G-BA empfiehlt duale Lotsenstruktur bei unklarer Diagnose

Fachärztinnen und Fachärzte für psychische Gesundheit verbessern diagnostischen Prozess in Zentren für Seltene Erkrankungen

Würzburg. ZSE-DUO ist eine vom Uniklinikum Würzburg geleitete multizentrische Studie, in der eine neue Versorgungsform zur besseren Betreuung von Menschen mit unklaren und komplexen Beschwerden und Verdacht auf eine Seltene Erkrankung umgesetzt und untersucht wurde. Kern des Projekts war eine duale Lotsenstruktur an insgesamt elf deutschen Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE), bei der die Patientinnen und Patienten von Anfang an eine kombinierte Betreuung durch somatische und psychiatrisch-psychosomatische Fachärztinnen und Fachärzte erhielten. 

Aufnahme der dualen Betreuung in die Regelversorgung 

Die im EClinicalMedical publizierte Evaluation zeigt, dass die Einbeziehung einer Fachärztin beziehungsweise eines Facharztes aus dem Bereich Psychiatrie oder Psychosomatik die Diagnosefindung verbessert und beschleunigt, mehr Patientinnen und Patienten in die Regelversorgung überführt werden können, und die Zufriedenheit bei einer dualen Betreuung steigt. Nun hat auch der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum Projekt ZSE-DUO einen äußerst positiven Beschluss veröffentlicht. Er empfiehlt den relevanten Entscheidungsträgern eine Integration der neuen Versorgungsform in bestehende Vertrags- und Gesetzesregelungen zu prüfen. 

Anteil der Diagnosen in Interventionsgruppe mehr als doppelt so hoch 

Insgesamt erhielten Patientinnen und Patienten mit dualer Betreuung ihre Diagnose schneller und wurden häufiger zur Weiterbehandlung überwiesen als die Personen mit Standardversorgung. Der Anteil der Patientinnen und Patienten, die innerhalb von zwölf Monaten eine Diagnose erhielten, die ihre Symptome vollständig erklärte, war mit der innovativen dualen Versorgung mit 42 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Standardversorgung durch nur einen somatischen Facharzt mit 19 Prozent. Die Zahl der Erkrankten, die erfolgreich in die Regelversorgung überführt wurden, verdoppelte sich von 12,3 auf 27,5 Prozent. Während der Anteil der Seltenen Erkrankungen in beiden Gruppen ähnlich war, wurden in der Interventionsgruppe signifikant mehr psychische Störungen und nicht-seltene somatische Erkrankungen diagnostiziert. Und trotz der zusätzlichen Termine durch die psychiatrisch-psychosomatische Betreuung war die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten aus der Interventionsgruppe höher.

Psychische Symptome bis hin zu psychischen Erkrankungen

Weltweit sind schätzungsweise 300 Millionen Menschen von einer der rund 7.000 bis 10.000 Seltenen Erkrankungen betroffen. Aufgrund der unspezifischen Symptome und der Auswirkungen auf mehrere Organsysteme gleicht der Weg zur Diagnose oft einer Odyssee. Die komplexe Symptomatik umfasst häufig auch psychische Symptome bis hin zu psychischen Erkrankungen. Manchmal entwickeln sich die Symptome erst im Laufe der langwierigen Diagnostik, manchmal treten sie unabhängig von der Seltenen Erkrankung auf oder imitieren diese sogar. Aber: eine Seltene Erkrankung kann auch als psychische Erkrankung fehldiagnostiziert werden. 

„Die Ergebnisse unserer Studie sind eindeutig und legen eine interdisziplinäre Herangehensweise nahe. Die frühzeitige Einbeziehung einer Spezialistin oder eines Spezialisten für psychische Gesundheit sollte ein integraler Bestandteil der Diagnostik und Behandlung von Personen mit einer vermuteten Seltenen Krankheit sein“, sagt Prof. Dr. Helge Hebestreit, Direktor des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) am UKW. 

Der Ergebnis- und Evaluationsbericht sowie der Beschluss des G-BA zum Projekt ZSE-DUO können hier eingesehen werden.


Eine ausführliche Pressemitteilung zur Publikation im EClinicalMedical (https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2023.102260) gibt es hier

Beteiligte Einrichtungen: 
Für die Studie wurden Patientinnen und Patienten in den Zentren für Seltene Erkrankungen an den (Universitäts-)Klinika in Aachen, Bochum, Frankfurt/Main, Hannover, Magdeburg/Halle, Mainz, Münster, Regensburg, Tübingen Ulm und Würzburg rekrutiert. An der Datenanalyse waren Einrichtungen des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Medizinische Hochschule Hannover und der Universität Würzburg beteiligt. Weitere Konsortialpartner waren ACHSE e.V., die Techniker Krankenkasse; IKK gesund plus. Die AOK Hessen war als Kooperationspartner dabei. 

Die Studie wurde durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses in Deutschland finanziert, Förderkennzeichen 01NVF17031.

Kontakt: Prof. Dr. Helge Hebestreit: zese@ukw.de, Telefon: +49 931 201-29029 


Text: Kirstin Linkamp / UKW

 

Fallbesprechung des Teams im Büro von Helge Hebestreit
Prof. Dr. Helge Hebestreit (zweiter von links) hat in einer multizentrischen Studie gezeigt, dass die Beurteilung einer Seltenen Erkrankung mit der Einbeziehung einer Expertin oder eines Experten für psychische Gesundheit in sämtliche Aspekte der Diagnostik – von der Bewertung der Krankenakten über Klinikbesuche, telemedizinische Versorgung bis hin zu Fallkonferenzen – besser gelingt. © Kirstin Linkamp / UKW
Fallbesprechung des Teams im Büro von Helge Hebestreit

Prof. Dr. Helge Hebestreit (zweiter von links) hat in einer multizentrischen Studie gezeigt, dass die Beurteilung einer Seltenen Erkrankung mit der Einbeziehung einer Expertin oder eines Experten für psychische Gesundheit in sämtliche Aspekte der Diagnostik – von der Bewertung der Krankenakten über Klinikbesuche, telemedizinische Versorgung bis hin zu Fallkonferenzen – besser gelingt. © Kirstin Linkamp / UKW

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