40 Jahre Transplantationen am UKW
Seit 1984 werden am UKW Organe transplantiert. Lebendspenden, auch über Blutgruppen hinweg, gehören zu den größten Fortschritten der letzten vier Jahrzehnte.
Als am 2. Dezember 1984 die erste Niere transplantiert wurde, begann für das Universitätsklinikum Würzburg ein neues Kapitel. Fast 1400 Nierentransplantationen folgten seitdem, außerdem Leber-, Herz- und Bauchspeicheldrüsen-Transplantationen. In der Zwischenzeit ist vieles passiert: Medizinische Innovationen haben die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Doch die steigende Nachfrage nach Organen, verbunden mit deutlich längeren Wartezeiten, stellt die Transplantationsmedizin vor große Herausforderungen. Zehn Jahre warten Patienten heute im Schnitt auf eine Niere, in den Neunzigern waren es 18 Monate. Aber die geringe Verfügbarkeit von Spenderorganen ist nicht der einzige Grund für diese Entwicklung. Immer mehr Patienten wollen transplantiert werden, auch viele ältere Menschen. Dadurch ist der Bedarf enorm gestiegen. „Fünf bis zehn unserer Patienten versterben pro Jahr auf der Warteliste“, sagt Prof. Dr. Kai Lopau, Transplantationsmediziner und Nephrologe. Die Lebendspende wird deshalb immer wichtiger.
Anfänge in den Neunzigern
Als Prof. Dr. Hubertus Riedmiller 1997 als Direktor der Klinik für Urologie ans UKW kam, steckte das Nieren-Lebendspendeprogramm noch in den Kinderschuhen. „Würzburg hat sich sehr frühzeitig an der Lebendspende beteiligt“, erinnert sich der Professor. Eine der Herausforderungen war, dass man zwei Operationssäle freihalten musste. Andererseits war hier die Zeitplanung viel besser. Denn es entfiel die oft stundenlange Wartezeit des gesamten OP-Teams bis zum Eintreffen des Organs.
„Die Ergebnisse der Lebendspenden waren sehr gut, denn die Qualität der Organe war deutlich besser als bei der Übertragung von Organen Verstorbener. Schließlich vergeht bei diesem Verfahren praktisch keine Zeit: In einem OP wird die Niere entnommen, im anderen steht schon alles bereit für das Einsetzen des Organs.“ Die Bereitschaft zur Lebendspende sei anfangs allerdings nicht so riesig gewesen wie erhofft. Laut Gesetz dürfen in Deutschland Ehepartner, eng Verwandte und persönlich dem Empfänger sehr nahestehende Personen spenden.
„Fünf bis zehn unserer Patienten versterben pro Jahr auf der Warteliste“
Prof. Dr. Kai Lopau
Vielen Patienten bleibt nur die Dialyse.
Die einzige Alternative ist die Lebendspende.
Gesundheit des Spenders steht über allem
Inzwischen ist die Lebendspende Routine und macht etwa ein Drittel aller Nierenspenden aus. Die Sicherheit des Spenders steht dabei über allem, schließlich operiert man einen gesunden Menschen. „Dass hier nichts passiert, ist für mich das Wichtigste“, so Prof. Lopau. „Deshalb bieten wir eine lebenslange, jährliche Spendernachsorge an.“
Die besten Aussichten auf ein langes Leben mit einem gut funktionierenden Spenderorgan haben Patienten, wenn sie noch vor dem Ausfall der Nierenfunktion transplantiert werden. Eine Lebendspende ist die einzige Möglichkeit, um dies zu erreichen. Doch was, wenn es keinen passenden Spender gibt? Seit 2004 bietet das UKW die Möglichkeit, über Blutgruppen hinweg zu spenden. Dafür wird das Immunsystem des Empfängers durch Medikamente und spezielle Blutreinigungsverfahren gezielt vorbereitet. Vielen Patienten, die sonst schlechte Chancen gehabt hätten, konnte so geholfen werden.
Spender und Empfänger müssen bei Lebendspenden in einer Beziehung zueinanderstehen, das schreibt das Gesetz vor. Das bedeutet, dass es nicht nur um Medizin geht, sondern auch um Psychologie, Recht, Ethik. Doch gerade das macht das Programm so interessant, findet Lopau. „Eine sehr gute Aufklärung ist wichtig, wir nehmen uns dafür viele Stunden Zeit.“ Dabei lernt man die Menschen oft gut kennen und entwickelt eine Beziehung zu ihnen.
