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Meilenstein in Myelom-Behandlung: CAR-T-Zell-Therapie toppt Standardbehandlung

Internationale Studie von Hermann Einsele als Letztautor zeigt zum ersten Mal in randomisierter Form eine Überlegenheit der CAR-T Zelltherapie gegenüber einer konventionellen Therapie beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom

Porträtfoto von Hermann Einsele am Schreibtisch
Prof. Dr. Hermann Einsele hat die Phase-3-Studie CARTITUDE-4 mitkonzipiert und fungiert als Letztautor. Die Studie zeigt zum ersten Mal in randomisierter Form eine Überlegenheit der CAR-T Zelltherapie gegenüber einer konventionellen Therapie beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom. © UKW
Hermann Einsele bei einer Präsentation
Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg und Sprecher des NCT WERA, gilt als Meinungsführer in der CAR-T-Zelltherapie, er hat diese als erster in Europa klinisch eingesetzt. © Arnika Hansen / UKW

Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 7.000 Menschen die Diagnose Multiples Myelom. Dauerhaft geheilt werden kann diese Krebserkrankung, die von veränderten Plasmazellen im Knochenmark ausgeht, noch nicht. Denn auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie müssen die Betroffenen immer mit einem Rezidiv rechnen. Als große Hoffnungsträger gelten Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den so genannten CAR-T-Zellen. Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg und Sprecher des neu gegründeten NCT WERA, hat eine internationale Studie mitkonzipiert und entwickelt, die jetzt erstmals in randomisierter Form eine Überlegenheit der CAR-T-Zelltherapie gegenüber einer konventionellen Behandlung beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom (in der 2. und 4. Therapielinie) gezeigt hat. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine (doi: 10.1056/NEJMoa2303379) veröffentlicht und gerade auf dem europäischen Hämatologen-Kongress in Frankfurt (European Hematology Congress EHA 2023) als Meilenstein in der Myelom-Therapie bewertet.

Patienten, die auf Lenalidomid refraktär waren, profitierten von einmaliger Cilta-Cel-Infusion

In der Phase-3-Studie CARTITUDE-4 wurden Patientinnen und Patienten mit einem Lenalidomid-refraktären Multiplen Myelom entweder mit der CAR-T-Zelltherapie Ciltacabtagene Autoleucel, kurz Cilta-Cel, oder mit einer wirksamen Standardtherapie nach Wahl des Behandelnden therapiert. „Der Einsatz von Lenalidomid ist als Frühtherapie und auch als Erhaltungstherapie weit verbreitet“, erläutert Hermann Einsele. „Jedoch entwickeln die Betroffenen häufig eine Resistenz gegen den Immunmodulator, sodass sie auf diese Therapie nicht mehr ansprechen. Bei Patienten mit einer Lenalidomid-refraktären Erkrankung ist die Prognose extrem ungünstig, das mediane erkrankungsfreie Überleben bei bisherigen Therapien liegt bei unter zwölf Monaten. Daher besteht ein dringender Bedarf an neuen, frühzeitig wirksamen Therapien.“

Geringeres Risiko für Fortschreiten des Multiplen Myeloms oder Tod

In früheren Studien wurde bereits gezeigt, dass die chimäre Antigenrezeptor-T-Zell-Therapie Cilta-Cel, die gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) gerichtet ist, bei Personen mit rezidiviertem oder refraktärem Multiplem Myelom zu einem frühen langanhaltendem tiefen Ansprechen führt. „Im direkten Vergleich mit der Standardbehandlung konnten wir nun zeigen, dass die CAR-T-Zell-Therapie mit einer einzelnen Cilta-Cel-Infusion zu einem deutlich geringeren Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung oder den Tod führt“, freut sich Hermann Einsele, der bei der Studie als Letztautor fungiert. 

Insgesamt wurden für die Phase-3-Studie 419 Patientinnen und Patienten randomisiert, 208 Personen erhielten die Behandlung mit Cilta-Cel und 211 die Standardtherapie. In der Intention-to-treat-Analyse betrug das progressionsfreie Überleben nach zwölf Monaten in der Cilta-Cel-Gruppe 75,9 % und in der Standardbehandlungsgruppe 48,6 %. In der Cilta-Cel-Gruppe wiesen außerdem mehr Personen als in der Standardbehandlungsgruppe ein Gesamtansprechen (84,6 % gegenüber 67,3 %), ein vollständiges Ansprechen oder besser (73,1 % gegenüber 21,8 %) und keine minimale Resterkrankung (60,6 % gegenüber 15,6 %) auf. Noch beeindruckender war die Per-Protokoll-Analyse der Patienten, welche tatsächlich mit einer CAR-T-Zell-Infusion behandelt wurden: Die Ansprechrate betrug 99,4 % - das heißt: nur 1 von 176 behandelten Patienten sprach nicht an. 86 % der Patienten konnten eine komplette Remission erreichen und 90 % waren nach zwölf Monaten noch krankheitsfrei.

Hoffnung auf längere Krankheitsfreiheit und Heilungsoptionen durch frühe Anwendung

„Die bisherigen Ergebnisse mit der CAR-T-Zell-Therapie beim Multiplen Myelom – nach 6 Linien Vorbehandlung ein krankheitsfreies Überleben von 34.9 Monaten – lassen erhoffen und vermuten, dass die hier erfolgte frühere Anwendung nach 1 bis 3 Vortherapien bei dem exzellenten Ansprechen noch deutlich längere Krankheitsfreiheit und sogar Heilungsoptionen eröffnet“, resümiert Hermann Einsele.

