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Schwachstelle für Herzproblem entdeckt

Würzburger Forscher machen fehlenden Calciumkanal als Auslöser für Arrhythmien und Herzinsuffizienz beim Barth-Syndrom aus

 

Das Calcium, das über den MCU in die Mitochondrien einströmt, aktiviert den Citratzyklus, der energiereiche Vorstufen für die Atmungskette liefert. Fehlender Calciumkanal bedeutet leere Lager für Energie. Die Verarmung der Speicher und der Mangel an ATP werden dem Herzschlag nicht mehr gerecht.
Edoardo Bertero (links) und Michael Kohlhaas an der Single-Cell-Force-Anlage im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI). © Gregor Schläger

Patienten mit dem Barth-Syndrom dürfen möglicherweise bald aufatmen. Im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) hat Christoph Maack mit seinem Team den Calciumkanal in den Mitochondrien als Ursache für ihre Herzfunktionsstörungen entlarvt. Das Barth-Syndrom geht auf einen Defekt des Tafazzin-Gens zurück, und Tafazzin produziert Cardiolipin, einen wesentlichen Bestandteil der Mitochondrienmembran. Die Erkrankung betrifft meist Jungen im frühen Kindesalter und verursacht Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass durch den Defekt des Cardiolipin der Calciumkanal in Mitochondrien verloren geht. Da Calcium der wichtigste Botenstoff für die Anpassung der Energieproduktion an einen erhöhten Bedarf ist, erklärt dieser Defekt die Unfähigkeit der Barth-Herzen, bei körperlicher Aktivität die Pumpleistung zu steigern, aber auch das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Diese Erkenntnisse, die jetzt im renommierten Journal Circulation der American Heart Association veröffentlicht wurden, sind nicht nur ein Lichtblick in der Behandlung des seltenen Barth-Syndroms, sondern könnten auch zum verbesserten Verständnis und der Behandlung der weiter verbreiteten Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) beitragen.


Das Herz pumpt in der Regel pro Minute vier bis fünf Liter Blut in unseren Körper, bei hoher Belastung sogar bis zu 30 Liter pro Minute, sofern es gesund ist. Bei Jungen, die am Barth-Syndrom leiden, schlägt das Herz bei Anstrengung zwar schneller, der Auswurf kann aber nicht entsprechend gesteigert werden. Die Folge dieser verminderten Herzfunktions-Reserve bei Belastung ist Luftnot. Hinzu kommen Herzrhythmusstörungen, die auch zum plötzlichen Tod führen können.


Weniger Calcium = weniger Energie in Herzmuskelzellen

Der Kardiologe Christoph Maack und der Biologe Jan Dudek forschen bereits seit vielen Jahren an den Krankheitsmechanismen des Barth-Syndroms. Sie fanden heraus, dass die durch den Defekt des Tafazzin-Gens beeinträchtige Energiegewinnung der Herzmuskelzellen mit dem Calciumhaushalt zusammenhängen. Durch die verminderte Calciumaufnahme in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Herzmuskelzelle, wird die Aktivierung des Citratzyklus gestört. Im Citratzyklus werden mithilfe des energieliefernden Coenzym NADH Elektronen für die Produktion des energiereichen Moleküls Adenosintriphosphat (ATP), und über NADPH Elektronen für die Entgiftung von Sauerstoffradikalen hergestellt.


Durch fehlenden Calciumkanal leeren sich die Speicher

Die Forscher aus dem DZHI-Department Translationale Forschung, allen voran Edoardo Bertero, Alexander Nickel und Michael Kohlhaas, haben nun den Mechanismus erkannt, warum sich das Herz-Zeit-Volumen nicht steigern lässt, und warum vermehrt Arrhythmien auftreten.
Früher ging man davon aus, dass das Fehlen von Cardiolipin vor allem der Atmungskette Probleme bereitet und Sauerstoffradikale die Zellen schädigen. Das Cardiolipin ist auch bei vielen anderen Herzkrankheiten durch oxidativen Stress geschädigt. Ein Mangel an diesem Phospholipid stört die Atmungskette, wodurch weniger Energie produziert wird. "Obwohl wir in unseren Studien auch eine moderate Störung der Atmungskette feststellen konnten, haben wir keine übermäßigen Mengen an Radikalen gemessen", erklärt Edoardo Bertero, der Erstautor der Studie. "Stattdessen haben wir beobachtet, dass der Kanal, der für den Calciumimport in die Mitochondrien verantwortlich ist, der so genannte mitochondriale Calcium-Uniporter, kurz MCU, in Mäusen mit Tafazzin-Knockdown fast vollständig verschwunden war. Dies ist wichtig für Patienten mit Barth-Syndrom, weil es erklärt, warum ihre Herzen nicht in der Lage sind, ihre Auswurfleistung bei körperlicher Anstrengung zu erhöhen; aber auch für die allgemeine Herzphysiologie, weil es eine bisher nicht gewürdigte Funktion von Cardiolipin aufdeckt, nämlich die Stabilisierung des MCU-Protein-Komplexes.“


Entdeckung führt zu besserem Verständnis des Barth-Syndroms


Maack fügt hinzu: „Die Gen- und Proteinstruktur des mitochondrialen Calciumkanals ist erst seit zehn Jahren bekannt. Das Barth-Syndrom ist die erste uns bekannte Erkrankung, bei der ein relevanter Defekt des MCU in Herzzellen deren Funktion nachhaltig beeinträchtigt.“ Mit dieser Entdeckung liefern die Forscher des DZHI einen wichtigen Therapieansatz, möglicherweise nicht nur bei der Behandlung des Barth-Syndroms, sondern auch bei anderen Herzerkrankungen mit erhaltener Pumpfunktion, und im speziellen bei anderen genetischen Kardiomyopathien. „Hilfreich könnte vielleicht die Gabe von SGLT2-Hemmern sein. Sie reduzieren das Natrium in der Zelle, dadurch wird weniger Calcium aus den Mitochondrien herausgeholt, die Energiespeicher bleiben länger voll, sodass das Herz bei erhöhter Belastung besser mithalten kann“, spekuliert Maack. Dies müsse aber erst noch untersucht werden. Weniger empfehlenswert seien Wirkstoffe, die die Pumpkraft des Herzens steigern, indem sie das Natrium erhöhen, wie zum Beispiel das seit Jahrzehnten verwandte Digitalis.
In der Vergangenheit wurden Jungen mit Barth-Syndrom oft nicht älter als drei Jahre. Sie starben an Herzversagen oder Infektionen. Aber mit einer verbesserten Diagnose und einer angemessenen medizinischen Behandlung und Überwachung aller Symptome ist die Überlebensrate und die Zukunft dieser Menschen viel besser. „Genau das motiviert mich und spornt mich an. Die Krankheit ist zwar selten. Registriert sind etwa 300 Fälle weltweit. Wir gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Und was zählt ist das Schicksal jedes einzelnen“, betont Maack.


