Neurotrophine und mRNA
Verändert chronischer Schmerz die Aktivität von Genen und die genabhängige Synthese von Proteinen im Axon einer Schmerzfaser? Bei Neuropathien, also schmerzhaften Nervenentzündungen, wird über neurotrophe Faktoren wie Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF) und den Nervenwachstumsfaktor (NGF) die Funktion dieser sensorischen Nervenzellen verändert, sodass sich Schmerz chronifizieren kann. Beide Faktoren zählen zu den Neurotrophinen, deren Aufgabe die Stimulation von Wachstum und Vernetzung von Nervenzellen ist. Sie binden dabei an sogenannte Tyrosin Kinase Rezeptoren (TRK Rezeptoren) auf der Membranoberfläche der Nervenzelle und entfalten dadurch ihre Wirkung.
Unter deren kurz- oder längerfristiger Einwirkung auf die Nervenzelle kommt es jedoch möglicherweise zu einer Veränderung der mRNA-Verteilung in Nervenzellfortsätzen. Die zusätzliche Neusynthese von Proteinen in der Nähe synaptischer Kompartimente – den Zellregionen, welche für die Reizauslösung maßgeblich sind – kann wiederum die Erregbarkeit und die Signalübertragung auf andere Nervenzellen beeinflussen.
Forschungsziel
Im Projekt 8 von ResolvePain soll nun untersucht werden, wie sich unter Einwirkung von Neurotrophinen letztendlich die Erregbarkeit und deren Rückbildung in den Axonen der Nervenzellen verändern. Welche Botenstoffe sind dafür entscheidend und wie wirken sich welche Veränderungen der Verteilung von mRNA auf die Synthese von Proteinen aus?
Präklinische Studien
Mit speziellen Zellkulturtechniken von Neuronen werden Analysen aller exprimierten Gene, also alle Variationen der modifizierten Geninformationen, sowie der Transport der mRNA in Bezug auf die Erregbarkeit der Nervenzelle analysiert. Durchgeführt wird dies mit sogenannten Mikrofluidischen Kammern, die das Auswachsen von Nervenzellfortsätzen in einen separaten Teil der Zellkulturkammer erlauben.
Die daraus identifizierten Moleküle werden bezüglich ihrer Funktion bei der Schmerzanregung in weiterführenden Experimenten in Gewebeproben von Patientinnen und Patienten untersucht und ihre Bedeutung bei Schmerzrückbildungsmustern analysiert.
Klinische Studie
Parallel dazu wird die Neurotrophinwirkung in Proben von Patientinnen und Patienten mit komplexem regionalem Schmerzsyndrom oder mit Polyneuropathien, die oft als Nebenwirkungen des Chemotherapeutikums Bortezomib auftreten, untersucht und ihre Bedeutung bei der Schmerzauflösung festgestellt.
Moderne Techniken
In Kooperation mit der Universität Leipzig wird eine hochauflösende Mikroskopietechnik eingesetzt, um auch die strukturellen Veränderungen in den Zellen der Hinterwurzelganglien zu visualisieren.
Darüber hinaus werden durch P8 andere Projekte technisch unterstützt, etwa bei Techniken zur Zellkultur von Neuronen, die auf humanen Stammzellen basieren, oder laserassistierte qPCR aus Gewebeschnitten.
Bedeutung
Das Wissen um diese Mechanismen bei der Schmerzentstehung und -auflösung ist noch sehr begrenzt. Insbesondere Erkenntnisse über die molekularen und zellulären Funktionen von TRK-Rezeptoren unter Einfluss von Neurotrophinen und deren Folgen im Axon eines Schmerzrezeptors könnten neue Wege in der Schmerztherapie eröffnen.