Porträtfoto von Hermann Einsele am Schreibtisch
Prof. Dr. Hermann Einsele hat die Phase-3-Studie CARTITUDE-4 mitkonzipiert und fungiert als Letztautor. Die Studie zeigt zum ersten Mal in randomisierter Form eine Überlegenheit der CAR-T Zelltherapie gegenüber einer konventionellen Therapie beim fortgeschrittenen Multiplen Myelom. © UKW
Hermann Einsele bei einer Präsentation
Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg und Sprecher des NCT WERA, gilt als Meinungsführer in der CAR-T-Zelltherapie, er hat diese als erster in Europa klinisch eingesetzt. © Arnika Hansen / UKW

Smart-CAR-T: Immuntherapien für feindliche Tumorumgebung wappnen

Würzburger Krebsforschung gewinnt mit Kooperationspartnern hart umkämpftes TRANSCAN-3-Projekt. 1,3 Millionen Euro für die Erforschung neuer Schlüsselkomponenten im Tumormikromilieu beim Multiplen Myelom und kleinzelligem Lungenkarzinom sowie für die Entwicklung modifizierter CAR-T-Zelltherapien

Grafik, wie sich die gentechnisch veränderten T-Zellen mit modulierenden Faktoren und zytotoxischen Molekülen gegen negative Einflüsse des Tumormikromilieus wappnen und die Tumorzellen besser zerstören können.
SmartCAR-T-Zellen sind gentechnisch veränderte Immunzellen von Krebskranken, die besser gegen die negativen Einflüsse des Tumormikromilieus gewappnet sind, sodass sie bösartige Zellen erkennen, erreichen und zerstören. © UKW / Maik LUU
Das Bild zeigt Michael Hudecek und Maik Luu im Labor.
Michael Hudecek (links) und Maik Luu vom Universitätsklinikum Würzburg koordinieren das TRANSCAN-3-Projekt mit dem Namen SmartCAR-T. © UKW

Würzburg. Schwer behandelbare Krebserkrankungen zeichnen sich unter anderem durch ein spezielles Tumormikromilieu aus. Verschiedene physikalische und immunologischen Barrieren umgeben den Tumor und schirmen ihn ab, was die Wirksamkeit von Immuntherapien beeinflusst. Insbesondere Therapien mit genmodifizierten Immunzellen wie CAR-T-Zellen, die einen chimären Antigen-Rezeptoren (CAR) tragen, um die Tumorzellen zu attackieren, verlieren in dieser feindlichen Umgebung an Effektivität.

Die Identifizierung der Schlüsselfaktoren, welche diese feindliche Umgebung ausmachen, hat sich das SmartCAR-T-Konsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Hudecek vom Universitätsklinikum Würzburg im neuen EU-Projekt TRANSCAN-3 zur Aufgabe gemacht. Im Fokus seiner Forschung stehen beispielhaft die Mikromilieus von zwei schwer behandelbaren Tumorentitäten, so genannten Hard-To-Treat Cancers: das Multiple Myelom für hämatologische Krebserkrankungen, also jene, die das blutbildende System betreffen, sowie das kleinzellige Lungenkarzinom für den soliden Tumor. Zu den wichtigsten Komponenten der Tumormikroumgebung, welche die Funktion der CAR-T-Zellen beeinträchtigen, gehören stromale Fibroblasten und regulatorische Immunzellen. Die Zusammensetzung soll nun genauer definiert werden.

CAR-T-Zellen gegen hemmende Einflüsse der Tumormikroumgebung wappnen

Basierend auf diesen neuen Erkenntnissen will das internationale Team SmartCAR-T-Zellen entwickeln, welche die Tumormikroumgebung beim Multiplen Myelom und beim kleinzelligen Lungenkarzinom zerstören oder modifizieren können. Durch fortschrittliche Gentechnik sollen die CAR-T-Zellen gegen die negativen Einflüsse gewappnet werden, sodass sie sich ihren Weg zum Tumor bahnen und diesen effektiv und dauerhaft bekämpfen können. Die vielversprechendsten Veränderungen sollen gleichsam als Grundlage für den Einsatz in weiteren Tumorentitäten dienen. Ziel ist schlussendlich die Schaffung einer Plattform für SmartCAR-T-Zellen, die schnell an andere schwer behandelbare Tumorarten angepasst werden kann. Die modifizierten CAR-T-Zellen könnten somit als Einzeltherapie eingesetzt werden, ohne dass eine teure Kombinationstherapie erforderlich ist. Dies ermögliche eine ökonomische Herstellung und einen breiten Zugang für Patientinnen und Patienten mit Nachhaltigkeit für das Gesundheitssystem.

1,3 Millionen Euro im Rahmen des ERA-NET on Translational Cancer Research (TRANSCAN)

Das Projekt wird von der EU mit 1,3 Millionen Euro im Rahmen des „ERA-NET on Translational Cancer Research", kurz TRANSCAN, gefördert. In TRANSCAN-3 bündeln inzwischen 31 Förderinstitutionen aus 20 europäischen und assoziierten Staaten ihre translationale Krebsforschung. Der Wettbewerb ist entsprechend groß und hart umkämpft. Denn das Funding erfolgt durch die nationalen Institutionen. Jedes Land muss seine Kapazitäten verteilen und sein „Go“ für Projektbeteiligungen geben. Das Konsortium konnte also nur als Ganzes bestehen. Und es bestand. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat den Universitätsklinken in Würzburg und Freiburg grünes Licht gegeben, weitere Zusagen kamen von Frankreich, Belgien, Canada und der Türkei. Die EU erteilte jetzt die offizielle Förderzusage.

