Zehn Jahre ZESE
Der 29. Februar ist der offizielle Tag der Seltenen Erkrankungen. Am diesjährigen Schalttag feierte das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZESE) am UKW bei einer Festveranstaltung sein zehnjähriges Bestehen.
Am Uniklinikum Würzburg unterstützt und koordiniert seit dem Jahr 2014 eine interdisziplinäre Einrichtung die Patientenversorgung, Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Seltenen Erkrankungen. Hauptziel des von Prof. Dr. Helge Hebestreit geleiteten Zentrums für Seltene Erkrankungen – Referenzzentrum Nordbayern (ZESE) ist es, die Diagnostik und Therapiemöglichkeiten zu verbessern. Was ist eine Seltene Erkrankung? Eine Erkrankung, von der nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind, gilt als selten. Bislang sind etwa 8.000 verschiedene Seltene Krankheiten bekannt. Bei steigender Tendenz: Nicht zuletzt dank der mittlerweile gut vernetzten Forschung werden jährlich etwa 200 neue Krankheitsbilder identifiziert. Seltene Erkrankungen sind zu 80 Prozent genetisch bedingt, erste Symptome zeigen sich meist schon im Kindes- und Jugendalter. Sie nehmen überwiegend einen chronischen Verlauf und sind oft mit einer eingeschränkten Lebensqualität sowie geringeren Lebenserwartung verbunden. Eine relativ bekannte Seltene Erkrankung ist die Mukoviszidose, mit der jährlich rund 200 Kinder in Deutschland geboren werden. Im Vergleich dazu ist zum Beispiel der „Faktor XIII-Mangel“, eine Blutgerinnungsstörung, „ultraselten“: Er tritt nur bei einem von rund zwei Millionen Menschen auf. Was sind die Probleme bei Seltenen Erkrankungen? „Menschen mit Seltenen Erkrankungen finden nicht immer Ärztinnen oder Ärzte, die sich mit der Diagnostik, Überwachung und Behandlung ihrer Krankheit gut auskennen“, berichtet Prof. Hebestreit und fährt fort: „Für viele bedeutet dies oft eine jahrelange medizinische Odyssee, bis ihr gesundheitliches Problem richtig erkannt wird.“ Was die Behandlung angeht, müssen nach den Worten des Experten in vielen Fällen verschiedene Fachdisziplinen und Berufsgruppen effektiv zusammenarbeiten, um ein optimales, auf den Einzelnen abgestimmtes Therapiekonzept zu finden – gerade bei Krankheiten, die mehrere Organe befallen. „Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass für viele Seltene Erkrankungen noch keine spezifische Therapie existiert und oft nur die Symptome gelindert werden können. Deshalb ist auch die Forschung zu Seltenen Erkrankungen so essentiell“, unterstreicht der Zentrums-Direktor. Eine weitere zukünftig noch besser zu lösende Aufgabe sieht er darin, eine altersgruppenübergreifende Versorgung für die Betroffenen sicherzustellen. Hebestreit: „Derzeit sind rund 60 Prozent der Menschen mit einer Seltenen Erkrankung im Erwachsenenalter. Große Probleme gibt es, wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden und sich dann alle medizinischen Ansprechpersonen ändern oder gar keine Erwachsenenversorgung existiert.“ In den universitären Zentren bestünde zwar eine hohe personelle Kontinuität in der Versorgung, aber wenn anstelle des langjährigen Teams in der Kinderklinik dann im Erwachsenalter ein neuer Arzt oder eine neue Ärztin mit einem ganz anderen multiprofessionellen Team die Betreuung übernimmt, könne dies für die Patientinnen und Patienten eine bedeutende Herausforderung sein „Gerade bei Seltenen Erkrankungen ist Kontinuität in der Behandlung besonders wichtig“, betont der Professor.
Bei der Jubiläumsveranstaltung des ZESE am 29. Februar dieses Jahres (von links): Prof. Dr. Martin Fassnacht (UKW), Staatssekretärin Sabine Dittmar, Folker Quack (Würzburger Arbeitskreis für Seltene Erkrankungen), Eva Luise Köhler (Eva Luise und Horst Köhler Stiftung), Prof. Dr. Helge Hebestreit (Leiter des ZESE Nordbayern am UKW), Geske Wehr (Vorsitzende der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen – ACHSE), Prof. Dr. Tilmann Schweitzer (stellvertretender Sprecher des ZESE Nordbayern), Thomas Zöller (Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung) und Prof. Dr. Matthias Frosch (Dekan der Medizinischen Fakultät Würzburg).
