Die Koordinatorin des Onkologischen Zentrums Edith Förster hat schon einige Zentren am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) bei der Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) begleitet. „Die Zertifizierung des Sarkomzentrums war jedoch eine besondere Herausforderung“, gesteht die Biologin, die unter anderem für das Qualitätsmanagement zuständig ist. „Das liegt am Krankheitsbild dieser Knochen- und Weichteilsarkome, von denen es bis zu 100 verschiedene Subtypen gibt und die im ganzen Körper und in jedem Alter auftreten können. Die Patientinnen und Patienten suchen unterschiedliche Einrichtungen auf, und häufig wird der Befund zufällig gestellt. Das bedeutet, dass hier am Sarkomzentrum noch mehr Fachdisziplinen als bei anderen Krebszentren in engem Austausch stehen und an einen Tisch gebracht werden müssen.“
Für jedes Krankheitsbild eine stadiengerechte Therapie
Jede Woche nehmen benannte Fachärztinnen und -ärzte aus der Orthopädie, InternistischenOnkologie, Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie, plastischen Chirurgie, Pathologie, Radiologie und Strahlentherapie am Sarkom-Tumorboard teil, um gemeinsam ein Behandlungskonzept für die Betroffenen zu erstellen oder auch Zweitmeinungsanfragen zu klären.
„Sarkome kommen im Vergleich zu Karzinomen sehr selten vor“, erklärt Dr. Christoph K. W. Deinzer von der InternistischenOnkologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW und Koordinator des neu von der DKG zertifizierten Sarkomzentrums Würzburg. „Die Weichgewebs- und Knochentumore machen bei Erwachsenen nur etwa ein Prozent aus. Doch sie sind abhängig von der jeweiligen Sarkom-Subgruppe teilweise im Wachstum sehr aggressiv und tückisch, da sie im Frühstadium häufig nur unspezifische Beschwerden verursachen wie Gelenk-, Muskel- oder Bauchschmerzen.“
Sarkome in Expertenhände geben
Die meisten Patientinnen und Patienten hätten eine lange Odyssee hinter sich bis zur korrekten Diagnose dieser seltenen Erkrankung. Viele Ärztinnen und Ärzte sähen ein Sarkom nur ein oder zweimal in ihrem Berufsleben. Dennoch müsse man die Erkrankung im Hinterkopf haben, mahnt Prof. Maximilian Rudert, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus Würzburg und Leiter des Sarkomzentrums Würzburg. Leider gebe es immer noch zu viele unpassende Behandlungen mit unnötigen oder unvollständigen Operationen und der Gabe von unwirksamen Medikamenten sowie fehlende Nachsorgeuntersuchungen. Rudert empfiehlt dringend, alle Patientinnen und Patienten mit der Diagnose eines Sarkoms oder Verdacht auf ein Sarkom in eines der inzwischen 16 spezialisierten Sarkomzentren in Deutschland zu überweisen: „Die Sarkomzentren haben die entsprechenden Erfahrungen in der Diagnose, Operation und Behandlung und müssen die geforderte Fachexpertise regelmäßig nachweisen. Mit modernen, multimodalen Therapiekonzepten können heute bis zu 70 Prozent der Sarkompatienten geheilt werden.“
Maximilian Rudert freut es sehr, dass die Deutsche Krebsgesellschaft nun auch das Würzburger Sarkomzentrum sowohl für Knochen- als auch für Weichteilsarkome zertifiziert hat. „Wir verfügen über eine langjährige Expertise und eine hervorragende Infrastruktur für die Behandlung von Knochen- und Weichteilsarkomen, die eine intensive, fächerübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht“, so Rudert. „Wir bieten nicht nur eine entsprechend hohe Qualität in Diagnostik und Behandlung der Sarkome, sondern ermöglichen unseren Patientinnen und Patienten die beste Versorgung auch im Rahmen klinischer Studien.“
Fortbildung: Tumordiagnostik, Chirurgie und Behandlungsstrategien
Um das Bewusstsein für Knochen- und Weichteilsarkome zu erhöhen, luden Prof. Rudert und Tumororthopäde Prof. Peter Raab am 23. März 2022 ins König-Ludwig-Haus ein. Den potentiellen Zuweiserinnen und Zuweisern – 55 nahmen vor Ort teil, 45 online – wurden im Rahmen der Fortbildungsreihe „Specialty Day“ von Dr. Deinzer zunächst die Strukturen des neu zertifizierten Sarkomzentrums vorgestellt. Das Sarkomzentrum Würzburg ist angesiedelt unter dem Dach des Comprehensive Cancer Center (CCC) Mainfranken, das von der DKG als Onkologisches Spitzenzentrum gefördert wird und dessen Leitung Prof. Dr. Ralf Bargou innehat. Eine zunehmende Vernetzung, unter anderem im Rahmen des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) sowie der CCC und NCT Allianz WERA, neben Würzburg sind die Universitätskliniken Erlangen, Regensburg und Augsburg beteiligt, belebt den fachlichen Austausch.
Die Experten des Sarkomzentrums Würzburg informierten am „Specialty Day“ über die aktuellen Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten aus ihrem jeweiligen Fachbereich. Dr. Christoph K. W. Deinzer zeigte aktuelle Systemtherapien und Studienoptionen bei Knochen- und Weichteilsarkomen auf, Dr. Anke Heidemeier vom Institut für Diagnostische und interventionelle Radiologie am UKW veranschaulichte die spezielle bildgebende Tumordiagnostik bei Sarkomerkrankungen, und Dr. Marcus Zimmermann hob den Stellenwert der neoadjuvanten und adjuvanten Strahlentherapie hervor. Prof. Armin Wiegering von der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie des UKW gab einen anschaulichen Einblick in die Chirurgie der Sarkome des Bauchraums, und Dr. Martin Lüdemann erläuterte abschießend die orthopädischen Behandlungsverfahren bei Weichteil- und Knochensarkomen und betonte nochmals die Bedeutung für Patientinnen und Patienten, sich frühzeitig für die Diagnostik und Therapie in zertifizierten Sarkomzentren vorzustellen.
Für Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige und Interessierte soll es am 8. Juli 2022 eine Veranstaltung geben, weitere Informationen und Registrierung ist unter anmeldung_ccc@ukw.de möglich.
Information zu zertifizierten Zentren der Deutschen Krebsgesellschaft DKG:
Zertifizierte Zentren sind zertifizierte Netzwerke aus stationären und ambulanten Einrichtungen, in denen alle an der Behandlung eines Krebspatienten beteiligten Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Neben Chirurgen, Radioonkologen, Pathologen, Experten für die medikamentöse Tumortherapie und weiteren Fachdisziplinen gehören dazu unter anderem auch onkologische Pflegekräfte, Psychoonkologen und Sozialarbeiter. Durch ihr Zertifizierungssystem möchte die Deutsche Krebsgesellschaft die Betreuung onkologischer Patientinnen und Patienten verbessern und eine Therapie ermöglichen, die sich in jeder Phase der Erkrankung an hohen Qualitätsmaßstäben orientiert. Die zertifizierten Zentren müssen jährlich nachweisen, dass sie die fachlichen Anforderungen für die Behandlung einer Tumorerkrankung erfüllen und zudem über ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem verfügen.