Internationale Vernetzung sorgt für starke Synergien

Die Idee für das Projekt kam aus der Universitätsmedizin Würzburg, wo die CAR-T-Zell-Technologie stark verankert ist und durch Prof. Hermann Einsele, Michael Hudecek und ihren Arbeitsgruppen in der Medizinischen Klinik II und am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie stetig weiterentwickelt wird. Hier kommen Gen-Transfer, Genom-Editierung, präklinische Testung bis hin zur GMP-Produktion zum Einsatz, um die Therapien bis in die klinische Versorgung zu bringen. Ein weiterer wichtiger und gewinnbringender Aspekt ist das Netzwerk. „Mit unserem EU-Konsortium T2Evolve, das wir als Koordinatoren mitbetreuen, haben wir ein großes Netzwerk mit exzellenten Innovatoren auf dem Gebiet der Immuntherapie, deren Expertise im SmartCAR-T-Projekt unverzichtbar ist“, betont Michael Hudecek.

So arbeitet der Mediziner mit seinem Team schon lang sehr eng und gut mit Dr. Emmanuel Donnadieu vom INSERM Institut Cochin in Paris zusammen, dessen Spezialgebiet die Tumorumgebung und Immunzellmigration ist. Gemeinsam mit Robert Zeiser von der Universitätsklinik Freiburg haben sie zudem CAR-T-Zellen und Rezeptoren gegen das sehr schwer zu behandelnde kleinzellige Lungenkarzinom generiert. In Zusammenarbeit mit Prof. Cem Mirili vom Private Ortadogu Hospital im türkischen Adana, hat die Uniklinik Freiburg wiederum entdeckt, dass es hier verschiedene Immunzellen gibt, die einen hemmenden Charakter haben. Prof. Jo Caers vom CHU de Liège in Belgien hingegen ist spezialisiert auf die Signalwege und Immuntherapien beim Multiplen Myelom. Und Prof. Paola Neri von der University of Calgary gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der transkriptionellen Analyse und stellt für das Projekt eine große Biobank an Proben vom Multiplen Myelom zur Verfügung

„Wir konnten ein außerordentlich komplementäres Team zusammenstellen und freuen uns sehr auf diese synergistische Kombination, die sich ergeben wird“ resümiert Michael Hudecek.

Auch Maik Luu, Nachwuchs-PI am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie, ist begeistert über die wohlwollende Bewertung des Proposals: „Für mich als Nachwuchswissenschaftler, der das Proposal unter den wachsamen Augen von Michael Hudecek geschrieben hat, und das sich nun, umringt von anderen kompetitiven Gruppen, die genauso starke Ideen hatten, durchsetzen konnte, ist das eine tolle Bestätigung dessen, was wir hier tun und ich freue mich, Teil des Projekts zu sein.“

Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und Sprecher des jüngst vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ernannten Standorts NCT WERA ergänzt: „Im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen NCT ist die Behandlung von schwer zu behandelnden oder therapierefraktären Tumorerkrankungen und vor allen die Eröffnung neuer Behandlungsmöglichkeiten eine ganz wichtige Aufgabe. Dieser Themenkomplex wird auch in dem neuen TRANSCAN-3 Projekt adressiert, in dem es unter Einbindung von mehreren exzellenten internationalen Partnern darum geht, bei zwei schwer zu behandelnden Tumorerkrankungen, nämlich dem Lungenkrebs und dem Multiplen Myelom, durch eine bessere Charakterisierung des den Tumor-umgebenden Gewebes und durch Optimierung der Immuntherapie neuartige und vor allem erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.“

Förderung des Projekts SmartCAR-T

  • TRANSCAN-3, ERA-NET: Sustained collaboration of national and regional programmes in cancer research
  • Joint Translation Call for Proposals 2021 (JTC 2021) co-funded by the European Comission/ DG Research and Innovation: “Next generation cancer immunotherapy: Targeting the tumour microenvironment”
  • Drittmittelförderung von 1,339 Mio €
  • https://transcan.eu/output-results/funded-projects/smartcar-t.kl

Förderung für Optimierung der CAR-T-Zelltherapie beim Multiplen Myelom

Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert präklinisches Forschungsprojekt von Dr. Sophia Danhof vom Uniklinikum Würzburg und Prof. Dr. José Martínez-Climent aus Pamplona mit 366.000 Euro, um die CAR-T-Zelltherapie beim Multiplen Myelom zu verbessern.

