Leberzellkarzinom (hepatozelluläres Karzinom, HCC)
In einigen fortgeschrittenen Fällen bieten wir auch innovative Behandlungsmethoden im Rahmen klinischer Studien an.
Was sind die Ursachen?
Das Leberzellkarzinom tritt am häufigsten bei Patientinnen und Patienten mit einer Leberzirrhose auf. Vor allem bei der chronischen Hepatitis B und der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) kann sich auch häufiger ein Leberzellkarzinom entwickeln, ohne dass eine Leberzirrhose besteht. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Übergewicht und Diabetes mellitus wichtige Risikofaktoren sind. Bei entsprechender Risikokonstellation mit höhergradiger Vernarbung der Leber werden aus diesem Grund halbjährliche Ultraschall-Untersuchungen der Leber angeboten. Dies hat dazu geführt, dass Leberzellkarzinome mittlerweile etwas häufiger in einem früheren Stadium entdeckt werden und damit auch besser behandelt werden können. Bei wem ein solches Screening gemacht werden sollte, ist durch die aktuellen deutschen Leitlinien klar definiert:
- Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose
- Patientinnen und Patienten mit chronischer Hepatitis B und erhöhtem Risiko
- Patientinnen und Patienten mit Hepatitis C oder NAFLD und höhergradiger Vernarbung der Leber
Wie wird ein Leberzellkarzinom festgestellt?
Die Diagnose wird in der Regel mittels Gewebeentnahme (Biopsie) und anschließender feingeweblicher Untersuchung (Histologie) gestellt. Bei Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose ist die Diagnosestellung in einigen Fällen auch mit Kontrastmittel-gestützten Verfahren wie dem kontrastverstärkten Ultraschall (CEUS), der CT und MRT möglich. Falls im Rahmen dieser Untersuchungen bei einer Leberzirrhose die eindeutige Diagnose eines hepatozellulären Karzinoms gestellt werden kann, kann zumeist auf eine Gewebeentnahme verzichtet werden.
Stadienbestimmung und Ausbreitungsdiagnostik
Ist die Diagnose hepatozelluläres Karzinom gestellt, folgt das sogenannte Staging, also die Stadieneinteilung. Dieses hat den Zweck, die Prognose abzuschätzen und eine Therapieempfehlung zu erleichtern. Weltweit existiert für das HCC eine Vielzahl von Staging-Klassifikationen, von denen keine allgemeingültig ist. Die gebräuchlichste Klassifikation in Europa und Nordamerika ist der BCLC-Score (Barcelona Score), der von den Fachgesellschaften EASL und AASLD als Standard unterstützt wird.
Der BCLC-Score berücksichtigt zum einen Eigenschaften des Tumors oder der Tumoren wie Größe, Anzahl, Einwachsen in Gefäße und Metastasen. Zum anderen fließen auch die Leberfunktion und der Allgemeinzustand in die Klassifikation mit ein. Aus den Kriterien ergibt sich eine Einteilung in die Stadien 0 bis D, an die wiederum therapeutische Optionen geknüpft sind.
Operation
Durch eine operative Entfernung des Tumors ist zwar eine Heilung möglich, jedoch kommt diese nur in wenigen Fällen infrage, da durch die Grunderkrankung die Leberfunktion häufig bereits eingeschränkt ist. Grundsätzlich sollte man eine Operation nur dann erwägen, wenn die Leberfunktion noch so gut ist, dass auch nach Entfernung des Tumors nicht die Gefahr eines Leberversagens droht. In den letzten Jahren wurden Verfahren entwickelt, die das Wachstum der Leber im Vorfeld der Operation anregen, um mehr Patientinnen und Patienten diese Option zu ermöglichen.
Lebertransplantation
In Fällen, in denen keine operative Entfernung möglich ist, kann man eine Lebertransplantation in Erwägung ziehen. Hierbei wird nicht nur das HCC behandelt, sondern auch die zugrundeliegende Leberzirrhose – und damit auch der Risikofaktor für die Entwicklung neuer Leberzellkarzinome. Ob eine Lebertransplantation zur Behandlung eines HCC erfolgversprechend ist, lässt sich anhand der sogenannten Milan-Kriterien abschätzen. Das „Metroticket“-System, ein Online-Rechner, der noch weitere Kriterien mit einbezieht, könnte dazu beitragen, die Prognose noch individueller abschätzen zu können. Letztendlich gelten die jeweils aktuellen Vorgaben der Bundesärztekammer.
