
Athletinnen im Mittelpunkt
Die Veranstaltungsreihe „Sport Trauma Würzburg“ der Chirurgischen Klinik II des UKW widmete sich in ihrer diesjährigen Ausgabe den besonderen Herausforderungen in der Betreuung von Sportlerinnen.

Mitte März lud die Chirurgische Klinik II des UKW erneut alle Interessierten zu ihrer jährlichen Veranstaltung „Sport Trauma Würzburg“ ein. In diesem Jahr stellte das von Klinikdirektor Prof. Dr. Rainer Meffert und dem mittlerweile am Johanniter Waldkrankenhaus Bonn tätigen Sportmediziner Privatdozent Dr. Kai Fehske initiierte und moderierte Informations- und Austauschformat die besonderen Herausforderungen in der Betreuung von Athletinnen in den Mittelpunkt. Als Kooperationspartner das Sportzentrum der Uni Würzburg, vertreten durch dessen Wissenschaftlichen Leiter Prof. Dr. Olaf Hoos. Wie von „Sport Trauma“ gewohnt, gingen die Vortragsthemen im Hörsaal des Zentrums für Operative Medizin weit über die Betrachtung von unfallchirurgischen Aspekten hinaus. So nahm der Würzburger Chirurg und Medizinhistoriker Dr. Christoph Weißer die knapp 100 Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf einen Streifzug durch die Geschichte des Frauensports. Dabei wurde geradezu überdeutlich, wie lange und wie stark Frauen auch im Sport patriarchalisch-paternalistischen Einschränkungen unterworfen waren. Nach den Worten des Referenten beginnt sich der Frauensport erst jetzt bis in die letzten Winkel zu emanzipieren. Seit 1970 ist es Frauen möglich, im Verein Fußball zu spielen. Beim Training und bei der Betreuung von Kickerinnen in höheren Ligen werden heute deren geschlechtsspezifische körperliche Voraussetzungen besonders berücksichtigt, wie Dr. Leonard Achenbach und Privatdozentin Dr. Lisa Bode verdeutlichten. Als Mannschaftsarzt der FC Bayern München Damen und der weiblichen U19 des Deutschen Fußballbundes berichtete Achenbach beispielsweise, dass beim FCB durch Mitteilungen in einer speziellen App Periodenbeschwerden in die Gestaltung des Trainingsprogramms einbezogen werden. Darüber hinaus wies der an der Würzburger Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus tätige Chirurg auf die besonderen Verletzungsrisiken von Fußballerinnen hin. Dazu zählen gegenüber Männern ein doppelt so hohes Risiko für Schädel-Hirn-Verletzungen aufgrund der schwächeren Kopfhaltemuskulatur sowie ein ebenfalls anatomisch bedingtes, sechsfach erhöhtes Risiko für einen Kreuzbandriss.
Hohes Risiko für Kreuzbandrisse bei Fußballerinnen Zu Letzterem lieferte Dr. Bode, Chirurgin am Universitätsklinikum Freiburg und Mannschaftsärztin des SC Freiburg, die Fakten: Bei U16-Spielerinnen ist die Gefahr für eine Kreuzbandruptur am höchsten. Durch Drehbewegungen ist häufig das Standbein betroffen. Ein Problem ist zudem die hohe Rate an erneuten Rupturen: Das Risiko ist gegenüber einer Unverletzten bis zu 40-fach erhöht. Entgegen einer oft geäußerten Vermutung gibt es laut der Expertin keine Zyklusphase mit sicher erhöhter Gefahr für einen Kreuzbandriss. Durch gezielte Übungen und Bewegungsschulungen lässt sich das Risiko dieser Knieverletzung in etwa halbieren. Ansonsten empfahl Bode, in der Betreuung von jungen Mädchen mit hohen Fußballambitionen schon die Vorpubertät in Richtung Prävention voll auszunutzen, auch durch die bestmögliche Ausbildung der Knochenmasse. Von Fußball zum Handball: Hier arbeitete Dr. Wiebke Vinke, Chirurgin am König-Ludwig-Haus und Mannschaftsärztin des Handballvereins Wölfe Würzburg, eine ganze Reihe von konstitutionellen und spielerischen Unterschieden zwischen Leistungshandballerinnen und Leistungshandballern heraus. So sind die Spielerinnen durchschnittlich deutlich kleiner und leichter als ihre männlichen Kollegen. Sie bewältigen im Spiel größere Laufdistanzen, zeigen eine größere Gesamtaktivität und schöpfen dabei ihre um etwa zehn Prozent niedrigere aerobe Leistungskapazität stärker aus. „Insgesamt gesehen ist das Anforderungsprofil für Handballerinnen und Handballer aber gleich, so dass auch die Trainingsinhalte gleich gestaltet werden können“, resümierte Dr. Vinke.