Bild von Sophia Danhof im Labor
Sophia Danhof skizziert im Labor die Interaktion von Immunzellen mit der CAR-T-Zelltherapie und untersucht, wie man das Multiple Myelom empfindlicher gegen Immuntherapien machen kann. © Kirstin Linkamp / UKW
Bild von Sophia Danhof am Flow Cytometer
Sophia Danhof am Flow Cytometer. Mithilfe der Durchflusszytometrie, bei der Laser und Fluoreszenzfarbstoffe zum Einsatz kommen, analysiert die Medizinerin spezifische Strukturen einzelner Zellen. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Wenn Dr. Sophia Danhof ihren Patientinnen und Patienten bei der Erstdiagnose sagen muss, dass sie eine Krebserkrankung haben, die nicht heilbar ist und sie aller Voraussicht daran versterben werden, so ist das jedes Mal aufs Neue frustrierend für die junge Ärztin. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 7.000 Menschen am Multiplen Myelom, das nach Leukämie die zweithäufigste Form von Blutkrebs ist. „Ich kann den Betroffenen jedoch aufrichtig versichern, dass wir alles tun, um ihre Krankheit bestmöglich zu kontrollieren, und darauf hoffen, sie in ein paar Jahren oder Jahrzehnten vielleicht sogar heilen zu können“, berichtet Sophia Danhof. „Und das beflügelt mich.“ Die Internistin und Mutter einer vierjährigen Tochter leitet neben ihrer klinischen Tätigkeit in der Hämatologie am Universitätsklinikum Würzburg ein so genanntes Early Career Project am Würzburger Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum. Hier hat die 36-jährige Nachwuchsgruppenleiterin jetzt gemeinsam mit Prof. Dr. José Martínez-Climent der Universidad de Navarra im spanischen Pamplona eine 36-monatige Förderung der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung von insgesamt 366.000 Euro eingeworben. Ziel ist die Optimierung der CAR-T-Zelltherapie in genetisch determinierten Mausmodellen des Multiplen Myeloms.

Immuntherapie verlängert Remissionsdauer

Die CAR-T-Zelltherapie ist ein großer Hoffnungsträger in der Therapie von Blutkrebs. Dabei werden körpereigene Immunzellen der Betroffenen, die T-Zellen, im Labor mit künstlichen Rezeptoren ausgestattet. Diese chimären Antigenrezeptoren (CAR) helfen den Immunzellen dabei, den Tumor zu erkennen und zu eliminieren. Eine einmalige Infusion von CAR-T-Zellen kann bei bestimmten Blutkrebserkrankungen zu einer dauerhaften Remission, also zum Nachlassen der Symptome, oder gar zur Heilung führen. „Doch leider nicht beim Multiplen Myelom“, erklärt Sophia Danhof. „Die Betroffenen sprechen zwar zunächst auf die CAR-T-Zelltherapie an, doch früher oder später kommt es häufig dennoch zum Rezidiv.“ Ein Grund für die verminderte Immunreaktion könnten genetische Veränderungen sein. Die so genannte MYC-Deregulation zum Beispiel ist eine treibende Mutation, die gehäuft beim Multiplen Myelom auftritt und dazu führt, dass sich die Krebszellen stark vermehren und dem Immunsystem entgehen.

Neuartige Mausmodelle rekapitulieren präzise die menschliche Erkrankung

José Martinez-Climent hat mit seiner Forschungsgruppe in Pamplona sieben Jahre lang dieses Myelom-Modell in Mäusen mit voll kompetentem Immunsystem entwickelt, sodass Sophia Danhof mit ihrer Arbeitsgruppe in Würzburg nun im präklinischen Modell die Situation im Patienten komplett nachstellen und die Interaktion von Immunzellen mit der CAR-T-Zelltherapie genau skizzieren und untersuchen kann. „Wir versuchen aber nicht nur die Immuntherapie genauer zu verstehen, sondern arbeiten auch daran, den Tumor selbst empfindlicher für Immuntherapien zu machen, damit er schlussendlich und hoffentlich komplett verschwindet“, fasst Sophia Danhof ihr Forschungsziel zusammen.

Interaktion von Tumorzellen, CAR-T-Zellen und anderen Immunzellen

Dazu gilt es einen ganzen Strauß an Fragestellungen abzuarbeiten. Wie lange bestehen die CAR-T-Zellen, um das Myelom abzuräumen? Wie entwickeln sich die CAR-T-Zellen? Verändern sie sich mit der Zeit? Können sie ein immunologisches Gedächtnis bilden, damit die Betroffenen ein für alle Mal resistent sind gegen ihr Myelom. Welche Rolle spielen die anderen Immunzellen? Und wie verhalten sich die Tumorzellen? Verstecken sich die Myelomzellen? Wandern sie ab in andere Organe, wo die CAR-T-Zellen schlecht hinkommen? Verlieren sie die Zielstruktur, gegen die die CAR-T-Zellen gerichtet sind? Oder bilden sie Immun-Checkpoints, also Oberflächenmoleküle, mit denen die Tumorzelle der T-Zelle signalisiert, dass sie gar nicht da ist?

Relevanter Beitrag um Heilungschancen beim Multiplen Myelom zu verbessern

„Darüber hinaus werden wir in diesen Tiermodellen Ansätze erproben, wie weiterentwickelte CAR-T-Zellprodukte oder Kombinationen mit anderen Therapeutika die Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie beim Multiplen Myelom verbessern können“, erläutert Sophia Danhof. Und Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II, ergänzt: „Mit der Universidad de Navarra kooperieren wir bereits erfolgreich im Rahmen der klinischen Studie CARAMBA. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir die hier gewonnenen Erkenntnisse später ebenfalls in die klinische Anwendung bringen. Damit hat das Projekt das Potential, einen relevanten Beitrag zu leisten, um das Multiple Myelom künftig zu einer heilbaren Erkrankung zu machen.“ Und Dr. Ulrike Serini Knoll, Geschäftsführung der José Carreras Leukämie-Stiftung freut sich: „Es wäre wunderbar, mit diesem Projekt dem Ziel von José Carreras einen weiteren Schritt näher zu kommen. Blutkrebs muss heilbar werden. Immer und bei jedem.“