Von den 207 Lebendspenden, die der Nephrologie-Chef in seiner Laufbahn betreut hat, sind ihm viele Ereignisse lebhaft in Erinnerung geblieben: „Die Komplikationen vergisst man nicht. Aber auch nicht die positiven Geschichten. Wenn zum Beispiel ein Spender- und Empfänger-Paar zusammen eine Weltreise macht, eine Frau nach einer Nierenspende schwanger wird oder jemand nochmal zehn Lebensjahre geschenkt bekommt, dann weiß man, warum man das alles macht.“
Prof. Dr. Kai Lopau, Kommissarischer Leiter der Nephrologie (v. l.), Dr. Anna Laura Herzog, Leiterin des Transplantationszentrums, PD Dr. Tim von Oertzen, Ärztlicher Direktor des UKW, und PD Dr. Johan Lock, Leiter der Hepatopankreatobiliären (HPB) und Transplantationschirurgie.
1984
Ein damals 33 Jahre alter Patient erhält die erste Niere in Würzburg. Seitdem wurden am UKW fast 1400 Nieren transplantiert.
1989
Die erste Herztransplantation wird in Würzburg durchgeführt.
1992
Die erste Niere wird von einem Lebendspender übertragen. Eine Mutter spendet ihrem Sohn das lebensnotwendige Organ. Die erste Lebertransplantation wird in Würzburg durchgeführt.
1997
Dank der Expertise von Prof. Riedmiller im Bereich des Blasenersatzes und der kontinenten Harnleitung kann – weltweit erstmalig – der gesamte Harntrakt ersetzt werden: zunächst die Blase durch Darmanteile, dann die Niere durch ein Spenderorgan.
1999
Erstmals wird eine kombinierte Bauchspeicheldrüsen- und Nierentransplantation durchgeführt. Der Patient, ein Typ-1-Diabetiker, der wegen chronischen Nierenversagens auf die Dialyse angewiesen ist, kann erstmals ohne Insulin und ohne Dialyse überleben.
2011
Erstmals wird eine Lebendspende über die Blutgruppe hinweg durchgeführt. Das heißt, Spender und Empfänger haben unterschiedliche Blutgruppen. Die Ergebnisse sind mittlerweile so gut wie bei einer „regulären“ Lebendspende.
2012
Einem Patienten wird erstmals ein Herz gemeinsam mit einer Niere transplantiert. Herzchirurgie und Urologie arbeiten bei der Operation eng zusammen.
2014
Eine junge Frau erhält von einem Verstorbenen eine Spenderniere. Es ist die 1000. Niere, die in Würzburg transplantiert wird.
2015
Das Transplantationszentrum am UKW wird als gemeinsame Organisation für das Leber-, Nieren-, Herz- und Bauchspeicheldrüsen-Transplantationsprogramm gegründet.
2020
In Würzburg wird erstmals eine Leberlebendspende durchgeführt.
2024
Im Mai werden die ersten Vorbereitungen für den Einsatz eines künstlichen Blutkreislaufsystems für die Leber getroffen, um die Organfunktion zu verbessern und die Zeit bis zur Transplantation unter idealen Bedingungen zu überbrücken.
Das Transplantationszentrum am UKW
Das Transplantationszentrum am Universitätsklinikum Würzburg ist seit 2015 die zentrale Anlaufstelle für Erwachsene mit akutem und chronischem Organversagen. Jedes Jahr erhalten hier 60 bis 70 Patienten ein lebensnotwendiges Spenderorgan. Es vereint alle wichtigen Abteilungen des Klinikums, um eine optimale medizinische Versorgung sicherzustellen.
Angeboten werden Programme für Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen, einschließlich der Möglichkeit von Lebendspenden. „Organtransplantation ist ein interdisziplinäres Geschehen. Durch die herausragende Expertise und hervorragende Zusammenarbeit aller Beteiligten können wir unseren Patienten trotz des eklatanten Spendermangels die bestmögliche und modernste medizinische Versorgung in dieser lebensbedrohlichen Situation bieten“, sagt die Leiterin des Transplantationszentrums, Dr. Anna Laura Herzog.
Ausstellung & Save the date
Fotoprojekt von KiO Youth: In dieser Ausstellung erzählen junge Organtransplantierte ihre außergewöhnlichen persönlichen Geschichten und gewähren Einblick in ihr gerettetes Leben. Wann? Noch bis zum 7. Januar 2025. Wo? Im Foyer des ZOM, Oberdürrbacher Str. 6, Würzburg.
Am 26.4.2025 findet zudem im Hörsaal des ZIM eine Jubiläumsfeier mit Vorträgen zum Thema statt. Über das Programm halten wir Sie auf der Homepage des Transplantationszentrums auf dem Laufenden.