Die Arbeiten entstanden in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Gruppen in Homburg/Saar, Göttingen und Würzburg. Gefördert wurden die Forschungsarbeiten durch die Margret Elisabeth Strauß-Projektförderung der Deutschen Herzstiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), den European Research Council (ERC) sowie die US-amerikanische Barth Syndrome Foundation.


Weitere Informationen zur Erkrankung: www.barthsyndrome.org


Publikation in AHA Journal Circulation: Loss of Mitochondrial Ca2+ Uniporter Limits Inotropic Reserve and Provides Trigger and Substrate for Arrhythmias in Barth Syndrome Cardiomyopathy
Edoardo Bertero, Alexander Nickel, Michael Kohlhaas, Mathias Hohl, Vasco Sequeira, Carolin Brune, Julia Schwemmlein, Marco Abeßer, Kai Schuh, Ilona Kutschka. Christopher Carlein, Kai Münker, Sarah Atighetchi, Andreas Müller, Andrey Kazakov, Reinhard Kappl, Karina von der Malsburg, Martin van der Laan, Anna-Florentine Schiuma, Michael Böhm, Ulrich Laufs, Markus Hoth, Peter Rehling, Michaela Kuhn ,Jan Dudek, Alexander von der Malsburg, Leticia Prates Roma and Christoph Maack
Originally published14 Oct 2021 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.053755

 

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Press Release - Pressemitteilung in Englisch. 

Das Calcium, das über den MCU in die Mitochondrien einströmt, aktiviert den Citratzyklus, der energiereiche Vorstufen für die Atmungskette liefert. Fehlender Calciumkanal bedeutet leere Lager für Energie. Die Verarmung der Speicher und der Mangel an ATP werden dem Herzschlag nicht mehr gerecht.
Edoardo Bertero (links) und Michael Kohlhaas an der Single-Cell-Force-Anlage im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI). © Gregor Schläger

Was hilft gegen Herzschmerz?

In einer Übersichtsarbeit im Nature Reviews haben Wissenschaftler aus Würzburg, Essen und Mainz Therapien bei Angina Pectoris unter die Lupe genommen

Der antianginale Kompass empfiehlt Medikamente für Patienten mit chronischem Koronarsyndrom mit und ohne Herzinsuffizienz. CCB Kalziumantagonisten; CCB-DHP Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ; LAN langwirksame Nitrate; RNLZ Ranolazin; TMZD Trimetazidin; rEF Herzinsuffizienz mit reduzierter systolischer Funktion; pEF erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF > 40 %). © adaptiert von Bertero et al., Nat Rev Cardiol 2021

Etwa fünfeinhalb Millionen Menschen leiden hierzulande an der Koronaren Herzkrankheit, kurz KHK. Durch die Verengung der Herzkranzgefäße kommt es zu Durchblutungsstörungen, der Herzmuskel wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Die Folge: Brustenge und brennende Schmerzen, vor allem bei Belastung - Angina Pectoris. Christoph Maack, Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI), hat gemeinsam mit dem Mediziner Edoardo Bertero, dem Pathophysiologen Gerd Heusch vom Uniklinikum Essen und dem Kardiologen Thomas Münzel von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz die derzeitigen medikamentösen Angina-Therapien unter die Lupe genommen. Ergebnis: Kein Medikament verlängert das Leben, und keines ist dem anderen wirklich überlegen. Wer jedoch Medikamente personalisiert verschreibt, der kann zumindest die Lebensqualität seiner Patienten deutlich verbessern. Mit dem von den Kardiologen und Wissenschaftlern entwickelten Kompass hat nun jeder Arzt eine schnelle Entscheidungshilfe an der Hand, Details zu den Mechanismen können Interessierte in der Fachzeitschrift Nature Reviews Cardiology nachlesen.

Klassische Medikamente gegen den Brustschmerz sind Betablocker, Kalziumantagonisten und Nitrate. Sie verringern den Sauerstoffverbrauch des Herzens, erweitern die Gefäße und verbessern so die Durchblutung des Herzmuskels. Zur neuen Medikamentengeneration gehören Wirkstoffe wie Ranolazin, Trimetazidin und Ivabradin. Während Ivabradin die Herzfrequenz verlangsamt, greifen Ranolazin und Trimetazidin in den Stoffwechsel des Herzens ein.

Personalisierte Medizin bei Angina Pectoris

Die Palette der pharmazeutischen Behandlungsmöglichkeiten bei Angina Pectoris wächst. Doch es gibt bislang für kein Medikament den Nachweis, dass es die Prognose verbessert. Für die klassischen Medikamente fehlen die großen Studien, für die neuen Wirkstoffe haben die Studien Sicherheit, aber keine Evidenz für eine Lebensverlängerung erbracht. Kein Medikament ist deutlich besser als das andere. „Es sei denn, man nimmt die Auslöser der Erkrankung und die Pathophysiologie bei jedem einzelnen Patienten als Entscheidungsgrundlage für die Behandlung“, bemerkt Christoph Maack, Leiter der Translationalen Forschung am DZHI.  

Nachdem die European Society of Cardiology (ESC) bei der Überarbeitung der Leitlinien im Jahr 2019 die Empfehlung aufgenommen hat, die antianginöse medikamentöse Behandlung zu personalisieren, hat Christoph Maack gemeinsam mit Edoardo Bertero, Gerd Heusch und Thomas Münzel die Studienlage geprüft und einen Kompass für die Behandlung von Patienten mit chronischem Koronarsyndrom mit und ohne Herzinsuffizienz erstellt.

