Die Geschichte der Psychiatrie in Würzburg

Die Behandlung psychischer Erkrankungen hat in Würzburg eine Tradition von nahezu 450 Jahren. Der Wandel von Zeiten und Normen im Laufe der Jahrhunderte beeinflusste den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert der Psychiatrie und schrieb eine eigene Geschichte. Das Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Werdegang chronologisch für Würzburg darzustellen und dabei auch die Schatten der Vergangenheit – die Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus – zu beleuchten.

Aufzeichnungen über 450 Jahre

Lange bevor die Erwachsenenpsychiatrie sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie die Klinik an heutiger Stelle bezogen haben, wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen in Würzburg behandelt. Die Mainmetropole zählt auch zu den ersten deutschen Städten, in denen das Fach Psychiatrie systematisch gelehrt und erforscht wurde. An der Julius-Maximilian-Universität, die ihrerseits wiederum eine der ältesten Universitäten Deutschlands ist, wurde bereits 1863 der erste Lehrstuhl für Psychiatrie eingerichtet und damit das Fach institutionalisiert.

Die Geschichte des Fachs Psychiatrie in Würzburg

Die folgende Zeittafel gibt einen kurzen Überblick über wichtige Meilensteine in der Geschichte der Psychiatrie in Würzburg:

  • 1583: Im Julius-Spital wird erstmals eine Abteilung zur stationären Behandlung psychisch Erkrankter eröffnet
  • 1833: Gründung der ersten Psychiatrischen Klinik im Julius-Spital
  • 1863: Der erste Lehrstuhl für Psychiatrie wird eingerichtet. Psychiatrische Forschung und Lehre werden damit erstmals institutionalisiert.
  • 1893: Eröffnung der Nervenklinik in der Füchsleinstraße
  • 1939 – 1945: Leitende Beteiligung des Lehrstuhlinhabers an der T4-Aktion. Außenstelle des Konzentrationslagers (KZ) Flossenbürg auf dem Gelände der Klinik.
  • 1965: Beginn des Neubaus in seiner heutigen Form
  • 1971: Umzug der Psychiatrischen Klinik in das Gebäude der alten Universitäts-Augenklinik am Röntgenring
  • 1978: Der erste Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird in Würzburg gegründet. Die  Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird eröffnet.
  • 1981: In einem feierlichen Akt wird die neue Psychiatrische Klinik in der Füchsleinstraße 15 ihrer Bestimmung übergeben.
  • 2013: Gründung des Zentrums für Psychische Gesundheit (ZEP)
  • 2018: Gründung des Interdisziplinären Zentrums für Angsterkrankungen als erstes Psychiatrisches A-Zentrum in Deutschland
  • 2019: Gründung des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung Psychische Gesundheit

Aufarbeitung der Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Aufarbeitung der Rolle der Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 ist den Mitgliedern des ZEP ein großes Anliegen, insbesondere weil der damalige Würzburger Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie, Werner Heyde, federführend an der sogenannten T4-Aktion beteiligt war. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die systematische Ermordung von über 200 000 Menschen mit körperlichen, geistigen und psychischen Erkrankungen  unter Leitung der Zentraldienststelle T4 zwischen 1940 und 1945. Dieser Personenkreis wurde als lebensunwertes Leben erachtet und deren Ermordung als „Euthanasie“ gerechtfertigt.

Mahnmale in Stein

Bereits im Jahr 2008 wurde ein Stolperstein in Erinnerung an eines der Euthanasieopfer vor dem Gebäude in der Füchsleinstraße verlegt, im Jahr 2017 dann ein weiterer. Im Jahr 2014 wurde im Rahmen der Veranstaltung „Euthanasie“ und Zwangssterilisation in Würzburg zur Zeit des Nationalsozialismus eine Gedenkstele im alten Torbogen der Nervenklinik aufgestellt. Eine der knapp 1000 Frauen, die allein in Würzburg diesem Verbrechen zum Opfer fielen, war die Patientin Margarete Höppel. Auf Veranlassung des ZEP wurde 2016 in Gedenken an sie und stellvertretend für alle anderen Opfer die Adresse der Psychiatrischen Klinik von Füchsleinstraße 15 in Margarete-Höppel-Platz 1 umbenannt.

Ausstellung und Aufklärung

Im Jahr 2017 holte das ZEP die Wanderausstellung „Erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) für zwei Monate nach Würzburg. Die Dokumentation mit bewegenden Fotos von Opfern und Tätern, von Maßnahmen und Vorgehen bei der Umsetzung des politischen Programms einer rassehygienischen Politik war national und international an 76 Standorten in acht verschiedenen Ländern und auf fünf Kontinenten zu sehen.

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