ME/CFS-Informationen für Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten
Da die chronische Fatigue ebenfalls Symptom einer Vielzahl an weiteren Erkrankungen ist, müssen zunächst eine Reihe an Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden. Die Diagnostik ist angelehnt an die Kanadischen Konsens-Kriterien (CCC), die für die Diagnostik bei Erwachsenen international am häufigsten verwendet werden, sowie anhand der klinischen ME/CFS-Kriterien des Institute of Medicine (IOM, 2015). Für Kinder und Jugendliche existieren pädiatrische ME/CFS-Kriterien (Rowe, 2017). Zudem sollte eine ausführliche Infektionsanamnese erfolgen.
Eine Übersicht zu den Kanadischen Konsenskriterien für ME/CFS finden sie auf den Internetseiten der Charité.
Da die genaue Ursache der Erkrankung bisher nicht geklärt ist, kann nur symptomorientiert behandelt werden. Die Behandlung sollte vor allem darauf abzielen Symptome, wie Schmerzen, Schlafstörungen und Tachykardien zu lindern. Mit dem Hauptsymptom der postexertionellen Malaise (PEM, Crash) sollte der Fokus außerdem darauf liegen, Stress zu reduzieren und Überlastungen zu vermeiden. Hierbei hat sich Pacing, das Erarbeiten und Einhalten eines individuellen Belastungsniveaus, als langfristig hilfreich erwiesen.
Zusätzlich können im Rahmen der individuellen Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten neben medikamentöser Behandlung auch weitere Therapien wie frühzeitige psycho- und physiotherapeutische Maßnahmen geprüft und eingesetzt werden.
Mit unklarer Prognose und häufig langanhaltenden Symptomen sollte jungen Patientinnen und Patienten in der Behandlung vor allem mit einem empathischen Verständnis begegnet werden und der Fokus einer Förderung von Akzeptanz und krankheitsbezogenem Selbstmanagement liegen.
Besonderheiten in der Behandlung von jungen ME/CFS- Patientinnen und Patienten
Eine große Herausforderung in der Behandlung der ME/CFS-Patientinnen und -Patienten stellt die stark eingeschränkte Belastbarkeit der Betroffenen dar, die eine Anwendung und Durchführung unterschiedlicher Therapieansätze stark erschwert. Die Belastungsgrenzen sind nicht nur individuell sehr verschieden, sondern können sich auch im Verlauf bei einzelnen Betroffenen immer wieder verändern. Therapeutische Maßnahmen sollten daher mit besonderer Vorsicht angewendet und gut mit betroffenen Familien abgesprochen werden. Insbesondere beim Einsatz aktivierender und rehabilitierender Ansätze, die bei anderen chronischen Erkrankungen in der Regel eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bewirken, gilt für ME/CFS eine erhöhte Vorsicht. Zu intensiver Sport und nicht individuell angepasste Reha-Maßnahmen beispielsweise können zu ausgeprägten Crashs führen und den Zustand der Betroffenen dauerhaft verschlechtern.
Das beschriebene Symptombild schränkt viele betroffene Kinder, Jugendliche und sehr junge Erwachsene stark in verschiedensten Lebensbereichen ein und stellt für die Betroffenen und deren Eltern und Familien eine große Belastung dar. Die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten aber auch der gesamten Familie ist durch die komplexe Symptomatik und die Einschränkungen häufig stark vermindert. Um eine Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben langfristig nicht zu gefährden und die Entstehung von psychischen und physischen Folgeschäden zu verhindern, ist eine umfassende und transparente medizinische Beratung und Unterstützung von betroffenen Familien entscheidend.
Verhaltensempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten
Vermitteln Sie Informationen zu Symptomen, Beeinträchtigungen (zum Beispiel Abnahme des Energielevels, Konzentrationsschwierigkeiten) und Unterstützungsmöglichkeiten, die die Betroffenen und deren Familien im Umgang mit der Krankheit benötigen könnten.
Informieren Sie die Patientinnen und Patienten insbesondere über PEM und Pacing.
Zeigen Sie Verständnis für die schwierige Lebensphase, in der die Patientinnen und Patienten sich befinden. Hören Sie aufmerksam zu und nehmen Sie die Erfahrungen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ernst.
Halten Sie die Termine kürzer, um die Betroffenen nicht zu überlasten.
Bieten Sie eine Pause an, wenn es notwendig erscheint.
Unterstützen Sie bei der Beantragung von Hilfsmitteln und bei sozialrechtlichen Fragestellungen.
Achten Sie darauf, die Patientinnen und Patienten nicht mit körperlicher Betätigung zu aktivieren. Dies kann zu schneller Überlastung und folgender PEM führen.
Weitere Informationen und Fortbildungen zum Thema bieten unter anderem die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V. oder die Charité Berlin an.
Infoblatt für medizinisches Fachpersonal zum Downloaden als PDF.
Weitere Informationsblätter zum Downloaden
Quellen
Carruthers, B.M., van de Sande, M.I., De Meirleir, K.L., Klimas, N.G., Broderick, G., Mitchell, T., Staines, D., Powles, A.C.P., Speight, N., Vallings, R., Bateman, L., Baumgarten-Austrheim, B., Bell, D.S., Carlo-Stella, N., Chia, J., Darragh, A., Jo, D., Lewis, D., Light, A.R…Stevens, S. (2011)
Myalgic encephalomyelitis: International Consensus Criteria.
Journal of Internal Medicine, 270, 327-338.
Zur Publikation
Committee on the Diagnostic Criteria for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome, Board on the Health of Select Populations, & Institute of Medicine. (2015).
Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness.
National Academies Press (US).
Renz-Polster, H., Broxtermann, W. & Behrends, U. (2022).
Chronische Erschöpfung bedeutet nicht, einfach nur müde zu sein.
Pädiatrie, 34(3), 26–33.
Zur Publikation
Renz-Polster, H. & Scheibenbogen, C. (2022).
Post-COVID-Syndrom mit Fatigue und Belastungsintoleranz: Myalgische Encephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue Syndrom.
Innere Medizin, 63, 830-839.
Zur Publikation
Scheibenbogen, C., Kedor, C.& Behrends, U. (2020).
Chronisches Fatigue Syndrom. (ME/CFS).
Der niedergelassene Arzt, 71-76.
Rowe, P. C., Underhill, R. A., Friedman, K. J., Gurwitt, A., Medow, M. S., Schwartz, M. S., Speight, N., Stewart, J. M., Vallings, R., Rowe, K. S. (2017).
Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome Diagnosis and Management in Young People: A Primer.
Frontiers in Pediatrics, 5:121.
Zur Publikation
U.S. ME/CFS Clinican Coalition (2020).
Diagnosing and treating myalgic encephalomyelitis/ chronic fatigue syndrome (ME/CFS). Open Medicine Foundation.
PDF öffnen
Kontakt, Öffnungszeiten, Sprechzeiten
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag
08:00 bis 16:30 Uhr
Freitag
08:00 bis 13:30 Uhr
Telefonsprechzeiten
Montag bis Freitag
08:00 bis 11:00 Uhr
Anschrift
Sozialpädiatrisches Zentrum | Universitäts-Kinderklinik | Josef-Schneider-Straße 2 | 97080 Würzburg | Deutschland