Dr. von Oertzen, die berühmten ersten „100 Tage“ sind zwar noch nicht vergangen. Trotzdem die Frage: Wie waren die ersten Wochen hier am UKW? Dr. von Oertzen: „Was mir seit dem ersten Tag aufgefallen ist: Am UKW ist sehr viel in Bewegung, es gibt eine enorme Dynamik. Das empfinde ich als absolut positiv. Diese Dynamik zeichnet das UKW aus. Dazu möchte ich in den kommenden Jahren beitragen. Ein Teil dieser Dynamik sind natürlich die laufenden und anstehenden Bauprojekte. Aber gleichzeitig geht es ebenso um neue Prozesse und Abläufe im Klinikalltag. Ein anschauliches Beispiel, in dem beides zusammenkommt, ist die Arzneimittelversorgung, die im Zuge des Neubaus für die Apotheke im kommenden Jahr auf die Unit Dose-Versorgung umgestellt wird. Hinzu kommen viele erfolgreiche Forschungsprojekte verschiedener Fachgebiete und der Start für das NCT WERA, bei dem die Würzburger Universitätsmedizin die Koordination übernimmt. Zusätzlich ist mir aufgefallen, dass hier wirklich eine Kultur des Miteinanders gelebt wird. Das spürt man vielleicht gerade dann besonders, wenn man als Externer frisch ins Klinikum kommt.“ Ein gesellschaftlicher Megatrend ist neben der Digitalisierung auch der demographische Wandel. Was bedeutet eine immer älter werdende Gesellschaft für das UKW? Dr. von Oertzen: „Der demographische Wandel betrifft uns auf zwei Ebenen: Einmal mit Blick auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und natürlich ebenso mit Blick auf die Patientinnen und Patienten. Bei den Beschäftigten geht es darum, dass wir sie an uns binden können. Zum einen müssen wir für junge Kolleginnen und Kollegen in den verschiedensten Berufsgruppen attraktiv sein, zum anderen auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen eingehen. Hier wird sicherlich das Thema „Flexible Arbeitszeiten“ an Bedeutung gewinnen. Dabei ist z.B. auch der geplante Neubau der Betriebs-Kita enorm wichtig. Damit können wir unser Betreuungsangebot auf über 220 Plätze ausbauen. Und natürlich müssen wir uns auf immer älter werdende Patienten einstellen. Sowohl in der Behandlung, aber auch mit Blick auf das Thema Orientierung auf den Stationen oder im Entlassmanagement. Wenn Verwandte zum Teil entfernt wohnen und sich nicht um die Organisation kümmern können, ist das eine Herausforderung, die nicht nur das UKW betrifft. Der Umgang mit demenzerkrankten Patienten wird ebenfalls weiter zunehmen.“ Blicken wir nochmal auf das Erweiterungsgelände Nord: Was sind hier die Chancen für das UKW? Dr. von Oertzen: „Mit den beiden geplanten Bauabschnitten verlagern wir rund 40 Prozent unserer Betten, das ist enorm. Jetzt müssen wir bestmöglich planen: Wie wird die stationäre Versorgung in zehn bis 15 Jahren aussehen? Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung, etwa durch Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI)? Der Einsatz von KI bietet z.B. ein großes Potenzial, um zukünftig Routinearbeiten abzuwickeln. Und wie können wir die Flächen bestmöglich nutzen, um Prozesse zu vereinfachen? Davon profitieren die Patienten und natürlich unsere Beschäftigten. Wir betreiben aktuell mit großem Einsatz einen enormen logistischen Aufwand, den können wir zukünftig reduzieren und neugestalten, wenn viele der bisherigen Einzelstandorte wegfallen. Eine solche Chance zur räumlichen Neuorganisation in einer solchen Größenordnung gibt es nicht viele für Kliniken. Ich bin sicher, dass wir sie gemeinsam nutzen werden. Für die Unterstützung und das starke Bekenntnis des Freistaates Bayern zur Universitätsmedizin Würzburg bin ich sehr dankbar.“ Die Pläne für die kommende Krankenhausreform werden aktuell sehr intensiv und kontrovers diskutiert. Wie ist ihr Blick auf die aktuelle Diskussion? Dr. von Oertzen: „Ein wichtiger Punkt ist: Die Bedeutung der Universitätsklinika für die regionale Koordination der Versorgung wird von Bund und Ländern anerkannt. Schon jetzt übernehmen wir als Universitätsmedizin Würzburg wichtige Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben in der Region und verbessern so die Versorgung in der Fläche, nur ein Beispiel von vielen ist hier die Tele-Intensivmedizin. Diese Rolle der Universitätsmedizin soll in der jetzigen Planung der Reform gestärkt werden. Das begrüße ich sehr. Gleichzeitig brauchen wir die Kliniken im Umland und einen Plan für eine strukturierte Gesundheitsversorgung in der Region – hier gibt es in der aktuellen Diskussion leider noch offene Fragen, wie dies konkret aussehen soll. Bei dieser Diskussion steht jedoch fest: Unser Kernauftrag als Maximalversorger bleibt bestehen. Und das ist, die bestmögliche Versorgung für unsere Patientinnen und Patienten anbieten und neue Erkenntnisse in die breite Versorgung übertragen. Damit leistet die Universitätsmedizin einen wesentlichen Beitrag zum allgemeinen Ziel der Spitzenversorgung für alle.“
Herr Dr. von Oertzen, vielen Dank!
Das Gespräch führte Stefan Dreising.