Molekulare und Translationale Schmerzforschung
Molekulares Schmerzlabor
Welche – vielleicht sogar genetisch veränderten – Moleküle spielen bei Schmerzweiterleitung eine Rolle? Welche Einflüsse haben sie auf die Aktivität von Schmerzrezeptoren? Wie verändert sich die Blut-Nerven-Barriere so, dass sie entweder die Heilung einleitet oder zum chronischen Schmerz führt? Dieser Art von Fragen gehen wir in unserem molekularen Schmerzlabor nach. Bei annähernd molekularer Ansicht von Gewebe unter dem Konfokalmikroskop, durch spezielle Färbetechniken, im Massenspektrometer oder auch, indem wir die Genexpression einzelner Zellen in der Kulturschale analysieren, werden krankhafte Veränderungen in Schmerznervenzellen und umgebenden Zellen identifiziert. Mithilfe von genexperimentellen Untersuchungen an Nagern werden die Veränderungen im Organismus validiert und neue Therapien entwickelt.
Translationale Forschung
Damit die Ergebnisse und Erkenntnisse unmittelbar in eine praktische Anwendung münden und zur Verbesserung der Schmerztherapie beitragen, untersuchen wir die Folgen modifizierter Therapieansätze an Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten in Querschnittsstudien und Langzeitbeobachtungen. In unseren Projekten widmen wir uns schwerpunktmäßig chronischen Schmerzen nach Operationen, etwa bei Leistenschmerzen, oder nach einem Trauma, etwa beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) oder beim Plexusschaden. Unser erklärtes Ziel ist die Identifizierung von Biomarkern für die Entstehung und Rückbildung neuropathischer Schmerzen.
Aktuelle Forschungsprojekte
KFO 5001 ResolvePAIN
Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschungsgruppe (KFO) 5001 ResolvePAIN befasst sich in einem umfassenden interdisziplinären Ansatz mit fünf verschiedenen Arten von Nervenschmerzen. In neun Arbeitsgruppen, die unter der wissenschaftlichen Leitung der anästhesiologischen Klinik sowie Sprecherschaft der neurologischen Klinik stehen, wird Fragen zur Rückbildung von Nervenschmerz nachgegangen. Von der Identifizierung relevanter Mediatoren bei der Aktivierung oder Hemmung von Schmerzrezeptoren, über die Differenzierung genetischer Dispositionen oder Besonderheiten im Stoffwechsel bis hin zur Rolle des sozialen Umfelds und dem Einfluss des zentralen Nervensystems auf die Schmerzempfindung werden zahlreiche Einflussgrößen untersucht und im klinischen Verlauf beobachtet.
Abdichtung von Nervenbarrieren
Die Blut-Nerven-Barriere ist eine schützende Zellschicht um den peripheren Nerv herum, die sowohl für einen ausgewogenen Stoffwechsel sorgt als auch das Eindringen von Krankheitserregern und Entzündungsmediatoren verhindert. Bei Nervenschäden werden diese Barrieren durchlässiger. Auf molekularer Ebene untersuchen wir in Kooperation mit der Charité Berlin die Regulationsmechanismen der für die Abdichtung relevanten Tight Junction Proteine und beobachten den Einfluss der Barriereversiegelung auf den Schmerzverlauf. Im Fokus der Forschung steht die barrierestabilisierende Funktion des körpereigenen Wachstumsfaktors Netrin.
Das Forschungsprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Graduate School of Life Sciences (GSLS) Würzburg gefördert.
Weitere Informationen zum Projekt Abdichtung von Nervenbarrieren
Mechanonozizeption
An der Fruchtfliege und in präklinischen Modellen untersuchen wir, inwieweit das Zusammenspiel sogenannter G-Protein bindender Mechanorezeptoren und Guanintriphosphat-Proteine (kurz: G-Proteine) die Schmerzregulierung in der Nervenzelle beeinflussen. Einer dieser Rezeptoren, die mit dem G-Protein interagieren, ist das Latrophilin. Es sitzt auf der Zellmembran, wird über Adhäsion aktiviert und leitet den Schmerzimpuls – zumindest bei der Fruchtfliege – in das Zellinnere. Wir untersuchen, welche Rolle solche G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) für die Mechanonozizeption, also der Schmerzhemmung oder Schmerzweiterleitung von mechanisch ausgelösten Schmerzreizen, bei Nagern und beim Menschen spielen. Wir vermuten, dass solche Prozesse wichtig für die Rückbildung von Schmerzen sind.
Regenerative Medizin
Nervenschäden mit dauerhaften Nervenschmerzen sind typische Probleme nach einem Trauma. Besonders ausgeprägt ist dies, wenn der ganze Nervenplexus – meist eines Arms – betroffen ist. Komplexe molekulare Vorgänge führen zu einer Degeneration der abgetrennten Nervenenden. Parallel gehen die Nervenzellen im Spinalganglion unter, wenn sie keine Impulse mehr aus dem Versorgungsgebiet erhalten.