Wichtige Parameter des Kompasses sind Blutdruck und Herzfrequenz. Hier sind nicht nur die hohen Werte relevant, sondern auch die normalen und niedrigen. Die Kombination sei entscheidend, so Maack. Ist der Blutdruck höher als 140 zu 80 mmHg, und liegt die Herzfrequenz über 70 Schlägen pro Minute, werden zum Beispiel Betablocker und Nitrate empfohlen, bei reduzierter Herzleistung kann neben Betablockern auch Ivabradin gegeben werden, bei erhaltenem Auswurf sind Kalziumantagonisten ratsam. Bei niedrigem Puls und Blutdruck bietet sich die Einnahme von Ranolazin und Trimetazidin an.

Gesunder Lebensstil, Statine und Ranolazin bei Diabetes

Das Herz verstoffwechselt 70 bis 80 Prozent Fettsäuren und 10 bis 20 Prozent Zucker. Bei der Metabolisierung der Glukose benötigen die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, allerdings weniger Sauerstoff für die Energiegewinnung als bei der Verarbeitung von Fettsäuren. Die Wirkstoffe Ranolazin und Trimetazidin blockieren die Fettsäureverstoffwechselung. Das Herz ist flexibel und schaltet automatisch auf Glukose um. Ranolazin reduziert darüber hinaus den Natriumeinstrom in den Zellen, was wiederum günstig in den Kalziumhaushalt eingreift. Durch die Reduzierung des Kalziums entspannen sich die Herzmuskelzellen, die Durchblutung bessert sich.

Bei Diabetes ist die Gabe von Ranolazin besonders wirksam, da durch die verbesserte Aufnahme von Zucker in die Zellen die Blutzuckerspiegel abnehmen. Ferner, und das ist gut belegt, hilft ein gesunder Lebensstil. Dazu gehören Nikotinverzicht, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und das Erlangen sowie Halten des Normalgewichts. Auch Statine sind Teil des Behandlungsplans bei Diabetikern, da sie ein höheres Risiko für Ereignisse wie zum Beispiel Infarkte haben. Die Statine senken das Cholesterin, stabilisieren die Gefäßinnenschicht und schützen so vor einem Infarkt, der oft durch akutes Aufreißen der Gefäßinnenschicht verursacht wird.

Positiver Stress fürs Herz - Schutz durch Präkonditionierung

Ob das Aufdehnen eines verengten Herzkranzgefäßes mittels Katheter und die Implantation eines Stents ratsam sind, sollte den Autoren zufolge ebenfalls individuell entschieden werden. „Bei der KHK in stabiler Situation bringt die Katheterbehandlung zwar meist eine Verbesserung der Symptome, verlängert aber auch nicht das Überleben“, so Maack. Somit könnte ein personalisierter Medikamentenplan oft eine sinnvolle Alternative zum Katheter sein. Medikamente könnten dem Muskel helfen, mit der Engstelle umzugehen. „Ein bisschen Stress kann dem Herzen auch guttun“, schildert Maack die so genannte Präkonditionierung. „Das Herz aktiviert molekulare Selbst- Schutzmechanismen und optimiert seinen Stoffwechsel, sodass es resistenter gegen Sauerstoffmangel wird.“

Publikation: Edoardo Bertero, Gerd Heusch, Thomas Münzel, Christoph Maack. A pathophysiological compass to personalize antianginal drug treatment. Nat Rev Cardiol

 (2021). doi.org/10.1038/s41569-021-00573-w

 

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Der antianginale Kompass empfiehlt Medikamente für Patienten mit chronischem Koronarsyndrom mit und ohne Herzinsuffizienz. CCB Kalziumantagonisten; CCB-DHP Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ; LAN langwirksame Nitrate; RNLZ Ranolazin; TMZD Trimetazidin; rEF Herzinsuffizienz mit reduzierter systolischer Funktion; pEF erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF > 40 %). © adaptiert von Bertero et al., Nat Rev Cardiol 2021

Mehr Mut zum Training!

„Sport mit schwachem Herzen? Unmöglich!“ Das denken viele Betroffene, aber auch Trainer. Die Angst vor einem kardiovaskulären Ereignis während des Trainings ist auf allen Seiten zu groß. Doch eine Pilotstudie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) hat gezeigt, dass ein ärztlich überwachtes körperliches Training für Patienten mit Herzinsuffizienz durchaus machbar und sicher ist. Es kann sowohl die Lebensqualität als auch den Schweregrad der Herzschwäche verbessern. Die Pilotstudie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology veröffentlicht.

Bayerns erste Herzinsuffizienzsportgruppe. Mit dem gezielten, kontrollierten und ärztlich überwachten Training hat das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) eine Lobby für ein betreutes Herzschwächetraining geschaffen. © Klaus Ebert

nyha„Wir hoffen, dass wir mit unserem erfolgreichen Übungsexperiment die Entwicklung weiterer risikoadaptierter Trainingsprogramme für Patienten mit Herzinsuffizienz erleichtern“, kommentiert Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung und Epidemiologie am DZHI. Schließlich hat bereits im Herbst 2019 die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e. V. (DGPR) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ein Positionspapier zu Herzinsuffizienzsportgruppen herausgebracht. Seit 2020 können diese durch die Einführung einer neuen Positionsnummer mit einem höheren Vergütungssatz abgerechnet werden.

Studie ist ein Weckruf

„Doch dann kam Corona!“, fügt die Erstautorin der Studie, Prof. Dr. Gülmisal Güder, hinzu. „Leider sind viele Herzkranke und Herzinsuffizienzpatienten während der Pandemie zuhause geblieben und haben sichtlich abgebaut“, berichtet die Kardiologin aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Uniklinikum Würzburg. Daher sieht sie diese Studie als eine Art Weckruf. „Werdet wieder aktiv! Trainiert Eure Kraft und Kondition! Und seid ruhig etwas mutiger!“

Lobby für betreutes Herzinsuffizienztraining

Die Pilotstudie hat gezeigt, dass die Studienteilnehmer, zwölf Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Pumpleistung des Herzens (Ejektionsfraktion <45%, NYHA Klasse II/III), das wöchentliche Training in der Sporthalle der DJK Würzburg sehr gut absolvieren konnten und es während der Trainingseinheiten keine Herz-Kreislauf-Zwischenfälle gab. „Wir waren sehr vorsichtig. Das Training hätte sogar noch etwas intensiver ausfallen können“, bemerkt Gülmisal Güder rückblickend.

