersuchten am Uniklinikum Würzburg, ob sich Menschen aus einer bestimmten Gruppe einer fremden Gruppe annähern, wenn sie dafür Geld erhalten. © Jasper Bischofberger / Cordula Buschulte
Visualisierung der Lernaufgabe auf 4 Bildschirmen: Figur nähert sich dem Rauten-Symbol und wird mit 5 Cent Abzug bestraft, sie entfernt sich dem Rautensymbol und wird belohnt.
Annäherungs-Vermeidungs-Lernaufgabe: Nach einer Fixierung von 1 bis 2 Sekunden wurde den Teilnehmenden eine Figur gezeigt, die sie selbst auf einer horizontalen Linie darstellte. Auf der rechten Seite der Linie wurde ein abstraktes Symbol angezeigt (Rauten- oder Sechseckform). Während der Entscheidungsphase hatten die Teilnehmer 6 Sekunden Zeit, um die Figur von ihrer Ausgangsposition auf der Skala zum Symbol auf der rechten Seite hin oder davon weg zu bewegen und ihre endgültige Position durch Drücken einer Taste zu bestätigen. Nach dieser Bestätigung informierte eine Beschriftung über der Figur („+0,05 €” oder „−0,05 €”) die Teilnehmer über das Ergebnis. © Bischofberger et al. 2025. Royal Society Open Science. https://doi.org/10.1098/rsos.250061

Würzburg. In der Wirtschaft, im Marketing und im sozialen Bereich werden gerne finanzielle Anreize, sogenannte Incentives, eingesetzt, um die Motivation von Menschen zu steigern, ihr Verhalten zu lenken und nachhaltige Erfolge zu erzielen. Letzteres ist jedoch nicht immer der Fall, wie eine aktuelle Studie (Royal Society Open Science) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) zeigt. Prof. Dr. Grit Hein und ihr Team der Translationalen Sozialen Neurowissenschaften am Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) untersuchten, ob sich Menschen aus einer bestimmten Gruppe einer fremden Gruppe annähern, wenn sie dafür Geld erhalten. Tatsächlich veränderten Belohnungen und Bestrafungen in den Untersuchungen das Verhalten, aber nicht die Einstellung. Grundsätzliche Vorurteile gegenüber der Fremdgruppe blieben bestehen. Das heißt: Belohnungssysteme können Türen öffnen und den ersten Schritt in Richtung Kontakt ermöglichen. Um aber tief verwurzelte Vorurteile abzubauen und Einstellungen nachhaltig zu verändern, sind zusätzliche Strategien erforderlich, wie etwa gemeinsame Erfahrungen, Dialog oder langfristige Begegnungen zwischen den Gruppen.

Die Studie fand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs GRK 2660 - Research Training Group 2660: Approach-Avoidance statt. „Hier geht es um die spannenden Fragen, warum und wie wir uns bestimmten Reizen oder Personen nähern oder sie meiden, und was passiert, wenn ein Konflikt entsteht“, sagt Jasper Bischofberger, Erstautor der Studie. „Annäherungs- und Vermeidungsverhalten können wir ganz grundlegend in Tierversuchen untersuchen mit Belohnungen und Strafreizen, aber auch bei Menschen in sozialen Kontexten.“

Priming: Typische Eigenschaften der In- und Out-Group und Zuordnung von abstrakten Symbolen

Für das sogenannte Priming in der Lernstudie sollten die Probandinnen und Probanden mit deutscher Staatsangehörigkeit zunächst fünf Adjektive aufschreiben, die sie mit einer Person der eigenen Nationalität, also der eigenen sozialen In-Group, verbinden. Außerdem sollten sie fünf typische Eigenschaften nennen, die ihnen zu einer Person mit chinesischer Staatsangehörigkeit einfallen. Das war die Out-Group. Anschließend wurden Eindrucksskalen bearbeitet sowie zwei abstrakte, geometrische Symbole – eine Raute und ein Sechseck – der In- und Out-Group zugeordnet. „Die Symbole hatten weder eine Bedeutung noch eine Wertigkeit, sodass spezifische Assoziationen mit diesen Symbolen kontrolliert induziert werden konnten“, so Bischofberger. Im Hauptteil des Lernexperiments sahen die Teilnehmenden auf einem Monitor eine Spielfigur, die sie selbst repräsentierte. Mithilfe eines Cursors konnten sie die Person auf einer horizontalen Linie zwischen der Raute und dem Sechseck hin und her bewegen. Die meisten zog es am Anfang zu ihrer eigenen Gruppe. 