Über die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung:

Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert wissenschaftliche Forschungs-, Infrastruktur und Sozialprojekte. 1987 erkrankte Stifter José Carreras an Leukämie. Aus Dankbarkeit über die eigene Heilung gründete er 1995 den gemeinnützigen Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. und anschließend die dazugehörige Stiftung. Seither wurden bereits über 235 Millionen Euro an Spenden gesammelt und über 1.400 Projekte finanziert, die den Bau von Forschungs- und Behandlungseinrichtungen, die Erforschung und Heilung von Leukämie und anderer hämato-onkologischer Erkrankungen, die Förderung von jungen Wissenschaftlern im Rahmen von Stipendienprogrammen sowie die Unterstützung der Arbeit von Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zum Ziel haben. 2019 wurde die José Carreras Leukämie-Stiftung von der Deutschen Universitätsstiftung und dem Stifterverband als Wissenschaftsstiftung des Jahres ausgezeichnet. Der Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. ist Träger des DZI Spenden-Siegels, dem Gütesiegel im deutschen Spendenwesen.

Um weitere Spenden im Kampf gegen Leukämie und andere schwere Knochen- und Bluterkrankungen zu sammeln, lädt José Carreras jedes Jahr gemeinsam mit seinen internationalen und nationalen Künstlerfreunden zur großen José Carreras Gala ein. Die 28. José Carreras Gala findet am Mittwoch, 7. Dezember 2022, in Leipzig statt und wird live ab 20.15 Uhr vom MDR übertragen. Zugesagt haben bereits unter anderem Chris de Burgh, Weltklasse-Geiger David Garrett und die dänische Singer-Songwriterin Aura Dione.

Mehr unter www.carreras-stiftung.de

Bild von Sophia Danhof im Labor
Sophia Danhof skizziert im Labor die Interaktion von Immunzellen mit der CAR-T-Zelltherapie und untersucht, wie man das Multiple Myelom empfindlicher gegen Immuntherapien machen kann. © Kirstin Linkamp / UKW
Bild von Sophia Danhof am Flow Cytometer
Sophia Danhof am Flow Cytometer. Mithilfe der Durchflusszytometrie, bei der Laser und Fluoreszenzfarbstoffe zum Einsatz kommen, analysiert die Medizinerin spezifische Strukturen einzelner Zellen. © Kirstin Linkamp / UKW

Springen und stampfen für starke Knochen

Am Uniklinikum Würzburg wird in einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob ein gezieltes Impact-Training bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom, deren Skelett aufgrund der Knochenmarkkrebserkrankung immer poröser wird, die Knochenstruktur wiederaufbauen kann.

Zwei Patientinnen, zwei Medizin-Studierende und Franziska Jundt springen in die Höhe.
Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nehmen derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Impact-Training teil. Es wird geprüft, ob sich das Stampf- und Sprungtraining positiv auf die Knochendichte auswirkt. © UKW / Daniel Peter
Die Patientinnen und Medizinstudierende kurz vor dem Absprung.
Die Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung im Uniklinikum Würzburg und einmal zuhause. Das Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen. © UKW / Daniel Peter
Franziska Jundt in der Physiologie des Uniklinikums Würzburg
Professorin Franziska Jundt ist Oberärztin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit dem Schwerpunkt Hämatologie und leitet die Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“. © UKW / Daniel Peter

In letzter Zeit wird es mächtig laut auf Ebene -3 in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg. Es wird gestampft, gehüpft und gesprungen bis die Wände wackeln. Das so genannte Impact-Training, das die neue Studiengruppe von Franziska Jundt durchführt, hat es in sich. Zweimal pro Woche trainieren zwölf Männer und Frauen 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung und einmal zuhause. In der Kontrollgruppe der Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“ geht es wesentlich entspannter zu. Hier erhalten acht Personen ein Entspannungstraining. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: das Multiple Myelom.

„Das Multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark“, erklärt Franziska Jundt, Professorin für Hämatologie und Internistische Onkologie und Leiterin des Zentrums für das Myelom im Zentrum für Seltene Erkrankungen Nordbayern (ZESE). Franziska Jundt hat vor mehr als 20 Jahren einen Signalweg entdeckt, der auch beim Multiplen Myelom aktiv ist. Seither beschäftigt sie sich mit der Frage: Wie blockiere ich den Signalweg ohne schwerwiegende Nebenwirkungen? Denn leiden müssen die Betroffenen schon genug. „Die Tumorzellen infiltrieren das Skelett und zersetzen die Knochen. Selbst wenn die Tumorzellen abgeräumt wurden, haben die Betroffenen weiter Löcher im Knochen. Diese führen zu zahlreichen schmerzhaften Frakturen. 80 Prozent der Myelom-Patientinnen und Patienten leiden unter Knochenschmerzen und -frakturen“, verdeutlicht Franziska Jundt.