Ein Jahr lang haben die Männer und Frauen zwischen 42 und 77 Jahren (Mittel 64 Jahre) unter ärztlicher Aufsicht und nach Anleitung von speziell ausgebildeten Übungsleitern ihre Ausdauer, Kraft und Koordination trainiert. Vor jedem Training wurden die Basiswerte wie Bluthochdruck und Puls gemessen und somit die Trainingstauglichkeit geprüft. „Ein dekompensierter Patient ist natürlich nicht belastbar und sollte nicht am Training teilnehmen“, legt der niedergelassene Kardiologe Dr. Christian Rost dar. Der Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes hat die Herzinsuffizienzsportgruppe mitgegründet und betreut. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, seine Patienten zum Training zu motivieren, sie zu unterstützen und entsprechende Ressourcen zu schaffen, damit die Sporttherapie in ganz Deutschland auch für Herzinsuffizienzpatienten zugänglich ist.“

Es gibt bereits rund 6.000 Herzsportgruppen in Deutschland, in denen 120.000 Herzkranke Rehabilitationssport betreiben. Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz wurden von diesem Training jedoch mitunter ausgeschlossen. Die Patienten seien zu wenig belastbar, ihre Betreuung sei zu intensiv.

Leistungsfähigkeit und Lebensqualität maßgeblich verbessert

Mit der klinischen Studie „HIP-in Würzburg“ hat das DZHI das Gegenteil bewiesen. Eine Sportgruppe für herzinsuffiziente Patienten ist durchaus machbar und sicher. Bei jedem Training war ein Arzt zugegen, so wie es auch bei jeder anderen Herzsportgruppe vorgeschrieben ist. Während des Trainings trug jeder Teilnehmer einen Aktivitäts-Tracker mit integrierter Pulsuhr. Vor Studienbeginn sowie nach vier, acht und zwölf Monaten wurden die Teilnehmer im DZHI umfassend untersucht. Neben einem Herzultraschall, Herz-Lungen-Belastungstest und 6-Minuten-Gehttest gab es einen Fragebogen zur Lebensqualität. Die Ergebnisse wurden in Kooperation mit den Instituten für Informatik und für Sportwissenschaft der Universität Würzburg ausgewertet. Sie unterstreichen einmal mal mehr den Erfolg der Sporttherapie: Nach einem Jahr halbierte sich der Biomarker für Herzinsuffizienz, der so genannte NT-proBNP-Wert. Die Auswurffraktion erhöhte sich von durchschnittlich 36 Prozent auf 41 Prozent. Die Leistungsfähigkeit und Aktivität im Alltag wurden maßgeblich verbessert und somit auch die Lebensqualität.

„Wir sind so begeistert von unseren Ergebnissen, dass wir in einer Folgestudie Patienten aktivieren möchten, die derzeit noch weniger belastbar sind und sich ausschließlich in der NYAH-Klasse III befinden“, berichtet Gülmisal Güder. Interessenten können sich schon jetzt gern in unserer Herzinsuffizienz-Ambulanz anmelden (dzhi-ambulanz@ ukw.de, 0931 201 46300).

Publikation: Gülmisal Güder, Joana Wilkesmann, Nina Scholz, Robert Leppich, Peter Düking, Billy Sperlich, Christian Rost, Stefan Frantz, Caroline Morbach, Floran Sahiti, Ulrich Stefenelli, Margret Breunig and Stefan Störk. Establishing a cardiac training group for patients with heart failure: the “HIP-in-Würzburg” study. Clin Res Cardiol (2021). https://doi.org/10.1007/s00392-021-01892-1

Pressemitteilung als PDF.

Bayerns erste Herzinsuffizienzsportgruppe. Mit dem gezielten, kontrollierten und ärztlich überwachten Training hat das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) eine Lobby für ein betreutes Herzschwächetraining geschaffen. © Klaus Ebert

10 Jahre Forschen Behandeln Vorbeugen

Zehn Jahre lang wurde das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, um sich als Modellzentrum für Innovationen in der Deutschen Hochschulmedizin zu etablieren. Wir haben laufen gelernt, unser Netzwerk erweitert und einige wegweisende Meilensteine in der Forschung, Behandlung und Prävention der Herzinsuffizienz gesetzt.

In unserer Jubiläumsbroschüre blicken wir zurück auf die Entstehungsgeschichte des DZHI, die vier Departments, unsere Junior- und Arbeitsgruppen, Core Facilities, die Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit, die Herzinsuffizienz an sich und ihre Begleiterkrankungen sowie seltene Erkrankungen; wir stellen optimierte Versorgungsstrukturen vor, u. a. Telemonitoring, spezialisierte Pflegekräfte und MFA; und wir berichten über unsere Grundlagenforschung, Vernetzung und Nachwuchsförderung.

Die Jubiläums-Broschüre finden Sie hier als (PDF), ein ausgedrucktes Exemplar schicken wir Ihnen auf Anfrage (dzhi@ ukw.de) gern zu.

Wie unser Herz unter kardiovaskulären Risikofaktoren leidet

Floran Sahiti hat Herzultraschallbilder und Gesundheitsstörungen der STAAB-Probanden ausgewertet. Der Bluthochdruck wirkt sich am deutlichsten auf die Herzarbeit aus, aber auch andere Risikofaktoren beeinflussen die Myokardleistung.

Privatdozentin Dr. Caroline Morbach leitet das Echokardiografie-Labor am DZHI und hat den MD/PhD-Studenten Floran Sahiti bei seiner Arbeit betreut.