Die Vortragenden und Moderatoren der Veranstaltung „Trauma Sport Würzburg 2024“.
Die Bedeutung des Menstruationszyklus In der Sportszene und den Medien verdichtet sich seit einigen Jahren die These, dass sich das Auf und Ab der Hormone während des weiblichen Zyklus für ein effektiveres Training und bessere sportliche Leistungen nutzen lässt. Dem musste Janina Schwarzer aus rein wissenschaftlicher Perspektive allerdings widersprechen. „Für fundierte Handlungsempfehlungen gibt es derzeit noch zu wenige Studien – und diese sind zudem von schlechter Qualität“, unterstrich die Hamburger Sportwissenschaftlerin. Tatsächlich sei der Einfluss des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit sehr individuell. Die Expertin hält es für sinnvoll, die Athletinnen darin zu ermutigen, ihren Zyklus besser kennenzulernen, um Regelmäßigkeiten im persönlichen Empfinden zu erkennen. So spräche nichts dagegen, zum Beispiel die von vielen Frauen wahrgenommene erhöhte Motivation und Wettkampfbereitschaft rund um den Eisprungtermin oder den fehlenden Elan kurz vor und während der Menstruation im Training zu berücksichtigen. Mit dem Körper zu trainieren und nicht gegen ihn – das will auch der Berliner Fierce Run Force e.V., der 1. Frauenlaufsportverein mit zyklusgerechtem Training. Als Ziele nannte dessen Gründerin und Cheftrainerin Stephanie Platt unter anderem ein effizienteres Training, eine bessere Regeneration und den Erhalt der Fruchtbarkeit. Zur Umsetzung gehören dabei nach den Worten der ehemaligen Leistungssportlerin zum Beispiel ein verbessertes Körperbewusstsein inklusive Zyklustracking und der Wahrnehmung von Warnsignalen, ein gutes Stress- und Schlafmanagement sowie eine ausreichende, regelmäßige und gesunde Ernährung. Bei Fierce Run Force wird in der Follikelphase und um die Ovulation herum intensiv, in der Lutealphase und während der Menstruation dagegen regenerativ trainiert. Bewusstsein für RED im Sport schaffen Bei der Ernährung von Athletinnen verdient das Thema Relatives Energiedefizit (RED) eine erhöhte Beachtung, wie die Würzburger Sportmedizinerin und Mannschaftsärztin des Basketballvereins Würzburg Baskets, Dr. Natascha Kissling, verdeutlichte. Das Syndrom beschreibt eine unzureichende Nahrungs- und damit Energiezufuhr im Verhältnis zum Energieverbrauch. Dies kann beträchtliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben, wie reduzierte Knochendichte, Menstruations- und kardiovaskuläre Störungen, erhöhtes Verletzungsrisiko oder kognitive Defizite. Die vom Energiedefizit hervorgerufenen adaptiven physiologischen Prozesse betreffen laut Dr. Kissling Athletinnen aufgrund ihrer im Vergleich zu Athleten um zehn Prozent höheren Körperfettmasse in besonderem Maße. Um ein RED möglichst rechtzeitig zu erkennen, plädierte die Ärztin für mehr Aufmerksamkeit der Sportlerinnen und deren gesamten Umfelds für potenzielle Symptome, wie unerklärlicher Leistungsabfall, erhöhte Infektanfälligkeit, Verdauungsstörungen sowie Depressionen und Essstörungen.
Das nächste „Sport Trauma Würzburg“ am 21.03.2025 wird sich mit „Kindern im Sport“ beschäftigen.
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