Ganzkörpervibrationstraining für starke Knochen

Schon lange treibt die Wissenschaftlerin und Mutter von drei Kindern die Frage um: Wie können wir den Knochen wiederaufbauen und Frakturen vermeiden? Bei einem einfachen Bruch wird heutzutage möglichst früh mobilisiert, um dadurch gezielt den heilenden Knochen zu stimulieren. Sobald der Knochen über Muskeln beansprucht wird, kann sich die Knochenstruktur verbessern. „Zur mechanischen Stimulation sind wir schließlich über die Arme von Tennisspielern gekommen, die eine unterschiedliche Knochendichte aufweisen. Beim Spielerarm ist die Knochendichte wesentlich höher im Vergleich zum nicht spielenden Arm“, berichtet die Medizinerin und verweist auf die Osteoporose, die heute bereits erfolgreich mit einem Ganzkörper-Vibrationstraining behandelt wird. Bei der Therapie stehen die Patientinnen und Patientinnen auf einer Art Rüttelplatte. Durch das sanfte Vibrieren werden Muskulatur und Knochen gestärkt. Könnte diese Therapie auch bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom funktionieren?

Das Team um Franziska Jundt hat zunächst drei Wochen lang Mäuse mit Multiplen Myelom einer Art Kompressionsstimulation unterzogen. „Und zu unserer Überraschung war es möglich, dass sich die Knochen sogar dort aufgebaut haben, wo die Tumorzellen saßen“, sagt Jundt. Daraufhin wurden in einer Pilotuntersuchung die Sicherheit sowie die spezifischen Auswirkungen eines Ganzkörper-Vibrationstrainings auf den Knochenstoffwechsel von Patientinnen und Patienten mit monoklonaler Gammopathie, einer Vorstufe des Multiplen Myeloms, untersucht (2020 Seefried et al Journal of Bone Oncology). Neun Frauen und sechs Männer trainierten zweimal pro Woche eine halbe Stunde über zwölf Wochen, zehn von ihnen verlängerten um weitere zwölf Wochen. Mit Erfolg. Schon nach drei Monaten war ein Knochenaufbau zu verzeichnen, der jedoch nach Abbruch des Trainings wieder auf das Ausgangsniveau sank. Bei Frauen war der Erfolg noch ausgeprägter als bei den Männern. Jundt vermutet, dass dies an der Postmenopause liegt, in der sich der Knochen zunächst abbaut, sodass sich dieser durch eine Stimulation auch wieder stärker aufbaut. In einer größer angelegten Studie in Kooperation mit den Uniklinika Hamburg, Essen und Köln sollen zukünftig Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom auf Rüttelplatten trainiert werden.

Stampf- und Sprungtraining

Auf Hochtouren läuft am Uniklinikum Würzburg jetzt bereits das Impact-Training, ein Stampf- und Sprungtraining. Studien haben gezeigt, dass sich diese Art von Krafttraining positiv auf die Knochendichte auswirkt, zum Beispiel bei Osteoropose und Prostatakrebs. „Wir vermuten, dass sich die durch das Springen und Stampfen verbundene Stimulation des muskuloskelettalen Systems die Knochendichte erhöht, die Mobilität von unseren Myelom-Patientinnen und Patienten verbessert und schließlich auch Frakturen vorgebeugt wird. Daher prüfen wir in unserer Machbarkeitsstudie, ob wir dieses Training, das wir in Zusammenarbeit mit Freerk Baumann, Professor für onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, einsetzen, auch unseren Patientinnen und Patienten zumuten können“, erklärt Franziska Jundt.

Das Projekt zeigt einmal mehr die interdisziplinäre Expertise und Zusammenarbeit, die sowohl die Erforschung als auch die Behandlung des Multiplen Myeloms erfordert und in Würzburg hervorragend funktioniert, so Jundt. Allein am Training sind neben der Hämatologie und Onkologie die Radiologie beteiligt, die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, wo geprüft wird, ob das Skelett der Teilnehmenden überhaupt stark genug für das Sprung- und Stampftraining ist, und das Institut für Sportwissenschaften an der Universität Würzburg. Nicht zu vergessen die Medizinstudierenden Marei Schallock und Ruben Ringeisen, die in der Inneren Medizin im Teilgebiet Hämatologie promovieren und jedes Training aktiv begleiten. Dabei stoßen sie oftmals ebenso an ihre Grenzen wie die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. „Aber keine Sorge, wir holen jede Patientin und jeden Patienten dort ab, wo sie oder er gerade steht und steigern langsam die Intensität“, schildert Ruben Ringeisen. 

#WomenInScience

Wie Franziska Jundt Beruf und Familie verbindet, erläutert die Professorin in der UKW-Serie #WomenInScience.

 

Zwei Patientinnen, zwei Medizin-Studierende und Franziska Jundt springen in die Höhe.
Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nehmen derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Impact-Training teil. Es wird geprüft, ob sich das Stampf- und Sprungtraining positiv auf die Knochendichte auswirkt. © UKW / Daniel Peter
Die Patientinnen und Medizinstudierende kurz vor dem Absprung.
Die Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung im Uniklinikum Würzburg und einmal zuhause. Das Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen. © UKW / Daniel Peter
Franziska Jundt in der Physiologie des Uniklinikums Würzburg
Professorin Franziska Jundt ist Oberärztin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit dem Schwerpunkt Hämatologie und leitet die Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“. © UKW / Daniel Peter

Wie verändern sich Myelomzellen durch die Therapie?

Internationales Autorenteam unter Führung von Wissenschaftlern aus Würzburg und Heidelberg hat zentrale Evolutionsmechanismen beim Multiplen Myelom entschlüsselt. Eine einzige Tumorzelle, die die Chemotherapie überlebt hat und Jahre lang im Knochenmark schlummert, kann zum Rückfall führen.

