„Mutig sein!“
Ärztin, Wissenschaftlerin, Mutter: Im Interview berichtet die Endokrinologin Prof. Dr. Stefanie Hahner von ihrem Weg in der Medizin und von den Hürden, die für Frauen immer noch bestehen.
Ein Teil des Jobs: den Nachwuchs betreuen
Spannendes Fachgebiet: Endokrinologie
Motivierend: der Patientenkontakt
Frau Prof. Hahner, wie kam es dazu, dass Sie Wissenschaftlerin geworden sind?
Ich wollte unbedingt in die Endokrinologie gehen, und nach dem Physikum war gerade eine Stelle für eine Doktorarbeit in diesem Fach ausgeschrieben. Diese Stelle habe ich bekommen – dann fing ich Feuer. Auch, weil ich Menschen begegnet bin, die begeistert von ihrem Thema und von der Wissenschaft waren. Die sich aber zugleich um Patientinnen und Patienten kümmern. Das beides miteinander zu verknüpfen und aus der einen Tätigkeit die Motivation für die andere zu schöpfen, hat mich beeindruckt.
Warum unbedingt die Endokrinologie?
Weil sie den gesamten Menschen betrifft – von den winzigen Hormonen, die so viele unterschiedliche Prozesse steuern, bis hin zu den großen Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Das ist ein unglaublich vielseitiges Fach, das den Menschen in all seinen Facetten betrachtet. Nicht nur körperlich, sondern über die Lebensspanne hinweg und auch in seinen Emotionen. Diese Vielseitigkeit und die tiefen Zusammenhänge haben mich von Anfang an fasziniert.
„Ich bin ganz einfach dem Weg gefolgt, der mich am meisten begeistert hat.“
Prof. Dr. Stefanie Hahner
Wie erleben Sie es, als Frau in der Forschung zu arbeiten?
Ich bin ganz einfach dem Weg gefolgt, der mich am meisten begeistert hat, und das ging auch überwiegend gut, wenn auch nicht ganz ohne Stolpersteine. Nach der Zeit als Ärztin im Praktikum war es schwierig, eine passende Anschlussstelle zu finden. Ich habe dann erstmal auf einer Naturwissenschaftlerstelle im Labor gearbeitet, um später meine ärztliche Ausbildung fortzusetzen. Ich wäre auch ins Ausland gegangen, um meine Forschung fortzusetzen. Oft war es einfach notwendig, den Willen, in der Wissenschaft zu bleiben und diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen, deutlich zu zeigen.
Hatten Sie weibliche Vorbilder oder Mentorinnen?
Es gab eine beeindruckende und sehr erfolgreiche Kollegin in der Endokrinologie, die mich mit ihrer unglaublichen Kompetenz und ihrem Wissen inspiriert hat. Später bin ich weiteren Kolleginnen begegnet, die mich beeindruckt haben. Insgesamt gab es aber (zu) wenig weibliche Vorbilder.
Wie bringen Sie Beruf und Privatleben unter einen Hut?
Als Mutter bin ich familiär eingebunden und muss Prioritäten setzen. Ich musste lernen, mit einer gewissen Zerrissenheit zu leben und mich von dem Gedanken verabschieden, beruflich und privat alles so gut zu schaffen, wie ich es mir vorstellte. Das kann mitunter schmerzhaft sein. Zum Glück habe ich einen Partner, der mich maximal unterstützt.
Woran arbeiten Sie aktuell, was begeistert Sie daran besonders – und was bedeuten die Ergebnisse für Patientinnen und Patienten?
Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit der Nuklearmedizin an neuen Bildgebungs- und Therapiemethoden für Patientinnen und Patienten mit Nebennierentumoren. Außerdem haben wir Register für Menschen mit Nebennierenunterfunktion beziehungsweise Unterfunktion der Nebenschilddrüsen etabliert. Wir sammeln Proben und Daten, zum Beispiel um die Qualität der Hormonersatztherapie zu untersuchen. Das hilft uns, die Behandlung zu verbessern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Die wird nämlich oft unterschätzt, auch wenn die Laborwerte im Normalbereich liegen. So können wir unser Verständnis für die Beschwerden der Betroffenen im Alltag erhöhen und ihnen gezielter helfen.
Was raten Sie Frauen, die eine Karriere in der Wissenschaft anstreben?
Es einfach tun, denn es ist sehr interessant und bereichernd. Sich bewusst sein, dass sich die Bedingungen in der Wissenschaft für Frauen bereits verbessert haben, auch wenn noch Luft nach oben ist. Mutig sein und sagen: Ich mache das jetzt und bringe mich ein. Wichtig ist auch, sich eine gut vernetzte und gut funktionierende Arbeitsgruppe zu suchen. Über die Einbettung in ein starkes Netzwerk wächst man in größere wissenschaftliche Verbindungen hinein. Man sollte nicht als Einzelkämpferin agieren, sondern Teil eines motivierten Teams sein, das mit Begeisterung zusammenarbeitet.
Was motiviert Sie an schwierigen Tagen, weiterzumachen und nicht aufzugeben?
Die Erfahrung, dass nach schwierigen Tagen immer auch gute kommen. Der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten, die wir ja im Blick haben, wenn wir forschen, und die uns motivieren. Das Erlebnis, mit den eigenen wissenschaftlichen Ergebnissen bereits einen positiven Einfluss auf die Behandlung gehabt zu haben. Neue, interessante Daten, die Freude der Doktoranden, der Austausch mit anderen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen ... Diese vielen positiven Momente gleichen die schwierigen Phasen aus und geben mir die Kraft, weiterzumachen.
Welche Hürden gibt es weiterhin für Frauen und wie sehen Sie die Zukunft für Frauen in der Wissenschaft – welche Entwicklungen wünschen Sie sich?
Die Zahl der Professorinnen nimmt langsam zu, aber nach wie vor streben weniger Frauen als Männer die kombinierte Tätigkeit aus Wissenschaft, Lehre und dem ärztlichen Beruf an. Ich denke, insbesondere viele Frauen zögern vor der Mehrfachbelastung, Klinik, Forschung, Lehre und gegebenenfalls Familie unter einen Hut zu bringen. Vereinbarkeit ist tatsächlich weiter eine Hürde, hier müssen wir flexibler werden. Ärztinnen und Ärzte, die den Brückenschlag schaffen zwischen Patientenversorgung und Forschung, sind sehr wichtig, um die Patientenversorgung weiter zu verbessern. Es braucht zudem mehr positive Rollenmodelle, die zeigen, dass es möglich ist, eine Balance zu finden. Solche authentischen Vorbilder könnten jüngeren Frauen helfen, ihren Weg in der Wissenschaft optimistisch und selbstbewusst zu gehen.