Lernerfahrung verändert Vermeidungs- und Annäherungs-Bias 

„Hier zeigte sich ganz klar der sogenannte Bias. Die Menschen gehen lieber auf ihre eigenen Leute zu und bevorzugen Personen, die zu ihrer eigenen Gruppe gehören“, erläutert Grit Hein. Um zu prüfen, ob sich dieses Annäherungs-Vermeidungs-Verhalten durch finanzielle Anreize verändert, erhielten die Probandinnen und Probanden mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit einen kleinen Geldgewinn, wenn sie sich der Figur näherten, welche die fremde Gruppe symbolisierte. Sobald sie sich wieder dem Symbol der eigenen Gruppe annäherten, wurde ihnen Geld abgezogen. „Wir haben sie gewissermaßen bestochen“, sagt Grit Hein. „Es waren zwar nur minimale Beträge, 5 Cent, aber wir wissen aus anderen Studien, dass das sehr gut funktioniert.“ Allerdings wussten die Studienteilnehmenden anfangs nichts von dem finanziellen Anreiz. Sie mussten zunächst erlernen, welches Verhalten ihnen den größten Profit einbrachte. 

„Selbst in so einer artifiziellen Studie ist der Bias extrem stark“

Tatsächlich veränderten die Studienteilnehmenden im Laufe der Lernstudie ihr Verhalten in Abhängigkeit von diesen finanziellen Belohnungen und Bestrafungen. Wurde das Annähern an die andere Gruppe belohnt, verringerte sich die Vermeidungstendenz spürbar. Bestrafungen waren dabei weniger wirksam als Belohnungen. Kontrollstudien, in denen die Symbole keine soziale Bedeutung hatten, zeigten diese Effekte so nicht. Das heißt: Vorurteile im Verhalten bauten sich nur ab, wenn die Symbole sozial aufgeladen waren und Gruppenmitgliedschaften repräsentierten. 

Obwohl die Teilnehmenden im Laufe der Lernstudie ihr Verhalten anpassten, blieben ihre persönlichen Eindrücke und Einstellungen gegenüber der Fremdgruppe nach der Lernaufgabe stabil. „Die Studie verdeutlicht klar die Limitation finanzieller Anreize: Es geht nicht über das bloße Hingehen hinaus, die Meinung ändert sich nicht. Selbst in so einer artifiziellen Studie ist der Bias extrem stark“, bemerkt Grit Hein. 

Das Wort „Bias“ bezeichnet eine systematische Verzerrung oder Neigung, die das neutrale Urteil, Verhalten oder Ergebnis beeinflusst. In der Wissenschaft und Technik steht Bias für einen Fehler, im sozialen Kontext für Voreingenommenheit. Menschen können Bias sowohl für als auch gegen eine einzelne Person, eine Gruppe oder eine Überzeugung entwickeln. Ein großes und nach wie vor aktuelles Thema ist der Gender Bias. Die dadurch entstehenden systematischen Verzerrungen beeinflussen Wahrnehmungen und Entscheidungen in vielen Bereichen und können zu Benachteiligungen, beispielsweise bei Karrierechancen oder in der medizinischen Versorgung, führen. 

Social Prediction Errors: Soziales Lernen entsteht, wenn Erwartungen und Vorhersagen gebrochen werden

Boni oder finanzielle Anreize für das Einbeziehen unterrepräsentierter Personengruppen können ein erster Schritt sein, der Kontakt herstellt, was aber nicht bedeutet, dass diese Personen gleichwertig behandelt werden. Um dies zu erreichen, müssen andere Formen von Lernen folgen. 