Bluthochdruck, starkes Übergewicht, Diabetes mellitus, Nikotinkonsum und Fettstoffwechselstörungen sind allesamt Faktoren, die das Risiko für die Entstehung einer Herzinsuffizienz erhöhen. Wie stark diese Risikofaktoren Funktion und Leistung unseres Herzens beeinflussen hat Floran Sahiti vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz genauer unter die Lupe genommen und neue Erkenntnisse gewonnen. Dazu hat der Mediziner Herzultraschall-Bilder von insgesamt 1929 Männern und Frauen ausgewertet und die Bewegung des Herzmuskels mit den Risikofaktoren des jeweiligen Studienteilnehmers in Beziehung gesetzt, 77 Prozent hatten mindestens einen Risikofaktor. Ergebnis: Alle Faktoren waren mit einer schlechteren Effizienz der Herztätigkeit assoziiert. Am eindrücklichsten war dieser Zusammenhang für den Bluthochdruck, sowohl was die Häufigkeit angeht als auch die Auswirkung. Experten sind sich einig: Die wissenschaftliche Arbeit von Floran Sahiti leistet einen wertvollen Beitrag zum grundlegenden Verständnis der Physiologie des Herzens sowie der Pathophysiologie der Herzinsuffizienz.

Für seine erste Publikation untersuchte der MD/PhD-Student Floran Sahiti die Daten von Teilnehmern der STAAB-Studie. In STAAB wurden und werden am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) 5000 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 79 Jahren ohne bekannte Herzinsuffizienz über einen längeren Zeitraum mehrfach untersucht. Ziel des STAAB Forschungsprogramms, das von den Professoren Peter Heuschmann vom Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) und Stefan Störk (DZHI) geleitet wird, ist es, herauszufinden, wie häufig eine noch unentdeckte Herzschwäche in der Bevölkerung auftritt und welche Faktoren zur Entstehung einer Herzinsuffizienz beitragen.

Von 2473 STAAB-Teilnehmern hat Floran Sahiti die Ultraschallbilder des Herzens genauer unter die Lupe genommen. Die Echokardiografie ist eine der wichtigsten Untersuchungen, um Veränderungen am Herzen zu erkennen. Hierbei wird die Bewegung des Herzmuskels sichtbar. Üblicherweise wird die Herzleistung als linksventrikuläre Auswurffraktion angegeben, also das Verhältnis des aus der linken Kammer ausgeworfenen Blutvolumens zum Volumen bei optimaler Kammerfüllung. „Mit neuen echokardiografischen Verfahren lässt sich sehr exakt bestimmen, mit welcher Geschwindigkeit Herzmuskelfasern sich bei ihrer Arbeit verkürzen und ausdehnen sowie die dabei zurückgelegte Wegstrecke“, sagt Caroline Morbach, Leiterin des Echokardiografie-Labors am DZHI. Die Kardiologin und Privatdozentin hat Floran Sahiti bei seiner Arbeit betreut. Sahiti führt fort: „Wir können mit sogenannten ‚pressure-strain loops‘ die gesamte vom Herzmuskel geleistete Arbeit auf eine ganz neue Art berechnen. Das Besondere dabei ist, dass wir ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Anteile der Herzarbeit den einzelnen Phasen des Herzzyklus und den einzelnen Segmenten des Herzmuskels zuordnen können. Wir können so berechnen, wieviel von der für die Herzarbeit aufgewendeten Energie verschwendet wird. Ein gesunder Herzmuskel verschwendet nahezu keine Energie und hat damit eine optimale Effizienz. Beim kranken Herzen kann der Anteil verschwendeter Arbeit hoch sein – selbst bei normaler linksventrikulärer Auswurffraktion.“

Vorteil dieser neuen Methode ist, dass sie nicht-invasiv ist. Allerdings eignet sich nicht jedes Bild dafür. Von 2473 untersuchten STAAB-Teilnehmern lieferten 1929 Probanden auswertbare Bilder. Von ihnen wiesen wiederum 1490 Probanden mindestens einen kardiovaskulären Risikofaktor auf.

Mehr Arbeit aber weniger Effizienz

Der am häufigsten beobachtete Risikofaktor war der Bluthochdruck, In der Studie war er definiert als Blutdruckwert höher als 140/90 mmHg oder Einnahme blutdrucksenkender Medikamente. Der Bluthochdruck hatte auch die stärkste Auswirkung auf das Herz. Die Forscher fanden heraus, dass ein Hochdruckherz nicht nur insgesamt mehr Arbeit aufwendet, sondern insbesondere einen hohen Anteil an verschwendeter Arbeit leisten muss. „Die Ursachen hierfür sind nicht offensichtlich, sondern beruhen unter anderem auf subtilen Störungen im Zusammenspiel von elektrischer Erregung, Pumpvorgängen und der Funktion der Herzklappen. Die Folge ist eine aufwändige aber ineffiziente Herzarbeit“, erklärt Stefan Störk, Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz im DZHI.

Traditionelle Risikofaktoren beeinflussen unabhängig vom Blutdruck die Herzleistung

Auch die anderen Risikofaktoren waren mit einem ungünstigeren Herzarbeit-Profil verbunden, wenngleich nicht in dem Ausmaß wie der Bluthochdruck. Zu diesen Risikofaktoren zählen starkes Übergewicht (Adipositas = Body Mass Index von über 30 kg/m2), Diabetes mellitus, Nikotinkonsum und Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämie = LDL-Cholesterin-Wert von über 190 mg/dl oder fettsenkende Therapie). „Wir schließen daraus, dass diese traditionellen Risikofaktoren unabhängig vom systolischen Blutdruck die linksventrikuläre Myokardleistung beeinflussen“, resümiert Floran Sahiti.

„Die Arbeit von Floran Sahiti leistet einen soliden Beitrag zum grundlegenden Verständnis der Pathophysiologie des Herzens“, kommentiert Götz Gelbrich, Professor für Biometrie am IKE-B und Mitautor der Studie, die jetzt im Journal of Human Hypertension veröffentlicht worden ist. „Wir haben neue Erkenntnisse und Einblicke gewonnen, wie kardiovaskuläre Risikofaktoren die Funktion und Leistung der Herzmuskulatur beeinflussen und können dies in künftigen Studien berücksichtigen“, unterstreicht Peter Heuschmann, Leiter des IKE-B.

