Wie aus Weinen Sprache wird
Prof. Dr. Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Schreien, Weinen und Brabbeln von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Ihre Erkenntnisse über Babylaute hat die Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen am UKW nun in einem Buch unterhaltsam und fundiert zusammengefasst.
Prof. Dr. Kathleen Wermke forschte und lehrte viele Jahre am Institut für Anthropologie der Charité in Berlin. Im Jahr 2003 holte sie Prof. Dr. Angelika Stellzig-Eisenhauer, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie, ans UKW, um dort in enger Kooperation mit der Kinderklinik, der HNO-Klinik und der Kinderneurochirurgie das interdisziplinäre Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen aufzubauen. Um Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Hörstörungen bei ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen und überhaupt erst einmal einen frühen Hinweis auf eine mögliche Entwicklungsstörung zu erkennen, musste die Verhaltensbiologin jedoch zunächst wissen, wie sich die Sprache bei Kindern ohne Risikofaktoren entwickelt und welche anderen Faktoren die Sprache der Kinder beeinflussen. Sie brauchte Kontrollgruppen. So entstanden im Lauf der Jahre das weltweit einzige Datenarchiv von Babylauten und die Kompetenz, diese Lautäußerungen zu modellieren und auszuwerten. Ihre international beispiellose Forschung ermöglicht innovative Methoden der Frühdiagnostik von Entwicklungsbesonderheiten. Einführung in eine faszinierende Klangwelt In ihrem im Frühjahr dieses Jahres erschienenen Buch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ führt die Expertin alle Interessierten in die geheimnisvolle Klangwelt der Babys ein. Hier einige Botschaften aus dem Werk:
- Kulturelle Unterschiede machen sich bereits in den ersten Lauten bemerkbar, die Menschen von sich geben. So verläuft zum Beispiel bei französischen Babys die Melodiekontur von tief nach hoch, während Babys deutschsprachiger Mütter mit fallender Melodiekontur, also von hoch nach tief, weinen. Japanische und schwedische Neugeborene wiederum weinen im Vergleich zu deutschen Babys deutlich komplexer.
- Bereits vor der Geburt, im letzten Schwangerschaftsdrittel, findet eine Prägung durch die Sprechmelodie der Mutter statt. Kaum auf der Welt, ahmen die Kinder diese Melodiemuster nach, indem sie durch Schreien und Gurren ihre Emotionen und Bedürfnisse ausdrücken.
- Nicht nur die Muttersprache, Fehlbildungen oder Hörstörungen wirken sich auf die Lauteigenschaften von Neugeborenen aus – auch die Dauer der Schwangerschaft, die Art der Geburt und die Umgebung, in der das Kind aufwächst, müssen berücksichtigt werden.
- Ein besseres Verständnis der Babygesänge kann helfen, die physischen und kognitiven Anstrengungen wertzuschätzen, die Babys vollbringen, um mit ihrer Umwelt akustisch in Kontakt zu treten und eine emotionale Bindung zu Bezugspersonen über die Stimme herzustellen. Diese Gefühlssprache ist der Weg zur Sprache. Babys verdienen Respekt und wertschätzendes Verständnis ihrer stimmlichen Botschaften.

Prof. Dr. Kathleen Wermke. Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird. 224 Seiten, Molden Verlag, 26 €, ISBN 978-3-222-15122-4
Neue Erkenntnisse zur Atherosklerose
TREM2, ein Rezeptor auf der Oberfläche von Makrophagen, könnte eine wichtige Rolle bei der Atherosklerose spielen. Forschende aus Würzburg und Wien konnten Mechanismen aufzeigen, über die TREM2 auf die Erkrankung einwirkt. Außerdem ermittelten sie einen möglichen Therapieansatz mit dem agonistischen TREM2-Antikörper 4D9.

Bei der Atherosklerose treiben Ablagerungen von Lipiden, insbesondere von Cholesterin, die Entstehung von Plaques in der innersten Schicht von Arterien voran. Dadurch kann das Innere der Gefäße verengt und der Blutfluss behindert werden. Prof. Dr. Alma Zernecke-Madsen und Clément Cochain vom Institut für Experimentelle Biomedizin II des UKW sowie Prof. Dr. Christoph Binder vom Klinischen Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien erforschen diese chronische Erkrankung der Gefäße schon seit Jahren. Ein Fokus ihrer Untersuchungen liegt auf dem Immunsystem, das bei der Atherosklerose eine wichtige Rolle spielt. So können Makrophagen (Fresszellen) durch Aufnahme von Lipiden zu so genannten Schaumzellen werden, die sich besonders in atherosklerotischen Plaques ablagern. „Wir wussten bereits, dass diese Schaumzellen TREM2 auf der Oberfläche tragen und dieser Rezeptor die Makrophagenfunktion in unterschiedlichen Pathologien wie Alzheimer oder Fettleibigkeit reguliert. Die Mechanismen, über die der Rezeptor auf die Atherosklerose einwirkt, waren jedoch noch nicht vollständig bekannt“, erläutert Prof. Zernecke-Madsen. Hier lieferten die Arbeitsgruppen aus Würzburg und Wien in einer im März 2024 im Journal Nature Cardiovascular Research erschienenen Publikation weiteres Wissen. TREM2 reguliert Makrophagen-funktion Sie konnten zeigen, dass TREM2 für Makrophagen entscheidend an der Aufnahme von Lipiden und dem effizienten Abräumen von toten Zellen im Gewebe beteiligt ist. TREM2 fördert das Überleben von Schaumzellen. So scheint TREM2 das Gleichgewicht zwischen dem Absterben von Schaumzellen und ihrer Beseitigung in atherosklerotischen Läsionen zu steuern. Einen möglichen therapeutischen Ansatz erbrachten Untersuchungen an Mäusen. Sie wurden mit dem agonistischen TREM2-Antikörper 4D9 behandelt, was die Aktivität von TREM2 verstärkt. Es zeigte sich, dass durch die Stimulation von TREM2 die Bildung nekrotischer Kerne innerhalb der atherosklerotischen Plaques begrenzt wurde (siehe Bild). Diese schützende Funktion von TREM2 könnte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge sehr wichtig sein, da ie Ansammlung von abgestorbenen Plaquezellen maßgeblich die Stabilität der Ablagerungen und damit die klinischen Komplikationen der Atherosklerose beeinflusst. Das heißt: Wenn zu viele Zellen durch Nekrose absterben und die geschädigten Zellen nicht effizient entfernt werden, kommt es zu Entzündungen und nachfolgenden schädlichen Effekten. Durch die Gabe von 4D9 sterben jedoch weniger Zellen aufgrund von Nekrose ab. Möglicherweise diagnostisch und therapeutisch nutzbar Darüber hinaus konnten die Forschenden Daten erheben, die TREM2 im menschlichen Serum bei der Atherosklerose nachweisen. Demnach korrelierte das im Blut lösliche TREM2 mit dem weiteren Wachstum von Plaques in der Halsschlagader der Patientinnen und Patienten. Zusammen mit den Ergebnissen aus den präklinischen Tiermodellen könnte dies darauf hindeuten, dass sich TREM2 diagnostisch und therapeutisch nutzen lässt, was in den nächsten Jahren weiter erforscht werden muss.
Bild: Patty Varasano/Kathleen Wermke | Illustration: olgahalizeva - stock.adobe.com