Wie arbeitet das ZESE? Bei dem Verdacht auf eine Seltene Erkrankung, aber bislang unklarer Diagnose, bespricht am ZESE ein interdisziplinäres Board alle Fälle anhand von übersandten Befunden. Wenn erforderlich, werden weitere Untersuchungen über die Hausärztin beziehungsweise den Hausarzt der Betroffenen oder über andere Kliniken angefordert. Auch eine persönliche Vorstellung im Würzburger Zentrum ist möglich. „Wenn wir dann eine Seltene Erkrankung identifiziert haben, können wir die Patientinnen und Patienten an eines der 22 Fachzentren am UKW überweisen oder durch gute externe Kontakte auch an für die jeweilige Krankheit spezialisierte Einrichtungen vermitteln – und zwar gegebenenfalls europaweit“, erläutert Prof. Hebestreit. Wichtige Kooperationspartner sind die anderen Referenzzentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland sowie Betroffenenorganisationen. Das geschilderte Vorgehen bei unklarer Diagnose wurde in dem vom Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Projekt „ZSE-DUO“ an elf Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland untersucht. Das von Würzburg koordinierte Projekt zeigte, dass mit der weiterentwickelten, innovativen Versorgung bei rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten, die durch das ZESE in Würzburg untersucht werden, die Symptome durch neu gestellte Diagnosen erklärt werden können. Menschen mit einer bereits diagnostizierten Seltenen Erkrankung, aber auch ihre betreuenden Ärztinnen und Ärzte, können das ZESE als Lotsen nutzen, um die richtige Anlaufstelle für die jeweilige Erkrankung im Gesundheitssystem zu finden. Was bringt das BASE-Netz? Das BASE-Netz ist ein im Jahr 2018 gestarteter Zusammenschluss der Zentren für Seltene Erkrankungen der sechs bayerischen Uniklinika in Würzburg, Regensburg, Erlangen, München (TU und LMU) und Augsburg. Zusammen mit dem Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen entwickelten diese ein Online-Portal zur bayernweiten IT-medizinischen Vernetzung speziell für Seltene Erkrankungen. Durch die im BASE-Netz-Portal elektronisch erfassten und transferierbaren Patientendaten soll die fachärztliche Beratung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen auch außerhalb der Ballungszentren zunächst bayernweit verbessert werden. Prof. Hebestreit fungiert zusammen mit Prof. Dr. Mark Berneburg vom Zentrum für Seltene Erkrankungen Regensburg als Leiter von BASE-Netz.
Für die Diagnosestellung bei Menschen mit Seltenen Erkrankungen arbeiten Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen im ZESE eng zusammen.
Statements aus der Jubiläumsveranstaltung
„Diese Zentren innerhalb der Universitätsmedizin, wie das in Würzburg, sind eine sehr wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die oft lange nach einer passenden Behandlung suchen. Neben der Versorgung werden dort auch standortübergreifend Forschungsprojekte initiiert, um die Behandlung zu verbessern.“
„Der 29. Februar ist der ‚Tag der Seltenen Erkrankungen‘. Zusammen sind die ‚Seltenen‘ aber Viele. Allein in Bayern sind etwa 600.000 Menschen betroffen. Patientendaten können Forschungserfolge beschleunigen. Patientenbeteiligung ist daher unerlässlich!“
„Mit beeindruckendem Engagement und der notwendigen Portion Idealismus haben Prof. Hebestreit und sein Team hier in Würzburg einen Ort geschaffen, der weit mehr ist als nur eine medizinische Einrichtung. Ihr Zentrum ist ein Leuchtturm in der Versorgung geworden, der Menschen mit Seltenen Erkrankungen Sicherheit und Orientierung gibt.“
„Hier werden die mit der Patientenselbsthilfe erarbeiteten Qualitätskriterien für Zentren für Seltene Erkrankungen gelebt. (…) Danken möchten wir insbesondere Prof. Dr. Helge Hebestreit: für sein bisheriges Engagement und die Energie, die er mit Herzblut und dabei stets nahbar für seine Patientinnen und Patienten in seine Arbeit und dieses Zentrum einbringt.“
„Gerade bei einer seltenen Erkrankung ist es wichtig, dass alle Daten für die behandelnden Mediziner schnell verfügbar sind. Die Zusammenarbeit der bayerischen Zentren im BASE-Netz hat Vorbildcharakter. Davon profitieren die Patientinnen und Patienten und alle, die an der Behandlung beteiligt sind.“
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit
Thomas Zöller, Abgeordneter im Bayerischen Landtag sowie Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung
Eva Luise Köhler, Stiftungsratsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE)
Geske Wehr, Vorsitzende der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE)
Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention
Statements aus der Jubiläumsveranstaltung
„Diese Zentren innerhalb der Universitätsmedizin, wie das in Würzburg, sind eine sehr wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die oft lange nach einer passenden Behandlung suchen. Neben der Versorgung werden dort auch standortübergreifend Forschungsprojekte initiiert, um die Behandlung zu verbessern.“
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit
„Der 29. Februar ist der ‚Tag der Seltenen Erkrankungen‘. Zusammen sind die ‚Seltenen‘ aber Viele. Allein in Bayern sind etwa 600.000 Menschen betroffen. Patientendaten können Forschungserfolge beschleunigen. Patientenbeteiligung ist daher unerlässlich!“
Thomas Zöller, Abgeordneter im Bayerischen Landtag sowie Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung
„Mit beeindruckendem Engagement und der notwendigen Portion Idealismus haben Prof. Hebestreit und sein Team hier in Würzburg einen Ort geschaffen, der weit mehr ist als nur eine medizinische Einrichtung. Ihr Zentrum ist ein Leuchtturm in der Versorgung geworden, der Menschen mit Seltenen Erkrankungen Sicherheit und Orientierung gibt.“
Eva Luise Köhler, Stiftungsratsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE)
„Hier werden die mit der Patientenselbsthilfe erarbeiteten Qualitätskriterien für Zentren für Seltene Erkrankungen gelebt. (…) Danken möchten wir insbesondere Prof. Dr. Helge Hebestreit: für sein bisheriges Engagement und die Energie, die er mit Herzblut und dabei stets nahbar für seine Patientinnen und Patienten in seine Arbeit und dieses Zentrum einbringt.“
Geske Wehr, Vorsitzende der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE)
„Gerade bei einer seltenen Erkrankung ist es wichtig, dass alle Daten für die behandelnden Mediziner schnell verfügbar sind. Die Zusammenarbeit der bayerischen Zentren im BASE-Netz hat Vorbildcharakter. Davon profitieren die Patientinnen und Patienten und alle, die an der Behandlung beteiligt sind.“
Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention
Illustrationen: Olga Rai - stock.adobe.com | Portraitbilder: Angie Wolf / Bild: Susie Knoll © Stimmkreisbüro JudithGerlach