 

Das Bild zeigt auf drei PET-Bildern Tumorherde an unterschiedlichen Stellen des Skeletts.
Zusätzlich zu den üblichen Knochenmarkproben aus dem Becken wurden für die Analyse der Myelomzellen bildgebende Verfahren wie hier die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) genutzt, um gezielt Proben aus den Tumorherden zu nehmen. @UKW/UKHD
Das Bild zeigt verschiedene Muster von Myelomzellen, wie sie sich durch die Chemo räumlich und zeitlich verändern.
Die Forscher haben im Paper, das im Fachjournal Nature Communications erschienen ist (https://doi.org/10.1038/s41467-022-32145-y) drei Muster der Evolution von Myelomzellen in Zeit und Raum entschlüsselt: Einzelne Zelle überlebt die Chemotherapie, mehrere Zellen überleben an einem Ort und ringen miteinander, mehrere Zellen überleben an verschiedenen Orten @UKW/UKHD

Gemeinsame Pressemitteilung der Universitätskliniken Würzburg und Heidelberg

Welche Tumorzellen überleben eine Chemotherapie? Woher kommt das Rezidiv? Denn einen Rückfall müssen leider alle Betroffenen, die an einem Multiplen Myelom erkrankt sind, fürchten. Geheilt werden kann die Krebserkrankung des Knochenmarks, die jedes Jahr sechs bis acht von 100.000 Einwohnern betrifft, noch nicht. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden. Einen wertvollen Beitrag dazu haben nun Leo Rasche vom Universitätsklinikum Würzburg und Niels Weinhold vom Universitätsklinikum Heidelberg mit ihren Arbeitsgruppen in ihrer neuesten Publikation im Fachjournal Nature Communications geleistet, in dem sie Antworten auf obige Fragen gesucht und gefunden haben.

Unterschiedliche Tumorzellen an verschiedenen Orten

Ihre Arbeit basiert auf Proben aus dem weltweit größten Myelom-Zentrum an der University of Arkansas for Medical Sciences in Little Rock (USA), wo beide Wissenschaftler mehrere Jahre lang gemeinsam geforscht haben. Im Jahr 2017 hatten sie bereits in Nature Communications über die räumliche, genomische Heterogenität der Tumorzellen berichtet. „Bis vor kurzem wurden in der Forschung immer nur einzelne Knochenmarkproben aus dem Becken untersucht. Ein erwachsener Mensch verfügt jedoch über etwa fünf Kilogramm Knochenmark, die sich über das gesamte Skelettsystem verteilen. Somit ließ sich die Evolution der Tumorzellen bislang gar nicht ausreichend abbilden,“ schildert Privatdozent Dr. Leo Rasche, Erstautor der Studie und Juniorgruppenleiter am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) für Krebsforschung am Uniklinikum Würzburg die Ausgangslage. Die Forscher und ihre Teams haben nun 140 Proben analysiert, die in einem Zeitraum von bis zu 13 Jahren aus verschiedenen Skelettlokalisationen von 24 Myelom-Patientinnen und -Patienten gewonnen wurden. Dazu wurden zum Teil bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomografie (PET) genutzt, um die Tumorherde, die so genannten fokalen Läsionen abzubilden.

Fokale Läsionen sind die Hotspots der Tumor-Evolution

Durch die Nutzung der bildgebenden Verfahren kamen die Wissenschaftler zur ersten wichtigsten Erkenntnis: Dass die entscheidenden Schritte der Tumor-Evolution oft außerhalb des Beckens, in den Tumorherden ablaufen. „In den fokalen Läsionen haben wir Mutationen gefunden, die wir sonst nirgendwo gesehen haben und die aggressiver erschienen, da sie in die Kategorie der so genannten Cancer Driver Genes - genetische Veränderungen, die das Krebswachstum ankurbeln - fielen. Die Eigenschaften der Tumorzellen können sich jedoch nach jeder Therapie-Linie unterscheiden, sogar dann, wenn sich die Tumormasse während der Therapie nicht verändert hat. Wir schließen daraus, dass regelmäßige biologische Untersuchungen des Myeloms während der Therapie erfolgen müssen, wenn die Erkrankung gezielt behandelt werden soll“, resümiert Niels Weinhold, Leiter der Translationalen Myelom-Forschung am Universitätsklinikum Heidelberg.

Drei Muster nach Chemo: Einzelne Zelle überlebt, mehrere Zellen an einem Ort, mehrere Zellen an verschiedenen Orten

Insgesamt haben die Forscher drei Muster der Tumor-Evolution entdeckt: Es gibt diejenigen, die in der klinischen Bildgebung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine gleichmäßige Verteilung der Erkrankung im Knochenmark gezeigt und gut auf die Chemotherapie angesprochen haben. Status MRD-negativ: Minimale Resterkrankung (MRD) nicht vorhanden. Keine Tumorzelle auffindbar. Doch nach zehnjähriger Remission erfolgt ein Rückfall. Gefunden wurde nur ein einzelner Tumorklon. Das heißt, eine einzige resistente Zelle war jahrelang in einem Schlafzustand, wacht auf und führt zum Rezidiv. Auch wenn beim Rezidiv nicht dieselben Tumorzellen (Klone) gefunden wurden wie bei der Erstdiagnose der fokalen Läsion, der Verwandtschaftsgrad ist sehr eng.