RFA und Alkoholinstillation
Radiofrequenzablation (RFA), Mikrowellenablation (MWA), Kryoablation und Alkoholinstillation (perkutane Ethanol-Injektion, PEI) lassen das Tumorgewebe mit Hitze, Kälte beziehungsweise durch Injektion von hochprozentigem Alkohol absterben, wenn eine operative Entfernung des Tumors oder eine Lebertransplantation aufgrund von Vorerkrankungen nicht möglich ist. Dies kann entweder Ultraschall- oder CT-gesteuert durchgeführt werden. Meist kommt heute die MWA oder RFA zur Anwendung.
Welchen Effekt die lokale Tumorzerstörung auf verbleibende Tumorreste anderen Körperregionen hat und wie sich die Freisetzung von Tumoreiweißstrukturen auf innovative medikamentöse Therapieansätze auswirkt, wird derzeit in klinischen Studien untersucht.
Die Alkoholinstillation kommt nur noch vereinzelt zum Einsatz, wenn andere Verfahren technisch nicht möglich sind.
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Eine transarterielle Chemoembolisation (TACE) kommt als palliative Therapiemethode dann zum Einsatz, wenn aufgrund der Größe oder Anzahl der Tumoren keine Heilung mehr möglich ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt bei einer Therapiestrategie mit TACE über zwei Jahre. Hierbei werden Zytostatika und kleine Kunststoffpartikel oder Gelschaum über einen Gefäßzugang in der Leiste in die den Tumor versorgenden Arterienäste eingebracht. Dadurch bilden sich Blutgerinnsel, sodass die Blutversorgung des Tumors unterbunden wird und das Gewebe abstirbt. Zusätzlich gelangt das Zytostatikum gezielt in den Tumor. Insbesondere, wenn der Tumor in die Pfortader eingewachsen ist, besteht die Gefahr, dass die Durchblutung des gesamten Lebergewebes unterbrochen wird. Hier können Methoden weiterhelfen, die nur minimale Blutgerinnsel setzen: etwa mit Partikeln aus Resin oder Glas, die mit der radioaktiven Substanz Yttrium-90 beladen sind.
Systemtherapie mit immunologisch und biologisch aktiven Substanzen
Im BCLC-Stadium C ist der Tumor in die Pfortader eingewachsen oder es findet sich ein Tumorwachstum außerhalb der Leber. Unbehandelt liegt die Lebenserwartung meist unter sechs Monaten. Standardtherapie in diesem Stadium ist die Gabe einer im gesamten Körper, also systemisch wirksamen Medikamententherapie mit Biologika oder immunonkologischen Medikamenten. Als Erstlinientherapie wird derzeit eine Kombination aus den Medikamenten Atezolizumab und Bevacizumab gegeben. Dabei handelt es sich um ein Immuntherapeutikum und ein Medikament, das einen Gefäßwachstumsfaktor blockiert. Bei Gegenanzeigen oder in späterer Therapielinie nach Versagen der Erstlinientherapie kommen weitere Gefäßwachstumsfaktor blockierende Medikamente infrage (Lenvatinib, Sorafenib, Cabozantinib, Ramucirumab). Derzeit werden Studien durchgeführt, die prüfen, ob ein Einsatz dieser Systemtherapie bereits in Kombination oder als Alternative zur TACE erfolgversprechend ist. Ebenso werden neue Kombinationen getestet.
Immunonkologische Medikamente können als Hauptnebenwirkung immunvermittelte Entzündungen an verschiedenen Organen des Körpers auslösen. Gefäßwachstumsfaktor blockierende Biologika haben eine Reihe von Nebenwirkungen, darunter Durchfall, Gewichtsverlust und ein charakteristisches Hand-Fuß-Syndrom. Die Nebenwirkungen können jedoch meist gut behandelt werden.
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