In einer kulturvergleichenden Studie, die demnächst publiziert wird (Zhou u.a., in press), konnte Grit Hein zum Beispiel gemeinsam mit einem internationalen Team zeigen, dass Voreingenommenheit gegenüber Fremden bei deutschen und chinesischen Probandinnen und Probanden „überlernt” werden kann, wenn nämlich die westlichen und ostasiatischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von negativen Erfahrungen mit der eigenen Gruppe lernen. Man hatte etwas Positives von der eigenen Gruppe erwartet, bekam aber das Gegenteil. Die Erwartung wurde enttäuscht, was die Einstellung gegenüber der fremden Gruppe verbesserte. Ostasiatische Probanden änderten ihre Einstellung gegenüber ihrer eigenen Gruppe nur, wenn sie sich nicht so stark mit ihrer eigenen Gruppe identifizierten. 

Zurück zum Belohnungssystem, das auch häufig in der Erziehung angewendet wird. Ein Beispiel: Wenn du deine Hausaufgaben erledigst, bekommst du ein Eis. Die Aufgaben werden vielleicht erledigt, aber nicht die Einstellung dazu. „Es wäre nachhaltiger, wenn das Kind selbst spürt, wie es an den Hausaufgaben wächst, und zum Beispiel rückwirkend positives soziales Feedback in der Schule erhält“, so Hein. 

Gemeinsame Interessen können helfen Barrieren abzubauen

Die Psychologin schlägt den Bogen zurück zur Studie: „Um sich anzunähern und Begegnungen zu schaffen, braucht es vielleicht Anreize, aber um Vorurteile abzubauen, braucht es mehr. Wir müssen soziale Lernerfahrungen ermöglichen, etablieren und versuchen, das Bild des anderen zu überzeichnen.“ Die Adjektive, welche die Studienteilnehmer anfangs notiert hatten, sind in der Regel keine persönlichen Erfahrungen, sondern überlieferte Vorurteile. Um Barrieren zwischen Gruppen unterschiedlicher Nationen abzubauen, schlägt Grit Hein vor, über das Annähern hinaus Kontakt aufzunehmen und nach Ähnlichkeiten zu suchen, zum Beispiel nach gemeinsamen Interessen wie Sport, Kochen, Handwerk oder berufliche Ziele und Interessen. Reine finanzielle Anreize könnten auch nach hinten losgehen, mahnt die Wissenschaftlerin. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie gekauft werden sollen um anders zu denken oder sich anders zu verhalten, kann das Vorurteile sogar verstärken, besonders wenn die finanziellen Anreize öffentlich gemacht werden. 

Publikationen:

Bischofberger Jasper Amadeus, Saulin Anne, Zhou Yuqing and Hein Grit. 2025 Learning from financial rewards and punishments reduces the in-group bias in social approach without changing the in-group bias in impressions. R. Soc. Open Sci. 12:250061. https://doi.org/10.1098/rsos.250061

Zhou, Y., Lindström, B., Soutschek, A., Kang, P., Han, S., Tobler, P.N., Hein, G. (in press). Learning reduces Ingroup Bias More with Perceived Losses than Gains Across Cultures. npj Science of Learning.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Collage der Porträts von Jasper Bischofberger (braune lange Haare und Bart) und Grit Hein (kurze, blonde Haare)
Doktorand Jasper Bischofberger und Professorin Grit Hein untersuchten am Uniklinikum Würzburg, ob sich Menschen aus einer bestimmten Gruppe einer fremden Gruppe annähern, wenn sie dafür Geld erhalten. © Jasper Bischofberger / Cordula Buschulte
Visualisierung der Lernaufgabe auf 4 Bildschirmen: Figur nähert sich dem Rauten-Symbol und wird mit 5 Cent Abzug bestraft, sie entfernt sich dem Rautensymbol und wird belohnt.
Annäherungs-Vermeidungs-Lernaufgabe: Nach einer Fixierung von 1 bis 2 Sekunden wurde den Teilnehmenden eine Figur gezeigt, die sie selbst auf einer horizontalen Linie darstellte. Auf der rechten Seite der Linie wurde ein abstraktes Symbol angezeigt (Rauten- oder Sechseckform). Während der Entscheidungsphase hatten die Teilnehmer 6 Sekunden Zeit, um die Figur von ihrer Ausgangsposition auf der Skala zum Symbol auf der rechten Seite hin oder davon weg zu bewegen und ihre endgültige Position durch Drücken einer Taste zu bestätigen. Nach dieser Bestätigung informierte eine Beschriftung über der Figur („+0,05 €” oder „−0,05 €”) die Teilnehmer über das Ergebnis. © Bischofberger et al. 2025. Royal Society Open Science. https://doi.org/10.1098/rsos.250061