Dann gibt es die Gruppe, die nicht so gut auf die Therapie angesprochen hat. Bei ihnen haben entweder mehrere Tumorzellen getrennt voneinander an verschiedenen Orten überlebt, oder verschiedene Klone haben an einer Stelle überlebt und miteinander gerungen. Leo Rasche sieht Parallelen zu den Corona-Viren Delta und Omikron: „Die fittere Variante setzt sich durch. Die evolutionsbiologischen Beobachtungen beim Myelom könnten auch für andere Forschungsbereiche von Bedeutung sein.“

Generell sei bei allen Behandlungen, auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie eine regelmäßige Untersuchung vonnöten. „Wir bitten unsere Patientinnen und Patienten auch in der Remission alle drei Monate zu uns, um eine Kontrolle im Blut durchzuführen und gegebenenfalls mittels MRT oder PET zu prüfen, ob es fokale Läsionen gibt“, schildert Leo Rasche. Unbehandelt versterben die Betroffenen in der Regel innerhalb eines Jahres.

Immuntherapie als Hoffnungsträger

Die große Hoffnung der Forscher ist es, in der Behandlung des Multiplen Myeloms alle Tumorzellen, auch die einzelne schlafende Zelle, zu erwischen und zu vernichten. Schon jetzt kommen immer häufiger moderne Immuntherapien mit Antikörpern oder Gen-manipulierten T-Zellen, den sogenannten CAR-T-Zellen, zum Einsatz. Der Einfluss dieser neuen Therapien auf die Evolution des multiplen Myeloms und die Rolle der Tumor-Mikroumgebung an verschiedenen Stellen im Knochenmark sind jedoch noch weitestgehend unbekannt und daher Gegenstand aktueller Untersuchungen der beiden Forscher: „Wir haben das Ziel, dass noch mehr Patientinnen und Patienten von den modernen Immuntherapien profitieren und wir die bislang unheilbare Erkrankung Multiples Myelom eines Tages heilen können.“

Unterstützt wurden die Forschungsarbeiten von der Deutschen Krebshilfe über das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum, der Dietmar Hopp Stiftung sowie dem National Institute of General Medical Sciences of the National Institutes of Health.

Publikationen:

Rasche L., Schinke C., Maura F., Bauer M., Ashby C, Deshpande S., Poos A., Zangari M., Thanendrarajan S, Davies F, Walker B, Barlogie B, Landgren O, Morgan G, van Rhee F & Weinhold N.  The spatio-temporal evolution of multiple myeloma from baseline to relapse-refractory states. Nat Commun 13, 4517 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-32145-y

Rasche L, Chavan SS, Stephens OW, Patel PH, Tytarenko R, Ashby C, Bauer M, Stein C, Deshpande S, Wardell C, Buzder T, Molnar G, Zangari M, van Rhee F, Thanendrarajan S, Schinke C, Epstein J, Davies FE, Walker BA, Meissner T, Barlogie B, Morgan GJ, Weinhold N. Spatial genomic heterogeneity in multiple myeloma revealed by multi-region sequencing. Nat Commun. 2017 Aug 16;8(1):268. doi: 10.1038/s41467-017-00296-y. PMID: 28814763; PMCID: PMC5559527.

Internationale Experten für Multiples Myelom treffen sich in Würzburg

Am 27. und 28. März dieses Jahres findet in Würzburg zum fünften Mal eine international hochkarätig besetzte Fachkonferenz zum aktuellen Wissensstand in der Bekämpfung des Multiplen Myeloms statt. Veranstalter ist die Medizinische Klinik und Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg, deren Experten selbst zur weltweiten Spitzengruppe bei der Erforschung und Behandlung dieser bösartigen Untergruppe des Lymphknotenkrebses zählen.

Am 27. und 28. März 2020 trifft sich beim „5th Würzburg Myeloma Workshop“ ein weiteres Mal die US-amerikanische und europäische Forschungselite zum Wissensaustausch über das Multiple Myelom. Diese bösartige Erkrankung der Plasmazellen ist eine Untergruppe des Lymphknotenkrebses. Bei den meisten Patienten kann sie bislang nicht geheilt werden. Entsprechend hoch sind die internationalen Forschungsbemühungen.

„Für den ersten Konferenztag freuen wir uns auf eine interessante Mischung aus Vorträgen zur Pathogenese des Myeloms, zur Hochrisikoerkrankung sowie zu neuen Behandlungsstrategien“, kündigt Prof. Dr. Hermann Einsele an. Die von ihm geleitete Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW) organisiert die in der „Szene“ bestens etablierte, englischsprachige Fachtagung.

Am zweiten Tag stehen dann personalisierte Aspekte der Behandlung auf dem Programm. „Außerdem erwarten wir fruchtbare Debatten zur Bedeutung der minimalen Resterkrankung und dem asymptomatischen Myelom“, kündigt Prof. Einsele an. Ferner werden neue Entwicklungen in der Immuntherapie diskutiert sowie die aktuellen und zukünftigen Protokolle der deutschen Myelom-Studiengruppen vorgestellt.

Die – kostenlose – Teilnahme am Würzburg Myelom Workshop steht Ärztinnen und Ärzten sowie Wissenschaftler/innen offen. Das detaillierte Programm inklusive der Anmeldekonditionen können als PDF abgerufen werden unter www.ukw.de/medizin2, Rubrik „Veranstaltungskalender“.

Link zur Pressemitteilung

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