An präklinischen Modellen und an Gewebeproben Betroffener untersuchen wir, inwieweit Selbsterneuerung im Spinalganglion genutzt werden kann, um dem neuronalen Zelluntergang mit innovativen regenerativen Techniken entgegenzuwirken. Der Fokus richtete sich dabei auf die Verwendung körpereigener Gliazellen.
Voruntersuchungen haben gezeigt, dass sich diese Versorgungs- und Stützzellen, welche die Nervenzelle umgeben, als Reaktion auf Nervenläsionen zu teilen beginnen und sich quasi verjüngen. Diesen Prozess wollen wir ausnutzen, um Selbsterneuerung und damit Prozesse der Resilienz zu unterstützen.
Lipidmediatoren und Cholesteroltransporter
In einem Entzündungsherd entstehen reaktive Sauerstoffspezies (ROS). Diese chemisch-aggressiven Sauerstoffmoleküle oxidieren Lipide sowie fetthaltige Bestandteile der Zellmembran und schädigen somit das Gewebe, was wiederum Schmerzen hervorruft. Oxidierte Phospholipide und ihre Abbauprodukte 4-Hydroxynonenal können mit D4-F oder Anthocyanidine aus roten Früchten neutralisiert werden und so schmerzlindernd wirken. Wie genau oxidierte Lipide und Cholesteroltransporter, etwa das ABCA1, in den Prozess der Schmerzrückbildung eingreifen, wird an präklinischen Modellen sowie in der Kulturschale untersucht.
Weitere Information zum Projekt Lipidmediatoren und Cholesteroltransporter
Omega-3 Fettsäurenabkömmlinge zur Schmerzrückbildung
Eine neu entdeckte Gruppe von Lipiden sind die sogenannten Specialized Proresolving Mediators (SPMs). Diese oxidierten Abkömmlinge der Omega-3-Fettsäure haben eine antientzündliche und die Regeneration fördernde Wirkung. Sie werden vor allem in der Heilungsphase gebildet. Wenn man diese also von außen zuführen würde oder die Produktion bestimmter SMPs im Organismus selbst – etwa in Nanopartikeln – steigert, könnte dies zur Auflösung von Nervenschmerzen beitragen. Körpereigene Mechanismen könnten somit als Faktoren der Resilienz wirken und andauernde Schmerzen verhindern. Wir untersuchen daher einerseits die barriereversiegelnden Wirkungen von SPMs und andererseits ihre Wirkung auf Schwannsche Zellen. Diese bilden eine Leitschiene für Nervenfasern in der Regeneration. Dazu müssen sie sich erst verjüngen und vermehren und dann wieder zu einer Isolierschicht differenzieren.
Klinische Studien zur Schmerzforschung
Die Schmerzforschung in unserem Haus steht unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Heike Rittner, die auch Leiterin des größten akademischen Schmerzzentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS) Deutschlands ist. Entsprechend werden die klinischen Studien vor allem aus dem Patientenpool des ZiS rekrutiert und dort auch durchgeführt. Zusätzlich beteiligt sich das ZiS auch an mehreren Versorgungsforschungsstudien.
Zu den Klinischen Studien und den Versorgungsstudien des ZiS
Team der Forschungsgruppe
Leitung
Univ.-Prof. Dr. med. Heike Rittner
Prof. Dr. med. Alexander Brack
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Dr. med. Juliane Becker
Dr. rer. nat. Beate Hartmannsberger, PhD
Dr. med. Michael Harnik
Dr. med. Gudrun Kindl
Dr. med. Ann-Kristin Reinhold
Dr. rer. nat. Annemarie Sodmann
Technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Anja Neuhoff
Medizinische Doktorandinnen und Doktoranden
Anna-Lena Bettenhausen
Jiechu Chen
Johannes Degenbeck
Carolin Dorsch
Florine Feurer
Eva Herrmann
Antonia Leopold
Katharina Mehling
Nathalie Scheu
Sabrina Scriba
Julian Verse
Jonathan Weippert
Philip Wenzel
PHD Kandidatinnen und Kandidaten
Felicitas Schlott
Mariam Sohby Atalla
Masterstudierende
Maria Georgalli
Ida Kazerani
Dimitra Kostriki
Kooperationspartner
Kontakt, Öffnungszeiten, Sprechzeiten
an_direktion@ ukw.de
Anschrift
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie| Zentrum Operative Medizin (ZOM) | Oberdürrbacher Straße 6 | Haus A2 | 97080 Würzburg | Deutschland