Wie Krebszellen aus der Brust ins Gehirn gelangen und dieser Weg gestoppt werden kann

Heinz-Walter Menke Stiftung fördert translationales Forschungsprojekt von Carolin Curtaz zur zerebralen Metastasierung bei Brustkrebs mit 25.000 Euro

Porträtbild von Carolin Julia Curtaz im Hochformat - die Ärztin in weißem Kittel hat dunkelblonde, lange, gelockte Haare und blaue Augen
Dr. Carolin Julia Curtaz ist Funktionsoberärztin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg, ihr translationales Forschungsprojekt zur zerebralen Metastasierung bei Brustkrebs wird mit 25.000 Euro von der Heinz-Walter Menke Stiftung gefördert. © Daniel Biscanp

Würzburg. Eine zerebrale Metastasierung ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen bei Brustkrebs. Dabei haben sich Krebszellen aus dem ursprünglichen Brusttumor über den Blutweg oder das Lymphsystem ins Gehirn ausgebreitet und dort Tochtergeschwülste gebildet. Je nach Lage und Größe können diese Metastasen Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, neurologische Ausfälle, epileptische Anfälle sowie Persönlichkeits- und Gedächtnisveränderungen hervorrufen. 

Warum hier die Blut-Hirn-Schranke keinen ausreichenden Schutz gewährleistet, erforscht Dr. Carolin Julia Curtaz, Funktionsoberärztin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg. Für die Aufklärung der molekularen Mechanismen der zerebralen Metastasierung bei Brustkrebspatientinnen erhielt sie gerade eine Forschungsförderung in Höhe von 25.000 Euro von der Heinz-Walter Menke Stiftung. 

Neue diagnostische und therapeutische Ansätze

In Kooperation mit Prof. Dr. Małgorzata Burek von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie untersucht Curtaz serumbasierte Faktoren wie Zytokine und microRNAs, die die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke beeinflussen und somit die Entstehung von Hirnmetastasen begünstigen können. Das Ziel dieses translationalen Projekts besteht darin, neue diagnostische und therapeutische Ansätze zu entwickeln, um betroffene Patientinnen frühzeitiger und gezielter behandeln zu können. 

„Unsere Forschung soll helfen, diese Prozesse besser zu verstehen und klinisch verwertbare Marker und Zielstrukturen zu identifizieren“, so Carolin Curtaz. Erste Ergebnisse aus dem Projekt wurden bereits auf Fachkongressen vorgestellt und publiziert. „Die Förderung ermöglicht uns nun vertiefte Analyse im Labor und den Aufbau weiterführender Studien“, freut sich Curtaz. 

 

Publikationen von Carolin Julia Curtaz zur Blut-Hirn-Schranke bei Brustkrebs: 

Curtaz CJ, Wucherpfennig S, Al-Masnaea E, Herbert SL, Wöckel A, Meybohm P, Burek M. High-throughput drug screening to investigate blood-brain barrier permeability in vitro with a focus on breast cancer chemotherapeutic agents. Front Drug Deliv. 2024 Jun 27;4:1331126. doi: 10.3389/fddev.2024.1331126. PMID: 40836976; PMCID: PMC12363248.

Die Studie untersuchte, wie man die Blut-Hirn-Schranke gezielt durchlässiger machen kann, um Medikamente bei Hirnmetastasen wirksamer ins Gehirn zu bringen. Von über 1.200 getesteten Substanzen steigerten 175 die Durchlässigkeit deutlich, darunter auch zwei Wirkstoffe, die schon in der Brustkrebstherapie genutzt werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Substanzen helfen könnten, die Wirksamkeit von Krebstherapien im Gehirn zu verbessern, müssen aber noch weiter geprüft werden.

