Bewegung ohne Kontrolle
Hüpfen, laufen, springen: Bewegung ist Teil der kindlichen Entwicklung. Fehlfunktionen im Gehirn können schwere Bewegungsstörungen auslösen.

PD Dr. Delia Lorenz
Fachärztin für Neurologie, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)

Bewegungsstörungen bei Kindern können harmlos sein und sich von selbst bessern. Aber manchmal sind sie Zeichen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung: „Sie gehen oft mit einem Bewegungsüberschuss einher, wie Zittern und plötzlichen unkontrollierten Muskelkontraktionen“, so PD Dr. Delia Lorenz.
„Basalganglien sind eine Schaltzentrale im Gehirn, die für Bewegungen eine zentrale Rolle spielt“, erklärt die Fachärztin für Neurologie am Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) des UKW. „Ist deren Funktion gestört, können Bewegungsstörungen auftreten, die Alltagstätigkeiten und die Lebensqualität beeinträchtigen.“
Störungen der Bewegungszentrale im Gehirn
Dazu zählt eine spezielle Form der Chorea, eine Erkrankung, die etwa infolge einer Infektion mit Streptokokken-Bakterien, bei der das Immunsystem überreagiert und die Funktion der Basalganglien schädigt, auftritt. Betroffene bewegen sich plötzlich, schnell und unregelmäßig, oft mit verdrehten oder gewundenen Körperhaltungen. „Zur Behandlung setzen wir auf Methoden, die das Immunsystem beeinflussen und überschießende autoimmunologische Kreuzreaktionen gegen Zellen des Gehirns verringern“, so Dr. Lorenz. „Das können Medikamente sein. Oder eine Blutwäsche, die Antikörper entfernt, die zu den Fehlfunktionen des Gehirns führen.“
Zu kindlichen Bewegungsstörungen gehören auch Dystonien: unwillkürliche, wiederholte Muskelkontraktionen mit schmerzhaften, abnormalen Haltungen. Das Uniklinikum bietet verschiedene Therapien zur Verbesserung der Symptome und so auch der Lebensqualität an, wie Botulinumtoxin-Injektionen: Der Wirkstoff reguliert die Steuerung von Nervensignalen an die Muskeln, was unkontrollierte Bewegungen reduziert. Die Tiefe Hirnstimulation ist eine weitere effektive Therapieoption. „Dabei werden sehr feine Elektroden im Gehirn verankert, die mit elektrischen Impulsen überaktive Zellen im Gehirn hemmen und so Symptome lindern“, erklärt Dr. Delia Lorenz.
„Bei manchen Störungen leiden die Eltern mehr als die Kinder“, weiß die Ärztin. So bei Tics, also Geräuschen oder Bewegungen wie Zucken oder Blinzeln, die Kinder unwillkürlich machen.
Es gilt, die Lebensqualität zu verbessern
Unabhängig von Art und Schwere der Bewegungsstörung wollen die Spezialistinnen und Spezialisten am Uniklinikum den Betroffenen Beschwerdefreiheit oder -linderung verschaffen, die bestmögliche Beteiligung am Alltag ermöglichen und Angehörige entlasten. Und Dr. Delia Lorenz zeigt sich zuversichtlich: „Wie bei Muskelerkrankungen, die vor Kurzem als nicht therapierbar galten, stehen uns heute auch bei Bewegungsstörungen zunehmende Behandlungsoptionen zur Verfügung.“