In-vitro-Krankheitsmodelle
Hintergrund
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist eine Schutzbarriere des Gehirns, die dafür sorgt, dass nur Substanzen aus dem Blutstrom ins Gehirn gelangen, die für die Hirnsubstanz und deren ungehinderte Funktion unschädlich sind. Sie besteht aus den sogenannten Endothelzellen, welche die kleinen Gehirngefäße von innen auskleiden, den Perizyten, die den Gefäßen die äußere Form geben, sowie den sie umgebenden Hirnnervenzellen. Diese Astrozyten und die Blutgefäße sind eng miteinander verknüpft. Die Endothelzellen mit den als Tight junctions bezeichneten Verbindungsstellen sind für den Molekültransport durch die Zelle und die Zellenzwischenräume verantwortlich, der streng kontrolliert abläuft.
Molekulare Veränderungen der BHS
Infolge von Krankheiten, Entzündungen oder verschiedenen Schadstoffen wird die BHS verändert und durchlässiger gemacht. Umgekehrt begünstigt eine erhöhte Durchlässigkeit auch das Eindringen von Krankheitserregern wie Viren oder Bakterien sowie Tumorzellen. Unsere Forschungsgruppe befasst sich mit Veränderungen der BHS auf molekularer Ebene und sucht nach Möglichkeiten, diese therapeutisch zu beeinflussen. Dazu verwenden wir verschiedene BHS-Modelle, die zuverlässige Testsysteme darstellen, um die physiologischen und pathophysiologischen Mechanismen von Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS) zu erforschen.
Aktuelle Forschungsprojekte
BHS-Modelle aus Nabelschnurblut
Die in den letzten zwei Jahrzehnten verwendeten immortalisierten humanen Endothelzellen lassen sich zwar unbegrenzt vermehren, zeigen aber in vitro sehr schwache Barriereeigenschaften. Eine alternative Methode besteht darin, Vorläuferzellen aus Nabelschnurblut zu isolieren und in Endothelzellen zu differenzieren, die den Endothelzellen des Gehirns ähneln. Die Differenzierung wird durch Ko-Kultur mit Perizyten erreicht. Nach Genehmigung durch die Ethikkommission, entnehmen wir Nabelschnurblut und reinigen die CD34+ Zellen. CD34+-Zellen werden zu Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke differenziert und als In-vitro-Modell validiert.
Protocadherin gamma C3 (PCDHGC3)
Die besondere Dichte der Zell-Zell-Kontakte an der BHS wird durch spezifische Adhäsionsproteine, also Eiweißen, die an Zelloberflächen anhaften, aufrechterhalten. Viele Proteine in dem Zell-Zell-Kontaktkomplex sind noch unbekannt. Mit Hilfe der Immunpräzipitation untersuchen wir die potenziellen Interaktionspartner von Zell-Zell-Kontaktproteinen und charakterisieren deren Rolle an der BHS. Eines der mit diesem Verfahren identifizierten Proteine ist das PCDHGC3. Erste Studien zeigen, dass PCDHGC3 mehrere Signalwege in den Endothelzellen beeinflusst. Mit PCDHGC3-Knockout-Zelllinien untersuchen wir die Rolle von PCDHGC3 an der BHS.
BHS und Brustkrebs Metastasierung
Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Frauen in den Industrienationen. Insbesondere die Metastasierung des Tumors spielt hinsichtlich Mortalität und Gesamtüberleben eine wichtige Rolle. Die Überwindung der BHS ist entscheidend für die Invasion der Tumorzellen ins Gehirn. Spezifische Faktoren im Blut von Brustkrebspatientinnen, etwa Zytokine und microRNAs, können Funktion und Struktur der BHS beeinflussen. In unserem Projekt vergleichen wir die Faktoren aus dem Blut von Krebspatientinnen mit denen gesunder Probandinnen und suchen nach spezifischen Biomarkern für Brustkrebsmetastasen im Gehirn. Außerdem untersuchen wir in vitro die Wirkung von Chemotherapie bei Brustkrebs auf die BHS.
microRNAs nach Schlaganfall
Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für Pflegebedürftigkeit. Derzeit gibt es nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten und die molekularen Mechanismen der durch eine Ischämie verursachten Zellschädigungen – auch denen der BHS – sind nicht vollständig verstanden. Infolge einer Minderdurchblutung können sich Ödeme im Hirngewebe bilden und die Zellfunktion verändern. In diesen Prozess greifen microRNAs, kurze, nicht-kodierende RNAs, ein. In vitro setzen wir dazu Endothelzellen des Gehirns den gleichen Bedingungen wie beim Schlaganfall aus und untersuchen dabei, wie sich die Genaktivität durch microRNAs unter verminderter Sauerstoff- und Zuckerzufuhr verändert. Wir haben zwei microRNAs – miR-212 und miR-132 – gefunden, die sowohl in kultivierten Endothelzellen als auch im Tiermodell durch hypoxische Bedingungen aktiviert werden. In ersten Studien gelang es uns bereits, die Zielproteine dieser microRNAs zu identifizieren. Weitere Analysen sind geplant.
Team der Forschungsgruppe
Leitung
- Prof. Dr. rer. nat. Malgorzata Burek
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Daniela Engelmayr
- Victoria Kaupp
- Armin Klingenfuß
- Junqiao Mi
- Leander Nehring
- Emilie Pippert
- Jana Sahlmüller
- Anabelle Schoder
- Ramon Handerson Gomes Teles
Technische Mitarbeiterinnen
- Anja Neuhoff
- Katerina Steinisch
- Elisabeth Wilken
Kooperationspartner
- Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Barbara Braunger, Institut für Neuroanatomie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
- Dr. med. Carolin Curtaz, Prof. Dr. med. Achim Wöckel, Frauenklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg
- Prof. Dr. Fabien Gosselet, Université d'Artois, Lens, Frankreich
- Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Carsten Hagemann, Prof. Dr. med. Mario Löhr, Dr. med. Almuth Kessler, Dr. rer. nat. E. Salvador, Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg
- Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Winfried Neuhaus, Austrian Institute of Technology, Wien, Österreich
- Prof. Dr. med. Nicolas Schlegel, Experimentelle Viszeralchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg
Alumni / Abgeschlossene Projektarbeiten
- Emad Al-Masnaea
- Dr. med. Christina Dilling
- Benjamin Cordes
- Dr. med. Lydia Gabbert
- Rebecca Gebert
- Paul Glogau
- Laura Härtel
- Saskia Hechler
- Linus Homann
- Sascha Horst
- Mara Lauer
- Dr. med. dent. Leonie Reifschläger
- Constanze Schmitt
- Linus Strähle
- Dr. med. Aili Sun
- Safiatou Tinfissi
- Dr. med. dent. Sophia Wucherpfennig
Kontakt, Öffnungszeiten, Sprechzeiten
an_direktion@ ukw.de
Anschrift
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie| Zentrum Operative Medizin (ZOM) | Oberdürrbacher Straße 6 | Haus A2 | 97080 Würzburg | Deutschland