Forschungsteam P8
Leitung
Univ.-Prof. Dr. med. Michael Sendtner
Institut für Klinische Neurobiologie
Universitätsklinikum Würzburg
PD Dr. rer. nat. Michael Briese
Institut für Klinische Neurobiologie
Universitätsklinikum Würzburg
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Team
Ankita Rawat, Doktorandin
Liste ausgewählter Publikationen
Briese M, Haberman N, Sibley CR, Faraway R, Elser AS, Chakrabarti AM, Wang Z, Konig J, Perera D, Wickramasinghe VO, Venkitaraman AR, Luscombe NM, Saieva L, Pellizzoni L, Smith CWJ, Curk T, and Ule J (2019)
A systems view of spliceosomal assembly and branchpoints with iCLIP
Nat Struct Mol Biol 2019, 26:930-940
Zur Publikation
Briese M, Saal-Bauernschubert L, Changhe J, Moradi M, Ghanawi H, Uhl M, Appenzeller S, Backofen R, Sendtner M (2018)
hnRNP R and its main interactor, the noncoding RNA 7SK, coregulate the axonal transcriptome of motoneurons
PNAS 2018. 115(12): E2859-E2868
Zur Publikation
Briese M, Saal L, Appenzeller S, Moradi M, Baluapuri A, Sendtner M (2016)
Whole transcriptome profiling reveals the RNA content of motor axons
Nucleic Acids Res 2016, 44:e33.
Zur Publikation
Hornburg D, Drepper C, Butter F, Meissner F, Sendtner M, Mann M (2014)
Deep proteomic evaluation of primary and cell line motoneuron disease models delineates major differences in neuronal characteristics
Mol Cell Proteomics 2014, 13:3410-3420.
Zur Publikation
Lüningschrör P, Binotti B, Dombert B, Heimann P, Perez-Lara A, Slotta C, Thau-Habermann N, Rüth von Collenberg C, Karl F, Damme M, Horowitz A, Maystadt I, Füchtbauer A, Füchtbauer EM, Jablonka S, Blum R, Üçeyler N, Petri S, Kaltschmidt B, Jahn R, Kaltschmidt C, Sendtner M (2017)
Plekhg5-regulated autophagy of synaptic vesicles reveals a pathogenic mechanism in motoneuron disease
Nature Comm. 2017, 8:678
Zur Publikation
Moradi M, Sivadasan R, Saal L, Luningschror P, Dombert B, Rathod RJ, Dieterich DC, Blum R, Sendtner M (2017)
Differential roles of alpha-, beta-, and gamma-actin in axon growth and collateral branch formation in motoneurons
J Cell Biol 2017, 216:793-814
Zur Publikation
Puehringer D, Orel N, Luningschror P, Subramanian N, Herrmann T, Chao MV, Sendtner M (2013)
EGF transactivation of Trk receptors regulates the migration of newborn cortical neurons
Nat Neurosci 2013, 16:407-415
Zur Publikation
Simon CM, Rauskolb S, Gunnersen JM, Holtmann B, Drepper C, Dombert B, Braga M, Wiese S, Jablonka S, Puhringer D, Zielasek J, Hoeflich A, Silani V, Wolf E, Kneitz S, Sommer C, Toyka KV, and Sendtner M (2015)
Dysregulated IGFBP5 expression causes axon degeneration and motoneuron loss in diabetic neuropathy
Acta Neuropathol 2015, 130:373-387
Zur Publikation
Sivadasan R, Hornburg D, Drepper C, Frank N, Jablonka S, Hansel A, Lojewski X, Sterneckert J, Hermann A, Shaw PJ, Ince PG, Mann M, Meissner F, Sendtner, M (2016)
C9ORF72 interaction with cofilin modulates actin dynamics in motor neurons
Nat Neurosci 2016, 19:1610-1618.
Zur Publikation
Yadav P, Selvaraj BT, Bender FL, Behringer M, Moradi M, Sivadasan R, Dombert B, Blum R, Asan E, Sauer M, Julien JP, Sendtner M (2016)
Neurofilament depletion improves microtubule dynamics via modulation of Stat3/stathmin signaling
Acta Neuropathol 2016, 132:93-110
Zur Publikation
Kontakt
Univ.-Prof. Dr. med.
Michael Sendtner
Leiter des Projekts Neurotrophe Faktoren (P8)
+49 931 201-44000
PD Dr. rer. nat.
Michael Briese
Leiter des Projekts Neurotrophe Faktoren (P8)
+49 931 201-44008 / -44005