Curtaz CJ, Reifschläger L, Strähle L, Feldheim J, Feldheim JJ, Schmitt C, Kiesel M, Herbert SL, Wöckel A, Meybohm P, Burek M. Analysis of microRNAs in Exosomes of Breast Cancer Patients in Search of Molecular Prognostic Factors in Brain Metastases. Int J Mol Sci. 2022 Mar 27;23(7):3683. doi: 10.3390/ijms23073683. PMID: 35409043; PMCID: PMC8999078.

Die Studie zeigt, dass bestimmte Moleküle (Mikro-RNAs) in winzigen Bläschen, den sogenannten Exosomen, Hinweise auf das Risiko für Hirnmetastasen bei Brustkrebs geben können. Bei Patientinnen mit Hirnmetastasen war eine Mikro-RNA (miR-576-3p) deutlich erhöht und eine andere (miR-130a-3p) erniedrigt. Diese Marker könnten in Zukunft helfen, über eine einfache Blutuntersuchung das Risiko für Hirnmetastasen frühzeitig einzuschätzen – müssen aber noch weiter überprüft werden.

Curtaz CJ, Kiesel L, Meybohm P, Wöckel A, Burek M. Anti-Hormonal Therapy in Breast Cancer and Its Effect on the Blood-Brain Barrier. Cancers (Basel). 2022 Oct 19;14(20):5132. doi: 10.3390/cancers14205132. PMID: 36291916; PMCID: PMC9599962.

In der Übersicht fasst Curtaz den aktuellen Wissensstand zur antihormonellen Therapie und ihren intrazerebralen Auswirkungen sowie ihren Effekten auf die Blut-Hirn-Schranke bei Brustkrebs zusammen.

Curtaz CJ, Schmitt C, Blecharz-Lang KG, Roewer N, Wöckel A, Burek M. Circulating MicroRNAs and Blood-Brain-Barrier Function in Breast Cancer Metastasis. Curr Pharm Des. 2020;26(13):1417-1427. doi: 10.2174/1381612826666200316151720. PMID: 32175838; PMCID: PMC7475800.

In dieser Publikation fasst Curtaz mit Team das Wissen über microRNAs zusammen, von denen bekannt ist, dass sie eine bedeutende Rolle bei Brustkrebs und/oder der Funktion der Blut-Hirn-Schranke spielen. Darüber hinaus werden bereits etablierte In-vitro-Modelle der Blut-Hirn-Schranke beschrieben, die ein nützliches Werkzeug für die Untersuchung der molekularen Mechanismen sind, die an der Bildung von Hirnmetastasen beteiligt sind.

Curtaz CJ, Schmitt C, Herbert SL, Feldheim J, Schlegel N, Gosselet F, Hagemann C, Roewer N, Meybohm P, Wöckel A, Burek M. Serum-derived factors of breast cancer patients with brain metastases alter permeability of a human blood-brain barrier model. Fluids Barriers CNS. 2020 Apr 22;17(1):31. doi: 10.1186/s12987-020-00192-6. PMID: 32321535; PMCID: PMC7178982.

Hier untersuchte Curtaz, wie Blutserum von Brustkrebspatientinnen die Blut-Hirn-Schranke beeinflusst. Es zeigte sich, dass nur das Serum von Patientinnen mit Hirnmetastasen bestimmte Botenstoffe (CX3CL1 und CXCL13) stark erhöht und dadurch die Schutzfunktion der Blut-Hirn-Schranke geschwächt wurde. Das könnte erklären, warum Krebszellen bei manchen Patientinnen besonders leicht ins Gehirn eindringen und dort Metastasen bilden.

Porträtbild von Carolin Julia Curtaz im Hochformat - die Ärztin in weißem Kittel hat dunkelblonde, lange, gelockte Haare und blaue Augen
Dr. Carolin Julia Curtaz ist Funktionsoberärztin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg, ihr translationales Forschungsprojekt zur zerebralen Metastasierung bei Brustkrebs wird mit 25.000 Euro von der Heinz-Walter Menke Stiftung gefördert. © Daniel Biscanp