Floran Sahiti studierte Medizin in Pristina (Kosovo) und schloss dort im Jahre 2016 seine Doktorarbeit in der Grundlagenforschung erfolgreich ab. Ein Jahr später konnte er Stefan Störk vom DZHI als Mentor gewinnen und kam über ein Stipendium des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung (IZKF) und die Graduiertenschule für Lebenswissenschaften (GSLS) ans DZHI. Hier arbeitet der 28-Jährige im Echolabor unter der Leitung von Caroline Morbach am Abschluss dieser wissenschaftlichen Phase als PhD (Philosophical Doctorate). Anschließend strebt er die Weiterbildung im Fach Kardiologie an, die er ebenfalls gern am Uniklinikum Würzburg absolvieren möchte.

Publikation:
Sahiti, F., Morbach, C., Cejka, V. et al. Impact of cardiovascular risk fac-tors on myocardial work—insights from the STAAB cohort study. J Hum Hypertens (2021). https://doi.org/10.1038/s41371-021-00509-4

Pressemitteilung als PDF

Privatdozentin Dr. Caroline Morbach leitet das Echokardiografie-Labor am DZHI und hat den MD/PhD-Studenten Floran Sahiti bei seiner Arbeit betreut.

Lorbeeren für Genmutationsforschung

Mit der Entdeckung einer Mutation im LEMD2-Gen haben Brenda Gerull und Ruping Chen vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) bereits vor zwei Jahren das Spektrum der genetischen Ursachen für eine Herzinsuffizienz erweitert. Für die nachfolgende Entschlüsselung der molekularen Mechanismen, die der Mutation im Kernmembranprotein LEMD2 zugrunde liegen, wurde Ruping Chen jetzt von der European Society of Cardiology beim virtuellen Winter Meeting der Heart Failure Association mit dem Young Investigator Award ausgezeichnet. Darüber hinaus unterstützt die Deutsche Stiftung für Herzforschung die Biomedizinerin mit 60.000 Euro bei der Beantwortung der Frage, wie Mutationen im Kernhüllenprotein eine Kardiomyopathie auslösen können. Weiterhin darf sich Chen über ein Stipendium der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Höhe von 50.000 Euro freuen. Im Rahmen dieses Stipendiums möchte die Wissenschaftlerin LEMD2 Mutationen im Stammzellenmodell charakterisieren.

Die Biomedizinerin Ruping Chen (PhD) charakterisiert im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz LEMD2 Mutationen im Stammzellenmodell.
Ruping Chen (PhD) untersucht am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz die Folgen der LEMD2 Mutation im Mausmodell. © Kirstin Linkamp

Genetische Formen der Herzinsuffizienz – familiäre Kardiomyopathien – stehen im Department Kardiovaskuläre Genetik am DZH im Fokus der Forschung und Behandlung. Brenda Gerull und ihr Team suchen nach neuen Ursachen und Folgen, die zur Herzinsuffizienz führen. Mit Erfolg. So hat Ruping Chen entdeckt, dass eine Mutation im Kernmembranprotein LEMD2 eine schwere Form der Kardiomyopathie auslösen kann. Die Herzmuskelerkrankung verursacht bereits bei jungen Erwachsenen gefährliche Herzrhythmusstörungen, die zum plötzlichen Herztod führen können. Interessanterweise geht den Herzveränderungen eine Linsentrübung im frühen Kindesalter voraus, im Volksmund auch als grauer Star bekannt. Ähnlich wie bereits bekannte Mutationen im Lamin-Protein führen genetische Veränderungen im LEMD2-Protein zu Frühalterungskrankheiten, zu denen die Progerie gehört.

Mit der Erforschung des Kernmembranproteins LEMD2 das Puzzle vervollständigen

Obwohl an den Lamin-Proteinen, die zu Laminopathien führen, schon länger geforscht wird, sind die komplexen Mechanismen immer noch nicht vollständig verstanden. „Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum unsere Untersuchungen der Mutation im Kernmembranprotein LEMD2 am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz in der Wissenschaft derzeit auf großes Interesse stoßen“, mutmaßt Brenda Gerull. Mit der Entdeckung des veränderten „Alterungsgens“ und dessen molekularen Folgen haben die Kardiogenetikerin und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Ruping Chen einen wertvollen Beitrag zum weiteren Verständnis genetischer Kardiomyopathien geleistet.

Chen arbeitet schon länger an den Mechanismen der Alterung und konnte im November 2020 die Ergebnisse ihrer Arbeit während ihres PhD-Studiums am Institute of Aging Research der Hangzhou Normal University hochrangig im Journal Cell Metabolism1 veröffentlichen. In ihrer Promotion ging es um die Alterungsprozesse der Lunge, heute fokussiert sie sich auf die vorzeitige Alterung des Herzens und wie diese zu einer besonderen Form der arrhythmogenen Kardiomyopathie führt. Hierbei möchte sie die Mechanismen von LEMD2 Mutationen besser verstehen, um zukünftig entsprechende therapeutische Ansätze im Gesamtkomplex dieser Proteine zu finden.

Mutation in Mäusen ahmt menschlichen Phänotyp nach

Mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Technologie wurde die humane LEMD2-Mutation namens p.L13R in ein Mausmodell eingebracht. Schon nach wenigen Wochen beobachtete Chen bei den Mäusen zelluläre Veränderungen am Herzen, die aber zunächst die Herzfunktion nicht beeinträchtigen. Nach neun Monaten entwickelten die Mäuse mit der Mutation eine Kardiomyopathie, die der beim Menschen beobachteten Form sehr ähnlich ist. Das heißt, die Herzhöhlen waren erweitert, Fachleute sprechen von einer Dilatation, die Herzfunktion war deutlich eingeschränkt, und es kam zu schweren Herzrhythmusstörungen, sogenannten Arrhythmien.

