Ein fast ganz normales Leben
Thomas Haas lebt seit über 40 Jahren mit Diabetes Typ-1. In dieser Zeit hat er viele Entwicklungen rund um die Erkrankung erlebt. Und er hat gelernt, unterstützt durch das UKW, mit der Krankheit umzugehen.
Zwar hilft Technik beim Diabetes-Management, dennoch sind Kenntnisse über Ernährung für Thomas Haas wichtig.
Viel Tageslicht strahlt in die unteren Stockwerke des Zentrums für Innere Medizin am UKW. In der hellen Atmosphäre sind die ambulanten Räume des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie gelegen. Hier beim Team der Diabetes-Ambulanz ist Thomas Haas regelmäßig zu Gast – zu Untersuchung und Beratung.
Als Jugendlicher erhielt der heute 57-Jährige die Diagnose Typ-1-Diabetes. Auffällig war es geworden, „als ich bei einem Ausflug sehr großen Durst bekam und extrem viel getrunken habe“. Sein Hausarzt überwies ihn an die Kinder-Uniklinik Würzburg. Hier wurde die Diagnose gestellt, die ab diesem Zeitpunkt sein Leben beeinflussen sollte.
„Rasch habe ich gelernt, die notwendigen Insulinspritzen zu setzen – erst mit Injektionsnadeln, später mit Injektionsgeräten, den Pens.“ In seinen über 40 Jahren mit Diabetes hat Thomas Haas vieles über Medikation, Ernährung und Signale seines Körpers gelernt. Und auch die Psyche spielt eine große Rolle: „Es gibt ein Leben neben der Erkrankung! Man darf sie nicht ignorieren, sich aber auch nicht von ihr vereinnahmen lassen.“
Einst schockiert – heute entspannt
Eine solche Diagnose ist für viele schwer zu verarbeiten. Das kann der gebürtige Würzburger gut nachvollziehen. Auch, weil die Krankheit meist in jüngeren Lebensjahren auftritt: „Für meine Familie und mich war das ein Schock und führte zu vielen Umstellungen. Ein Familienmitglied, das nicht mehr alles essen und trinken darf, ständig Medikamente braucht und häufig zum Arzt muss – das war einschneidend.“
Vorsorgeuntersuchungen besucht er nach wie vor regelmäßig, vor allem Zahn- und Augenarzt sowie Kardiologen. Sein Verhältnis zur Erkrankung hat sich längst entspannt. Auch wegen der modernen und alltagstauglichen Behandlungstechniken: „Mein Diabetes-Management hat von den Entwicklungen der letzten Jahre enorm profitiert“, freut er sich – und präsentiert seine automatische Insulin-Pumpe.
Ein Sensor misst unter der Haut den Zuckerwert im Gewebe, per Funk erreichen die Daten Insulinpumpe, Handy-App und Smartwatch.
Zuckerkontrolle mit Autopilot
Musste er früher mehrmals am Tag den Blutzuckerwert mit einem Blutstropfen per Piks in den Finger bestimmen, misst heute ein Sensor unter der Haut den Zuckerwert im Gewebe. Per Funk erreichen die Daten seine Insulinpumpe, Handy-App und Smartwatch. Über einen dünnen Schlauch regelt die Pumpe die basale Insulingabe, was den Blutzucker stabil hält. Mit zusätzlichem Insulin kann Thomas Haas auf Mahlzeiten reagieren.
Das System aus Sensor und Pumpe arbeitet wie ein Flugzeug, das auf Autopilot fliegt: Eigenständig wertet es Daten aus und erkennt Probleme wie Unterzuckerung und Stoffwechsel-Schwankungen, was vor allem im Schlaf wichtig ist. Aber es funktioniert nur dann reibungslos, wenn es vorab richtig eingestellt wurde und regelmäßig kontrolliert wird.
Pizza? Kein Problem!
Zwar hilft Technik beim Diabetes-Management, dennoch sind Kenntnisse über Ernährung für Thomas Haas wichtig: Vor allem über Kohlenhydrate, denn sie beeinflussen den Blutzuckerspiegel: Manche lassen den Blutzuckerspiegel rasch in die Höhe schießen, bei anderen hingegen steigt er gemächlich. Daran orientiert sich die Insulingabe nach dem Essen.
Weil er im Laufe der Zeit viel über Nahrungsmittel gelernt hat, muss er auf nichts verzichten: „Ich esse gerne mal eine Pizza. Das Fett darin verlangsamt den Anstieg des Blutzuckers. Daher warte ich mit der Insulingabe nach dem Essen etwas. Käme sie zu früh, bestünde die Möglichkeit einer Unterzuckerung.“
Dank gesellschaftlicher Trends zu gesünderem Essen gibt es viele Produkte, die Menschen mit Diabetes folgenlos genießen können. Verpflichtende Angaben auf Verpackungen bieten heutzutage einen schnellen Überblick über Nährwerte.
Technik und Therapie
Technik und Nahrungsmittel haben sein Leben ebenso erleichtert wie Therapie- und Beratungsangebote des Uniklinikums Würzburg, die nicht mit der ersten Zeit seiner Erkrankung vergleichbar sind. „Vor 41 Jahren erhielt ich meine Diagnose – und Spritzen von einer Krankenschwester, die mir nur mitteilte, dass ich Diabetes habe und dauerhaft Insulin nehmen müsse. Da fühlte ich mich schon etwas allein gelassen.“
Heute geht er mit einem guten Gefühl in die Diabetes-Ambulanz am UKW. Das liegt vor allem am engagierten Team, mit dem er Blutzuckerwerte, neue Medikamente und allgemeine Themen der Erkrankung bespricht. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen mich mit Rat und Tat“, lobt er. „Ob bei einem Notfall oder auch wenn ich einmal kurzfristig etwas benötige, hier in der Ambulanz wurde ich immer bestens betreut.“
Kümmern – nicht sorgen!
Besonders bewegen ihn die Kosten für die Technik und Medikamente: „Neue Geräte und Medikamente, die auf den Markt kommen, werden von Krankenkassen oft nur zögerlich bezahlt.“ Was er nicht versteht, denn ein verbessertes Diabetesmanagement führt nachweislich zu weniger Spätschäden und gesundheitlichen Folgekosten.
Ansonsten freut er sich über die Fortschritte der Diabetes-Forschung. Glukose-Messsysteme und Insulin-Pumpen werden von Patienten mit Typ-1-Diabetes vielfach genutzt.
Mindestens so wichtig wie die Technik ist für ihn aber die Sichtweise auf die Krankheit: „Man muss sie annehmen – und sich kümmern“, resümiert er. „Dann kann man mit ihr fast ganz normal leben.“