„Erstaunlicherweise waren die Herzmuskelzellen deutliche vergrößert, wohingegen das Herz keine Hypertrophie der Herzwände zeigte“, schildert Ruping Chen ihre Entdeckung, die sie auf folgende Vermutung brachte: „Wenn nur die Kardiomyozyten stark hypertrophiert sind, also nur die Muskelzellen und nicht das Herz vergrößert sind, dann sind wahrscheinlich bereits kurz nach der Geburt weniger Zellen vorhanden. Somit müsste ein früher Proliferationsdefekt vorliegen. Das heißt, die Zellen teilen sich nicht regelrecht. Die Hypertrophie stellt somit wahrscheinlich eine Kompensation dar.“

Was ist in der Kernmembran nicht in Ordnung?

Darüber hinaus beobachtete Ruping Chen, dass die Zellen vorzeitig altern und die DNA geschädigt ist. „Elektronenmikroskopische Aufnahmen des Zellkerns lassen vermuten, dass ein gestörter Reparaturmechanismus in der Kernmembran eine Rolle bei der Entstehung einer Kardiomyopathie spielen könnte“, berichtet Ruping Chen. „Im Zellkern werden zum Beispiel DNA-Schäden repariert, daher ist die Unversehrtheit der Kernmembran immens wichtig.“ Nun gilt es, die funktionellen und morphologischen Veränderungen am Herzen weiter zu charakterisieren und die molekularen Mechanismen und Signalwege zu finden, um mögliche Zielmoleküle für zukünftige Behandlungen zu definieren. „Welche Prozesse genau gestört sind, das müssen wir jetzt herauszufinden“, resümiert Ruping Chen.

Preisgekrönter Meilenstein

Ruping Chen ist seit vier Jahren Postdoc im Department Kardiovaskuläre Genetik. Der Gewinn des Young Investigator Awards beim Heart Failure Winter Research Meeting 2021 ist für die gebürtige Chinesin eine ganz besondere Auszeichnung – ein preisgekrönter Meilenstein in ihrer Forschung. Gilt das traditionelle Winter Meeting der Heart Failure Association (HFA) doch inzwischen als bester Grundlagen-Kongress zur Herzschwäche in Europa. Lorbeeren, auf denen sich die Wissenschaftlerin und Mutter eines zwei Jahre alten Sohnes jedoch keinesfalls ausruhen möchte. Im Gegenteil: Sie ist höchstmotiviert für die weiteren Untersuchungen. Rückenwind geben ihr die Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) mit einem Forschungsstipendium in Höhe von 50.000 Euro sowie die Deutsche Stiftung für Herzforschung mit einer Förderung in Höhe von 60.000 Euro 2.

1https://doi.org/10.1016/j.cmet.2020.10.004

2https://www.dshf.de/projekte.php

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Die Biomedizinerin Ruping Chen (PhD) charakterisiert im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz LEMD2 Mutationen im Stammzellenmodell.
Ruping Chen (PhD) untersucht am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz die Folgen der LEMD2 Mutation im Mausmodell. © Kirstin Linkamp

Stabiles Herz – stabiler Geist

Dass Patienten mit einer Herzschwäche häufig Gedächtnisstörungen und Aufmerksamkeitsdefizite aufweisen, hat ein Würzburger Forschungsteam aus Kardiologen, Neurologen, Neuroradiologen und Psychologen bereits in den ersten Auswertungen der Beobachtungsstudie „Cognition.Matters-HF“ belegt. Über die Verlaufsdynamik dieser kognitiven Leistungsschwäche und begleitende Veränderungen im Gehirn bei Herzinsuffizienz-Patienten war bislang wenig bekannt. Die Forscher fanden nun heraus, dass sich die zum Studienstart vorhandenen kognitiven Defizite binnen drei Jahren bei optimaler Herzinsuffizienztherapie kaum verschlechtert haben – eine ermutigende Erkenntnis für die Patienten. Die Studienteilnehmer wurden mehrfach in vier Disziplinen untersucht. Eine Besonderheit der Studie war die gleichzeitige Erfassung der Hirnstruktur mittels Magnetresonanztomographie (MRT), um Einblicke über zugrundeliegende Herz-Hirn-Interaktionen zu bekommen. Die Studie ist jetzt im renommierten European Heart Journal veröffentlicht worden.

Mirko Pham, Stefan Störk, Anna Frey und Guido Stoll (v.l.n.r.) waren federführend an der Studie Cognition.Matters-HF beteiligt.

 

148 Männer und Frauen mittleren Alters mit einer mindestens ein Jahr zuvor diagnostizierten Herzschwäche wurden über den Verlauf von drei Jahren im interdisziplinären Ansatz durch vier verschiedene Fachrichtungen – Neurologie, Psychologie, Neuroradiologie und Kardiologie – dreimal untersucht. Das Programm war umfangreich: von EKG und Herzultraschall, über neurologische Untersuchungen und neuropsychologische Tests bis hin zur Kernspintomographie (MRT). Das Kopf-MRT stellte eine besondere Herausforderung dar. „Da bei alleinig zu Studienzwecken durchgeführten MRTs keine Patienten mit metallischen Implantaten zugelassen sind, durften sie weder einen Herzschrittmacher oder Defibrillator haben, noch durfte die Gefahr bestehen, dass sie ein solches Implantat im Verlauf der Studiendauer benötigen werden. Diese Geräte sind bei vielen Herzschwächepatienten bereits implantiert, insbesondere bei fortgeschrittener Erkrankung. Wir untersuchten demnach eine vergleichsweise leichter betroffene Herzinsuffizienz-Kohorte“, berichtet die Studienleiterin Privatdozentin Dr. Anna Frey. „128 Patienten nahmen an der zweiten Untersuchung nach einem Jahr teil, 105 noch an der dritten nach drei Jahren.“

Stabiler klinischer Verlauf und Kognition unter optimierter Herzinsuffizienz-Therapie
Die Anzahl der Studienteilnehmer blieb bis zum Studienabschluss über den geplanten Erwartungen. Erfreulicherweise verstarben im Zeitraum von drei Jahren nur vier Patienten, und nur zehn Patienten mussten mindestens einmalig wegen Verschlechterung der Herzschwäche stationär behandelt werden. Die am Anfang der Studie vorhandenen kognitiven Einschränkungen waren im zeitlichen Verlauf im Mittel stabil. Teilweise fanden sich sogar geringfügige Verbesserungen. Lediglich die Defizite in der Aufmerksamkeit nahmen im Verlauf von drei Jahren etwas zu.

Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg erklärt diese Stabilität unter anderem mit den optimalen Studienbedingungen: „Mit einer optimierten Herzinsuffizienz-Therapie und der besonderen Unterstützung durch das Studienteam mit speziell ausgebildeten Herzinsuffizienz-Schwestern scheinen sich die zum Studienstart vorhandenen Defizite kaum zu verschlechtern.“ Das belegt einmal mehr die Notwendigkeit einer intensiven und individuellen Betreuung. Denn die durch die verminderte Herz- und Hirnleistung betroffenen Patienten befinden sich in einem Dilemma. Eine Herzinsuffizienz erfordert eine umfassende Therapie und exakte Medikamenteneinnahme. Demgegenüber stehen allerdings die Störungen des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit. Viele Patienten können aus diesem Grunde den Therapieplan nicht einhalten. Eine individuelle Betreuung durch eine Herzinsuffizienz-Schwester wirkt dem entgegen.

Verminderte Hirnleistung und verkleinerter Hippocampus bei schwachem Herzen
Es stellte sich unmittelbar die Frage, welche strukturellen Hirnveränderungen den kognitiven Leistungseinbußen zugrunde liegen. Die Basisuntersuchungen hatten bereits gezeigt, dass die Mehrzahl der Patienten mit Herzschwäche im Vergleich zu einer herzgesunden Kontrollgruppe der Grazer Universitätsklinik eine deutlicher ausgeprägte Atrophie des Hippocampus aufwiesen. Das heißt, genau die Hirnregion war verkleinert, die für unterschiedliche kognitive Funktionen, wie Gedächtnis, Erkennen und Verarbeiten von Inhalten, entscheidend ist. Der Gewebeschwund in dieser Hirnregion stand im Zusammenhang mit der kognitiven Beeinträchtigung der Studienteilnehmer: 41 Prozent der untersuchten Patienten zeigten Defizite in der Reaktionszeit, 46 Prozent im verbalen Gedächtnis und 25 Prozent im Arbeitsgedächtnis. Diese Ergebnisse aus der Studie „Cognition.Matters-HF“ wurden bereits im Jahr 2018 im Journal of the American College of Cardiology: Heart Failure veröffentlicht. Neu und bislang einzigartig ist die Analyse des Langzeitverlaufs von Kognition und bildmorphologischen Gehirnveränderungen, die jetzt im European Heart Journal publiziert wurde.

Automatisierte Auswertung der Kopf-MRTs
„Dabei kam eine computergestützte Analysetechnik der MRT-Gehirnbilder zum Einsatz die von Dr. György Homola im neuroradiologischen Team entwickelt wurde“, wie Prof. Dr. Mirko Pham, Leiter des Instituts für Neuroradiologie berichtet. „Dieses Auswerteprogramm erlaubt die auf Kubikmillimeter genaue Vermessung der Volumina einzelner Hirnregionen, wie dem Hippocampus. Damit kann vollautomatisiert ein objektiver Befund erhoben werden, der allerdings erheblichen Rechenaufwand erfordert. Mit Hilfe dieses Programms lassen sich dann feinste Veränderungen im zeitlichen Verlauf eindeutig bestimmen.“ Dabei bestätigte sich zunächst, dass Herzinsuffizienz-Patienten ein vermindertes Volumen des Hippocampus im Vergleich zu publizierten Normwerten aufweisen. Neu ist allerdings der Befund, dass der im Verlauf von drei Jahren zu beobachtende globale und lokale Verlust von Hirnsubstanz das Ausmaß des physiologischen Alterns nicht übersteigt. Die Schwere der Hippocampusatrophie korrelierte mit kognitiven Leistungseinbußen bei Studieneintritt, aber – eine beruhigende Nachricht für die Patienten – Betroffene zeigen keinen beschleunigten Abbau von Hirnsubstanz, zumindest solange das Ausmaß der Herzinsuffizienz stabil blieb.

Führt akutes Ereignis zu kognitiven Einschränkungen?
„Die Studienergebnisse legen die Hypothese nahe, dass wesentliche pathologische Prozesse in der Herz-Hirn-Interaktion, die zur umschriebenen Hirnatrophie und kognitiven Einschränkungen führen, vielleicht bereits weit vor der Entwicklung der Herzschwäche selbst im Rahmen der ursächlichen Grunderkrankungen, wie zum Beispiel einem akuten Myokardinfarkt entstehen“, vermutet Prof. Dr. Guido Stoll, leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg. Dies ermutigt die Forscher zu weiteren interdisziplinären Untersuchungen, wie sie nur in einem Verbund unter dem Dach des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) möglich sind.

An der Studie waren federführend beteiligt: PD Dr. Anna Frey (Medizinische Klinik und Poliklinik I; DZHI), Prof. Dr. Stefan Störk (DZHI), Prof. Dr. Mirko Pham (Neuroradiologie) und Prof. Dr. Guido Stoll (Neurologie, DZHI). „Wir danken ganz herzlich unseren zahlreichen Mitarbeitern und natürlich unseren Patienten. Sie alle haben mit viel Kooperation und Einsatz die erfolgreiche Durchführung der Studie erst möglich gemacht“, so Anna Frey.   

Die Arbeit ist am 26. Januar 2021 im European Heart Journal erschienen:
Anna Frey, György A Homola, Carsten Henneges, Larissa Mühlbauer, Roxane Sell, Peter Kraft, Maximilian Franke, Caroline Morbach, Marius Vogt, Wolfgang Müllges, Georg Ertl, László Solymosi, Lukas Pirpamer, Reinhold Schmidt, Mirko Pham, Stefan Störk, Guido Stoll, Temporal changes in total and hippocampal brain volume and cognitive function in patients with chronic heart failure—the COGNITION.MATTERS-HF cohort study, European Heart Journal, 2021;, ehab003, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab003

 

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Mirko Pham, Stefan Störk, Anna Frey und Guido Stoll (v.l.n.r.) waren federführend an der Studie Cognition.Matters-HF beteiligt.

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